Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.04.2012, Az.: 7 U 234/11

Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung gem. § 648a BGB nach einer insolvenzbedingten Vertragskündigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.04.2012
Aktenzeichen
7 U 234/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 17051
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0425.7U234.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 18.10.2011 - AZ: 5 O 113/11

Fundstellen

  • BauR 2014, 1801
  • BauR 2012, 1441
  • BauR 2012, 1808-1810
  • IBR 2012, 391
  • MDR 2012, 964-965
  • NZBau 2012, 702-704
  • NZBau 2012, 6
  • ZAP EN-Nr. 4/2013
  • ZInsO 2012, 1949-1952

In dem Rechtsstreit
A. G. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer A. L., ...,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
Rechtsanwalt R. K. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. B. GmbH, ...,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 18. Oktober 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 990.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung, gemäß § 648 a BGB Sicherheit zu lei-sten, obwohl der Bauvertrag von der Beklagten als Auftraggeberin wegen des im Laufe des Bauvorhabens gestellten Insolvenzantrags der jetzigen Insolvenzschuldnerin als Auftragnehmerin gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B gekündigt worden ist.

2

Die Insolvenzschuldnerin hatte als Generalunternehmerin den Neubau eines Alten- und Pflegeheims in W. zum Pauschalpreis von 3.515.000 € übernommen (vgl. Generalunternehmervertrag Anlage K 1; Bl. 7 ff. d. A.). Im Laufe der Bauausführung wurden die Abschlagsrechnungen Nr. 1 bis Nr. 9 über insgesamt 1.881.861,24 € erstellt, und zwar im Zeitraum von 6. Juli 2010 bis zum 12. Januar 2011. Diese Rechnungen sind von der Beklagten auch bezahlt worden.

3

Unter dem 4. Februar 2011 erstellte die Schuldnerin die zehnte Abschlagsrechnung über 708.614,58 € netto. Diese Abschlagsrechnung wurde von der Beklagten, die die sachliche Richtigkeit und Fälligkeit dieser Rechnung unter Berücksichtigung des Bautenstandes bestreitet, nicht bezahlt.

4

Zugleich verlangte die Schuldnerin mit Schreiben vom 4. Februar 2011 "wegen unseres Vorleistungsrisikos gemäß § 648 a Abs. 1 BGB" Sicherheit in Höhe von 2.050.000 € netto. Weiter heißt es, es werde gleichzeitig als Anlage eine Abschlagsrechnung beigefügt (Anlage B 1; Bl. 72 d. A.).

5

Mit gemeinsamen Schreiben vom 25. Februar 2011 teilten der Kläger und die Schuldnerin der Beklagten mit, die Schuldnerin habe aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag; das vorläufige Insolvenzverfahren sei mit Beschluss vom 24. Februar 2011 (Bl. 57 d. A.) eröffnet worden. Gleichwohl sei man bemüht, das Bauvorhaben erfolgreich zum Abschluss zu bringen (Anlage B 4; Bl. 104 d. A.).

6

Mit Schreiben vom 7. April 2011 kündigte die Beklagte den Generalunternehmervertrag vom 1. Juni 2010 gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B (Anlage K 3, Bl. 43 d. A.). Im Berufungsrechtszug hat der Kläger mittlerweile mit Schriftsatz vom 14. Feb-ruar 2012 die Schlussrechnung vom 15. Juli 2011 über 1.098.545,51 € netto vorgelegt (Anlage BB 1 im Anlagenhefter). Unstreitig ist das Bauvorhaben von der Beklagten mit einem Drittunternehmen vollendet worden, wobei die Beklagte hierdurch bedingte Mehrkosten von 1,2 Mio. € behauptet.

7

Der Kläger behauptet, bis zur Kündigung der Beklagten und Einstellung der Arbeiten sei die geschuldete Leistung etwa zu 70 % erbracht gewesen. Die zehnte Abschlagsrechnung über 708.614,58 € sei am 4. Februar 2011 nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen sowie des tatsächlichen Bautenstandes geltend gemacht worden. Insgesamt sei als Werklohn ein übersteigender Betrag, wie mit der Schlussrechnung mittlerweile abgerechnet, geschuldet. Aufgrund der Kündigung des Generalunternehmervertrages werde gleichwohl nur das Sicherheitsinteresse hinsichtlich der nicht geleisteten zehnten Abschlagszahlung in Höhe von 708.614,58 € zzgl. Nebenforderung in Höhe von 10 % (70.861,46 €) gemäß § 648 a Abs. 1 BGB geltend gemacht.

