Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.04.2012, Az.: 10 UF 46/12

Gebührenermäßigung durch Rücknahme der Beschwerde in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Erklärung der Kostenübernahme des Beschwerdeverfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.04.2012
Aktenzeichen
10 UF 46/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 13922
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0420.10UF46.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - AZ: 602 F 3498/11

Fundstellen

  • AGS 2012, 292-294
  • FPR 2012, 8
  • FamRB 2012, 280
  • JurBüro 2012, 377-378
  • NJW-Spezial 2012, 412-413
  • RVGreport 2012, 475-476

Amtlicher Leitsatz

Die nach Beschwerdebegründung gegenüber dem Gericht erklärte Rücknahme der Beschwerde hat in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur dann eine Gebührenermäßigung (nach Nrn. 1315, 1324, 1412, 1424 KV FamGKG) zur Folge, wenn sie mit der Erklärung verbunden ist, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu übernehmen.

In der Familiensache
...
hier: Erinnerung gegen den Kostenansatz
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die Erinnerung des Antragsgegners gegen den Kostenansatz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht G. und H. am 20. April 2012
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Für das Beschwerdeverfahren sind Gerichtsgebühren nicht zu erheben.

  2. 2.

    Die Schlußkostenrechnung der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichtes vom 21. März 2012 sowie die darauf beruhende Kostenrechnung des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 26. März 2012 werden aufgehoben.

Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 57 Abs. 8 FamGKG).

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf schuldrechtliche Ausgleichsrente nach § 20 VersAusglG geltend gemacht. Mit Beschluß vom 9. Januar 2012 hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständiger Ausgleichsrentenbeträge sowie zur teilweisen Abtretung seines laufenden Anspruchs gegen den Versorgungsträger verpflichtet; dabei war eine Berechnung zugrunde gelegt, die nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Gegen diesen, ihm am 17. Januar 2012 zugestellten Beschluß hat der Antragsgegner mit am 13. Februar 2012 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt; in dieser Beschwerdeschrift hat er unter vier Ziffern bereits inhaltliche Ausführungen zur Begründung seines Beschwerdebegehrens gemacht. Das Amtsgericht hat die Beschwerde dem Oberlandesgericht vorgelegt, wo die Akte am 2. März 2012 eingegangen ist.

2

Nachdem dem Antragsgegner durch das Amtsgericht ein Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin über eine vergleichsweise angebotene Regelung zu einem zentralen Beschwerdegesichtspunkt zugeleitet worden war und dieser das Angebot angenommen hatte, hat er mit am 5. März 2012 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz die Rücknahme seiner Beschwerde erklärt.

3

Der Senat hat mit Beschluß vom 8. März 2012 dem Antragsgegner gemäß § 84 FamFG die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten auferlegt und den Beschwerdewert auf 1.000€ festgesetzt.

4

Die Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts hat mit Schlußkostenrechnung vom 21. März 2012 nach KV 1322 FamGKG einen vom Antragsgegner einzuziehenden Betrag von 165 € angesetzt, der mit Kostenrechnung des Amtsgerichts vom 26. März 2012 gegenüber dem Antragsgegner aufgegeben worden ist.

5

Gegen diesen Kostenansatz richtet sich die am 2. April 2012 erhobene Erinnerung des Antragsgegners. Er macht zum einen geltend, daß im Hinblick auf die von ihm alsbald erklärte Rücknahme der Beschwerde nicht gemäß KV 1322 FamGKG drei Gebühren, sondern richtigerweise allenfalls gemäß KV 1324 FamGKG eine Gebühr zu erheben sei. Zum anderen verweist er darauf, daß die Beschwerde allein durch Fehler in der Entscheidung des Amtsgerichtes erforderlich geworden sei; erst nachdem diesen Fehlern durch die vergleichsweise Regelung der beteiligten Eheleute zumindest in einem zentralen Punkt Rechnung getragen worden sei, habe er seine Beschwerde zurücknehmen können.

