Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 29.04.2004, Az.: 1 A 1341/01
Bedarfszuweisung; bereinigte Fehlbetragsquote; Ermessen; Ermessensausübung; Ermessensfehler; Gemeinde; Gemeindehaushalt; Haushaltsmittel; kommunales Existenzminimum; Mindestausstattung; Verwaltungshaushalt
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.04.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 1341/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50931
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 1 S 1 FinAusglG ND
- § 2 S 1 Nr 1 FinAusglG ND
- § 20 Abs 2 S 1 FinAusglG ND
- Art 58 Verf ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Entscheidung nach § 13 Abs. 1 S. 1 NFAG steht im Ermessen. Bedarfszuweisungsmittel sind grundsätzlich ungeeignet, eine finanzielle Mindestausstattung von Kammern im Sinne des Art. 58 NV zu gewährleisten. Die sogenannte "Bereinigte Fehlbetragsquote" ist ein sachgerechtes Ermessenskriterium (im Anschluss an VG Stade, Urteil vom 24.04.2003 - 1 A 200/02 )
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Bedarfszuweisung wegen außergewöhnlicher Belastungen für das Haushaltsjahr 2000.
Mit Schreiben vom 8. März 2000 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Bedarfszuweisung nach § 13 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich - NFAG - in Höhe von 10.000.000,- DM. Zur Begründung führte sie aus, nach den Jahren 1995 bis 1999, in denen jeweils ein nicht ausgeglichener Verwaltungshaushalt vorgelegt worden sei, sei dies auch für das Jahr 2000 wiederum der Fall. Trotz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung bei Erschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten könne ihr Haushalt auf Dauer nicht ausgeglichen werden. Bei ihr seien bestimmte Sonderumstände zu berücksichtigen, so die Stellung nach dem Göttingen-Gesetz, der erreichte Stand der Verwaltungsreform sowie weitere Veranschlagungen im Haushalt, die zu einer erheblichen Erhöhung der Solleinnahmen führten, ohne Einfluss auf den Sollfehlbetrag nehmen zu können. Mit Schreiben vom 25. Mai 2000 teilte die Klägerin einen Sollfehlbetrag laut Jahresrechnung 1999 in Höhe von 127.816.260,64 DM bei einem von ihr von 564.408.948,- DM auf 429.730.440,- DM verringerten Solleinnahmebetrag mit.
Neben der Klägerin stellten für das Haushaltsjahr 2000 14 weitere Großkommunen (Landkreise, kreisfreie und große selbständige Städte) Bedarfszuweisungsanträge. Im Haushaltsjahr 2000 standen an Bedarfszuweisungsmitteln für Großkommunen bereinigte Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 20.718.219,74 DM zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2000 lehnte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewährung einer Bedarfszuweisung nach § 13 NFAG ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Entscheidung über Bedarfszuweisungsanträge von Landkreisen, kreisfreien und großen selbständigen Städten sowie der Klägerin stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Für die Bewilligung einer Bedarfszuweisung wegen einer außergewöhnlichen Lage im Haushaltsjahr 2000 habe die Gesamtantragslage im Haushaltsjahr 2000 bei nur sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Bedarfszuweisungsmitteln neben einer nachhaltigen und dauerhaften Spar- und Konsolidierungspolitik des Bedarfszuweisungsantragstellers als Hauptbewilligungskriterium das Vorliegen einer sogenannten „Bereinigten Fehlbetragsquote“ von mindestens 40,00 v.H. bei Städten bedingt (bei Landkreisen von 30,00 v.H.). Zur Ermittlung der