Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.01.1997, Az.: VII 646/95

Einkommenssteuerrechtliche Berücksichtigung von Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung; Voraussetzung für die Annahme vorab entstandener Werbungskosten; Vorliegen des Zusammenhangs zwischen Aufwendung und Einkunftsart, wenn nicht abzusehen ist, ob und wann Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden sollen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.01.1997
Aktenzeichen
VII 646/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 17947
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0121.VII646.95.0A

Verfahrensgegenstand

Anerkennung vorab entstandener Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung

Einkommensteuer 1991 und 1992

Redaktioneller Leitsatz

Die Annahme vorab entstandener Werbungskosten im Rahmen einer Einkommenssteuererklärung setzt voraus, daß der Steuerpflichtige den Entschluß zur Einkünfteerzielung endgültig gefaßt hat. Der Werbungskostenabzug entfällt bei Ungewißheit über die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen.

In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 21. Januar 1997, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 1991 vom 5. Januar 1994 und für 1992 vom 14. März 1994 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 1. November 1995 wird die Einkommensteuer 1991 auf 60.327 DM und die Einkommensteuer 1992 auf 73.435 DM herabgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten,

Tatbestand

1

Streitig ist noch, ob der Kl. für die Hauptwohnung O. Straße 18 a in V. für die Zeit von September 1991 bis Juli 1992 die Werbungskosten von seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen kann.

2

Der Kl. war in den Streitjahren ledig. Als Controller erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit notariellem Kaufvertrag aus dem Jahr 1985 hatte der Kl. das bebaute Grundstück O. Straße 18 a in W.

3

erworben. Das Grundstück war bebaut mit einem Haus mit Schwimmhalle. Nach dem Erwerb baute der Kl. die Schwimmhalle in eine Einliegerwohnung um. Das gesamte Haus war bis einschließlich August 1991 vermietet. Im August 1991 zog der Mieter der Hauptwohnung aus, die Einliegerwohnung blieb vermietet.

4

Noch im September 1991 wandte sich der Kl. an dem Auktionator M. H., der Mietinteressenten suchen sollte. Mit Schreiben vom 10. September 1991 teilte der Kläger dem Auktionator H. mit, daß die Wohnung vollständig renoviert werden solle. Frühester Einzugstermin sei voraussichtlich Ende Mai 1992. Die Kaltmiete sollte 1.550 DM betragen. Mit Schreiben vom 4. Mai 1992 gab der Auktionator H. den Vermittlungsauftrag zurück. Er führte u.a. aus, daß die Wohnung in dem Zustand nicht zu den Bedingungen des Kl. vermietet weiden könne. Ende Mai 1992 lernte der Kl. über einen Bekannten den Elektrotechniker O. kennen, der eine Wohnung suchte. Der Elektrotechniker O. besichtigte die Wohnung zweimal mit dem Kl.. Sodann einigten sich der Kl. und der Zeuge O. dahingehend, daß Herr O. die Wohnung ab September oder Oktober zu einem Mietzins von 1.200 DM bis 1.300 DM monatlich mieten sollte. Diese Vereinbarung besiegelten sie mit Handschlag. Zu der vorgesehenen Übersendung eines schriftlichen Mietvertrages kam es aber nicht. Etwa ein oder zwei Monate später teilte der Kl. dem Zeugen O. mit, daß er die Wohnung selbst nutzen wolle. Tatsächlich hat der Kl. die Hauptwohnung ab August 1992 selbst bewohnt.

5

Mit der Einkommensteuererklärung für 1991 machte der Kl. u.a. insgesamt Instandhaltungsaufwendungen für das Haus O. Straße 18 a in Höhe von ... DM und für 1992 in Höhe von ... DM geltend. Die gesamten Überschüsse der Werbungskostenüber die Einnahmen für das Haus bezifferte der Kl. für 1991 mit ... DM und für 1992 mit ... DM. Für die Zeit ab August 1992 hatte der Kl. bezüglich der Hauptwohnung mehr berücksichtigt.