6

Die Kostenbeamtin des Oberlandesgerichtes hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Bezirksrevisor bei dem Oberlandesgericht hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, daß er die Erinnerung für zulässig jedoch unbegründet erachte. Die Kostenrechnung beruhe auf der Kostenentscheidung des Senats vom 8. März 2012. Die erhobene Gebühr nach KV 1322 FamGKG sei entstanden, ein Gebührenermäßigungstatbestand liege nicht vor; es sei eine Endentscheidung einschließlich Entscheidung über die Kosten in einer Familiensache ergangen. Inwieweit gegebenenfalls eine Anwendung von§ 20 FamGKG in Betracht komme, stehe im Ermessen des Senats.

7

Der als Einzelrichter gemäß § 57 Abs. 5 Satz 1 FamGKG originär zur Entscheidung berufene Berichterstatter hat das Erinnerungsverfahren gem. § 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

8

II.

Die gemäß § 57 FamGKG eröffnete Erinnerung des Antragsgegners gegen den Kostenansatz ist ohne weitere Voraussetzungen zulässig und hat in der Sache Erfolg; sie führt wie aus dem Tenor ersichtlich zur Nichterhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sowie zur Aufhebung des Kostenansatzes.

9

1. Dies beruht allerdings nicht etwa auf einem Fehler der Kostenbeamtin im Rahmen des Kostenansatzes. Wie bereits vom Bezirksrevisor zutreffend ausgeführt, entspricht der Kostenansatz der Kostengrundentscheidung des Senates und einer zutreffenden Anwendung der gebührenrechtlichen Bestimmungen und weist auch rechnerisch keine Fehler auf.

10

a. Nach der Systematik der Gebührentatbestände des FamGKG entstehen regelmäßig bereits mit der Einleitung eines Beschwerdeverfahrens sämtliche Gebühren in je nach Art und Instanz unterschiedlicher Höhe; allein bei späterem Eingreifen besonderer Qualifikationstatbestände kann es zu einer Gebührenermäßigung kommen. Insofern hat der Gesetzgeber das noch in §§ 131, 131a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 99 KostO herrschende Prinzip der wesentlichen Anknüpfung erst an qualifizierte Beendigungstatbestände nicht fortgeführt.

11

Im - vorliegenden - Fall der Beschwerde gegen die erstinstanzliche Endentscheidung in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der es sich nicht um eine Kindschaftssache handelt, ist dies für das Verfahren im Allgemeinen der Gebührentatbestand Nr. 1322 KV FamGKG, der 3,0 Gebühren vorsieht und anzuwenden ist, soweit nicht einer der nachfolgenden Gebührentatbestände des Unterabschnitts 2 zu einer Ermäßigung führt.

12

Die Gebühr nach Nr. 1322 KV FamGKG entsteht zunächst in voller Höhe mit der Einreichung der Beschwerde, was im vorliegenden Verfahren mit dem am 13. Februar 2012 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben des Antragsgegners erfolgt ist.

13

b. Der zu einer Ermäßigung der Gebühr auf 0,5 führende Tatbestand der Nr. 1323 KV FamGKG ist im Streitfall nicht erfüllt. Er setzt - allein - die Beendigung des gesamten Verfahrens durch Zurücknahme der Beschwerde oder des Antrages voraus, bevor die Schrift zur Begründung der Beschwerde bei Gericht eingegangen ist.

14

Vorliegend enthielt bereits die am 13. Februar 2012 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerdeschrift eine ausführliche inhaltliche Begründung. Die Rücknahme der Beschwerde ist erst am 5. März 2012 beim Amtsgericht bzw. am 8. März 2012 beim Oberlandesgericht eingegangen. Insofern bedarf es hier auch keiner weiteren Überlegungen dazu, ob bei einer bereits in der Beschwerdeschrift enthaltenen Begründung für den maßgeblichen Eingang der "Schrift zur Begründung der Beschwerde bei Gericht" auf das Amtsgericht oder das Oberlandesgericht abzustellen ist - die Rücknahme ist selbst gegenüber dem Amtsgericht erst nach Eingang der die Begründung mitenthaltenden Beschwerdeschrift beim Oberlandesgericht erklärt worden.