maßgeblichen „Bereinigten Fehlbetragsquote“ der einzelnen Bedarfszuweisungsantragsteller werde der Sollfehlbetrag des Verwaltungshaushaltes 1999 laut Jahresrechnung bereinigt und in ein rechnerisches Verhältnis zu der Gesamteinnahmesumme des Verwaltungshaushaltes 1999 laut Jahresrechnung gesetzt. Im Hinblick auf die zur Schaffung eines rechenschaftsfähigen und zugleich gerichtsfesten Verteilungssystems erforderliche gleiche Rechenbasis werde der Sollfehlbetrag 1999 laut Jahresrechnung vermindert um gegebenenfalls bereits zur Deckung veranschlagte Teile des Sollfehlbetrages 1998 und erhöht um die gegebenenfalls im Sollfehlbetrag 1998 enthaltenen Fehlbetragsanteile aus 1997, die im Bewilligungsverfahren 1999 vom Sollfehlbetrag 1998 herauszurechnen gewesen seien. Die sich im Fall der Klägerin rechnerisch ergebende „Bereinigte Fehlbetragsquote“ betrage 22,65 v.H.. Daher könne der Bedarfszuweisungsantrag nicht berücksichtigt werden. An dieser Entscheidung ändere sich auch nichts, wenn die von der Klägerin selbst ermittelte „Bereinigte Fehlbetragsquote“ von 29,74 v.H. bei einem auf 429.730.440,- verringerten Solleinnahmebetrag zugrunde gelegt würde, da diese immer noch weit unter der festgesetzten Mindestfehlbetragsquote von 40,00 v.H. liege. Lediglich einer Stadt werde eine Bedarfszuweisung wegen einer außergewöhnlichen Lage im Haushaltsjahr 2000 bewilligt werden, deren maßgebliche „Bereinigte Fehlbetragsquote“ 42,03 v.H. betrage. Keine weitere Stadt habe eine auch nur annähernd so hohe „Bereinigte Fehlbetragsquote“ erreicht.
Am 29. Januar 2001 hat die Klägerin Klage erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen darauf berufen, ihr stehe ein Anspruch auf eine Bedarfszuweisung nach § 13 NFAG bzw. Art. 58 der Nds. Verfassung - NV - zu. Insbesondere Art. 58 der NV gewähre den Gemeinden einen Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung, die sie zu einer angemessenen Wahrnehmung ihrer Aufgaben befähigten. Die Kammer habe in einem Urteil vom 22. Februar 2001 - 1 A 1328/99} - entschieden, dass ein solcher Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung gegeben sei, wenn weniger als 5 % des Haushaltsvolumens zur Wahrnehmung von selbst gestalteten, d. h. eigene Prioritäten verfolgenden Aufgaben verblieben. Von daher sei der Ansatz in den Richtlinien über die Gewährung von Bedarfszuweisungen nicht sachgerecht, wonach ein Kassennotstand gefordert wäre. Der Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung sei nicht erst dann verletzt, wenn einer Gemeinde die Zahlungsunfähigkeit drohe. Der Anteil der von ihr erbrachten freiwilligen Leistungen umfasse für das Jahr 2000 ein Volumen von nur noch 24.131.441,- DM, d. h. 4,278 % des Volumens des Verwaltungshaushaltes. Dies bedeute, dass sie keine Möglichkeit habe, die Unterdeckung des Haushaltes auszugleichen, selbst wenn sie auf alle freiwilligen Aufgaben verzichten würde. Sie habe auch alle Anstrengungen unternommen, im Rahmen sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung eigene Einnahmequellen zu erschließen bzw. Ausgaben einzusparen. So sei ihr Haushalt für das Jahr 2000 von der Bezirksregierung Braunschweig genehmigt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr, der Klägerin, gemäß ihrem Antrag vom {Q.} eine Bedarfszuweisung in Höhe von 2.556.459,41 Euro (entspricht 5.000.000,- DM) zu gewähren,
hilfsweise