8

Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, entgegen der Argumentation der Beklagten könne die Insolvenzschuldnerin die Sicherheit unabhängig davon beanspruchen, dass die Beklagte zum einen erhebliche Mängel behauptet sowie den Bautenstand bestritten, zum anderen den Generalunternehmervertrag unter Berufung auf den von der Auftragnehmerin gestellten Insolvenzantrag nach § 8 Abs. 2 VOB/B gekündigt hat. § 648 a Abs. 1 a. F. BGB habe nur die Vorleistungspflicht des Werkunternehmers absichern sollen. Die aktuelle Neufassung der Vorschrift, die hier zur Anwendung kommt, gehe darüber hinaus. Danach solle der Werklohnanspruch des Unternehmers im Hinblick auf das Risiko einer Insolvenz des Bestellers unabhängig davon abgesichert werden, ob die Werkleistung mit Mängeln behaftet oder noch nicht fertiggestellt sei oder ob eine Vorleistungspflicht des Unternehmers gar nicht mehr bestehe, sei es deshalb, weil die Leistung schon vollständig erbracht sei, sei es deshalb, weil der Vertrag von der einen oder der anderen Seite wirksam gekündigt worden sei.

9

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß zur Sicherheitsleistung verurteilt. Insoweit wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

10

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die nach wie vor die Rechtsauffassung der Klägerin, welcher das Landgericht gefolgt ist, bekämpft. Die Beklagte meint, auch in der aktuellen Gesetzesfassung hinge die Verpflichtung des Bestellers zur Erbringung einer Sicherheit davon ab, dass der Werkvertrag und die daraus folgende Vorleistungspflicht des Unternehmers überhaupt noch bestehe. Ferner sei Voraussetzung - zumindest sei das Gesetz in diesem Sinne einschränkend auszulegen -, dass der Auftragnehmer als aktives, schutzwürdiges Unternehmen noch bestehe, was beim Eintritt der Insolvenz nicht mehr der Fall sei. Sei diese Voraussetzung, wie im vorliegenden Fall, nicht gegeben, entfalle auch das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers. Im Übrigen sei es hier auch treuwidrig, Sicherheit zu verlangen. Denn tatsächlich schulde sie, die Beklagte, keinen Werklohn mehr. Die ersten neun Abschlagsrechnungen seien berechtigt gewesen und von ihr auch bezahlt worden. Weitergehende Ansprüche bestünden aufgrund des Bautenstandes bei Abbruch des Vertragsverhältnisses jedoch nicht. Bleibe es dennoch bei der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung, wie vom Landgericht ausgeurteilt, sei damit zu rechnen, dass der Kläger als Insolvenzverwalter die Sicherheit in Anspruch nehme. Sollte er damit Erfolg haben und sollte sich dann später herausstellen, dass der gesicherte Vergütungsanspruch nicht besteht, sei die Rückzahlung der Sicherheitssumme gefährdet. Zwar stelle der Rückforderungsanspruch eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 InsO dar, die vor einer Insolvenzforderung befriedigt werde. Dies gelte allerdings vorbehaltlich, dass die Insolvenzmasse zu befriedigen aller Masseverbindlichkeiten ausreiche. Hinzu komme noch der im fünfstelligen Bereich liegende Anspruch auf Kostenerstattung nach § 648 a III 1 BGB, dessen Realisierbarkeit fraglich sei.

11

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft insoweit seine Rechtsausführungen zur Reichweite der Verpflichtung des Bestellers aus § 648 a BGB.

14

In tatsächlicher Hinsicht wiederholt der Kläger die Behauptung, die zehnte Abschlagsrechnung sei aufgrund des Bautenstandes zutreffend und daher zu Recht erstellt worden. Er behauptet, unter Verweis auf die nunmehr vorgelegte Schlussrechnung, dass der Restwerklohnanspruch tatsächlich noch mehr als eine Million Euro netto betrage. Auch sei das Bauvorhaben von der Schuldnerin weitgehend ohne Mängel erstellt worden.

15

Wegen des Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

16

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt im Ergebnis jedoch ohne Erfolg.