15

c. Auch der zu einer Ermäßigung der Gebühr auf 1,0 führende Tatbestand der Nr. 1324 KV FamGKG ist vorliegend nicht erfüllt. Dieser Tatbestand setzt eine "Beendigung des gesamten Verfahrens ohne Endentscheidung" voraus und geht insofern über die Voraussetzungen des Nr. 1323 KV FamGKG hinaus, nach denen innerhalb des Zeitraumes bis zu einer Begründung die Beendigung des gesamten Verfahrens durch die Rücknahme ausreicht. Nach der - auch im Rahmen des FamGKG maßgeblichen - Legaldefinition in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamGKG liegt eine "Endentscheidung" vor, "soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird". Somit handelt es sich aber auch dann um eine Endentscheidung, wenn das Gericht mit einer isolierten Entscheidung zu den Kosten gemäߧ 83 FamFG (ggf. in Verbindung mit §§ 81, 84 FamFG) über den letzten noch anhängigen Verfahrensgegenstand entscheidet (vgl. Zöller29-Feskorn, FamFG § 38 Rz. 3 m.w.N.). Zu einer solchen Kostenentscheidung ist das Gericht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG in Familiensachen stets verpflichtet.

16

Dem entsprechend ist in Anm. Abs. 2 zu Nr. 1324 (wie auch zu Nrn. 1315, 1412, 1424 sowie 1212) KV FamGKG angeordnet, daß eine Entscheidung über die Kosten der Ermäßigungdann nicht entgegensteht, wenn die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung über die Kostentragung oder einer Kostenübernahmeerklärung folgt. Die nach Beschwerdebegründung gegenüber dem Gericht erklärte Rücknahme der Beschwerde hat in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit mithin nur dann die Gebührenermäßigung nach Nr. 1324 (entsprechend Nrn. 1315, 1412, 1424) KV FamGKG zur Folge, wenn sie mit der Erklärung verbunden ist, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu übernehmen.

17

d. Ein solches Verständnis der Bestimmung über die Gebührenermäßigung im Fall der Beschwerderücknahme in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit steht auch nicht in einem Spannungsverhältnis zu den kostenrechtlichen Regelungen für vergleichbare Situationen (vgl. zum weitgehenden gesetzgeberischen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum etwa BVerfG - Kammerbeschluß vom25. August 1999 - 1 BvL 9/98 - NJW 1999, 3549 f. m.w.N.). Allen genannten Ermäßigungstatbeständen liegt eine Endentscheidung des Beschwerdegerichtes über die verbliebenen Kosten zugrunde, die nicht durch das Gesetz abschließend festgelegt ist, sondern vielmehr ein Ermessen beläßt (vgl. dazu etwa Zöller29-Herget, FamFG § 84 Rz. 7 m.w.N.), welches vom Gericht ausgeübt werden muß. In vergleichbaren Konstellationen, in denen das Gericht eine nach §§ 269 Abs. 3 Satz 3 bzw. 91a ZPO nicht abschließend im Gesetz festgelegte Kostenentscheidung zu treffen hat, schließen aber gerade auch etwa die Gebührentatbestände des GKG - so z.B. Nr. 111 Nr. 1 und 4, 1222 Nr. 4 KV GKG - eine Ermäßigung aus.

18

Nicht zuletzt eröffnen § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG dem (Beschwerde-) Gericht zudem grundsätzlich auch die Möglichkeit, im Rahmen der Kostenentscheidung nur eine teilweise Erhebung der Gerichtskosten anzuordnen.

19

2. Die Erinnerung hat jedoch vorliegend Erfolg aufgrund der vom Senat auszusprechenden Anordnung der Nichterhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 20 FamGKG.

20

a. Wie der Senat bereits mit Beschluß vom 21. Februar 2011 (10 UF 159/10 - FamRZ 2011, 1325 f. = NdsRpfl 2011, 209 f. = BeckRS 2011, 04030 = [...] = JurBüro 2011, 310 [Ls]) ausgesprochen hat, kann im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz auch geltend gemacht werden, gemäß § 20 FamGKG sei eine Nichterhebung der Gerichtskosten geboten, soweit diese Frage nicht bereits ersichtlich im Rahmen der Kostenentscheidung geprüft worden ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

21

b. Auch in der Sache zutreffend macht der Antragsgegner geltend, daß die amtsgerichtliche Entscheidung mit einer nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Berechnung der Ausgleichsrente einen offensichtlichen und schweren Fehler bei der Rechtsanwendung enthält, der die Einleitung eines Beschwerdeverfahrens erforderlich und geboten machte und eine Nichterhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG begründet.