6

Mit Einkommensteuerbescheid vom ... für 1991 ließ der Beklagte Werbungskosten für die Hauptwohnung O. Straße 18 a nur bis August 1991 zum Abzug zu, weil für die nachfolgende Zeit eine Vermietungsabsicht nicht nachgewiesen worden sei. Für 1992 berücksichtigte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom ... keine Einkünfte bezüglich der Hauptwohnung O. Straße 18 a. Der Kl. legte Einspruch ein. Er begehrte im wesentlichen die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Hauptwohnung bis zum Juli 1992. Er trug dazu vor, daß er vorgehabt habe, die Wohnung zu vermieten. Nachdem er den Eindruck gewonnen habe, daß eine zu zahlende Maklerprovision möglicherweise die Vermietung erschwere, habe er Ende 1991 privat die Initiative ergriffen. Insbesondere habe er seinen Verwandten- und Bekanntenkreis informiert und mehrere Aushänge an Infoboards plaziert. Die so zustande gekommenen Kontakte hätten aber nicht zum Erfolg geführt. Seinem Eindruck nach sei die absolute Höhe der Mietbelastung den potentiellen Mietern zu hoch gewesen. Wenn dies ausnahmsweise nicht der Fall gewesen sei, habe er den Eindruck gewonnen, daß das Objekt als nicht "repräsentativ" genug angesehen worden sei. Unterlagen über seine Vermietungsbemühungen könne er nicht mehr vorlegen. Im übrigen wies der Kl. darauf hin, daß die Werbungskosten für die Einliegerwohnung unzutreffend berechnet wurden seien.

7

Mit Einspruchsbescheid vom ... wies der Beklagte den Einspruch im wesentlichen als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, daß der Kl. nicht glaubhaft gemacht habe, daß er ernsthaft bestrebt gewesen sei, die Hauptwohnung auch nach dem Auszug des Mieters weiterzuvermieten. Darüber hinaus legte der Beklagte im einzelnen dar, wie die Werbungskosten seiner Auffassung nach Aktenlage für die Einliegerwohnung zu berechnen sei.

8

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Nachdem die Beteiligten sich im Verlaufe des Klageverfahrens darüber geeinigt haben, welche Werbungskosten für die Einliegerwohnung O. Straße 18 a in V. zu berücksichtigen sind, begehrt der Kl. noch die Berücksichtigung der Kosten, die auf die Hauptwohnung in der Zeit von September 1991 bis Juli 1992 angefallen sind. Er trägt dazu vor, daß der Entschluß zum Bezug der eigenen leerstehenden Wohnung erst im Juni/Juli 1992 gereift sei. Ende Mai 1992 habe er die Wohnung einem W. O. angeboten, mit dem er sich über den Beginn des Mietverhältnisses einig gewesen sei. Dies habe W. O., auf dessen Zeugnis er sich beziehe, schriftlich im Oktober 1995 bestätigt.

9

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuer 1991 auf ... DM und die Einkommensteuer 1992 auf ... DM herabzusetzen.

10

Der Beklagte erkennt an, daß für Einliegerwohnung O. Straße 18 a weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1991 in Höhe von ... DM und für das Jahr 1992 in Höhe von ... DM zu berücksichtigen sind.

11

Der Beklagte beantragt im übrigen,

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte hält daran fest, daß der Kl. die Vermietungsabsicht für die Hauptwohnung nicht nachgewiesen habe.

13

Es ist Beweis erhoben wurden gemäß dem Beweisbeschluß vom 21. Januar 1997 durch Vernehmung des Zeugen O.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Januar 1997.

14

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Steuerakten (...).

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist begründet, soweit der Beklagte zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Einliegerwohnung O. Straße 18 a in V. 1991 in Höhe von ... DM und 1992 in Höhe von ... DM anerkannt hat. Imübrigen ist die Klage nicht begründet.

16

Zu Recht hat der Beklagte die auf die Hauptwohnung O. Straße 18 a entfallenden Aufwendungen ab September 1991 nicht mehr als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, denn seit September 1991 diente die Hauptwohnung nicht mehr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG.