17

Der Generalunternehmervertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten vom 1. Juni 2010 ist tatsächlich gescheitert und nicht zu Ende geführt worden. Die Beklagte hatte diesen Vertrag wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz der Schuldnerin Anfang April 2011 nach § 8 Abs. 2 VOB/B gekündigt (Bl. 43 d. A.). Dieser Kündigung war der Kläger mit vorprozessualem Schreiben vom 14. April 2011 zwar zunächst entgegen getreten (Anlage K 4; Bl. 47 f. d. A.). Dessen ungeachtet hat die Schuldnerin keine weiteren Leistungen mehr erbracht, das Bauvorhaben ist von der Beklagten mit Hilfe eines Drittunternehmens beendet worden und der Kläger hat unter Berücksichtigung der tatsächlich erbrachten Lei-stung unter dem 15. Juli 2011 Schlussrechnung gelegt. Damit steht fest, dass die Erbringung weiterer Bauleistungen durch die Insolvenzschuldnerin nicht mehr in Betracht kommt, sondern der Bauvertrag nach Maßgabe der bisher erbrachten Leistungen abzurechnen ist.

18

Ob und ggf. in welcher Höhe der Schuldnerin danach ein Restwerklohnanspruch noch zusteht und ob und ggf. in welcher Höhe aufgrund von Mängeln sowie wegen der Mehrkosten für die Fertigstellung durch das Drittunternehmen zur Aufrechnung gestellt werden können, ist bislang ungeklärt. Feststellungen hierzu sind nicht getroffen worden. Insoweit fehlt es auch im vorliegenden Verfahren an einem ausreichend substantiierten Vortrag beider Parteien.

19

Nach dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck des § 648 a n. F. kommt es hierauf aber auch nicht an. Denn danach kann der Werkunternehmer ohne Rücksicht auf die fehlende Fertigstellung, vorhandene Mängel oder sonstige aufrechenbare Gegenansprüche Sicherheit für die vereinbarte Vergütung verlangen, soweit diese noch nicht, etwa durch Abschlagszahlung, geleistet wurde. Da die hier in Höhe der zehnten Abschlagsrechnung verlangte Sicherheit von 708.614,58 € deutlich unter dem vereinbarten Werklohn von 3.515.000 € abzüglich der geleisteten Abschläge in Höhe von 1.881.861,24 € liegt, kann der Kläger grundsätzlich die begehrte Sicherheit nach Grund und Höhe beanspruchen. Die der Beklagten möglicherweise zustehenden Gegenforderungen aufgrund mangelhafter Bauausführung, verzögerter Bauausführung sowie entstandener Mehrkosten aufgrund der insolvenzbedingten Kündigung können gemäß § 648 I 4 BGB nicht aufgerechnet werden, weil diese weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt sind.

20

Nach alledem hängt die Entscheidung über die Berufung von der zwischen den Parteien umstrittenen Rechtsfrage ab, ob § 648 a BGB auch dann Anwendung findet, wenn das Vertragsverhältnis (vom Besteller) durch wirksame Kündigung beendet worden und der Auftragnehmer in Insolvenz geraten ist. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass in einem solchen Fall, weil keinerlei Vorleistungspflicht des Unternehmers mehr bestehe, das Sicherungsinteresse, welches § 648 a BGB voraussetze, nicht mehr gegeben sei und Sicherheit nicht mehr beansprucht werden könne.

21

Sowohl das Landgericht im vorliegenden Verfahren als auch die unter Bezug genommene Rechtsprechung anderer Landgerichte, die dies ähnlich beurteilt haben, übersehe, dass § 648 a BGB nach Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend einengend auszulegen sei.

22

Der Rechtsauffassung der Beklagten, die Vorschrift des § 648 a BGB müsse einengend ausgelegt werden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr folgt der Senat der ganz überwiegend in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur vertretenen gegenteiligen Meinung.