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Dezember 2000 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft er die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid und führt darüber hinaus im Wesentlichen aus, die von der Klägerin bemühten Regelungen gewährten ihr keinen Anspruch auf die Bewilligung der begehrten Bedarfszuweisung. Aus der Rechtsprechung des Nds. Staatsgerichtshofs könne entgegen der Einschätzung der Klägerin ein Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung im Wege der Bedarfszuweisung nicht hergeleitet werden. Das Mittel der Bedarfszuweisung sei von seiner Ausgestaltung her nicht geeignet, eine finanzielle Mindestausstattung sicher zu stellen. Unabhängig davon sei auch der vom angerufenen Gericht vertretene Ansatz, dass ein solches Mindestmaß an finanzieller Ausstattung generell bei 5 % des Haushaltsvolumens anzusetzen sei, zu bestreiten. Es könne jeweils nur eine Einzelbetrachtung in Betracht kommen, die die Einnahme- und Ausgabesituation der Kommune unter Berücksichtigung der von ihr wahrzunehmenden übertragenen und pflichtigen Aufgaben mit einbeziehe. Es sei darüber hinaus auch nicht erkennbar, dass bei der Klägerin ein solches Mindestmaß bei 5 % des Haushaltsvolumens unterschritten sei. Die Klägerin habe zudem Einsparmöglichkeiten, die ihr durch die Bezirksregierung Braunschweig dringendst empfohlen worden seien, nicht genutzt, um ihre Haushalts- und Finanzsituation in eigener Verantwortlichkeit zu verbessern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Verpflichtungsklage ist auch ohne die Durchführung des von § 68 Abs.1 S.2 Nr.1 VwGO i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 NFAG geforderten Widerspruchsverfahrens zulässig. Nach dieser Bestimmung sind Einwendungen gegen Bescheide nach dem NFAG - auch über Bedarfszuweisungsanträge - durch Widerspruch gemäß § 70 VwGO geltend zu machen, selbst wenn - wie hier - eine oberste Landesbehörde die Erstentscheidung getroffen hat. Dem kommt vorliegend aber keine Relevanz zu, da sich der Beklagte zur Sache eingelassen und einen Sachantrag gestellt hat. In einem solchen Fall ist die Durchführung eines Vorverfahrens nämlich entbehrlich (ständige Rechtsprechung des BVerwG; vgl. BVerwGE 64, 325, 330).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2000 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Bewilligung der begehrten Bedarfszuweisung, noch ist ihr Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Beklagten verletzt worden (§ 113 Abs. 5 S.1 und 2 VwGO). Die Ermessensausübung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO).
Bedarfszuweisungen werden für das streitgegenständliche Haushaltsjahr 2000 nach den §§ 13 Abs. 1 S. 1, 2 S. 1 Nr. 1 NFAG in Verbindung mit den entsprechenden Richtlinien des Niedersächsischen Innenministeriums (Runderlass vom 15. August 1994, Nds. MBl. Nr. 36/1994, S. 1338 ff. in der Fassung der Änderungserlasses vom 13. Februar 1996, Nds. MBl. Nr. 9/1996, S. 244) gewährt. Danach können finanzschwachen Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreisen wegen einer außergewöhnlichen Lage Zuweisungen zum Ausgleich des Verwaltungshaushaltes erhalten, die trotz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung bei Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten nicht in der Lage sind, ihren Haushalt auf Dauer auszugleichen, und denen ohne die Gewährung von Bedarfszuweisungen ein Kassennotstand drohen würde. Aus diesen Bestimmungen des NFAG und aus Art. 58 NV folgt nur ein Anspruch der Klägerin auf ermessenfehlerfreie Entscheidung. Hierzu hat das Verwaltungsgericht Stade in seinem Urteil vom 24. April 2003 - 1 A 200/02 - Folgendes ausgeführt:
