Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.01.1997, Az.: V 163/95

Tarifbegünstigung für den Vertrieb von Standard-Software-Programmen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.01.1997
Aktenzeichen
V 163/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 17866
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0116.V163.95.0A

Fundstelle

  • CR 1998, 86 (red. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Umsatzsteuer-Vorauszahlung Januar 1995

Amtlicher Leitsatz

Der Vertrieb von Standard-Software-Programmen wird von der Tarifbegünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c Umsatzsteuergesetz nicht erfaßt

In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 16. Januar 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin des Finanzgerichts ... als Vorsitzende
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Dipl.-Kfm.
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin vertreibt EDV-Software-Programme in der Rechtsform der GmbH. Im Januar 1995 veräußerte sie zwei Standard-Software-Programme an die Zweckverbandsparkasse S. (Käuferin) gegen ein Nettoentgelt von 6.547,50. Die Programme hatte die Klägerin zuvor von der International Business Machines Corporation (IBM) erworben. Eine spezielle Bearbeitung oder Umgestaltung der Programme für Zwecke der Käuferin führte die Klägerin nicht durch. Den Disketten, auf denen die veräußerten Software-Programme gespeichert waren, war ein sog. Beipackzettel über Schutzrechte und Benutzungsumfang beigefügt. Darin gestattete die IBM dem jeweiligen Erwerber der Programme unter bestimmten Voraussetzungen deren Nutzung. Außerdem berechtigte sie ihn zur Übertragung seiner Nutzungsrechte mit der Maßgabe, daß in diesem Falle seine eigenen Nutzungsrechte erlöschen. Im Hinblick auf die Einzelheiten der in dem Beipackzettel getroffenen Regelungen wird auf die zu den Gerichtsakten gelangte Kopie Bezug genommen.

2

Mit ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 1995 meldete die Klägerin die Umsätze aus der Veräußerung der Software an die Käuferin an und unterwarf sie dem gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 c Umsatzsteuergesetz (UStG) ermäßigten Steuersatz. Der Beklagte folgte dem nicht, sondern unterwarf die o.g. Umsätze der Klägerin im Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Januar 1995 vom 31. März 1995 dem Regelsteuersatz.

3

Hiergegen richtet sich die von der Klägerin eingelegte Sprungklage, der der Beklagte innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift zugestimmt hat. Im Klageverfahren hat der Beklagte unter dem 20. November 1996 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 1995 erlassen, den die Klägerin gemäß § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt hat.

4

Die Klägerin begründet die Klage unter Hinweis auf den in § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG vorgesehenen ermäßigten Steuersatz für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben. Sie vertritt die Auffassung, bei der Überlassung der Software-Programme habe es sich um eine sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG gehandelt, weil der geringe Materialwert der Datenträger gegenüber dem geistigen Gehalt der Programme in den Hintergrund trete. Die von ihr, der Klägerin, erbrachte sonstige Leistung bestehe in der Übertragung urheberrechtlich geschützter Rechte, weil das Urheberrechtsgesetz (UrhG) seit der Urheberrechtsnovelle 1993 auch den Rechtsschutz von Computer Programmen umfasse.

5

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 1995 auf 10.083.921,46 DM herabzusetzen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er ist der Meinung, die von der Klägerin ausgeführten Umsätze seien dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Die in § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG vorgesehene Steuerermäßigung komme für die von der Klägerin veräußerten Programme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vorschrift nur auf sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG Anwendung finde. Bei den von der Klägerin ausgeführten Umsätzen habe es sich aber nicht um sonstige Leistungen, sondern um Lieferungen gehandelt. Sonstige Leistungen seien nur bei der Überlassung individuell auf die Bedürfnisse des Anwenders zugeschnittener Software-Programme anzunehmen.

8

Im übrigen greife die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG vorliegend auch deshalb nicht ein, weil die Klägerin der Käuferin lediglich die Benutzung der Programme eingeräumt habe. Hierin sei aber kein urheberrechtlich bedeutsamer Vorgang zu sehen, weil die der Käuferin eingeräumten Befugnisse nicht über die gemäß § 69 d UrhG urheberrechtlich nicht geschützten Mindestbefugnisse hinausgingen.

9

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird die Steuerakten zu St.Nr.: ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

11

Die Klage ist ungeachtet des Fehlens eines Vorverfahrens zulässig, weil der Beklagte ihr innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift gegenüber dem Gericht zugestimmt hat (§ 45 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

12

Die Klage ist aber unbegründet, weil der Beklagte die Überlassung der Software-Programme zu Recht dem Regelsteuersatz unterworfen hat. Die Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c Umsatzsteuergesetz (UStG), bei deren Vorliegen sich die Umsatzsteuer auf 7 v.H. ermäßigt, sind nicht erfüllt. § 12 Abs. 2 Nr. 7 c begünstigt die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergeben. Obwohl sich der Urheberrechtsschutz nach der Urheberrechtsnovelle seit 24. Juni 1993 gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG ausdrücklich auch auf Computerprogramme erstreckt, hat die Klägerin der Käuferin keine urheberrechtlich geschützten Rechte i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 c übertragen oder eingeräumt.

13

Dabei scheitert die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG entgegen der von der Finanzverwaltung in Abschn. 25 Abs. 2 Nr. 7 UStR vertretenen Auffassung nicht am Vorliegen einer Lieferung. Zwar setzt die Tarifbegünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG eine sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG voraus. Auch die Überlassung sogenannter Standardsoftware stellt aber eine solche sonstige Leistung dar. Die Annahme einer Lieferung scheidet angesichts des Lieferungsbegriffs des § 3 Abs. 1 UStG aus. Dieser beinhaltet die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand. Der bei der Überlassung von Standardsoftware übergebene Datenträger tritt in seiner Bedeutung völlig hinter den geistigen Gehalt des Programms zurück.

14

Die Tarifbegünstigung scheitert vorliegend aber daran, daß die Klägerin der Käuferin keine weitergehenden Rechte übertragen hat, als die, die zur Benutzung der Programme unentbehrlich gewesen sind. Die bloße Benutzung eines Werkes stellt keinen urheberrechtlich relevanten Vorgang dar (Urteil des BGH vom 4. Oktober 1990 I ZR 139/89, NJW 91, 1231, 1234; ebenso Amann, UR 94, 218; siehe auch BMF-Schreiben vom 22. Dezember 1993 BStBl I 94, 45; Abschn. 168 Abs. 1 S. 6 UStR; Urteil des FG München vom 29. November 1995 3 K 2355/94, EFG 96, 778). Hieran hat sich durch die Urheberrechtsnovelle 1993 (BGBl I 1993, 910) nichts geändert, sondern dieser Grundsatz ist durch die Regelung über zustimmungsfreie Handlungen in § 69 d UrhG bestätigt worden.

15

Selbst wenn man der in der Literatur diskutierten weitergehenden Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG folgen wollte, würde die Klage nicht zum Erfolg führen. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG wird auch nach dieser Ansicht nur für die Überlassung der Software unmittelbar durch den Urheber an den Anwender bejaht, während die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken durch den Handel dem allgemeinen Steuersatz unterliegen soll (Scholl in Sölch/Ringleb/List, UStG, § 12 Rdnr. 241; Hoppen/Pelzer, DStR 93, 1778; offenbar auch Nieskens, BB 96, 2656). Im Hinblick auf die von ihr veräußerten Software-Programme ist die Klägerin aber nicht selbst Urheber gewesen.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

17

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.