23

Zwar hat das Landgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 16. Juli 2010 das die Auffassung vertreten, jedenfalls dann, wenn der Unternehmer selbst sein Wahlrecht ausgeübt und gekündigt habe und eine Vorleistungspflicht seinerseits nicht mehr in Betracht komme, bestehe kein Anspruch mehr, Sicherheit nach § 648 a BGB zu fordern (NJW-RR 2011, 312 [LG Hamburg 16.07.2010 - 325 O 469/09]). Demgegenüber haben andere Landgerichte die gegenteilige Auffassung vertreten, wonach das Recht, Sicherheit zu verlangen, unabhängig von einer Kündigung des Vertrages, egal von welcher Partei, sei. So hat das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 3. Dezember 2010 zwar gemeint, in dem vom Landgericht Hamburg entschiedenen Fall, in dem der Unternehmer selbst ein Wahlrecht ausgeübt habe, möge es sein, dass keine Sicherheit mehr beansprucht werden könne. Jedenfalls dann, wenn der Besteller gekündigt habe, gelte dies jedoch nicht. Nach Sinn und Zweck des § 648 a BGB könne eine Kündigung des Bestellers den Sicherheitsanspruch des Unternehmers nicht beseitigen. Der Anspruch aus § 648 a BGB werde bereits mit Abschluss des Werkvertrages fällig. Der Unternehmer solle ausweislich der Gesetzesmaterialien vor der Insolvenzgefahr des Bestellers geschützt werden. Der Gesetzgeber habe bedacht, dass der Besteller Sicherheit auch noch leisten müsse, wenn der Unternehmer mangelhafte gearbeitet habe und das Sicherheitsverlangen erst nach Erhebung der Mängelrügen erhebe. Der Gesetzgeber habe dem Unternehmer einen schnell durchsetzbaren Anspruch auf eine Sicherheit gewähren wollen. Daher könne auch eine mögliche Kündigung des Werkvertrages dem Anspruch nicht entgegenstellen, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass der Besteller diesen Anspruch durch eine Kündigung unterlaufe. Insoweit schließe sich das Landgericht der in der Kommentarliteratur bei Staudinger vertretenen Auffassung an (LG Stuttgart BauR 2011, 728, Rn. 33 m. Hinw. auf Staudinger).

24

In der Entscheidungsbesprechung von Plank (jurisPR-PrivBauR 2/2011 Anm. 3) wird hierzu ausgeführt, gegen die Auffassung des Landgerichts Stuttgart könne zwar sprechen, dass der Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses schlussrechnen und den von ihm noch beanspruchten Restwerklohn einklagen könne. Jedoch spreche der Wortlaut des § 648 a BGB wie auch die Gesetzesbegründung dafür, dass ein Anspruch auf Sicherheitsleistung auch dann bestehen solle, wenn der Unternehmer seinen Vergütungsanspruch bereits durchsetzen könne. Gemäß § 648 a Abs. 1 Satz 4 BGB blieben Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen könne, bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, sofern sie nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind. In der Gesetzesbegründung werde hierzu ausgeführt, dass der Unternehmer ansonsten im Streit über die Sicherung gezwungen wäre, sich mit der Berechtigung des zur Aufrechnung gestellten Anspruchs des Bestellers auseinander zu setzen. Dies würde dem Zweck der Bauhandwerkersicherung zuwider laufen (BT-Drucks. 16/511, S. 17). Dies bedeute, dass der Unternehmer seinen Anspruch auf Stellung einer Sicherheit schnell durchsetzen können solle, ohne dass in diesem Verfahren auch etwaige Gegenansprüche des Bestellers endgültig überprüft werden müssten oder das Risiko bestehe, dass der Besteller während des laufenden Verfahrens insolvent werde.

25

In seinem Urteil vom 9. Juni 2011 hat das Landgericht Paderborn ebenfalls die Auffassung vertreten, der Anspruch des Unternehmers auf Sicherung des Vergütungsanspruchs bestehe unabhängig von einer Kündigung des Vertrages (BauR 2011, 1704).

26

Schließlich weist auch Schmitz daraufhin, dass die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach der Sicherungsanspruch nur bei Bestehen einer Vorlei-stungspflicht eingreife, überholt sei und nach der Neufassung der Vorschrift hiervon gerade nicht mehr abhänge (Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 30.03.2012, § 648 a BGB, Rn. 5, 30 und 74 ff.).

27

Der Senat schließt sich der in der zitierten Rechtsprechung der Landgerichte und in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung an, das Recht des Unternehmers zur Forderung der Sicherheit nach §§ 648 a BGB in der seit 2009 gültigen, aktuellen Fassung bestehe entsprechend der Intention des Gesetzgebers unabhängig davon, ob eine Vorleistungspflicht nicht mehr in Betracht komme, weil das Vertragsverhältnis (durch den Besteller) gekündigt oder anderweitig gescheitert sei. Ziel des Gesetzgebers war es, wie zutreffend hervorgehoben, dass dem Werkunternehmer eine schnelle Sicherheit gegeben werden sollte, um dann anschließend im Werklohnprozess die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs unter Berücksichtigung etwaiger Gegenansprüche klären zu können. Vor dem Hintergrund der nicht unbeträchtlichen Unternehmensinsolvenzen im Baugewerbe soll dem jeweiligen Auftragnehmer ein wirksames Sicherungsmittel verschafft werden. Dabei soll nach der Neufassung der Vorschrift nicht nur die zukünftige Vorleistungspflicht im noch bestehenden und nicht abgewickelten Bauvertrag geschützt, sondern darüber hinaus gerade auch der Werklohnanspruch des Unternehmers als solcher gesichert werden. Aufrechenbare Gegenansprüche, deren Berücksichtigung nach § 648 I 4 BGB grundsätzlich unberücksichtigt bleiben sollen, bestehen auch vor allem bei beendeten, ins Abrechnungsverhältnis übergegangenen Bauverträgen. Dies spricht gegen die von der Beklagten vertretene einschränkende Auslegung, wonach ein bestehender Bauvertrag ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzungen des § 648 a BGB sei.