„Die §§ 13 Abs. 1 S. 1, 2 S. 1 Nr. 1 NFAG sind mit der Niedersächsischen Verfassung vereinbar, insbesondere ist § 2 S. 1 Nr. 1 NFAG, wonach 1,6 v.H. der Zuweisungsmasse des NFAG für Bedarfszuweisungen vorab bereitgestellt werden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung des Klägers, der Gesetzgeber sei vor dem Hintergrund der Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs vom 16. Mai 2001 (StGH 6/99, Nds. MBl. Nr. 21/2001, S. 457) verpflichtet, den Bedarfszuweisungsfond aufzustocken, um die Mindestausstattung der Kommunen zu gewährleisten, trifft nicht zu. Der Kläger kann aus der von ihm herangezogenen Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshofs eine solche Verpflichtung zur Verstärkung der Bedarfszuweisungsmittel nicht herleiten. Zwar stellt der Nds. Staatsgerichtshof in dieser Entscheidung fest, dass der Gesetzgeber gehalten sei, Vorkehrungen - gegebenenfalls unter Einsatz des Instruments der Bedarfszuweisung - für den Fall zu treffen, dass auch nur eine einzelne Gemeinde trotz sparsamster Wirtschaftsführung in eine finanzielle Lage gerate, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verblieben. Hieraus folgt aber weder die Verpflichtung des Gesetzgebers, den Bedarfszuweisungsfond aufzustocken, noch ein Anspruch auf Bewilligung einer Bedarfszuweisung:
Der Nds. Staatsgerichtshof bringt einerseits deutlich zum Ausdruck, dass sich aus Art. 58 der Niedersächsischen Verfassung ein Individualanspruch jeder einzelnen Kommune auf finanzielle Mindestausstattung ableitet. Andererseits überlässt er es aber dem Gesetzgeber, wie er diesen Individualanspruch im Einzelfall erfüllt. Lediglich beispielhaft weist der Nds. Staatsgerichtshof darauf hin, dass der Gesetzgeber auch das Instrument der Bedarfszuweisung heranziehen kann (Nds. StGH, aaO, D. IV. 1. f), Seite 467). Dass der Nds. Staatsgerichtshof das Instrument der Bedarfszuweisung nur als eine von mehreren Möglichkeiten anführt, wird durch seine Wortwahl - „gegebenenfalls“ - deutlich. Auch soweit er im folgenden Abschnitt unter D. IV. 2. b) erneut das Instrument der Bedarfszuweisungen heranzieht, bringt er hiermit nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Verstärkung der Bedarfszuweisungsmittel zum Ausdruck. Der Nds. Staatsgerichtshof formuliert hier: „Sollte dies (das Fehlen einer freien Spitze für die Erfüllung freiwilliger Aufgaben) jedoch ausnahmsweise der Fall sein, würde dies noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung führen, weil § 13 NFAG Bedarfszuweisungen vorsieht, die in solch einem Fall eingesetzt werden können.“ Der Nds. Staatsgerichtshof zeigt lediglich auf, dass in Extremsituationen durch die Bewilligung von Bedarfszuweisungen der Gewährleistung einer finanziellen Mindestausstattung Rechnung getragen werden kann. Der Finanzausgleich als solcher soll aber über andere Instrumente wie Schlüssel- und Zweckzuweisung abgewickelt werden. Der Nds. Staatsgerichtshof versteht die Bedarfszuweisung keinesfalls als Mittel, um flächendeckend einer Vielzahl von Kommunen eine finanzielle Mindestausstattung zu gewährleisten. Dies folgt bereits daraus, dass der Nds. Staatsgerichtshof in seinem Urteil von der finanziellen Mindestausstattung aller Kommunen ausgeht. Er hatte damit die vom Kläger angeführte Situation - wonach der Hälfte aller Landkreise die finanzielle Möglichkeit fehlen soll, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen - nicht vor Augen. Dies wird auch durch seine Wortwahl - „sollte dies ausnahmsweise der Fall sein“ - deutlich.