17

Die auf die Hauptwohnung entfallenden Aufwendungen wären nur dann gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 3, 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG von den Einnahmen des Kl. aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn es sich bei ihnen um sog. vorab entstandene Werbungskosten gehandelt hätte. Ob Instandhaltungsaufwendungen der vorliegenden Art, die sowohl dem Eigentümer im Falle der Eigennutzung oder dem Mieter im Falle der Vermietung zugute kommen können, überhaupt den vorab entstandenen Werbungskosten zugerechnet werden können, wenn die Wohnung tatsächlich nicht vermietet, sondern später eigengenutzt wird, kann dahinstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH setzt nämlich die Annahme vorab entstandener Werbungskosten voraus, daß der Steuerpflichtige den Entschluß zur Einkünfteerzielungendgültig gefaßt hat (vgl. Urteil des BFH vom 2. März 1993 IX R 69/89, BFH/NV 1993, 532). Liegt eine solche Absicht nicht vor, entfällt ein Werbungskostenabzug. Ebenso ist der Sachverhalt bei Ungewißheit über die Einnahmeerzielungsabsicht zu beurteilen. Die Absicht zur Einnahmeerzielung muß anhand objektiver Umstände feststellbar sein. Am erforderlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit der Einkunftsart fehlt es daher, wenn sich nicht absehen läßt, ob und ggf. wann Einnahmen erzielt werden (Urteil des BFH vom 19. September 1990 IX R 5/86, BStBl II 1990, 1030). Nach diesen Grundsätzen sind aber keine vorab entstandenen Werbungskosten gegeben.

18

Der Kl. hat vorgetragen, daß der Entschluß zum Bezug der eigenen leerstehenden Wohnung erst im Juni/Juli 1992 bei ihm gereift sei, weil er sich von seiner damaligen Lebensgefährtin getrennt habe. Der Senat ist davon allerdings nicht überzeugt, sondern geht davon aus, daß der Kl. sich die Nutzung der Wohnung je nach der Entwicklung seiner persönlichen Verhältnisse offenhalten wollte. Dem steht nicht entgegen, daß der Kl. Ende Mai 1992 die Wohnung dem Zeugen O. angeboten und sich mit ihm über die wesentlichen Mietbedingungen geeinigt hat. Einen schriftlichen Mietvertrag hat nämlich der Kl. dem Zeugen O. nichtübersandt, obwohl dies von dem Kl. und dem Zeugen O. für erforderlich gehalten worden war. Auf die Frage, ob er nichts gegen den Kl. unternommen habe, als dieser ihm gesagt habe, daß er selbst in die Wohnung einziehen wolle, hat nämlich der Zeuge O. bekundet, daß dies ja nicht möglich gewesen sei, weil er nichts in der Hand gehabt habe. Der Senat hält es danach aber für denkbar, daß der Kl. sich noch während der Verhandlungen mit O. insgeheim vorbehalten hat, die Wohnung selbst zu nutzen. Dies gilt um so mehr, als der Entschluß zur Eigennutzung noch im Juni 1992, also zumindest in dichter zeitlicher Folge mit den Gesprächen mit dem Zeugen O., gefallen ist. Da sich auch aus dem Vermietungsauftrag an den Auktionator H. nichts herleiten läßt - nach dem Schreiben vom 4. Mai 1992 war die Wohnung zu den Bedingungen des Kl. nicht zu vermieten - und der Kl. trotz mehrfacher Aufforderungen keinerlei nachprüfbare Unterlagen für seine behaupteten sonstigen Vermietungsbemühungen vorgelegt hat, ist der Senat nicht davonüberzeugt, daß der Kl. ab September 1991 noch die Absicht hatte, die Wohnung zu vermieten. Der Senat hält es auch für denkbar, daß der Kl. die Vermietungsabsicht nur angegeben hat, um auf diese Weise den Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erreichen. Danach konnte die Klage im wesentlichen keinen Erfolg haben.

19

Die Klage ist lediglich begründet, soweit der Beklagte aufgrund der im Klageverfahren vorgelegten weiteren Nachweise und Erläuterungen des Kl. die Werbungskosten für die Einliegerwohnung im Einvernehmen mit dem Kl. neu berechnet hat. Danach waren für 1991 weitere Werbungskosten in Höhe von ... DM und 1992 von ... DM zu berücksichtigen. Die Einkommensteuer war in dem erkannten Umfang herabzusetzen.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 137 FGO.