Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 24.10.2000, Az.: 4 A 147/98

Rücknahme

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
24.10.2000
Aktenzeichen
4 A 147/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41895
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Bewilligung der Kosten für seine Unterkunft in dem Zeitraum vom 1. September 1997 bis zum 15. September 1997.

2

Der Kläger und seine Ehefrau wohnten ursprünglich in Flensburg und erhielten von der Stadt Flensburg Hilfe zum Lebensunterhalt. Im August 1997 wandte sich der Kläger an den Beklagten und teilte mit, dass er und seine Frau beabsichtigten umzuziehen. Gleichzeitig ließ er mehrere Angebote für die Anmietung von Wohnungen im Zuständigkeitsbereich des Beklagten übermitteln, u. a. auch für die Wohnung "A." in B.. Mit Schreiben vom 27. August 1997 bestätigte der Beklagte dem Kläger, dass diese Wohnung sozialhilferechtlich angemessen sei. Im Falle einer Anmietung zum 1. September 1997 würden die hierfür anfallenden Kosten Berücksichtigung finden. Der Kläger und seine Ehefrau mieteten die genannte Wohnung zum 1. September 1997 und zogen am 5. September 1997 ein. Am 16. September 1997 händigte der Beklagte dem Kläger das Formular für den Antrag auf Sozialhilfe aus. Der Antrag ging ausgefüllt am 25. September 1997 bei dem Beklagten ein. Mit Bescheid vom 2. Oktober 1997 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau laufende Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz ab dem 16. September 1997. Für den Monat September überwies der Beklagte einen Betrag in Höhe von 503,04 DM, d.h. die Hälfte des vereinbarten Mietzinses von 1.006,08 DM, an den Vermieter des Klägers.

3

Am 10. März 1998 und am 2. Juni 1998 wandte sich der Kläger an den Beklagten und wies darauf hin, dass das Mietverhältnis am 1. September 1997 begonnen habe. Der Beklagte müsse deswegen auch die restliche Miete übernehmen. Der Vermieter fordere die Zahlung eines Restbetrags in Höhe von 640,89 DM. Insoweit habe er, der Kläger, bereits die zweite Mahnung erhalten.

4

Mit Bescheid vom 3. Juni 1998 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Sozialhilfe setze nach § 5 BSHG erst mit Bekanntwerden der Hilfebedürftigkeit ein. Die Hilfe könne deswegen erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 16. September gewährt und die Miete folglich erst ab dem 16. September 1997 übernommen werden.

5

Der Kläger erhob hiergegen am 29. Juni 1998 Widerspruch. Es sei ihm von Mitarbeitern des Sozialamtes bestätigt worden, dass die Miete ab 1. September 1997 übernommen werde. Letztlich sei es auch von einer Mitarbeiterin des Sozialamtes zu vertreten, dass es zu Verzögerungen gekommen sei.

6

Mit Bescheid vom 4. August 1998 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er wiederholte im Wesentlichen die Gründe des Bescheides vom 3. Juni 1998. Wegen der weiteren Gründe wird auf den Bescheid Bezug genommen.

7

Der Kläger hat am 1. September 1998 Klage erhoben, zu deren Begründung er seine bisherigen Ausführungen wiederholt.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

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den Bescheid des Beklagten vom 3. Juni 1998 und dessen Widerspruchsbescheid vom 4. August 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für den Zeitraum vom 1. September 1997 bis zum 15. September 1997 Kosten für die Unterkunft in Höhe von 640,89 DM zu bewilligen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Er wiederholt zur Begründung im Wesentlichen die Gründe der angefochtenen Bescheide.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Dem Begehren des Klägers auf Bewilligung der Unterkunftskosten für den Zeitraum vom 1. September 1997 bis zum 15. September 1997 steht der bestandskräftige Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 1997 entgegen. Hierin hat der Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt (erst) ab dem 16. September 1997 bewilligt. Damit hat er gleichzeitig entschieden, dass ein Hilfeanspruch für den vorangegangenen Zeitraum nicht besteht. Hiergegen haben der Kläger und seine Ehefrau innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat keinen Widerspruch erhoben, so dass die Entscheidung des Beklagten nunmehr unanfechtbar ist.

15

Der Kläger kann eine Abänderung des Bescheides vom 2. Oktober 1997 nicht verlangen. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 44 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit u.a. dann zurückzunehmen, soweit sich ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. § 44 SGB X ist nämlich auf das Leistungsrecht des Bundessozialhilfegesetztes nicht anwendbar, wenn der im Sozialhilferecht geltende Grundsatz entgegensteht, dass keine Hilfe für die Vergangenheit geleistet wird (BVerwG, Urt. v. 15.12.1983 - 5 C 65.82 - BVerwGE 68, 285). Sozialhilfe wird grundsätzlich nicht rückwirkend gewährt, sondern nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage. Es ist grundsätzlich auch nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, bestehende Schulden des Hilfeempfängers zu tilgen. Mit diesem Grundsatz wäre es nicht vereinbar, wenn der Sozialhilfeträger nach § 44 Abs. 1 SGB X verpflichtet wäre, einen Bescheid aufzuheben, mit dem er in der Vergangenheit Sozialhilfeleistungen abgelehnt hat, um dann nachträglich Sozialhilfe für vergangene Zeitabschnitte zu gewähren. Der sozialhilferechtliche Grundsatz " keine Hilfe für die Vergangenheit" ist eine abweichende Regelung im Sinne des § 37 SGB I, die der Anwendung von § 44 SGB X entgegensteht (vgl. BVerwG, a.a.O.). Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass der Beklagte über eine Abänderung des Bescheides vom 2. Oktober 1997 auf der Grundlage des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X nach Ermessen entscheidet. Auch § 44 Abs. 2 SGB X ist aus den oben dargelegten Gründen im Sozialhilferecht nicht anwendbar, wenn ein die Hilfe versagender Verwaltungsakt beseitigt werden soll, um für die Vergangenheit die ursprünglich abgelehnten Leistungen zu erlangen (NdsOVG, Urt. v. 24.10.1990 - 4 L 114/90 -).

16

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.