28

Etwas anderes kann auch nicht in Fällen wie dem vorliegenden gelten, wenn der Unternehmer, der die Sicherheit begehrt, in Insolvenz geraten ist. Denn das Ziel des Insolvenzverfahrens ist nicht nur die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger, sondern auch die Fortführung und Sanierung des insolventen Unternehmens, soweit eine positive Fortführungsprognose besteht, die dies erlaubt (§§ 1, 19 InsO). Hinzu kommt, dass der Sicherungsgeber die Form der Sicherheit selbst bestimmen darf (vgl. Kniffka/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, a. a. O. § 648 a BGB, Rn. 82 ff.; BeckOK Bamberger/Roth/Voit BGB § 648 a, Rn. 14). Er hat damit die Möglichkeit, die Sicherheit nach § 648 a Abs. 2 Satz 1 BGB zu gewähren. In diesem Fall darf der Sicherungsgeber, so Satz 2 der zitierten Vorschrift, Zahlungen an den Unternehmer nur leisten, soweit der Besteller den Vergütungsanspruch des Unternehmers anerkennt oder durch vorläufig vollstreckbares Urteil zur Zahlung der Vergütung verurteilt worden ist oder wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Zwangsvollstreckung begonnen werden darf. Im Übrigen erscheint durch den Gesetzesgeber nicht als gewollt, dass ein einmal begründeter Anspruch des Bestellers auf Sicherheit nach § 648 a BGB durch Insolvenzantrag oder Insolvenz des Bestellers erlischt.

29

Auch eine Treuwidrigkeit des Klägers ist nicht erkennbar. Die Beklagte macht insoweit geltend, sie habe sich nach Mitteilung der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gegen die Schuldnerin gestellt, sondern im Gegenteil versucht, diese zu stützen. Sie habe das Bauvorhaben zu Ende führen wollen, weshalb mit der Schuldnerin und dem Kläger Gespräche geführt worden seien und ein Konzept habe erstellt werden sollen. Letztlich sei ein solches Konzept aber nicht erstellt worden, sondern stattdessen das Sicherungsverlangen gestellt worden. Tatsächlich habe der Kläger wohl keine Möglichkeit gesehen, noch Leistungen zu erbringen und das Bauvorhaben zu Ende zu führen. Selbst wenn dies aber so gewesen sein sollte, verstößt das Sicherungsverlangen nicht gegen Treu und Glauben. Denn wie vorstehend bereits dargelegt, geht es nicht nur darum, in einem noch bestehenden und noch gelebten Bauvertrag das Risiko des Bauunternehmers zur Erbringung weiterer Vorleistungen abzusichern, sondern es geht auch darum, den (vermeintlich) bereits verdienten Werklohnanspruch des Unternehmers vor dem (hypothetischen) Risiko der Insolvenz der Beklagten zu schützen. Auch wenn der Kläger, aus welchem Grund auch immer, schließlich keine Möglichkeit zur Fortführung des Bauvorhabens gesehen haben mag, hat er das Recht, den bereits verwirklichten Werklohnanspruch, soweit er noch offen steht, abzusichern. Versteht man den Gesetzeszweck von § 648 a BGB in dem Sinne, dass gerade dieses Sicherungsmittel geschaffen werden soll, kann die Inanspruchnahme dieses Rechts nicht als treuwidrig ausgelegt werden. Hinzu kommt, dass, wie dargelegt, das Insolvenzrisiko nicht unangemessen verlagert wird, da die Sicherheit vom Unternehmer nicht beliebig in Anspruch genommen werden kann, soweit der Besteller diese in der nach § 648 a Abs. 2 BGB genannten Form leistet.

30

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, 2 i. v. m. § 711 ZPO.

31

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung des Senats folgt dem Gesetzeswortlaut und steht im Einklang mit der einschlägigen Judikatur und Kommentarliteratur.