Letztlich wird man auch dem gesetzgeberischen Anliegen der Bedarfszuweisung im System des Finanzausgleichs nur gerecht, wenn man den Ausnahmecharakter der Bedarfszuweisung erkennt und die Höhe der Bedarfszuweisungsmittel eng begrenzt. Ausweislich der Gesetzesbegründungen zu § 14 des Gesetzesentwurfes zum NFAG (entspricht § 13 NFAG n. F.) soll die Bewilligung von Bedarfszuweisungen die Berücksichtigung atypischer Einzelfälle ermöglichen, die innerhalb des allgemeinen Ausgleichssystems nicht sachgerecht behandelt werden können (vgl. Niedersächsische Landtag, Drucks. 14/440, S. 29). Auch der Nds. Staatsgerichtshof macht deutlich, dass in erster Linie das allgemeine Ausgleichssystem mit seinen Schlüssel- und Zweckzuweisungen die finanzielle Mindestausstattung lösen soll und letztlich auch löst, und nur im Ausnahmefall Bedarfszuweisungen in Frage kommen. Die Entscheidung des Nds. Staatsgerichtshof kann deshalb nicht dahingehend verstanden werden, das Instrument der Bedarfszuweisung notfalls flächendeckend zum Ausgleich finanzieller Missstände einzusetzen. Der Nds. Staats-gerichtshof ist vielmehr im Rahmen seiner Entscheidung von der Verfassungsmäßigkeit des § 2 S. 1 Nr. 1 NFAG ausgegangen. Er weist wiederholt auf das Instrument der Bedarfszuweisungen hin, ohne die Festlegung der Höhe des Vorabbetrages für Bedarfszuweisungen auf 1,6 v.H. zu beanstanden. Schließlich liefe eine Erhöhung des Bedarfszuweisungsfonds auch dem Anliegen des Gesetzgebers zuwider, die für die Bedarfszuweisungen zur Verfügung gestellten Mittel mittel- bis langfristig abzusenken (vgl. Niedersächsische Landtag, Drucks. 14/440, S. 20).
Aus den somit verfassungskonformen Regelungen der §§ 13 Abs. 1 S. 1, 2 S. 1 Nr. 1 NFAG folgt nur ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über den Bedarfszuweisungsantrag. Einen strikten Rechtsanspruch gegenüber dem Land auf Ausgleich des gemeindlichen Haushaltsdefizits durch Gewährung von Bedarfszuweisung gibt es hingegen nicht. Bereits der eindeutige Wortlaut des § 13 NFAG räumt dem Beklagten Ermessen ein. In Übereinstimmung hiermit stellen die Richtlinien über die Gewährung von Bedarfszuweisung in Ziffer 1.1 klar, dass auf die Gewährung von Bedarfszuweisungen kein Rechtsanspruch besteht. Aus den oben genannten Gründen kann schließlich nicht aus den Ausführungen des Nds. Staatsgerichtshof auf einen Rechtsanspruch geschlossen werden. Allenfalls in ganz extremen Ausnahmefällen kann sich das dem Beklagten grundsätzlich eingeräumte Ermessen zu einem Rechtsanspruch auf Bewilligung einer Bedarfszuweisung verdichten.“
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an und macht sie sich zu Eigen. Die Voraussetzungen für eine abschließend genannte Ermessensreduzierung auf Null liegen im Fall der Klägerin nicht vor. Ihre Haushaltslage hat nicht ein Stadium erreicht, in dem es unabhängig von Ermessenskriterien zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich gebotenen finanziellen Mindestausstattung geboten wäre, ihr eine Bedarfszuweisung zu bewilligen. Abgesehen davon, dass es zunächst dem Gesetzgeber aus den bereits dargelegten Gründen überlassen ist, durch andere Maßnahmen - wie etwa die Erhöhung des Ausgleichsvolumens, die Erschließung neuer Steuerquellen oder die Reduzierung der Zahl der Pflichtaufgaben - auf die finanzielle Notlage zu reagieren, und dass die Bedarfszuweisungsmittel bereits von ihrer verfügbaren Höhe her nicht geeignet sind, die finanzielle Mindestausstattung von Kommunen sicherzustellen, war die finanzielle Mindestausstattung der Klägerin im Haushaltsjahr 2000 noch gewährleistet. Der Klägerin standen nach ihren eigenen Angaben 4,278 % des Volumens des Verwaltungshaushaltes (24.131.441,- DM) für freiwillige Aufgaben zur Verfügung, so dass nicht von einer existentiellen finanziellen Notlage auszugehen ist. Von daher bedarf es keiner weiteren Klärung, ob der Klägerin - wie der Beklagte vorträgt - sogar knapp 10,8 % des Einnahmevolumens des Verwaltungshaushaltes (rund 60,7 Mio. DM) für freiwillige Leistungen zur Verfügung standen und von ihr verausgabt worden sind. Die Klägerin war somit - wenn auch in einem eingeschränkteren Umfang - in der Lage, den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung - sei es auch über Kassenkredite - gestaltend wahrzunehmen.
Soweit sich die Klägerin auf das nicht rechtskräftige Urteil des erkennenden Gerichts vom {O.} - {P.} - beruft, wonach zur kommunalen Mindestausstattung ein finanzielles Existenzminimum von 5 % als freie Spitze für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben gehört, so hält die Kammer an dieser Rechtsprechung nicht fest. Nach nochmaliger Überprüfung folgt das Gericht nunmehr dem Nds. OVG Lüneburg (Urteil vom 3. September 2002 - 10 LB 3714/01 -). Eine komplexe Bewertung der Finanzlage einer Gemeinde durch eine starre Grenze zu ersetzen, begegnet danach im Hinblick darauf Bedenken, dass die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in das freie Belieben jeder Kommune fällt und sie sich in Zeiten knapper Einnahmen freiwillig vorausschauend bei der Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben Restriktionen auferlegen kann, ohne dass die finanzielle Mindestausstattung in Frage gestellt wäre (ebenso VG Stade, a.a.O.).
Die Ermessensentscheidung des Beklagten, die zur Ablehnung des Bedarfszuweisungsantrages geführt hat, ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung anklingen ließ, bei der Beurteilung des unbestimmten Rechtsbegriffs der außergewöhnlichen Lage auch die sogenannte „Bereinigte Fehlbetragsquote“ heranziehen zu wollen, so überzeugt diese Einschätzung nicht. Sie steht auch nicht im Einklang mit den Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Danach ist diese Quote als Hauptbewilligungskriterium die maßgebliche Ermessenserwägung für die Verteilung der Bedarfszuweisungsmittel dem Grunde nach gewesen. Die außergewöhnliche Lage i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 NFAG ist die tatbestandliche Voraussetzung für die Eröffnung einer Ermessensentscheidung und verlangt im Sinne einer Bedarfszuweisungsbedürftigkeit nach den bereits zitierten Richtlinien unter anderem, dass finanzschwache Gemeinden trotz sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung bei Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten nicht in der Lage sind, ihren Haushalt auf Dauer auszugleichen (vgl. Ziffer 2.1.1 der Richtlinien). Nach den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten wiedergegebenen Berichten der für die 15 Antragsteller örtlich zuständigen Bezirksregierungen waren diese Voraussetzungen bei allen 15 Großkommunen gegeben und hat der Beklagte deren Bedarfszuweisungsbedürftigkeit auch nicht in Zweifel gezogen.
Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass zunächst die Ausnahmestellung der Bestimmung des § 13 Abs. 1 NFAG Berücksichtigung finden muss. Die einzelnen Bestimmungen des Finanzausgleichs mit ihren Schlüssel- und Zweckzuweisungen sollen unter Berücksichtigung des Finanzbedarfs des Landes einerseits und der Kommunen andererseits zu einer Ausgestaltung der Einnahmen führen, die den jeweiligen Aufgaben sowie dem interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht werden. In diesem System stellen Bedarfszuweisungen im individuellen Fall zur Unterstützung eines Ausgleichs des kommunalen Haushalts eine strikt zu begrenzende Ausnahme dar. Die Bedarfszuweisungen haben die Aufgabe, die im Allgemeinen durch die Schlüssel- und Zweckzuweisungen sichergestellte Finanzgarantie zugunsten der Kommune im einzelnen Ausnahmefall zu ergänzen, wenn trotz aller zumutbaren Eigenanstrengungen der Kommune der Haushaltsausgleich auf längere Sicht nicht erreicht werden kann und damit das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsrecht leer zu laufen droht. Diese Ausgangslage gebietet deshalb eine restriktive Handhabung des Ermessens durch den Beklagten.
Die Erwägung des Beklagten, die maßgebliche Fehlbedarfsquote bei den nur sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Bedarfszuweisungsmitteln so hoch festzusetzen, dass grundsätzlich nur die Großstadt und der Landkreis mit der jeweils höchsten „Bereinigten Fehlbetragsquote“ eine Bedarfszuweisung erhalten, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, Bedarfszuweisungen in einer Höhe zu bewilligen, die eine gewisse Entlastung im Verwaltungshaushalt des Zuweisungsempfängers bewirkt. Deshalb ist es sachgerecht, die Fehlbetragsquote entsprechend hoch festzusetzen. Eine niedrigere Fehlbetragsquote als Anknüpfungskriterium würde die Zahl der möglichen Bedarfszuweisungsempfänger erhöhen und hätte eine Bewilligung von jeweils geringeren Beträgen zur Folge, ohne auch nur eine Kommune spürbar zu entlasten. Von daher ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass für das Haushaltsjahr 2000 lediglich eine Stadt, die die maßgebliche „Bereinigte Fehlbetragsquote“ von 40 v.H. mit 42,03 v.H. überschritten hatte, eine Bedarfszuweisung neben einem Landkreis erhalten hat. Diese Fehlbetragsquote von 40 v.H. erreicht die Klägerin selbst bei Zugrundelegung der von ihr errechneten Quote von 29,74 v.H. nicht.
Der Umstand, dass diesen beiden Großkommunen jeweils 10.000.000,- DM an Bedarfszuweisungsmitteln bewilligt und ausgezahlt worden sind und der verbleibende Restbetrag der im Haushaltsjahr 2000 zur Verfügung stehenden Bedarfszuweisungsmittel in Höhe von 718.219,74 DM im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 19. Dezember 2000 als Reserve für unabwendbare Notfälle bis zum Jahresende 2000 vorgehalten wurde, verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Nach dem auch vom Gericht gebilligten Verteilungsansatz hätte allenfalls den beiden besonders bedürftigen Großkommunen auch dieser Betrag an Bedarfszuweisungsmitteln zugewiesen werden können. Nur diese beiden Großkommunen hätten durch eine solche Unterlassung beschwert sein können. Da die Klägerin die maßgebliche „Bereinigte Fehlbetragsquote“ jedoch nicht erreicht hatte, berührt dies die Rechtmäßigkeit der ihr gegenüber getroffenen Ermessensentscheidung nicht. Es ist deshalb im vorliegenden Verfahren ohne Relevanz, ob der Restbetrag zum Ende des Haushaltsjahres 2000 als Reserve für unabwendbare Notfälle notwendig gewesen sein könnte und deshalb in das nächste Haushaltsjahr übertragen werden durfte.
Der zwischen den Beteiligten kontrovers geführten Auseinandersetzung, ob die Klägerin im Sinne einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung alle Einnahme- bzw. Einsparmöglichkeiten ausgenutzt hat und deshalb eine Bedarfszuweisungswürdigkeit gegeben war, kommt nach alledem eine Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Fall nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Göttingen,, Berliner Straße 5, 37073 Göttingen, oder Postfach 37 65, 37027 Göttingen, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124 Abs. 2 VwGO). Die Begründung ist bei dem Verwaltungsgericht Göttingen einzureichen.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt oder einer nach § 67 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 VwGO i. d. F. des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987) zur Vertretung berechtigten Person als Bevollmächtigten eingelegt sein. Der Vertretungszwang gilt auch für die Begründung des Zulassungsantrages.