Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.07.2020, Az.: 9 U 47/20

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.07.2020
Aktenzeichen
9 U 47/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71453
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 02.04.2020 - AZ: 11 O 189/19

In dem Rechtsstreit
Landschaftliche Brandkasse H., vertreten durch den Vorstand, ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro Sch., ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
V. AG, vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro S., ...,
Geschäftszeichen: .
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 13. Juli 2020 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 2. April 2020 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

  2. 2.

    Die Klägerin erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung aus Kostengründen binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

  3. 3.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Wertstufe bis € 750.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht als Gebäudeversicherer aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Elektrorollers geltend, dessen Akku in bei der Klägerin feuerversicherten Werkstatträumen im Rahmen eines Ladevorganges in Brand geraten bzw. explodiert ist. Der Halter des Elektrorollers hatte diesen zuvor zur Durchführung einer Inspektion in die Werkstatt gegeben.

Das Landgericht, auf dessen Urteil (Bl. 87 ff. d.A.) wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang weiterverfolgt.

II.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO, unter denen der Senat die Berufung der Klägerin nach pflichtgemäßem Ermessen im schriftlichen Verfahren zurückweisen soll, dürften vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung ist auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Schließlich hat das Rechtsmittel auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, da das angefochtene Urteil nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 1. Alt., 546 ZPO) beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht mit auch gegenüber dem Berufungsvorbringen zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, abgewiesen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist, teilweise wiederholend, lediglich Folgendes anzumerken:

1.) Die Explosion bzw. das Brandgeschehen des Akkus als schadenstiftendes Ereignis ist nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG "bei dem Betrieb" des Elektrorollers eingetreten.

a) Mit Recht weist die Beklagte zwar darauf hin, dass dieser Begriff grundsätzlich weit zu fassen ist. Doch endet der Betrieb des Fahrzeuges regelmäßig dann, wenn es an einen Ort außerhalb des allgemeinen Verkehrs verbracht wurde (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 7 StVG Rn. 9), weshalb sich bei Schädigungen im Zusammenhang mit Wartungsarbeiten oder dem Auftanken des Fahrzeugs im Regelfall keine Verkehrsgefahren realisieren (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 3 Rn. 161). So liegt es auch hier: Durch das Verbringen des Rollers in die Werkstatt endete die Gefährdung des allgemeinen Verkehrs, dessen Schutz die Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG als Kehrseite der mit der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges verbundenen Gefahren bezweckt. Im Streitfall verdeutlicht dabei die Entnahme des Akkus geradezu sinnfällig, dass das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt war.

b) Der Senat übersieht nicht, dass namentlich die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer Verwirklichung des Haftungsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" bereits dann ausgeht, wenn die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. März 2019 - VI ZR 236/18 -, juris Rn. 8).

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es aber erforderlich, dass bei Eintritt des Schadens zumindest eine beim Betrieb des Fahrzeugs geschaffene Gefahrenlage fort- bzw. nachwirkt (BGH, a.a.O., juris Rn. 9). Kommt es jedoch (wie vorliegend) an einem sich zur Reparatur in einer Werkstatt befindenden Fahrzeug zu einem Schaden, ohne dass dabei eine durch einen vorherigen Betriebsvorgang entstandene Gefahrenlage fort- bzw. nachwirkt, fehlt es an dem für eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG erforderlichen Zusammenhang mit der Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs (ebenso OLG Dresden, Urteil vom 3. September 2019 - 6 U 609/19 -, juris). Im Streitfall kommt hinzu, dass das in Brand geratene Teil ausgebaut war (siehe dazu sogleich).

c) Dem kann im Streitfall auch nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei dem Aufladen des Akkus seinerseits um einen Betriebsvorgang handeln würde. Denn aufgrund der Trennung des Akkus von dem Elektroroller kann nicht angenommen werden, dass es sich bei dem Ladevorgang um einen Betriebsvorgang des Fahrzeugs gehandelt hat. Vielmehr hat das Landgericht zu Recht betont, dass sich mit der Explosion des von dem Fahrzeug getrennten Akkus letztlich nur eine diesem innewohnende Produktgefahr realisiert hat. Vergleichbares hätte auch mit einem nicht für die Energieversorgung eines Elektrofahrzeugs bestimmten Akku geschehen können.

2.) Unabhängig davon hat die Klägerin nicht bewiesen, dass das Schadensereignis dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Halter des Elektrorollers überhaupt im Sinne haftungsbegründender Kausalität zuzurechnen ist.

Diesbezüglich hat die Beklagte bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 27. Februar 2020 (dort S. 2 = Bl. 73R d.A.) bestritten, dass der Schaden überhaupt durch einen fehlerhaften Akku des Fahrzeugs verursacht wurde, und die Möglichkeit einer Schadhaftigkeit des verwendeten Ladegeräts aufgezeigt. Dem ist die Klägerin nicht hinreichend entgegengetreten, obwohl sie für die haftungsbegründenden Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. nur Laws/Lohmeyer/Vinke, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, Stand: 25. März 2020, § 7 StVG Rn. 194).

a) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 24. März 2020 (dort S. 2 = Bl. 85R d.A.) darauf verwiesen hat, dass der Akku, nicht das Ladegerät explodiert sei, ist dies unbehelflich, weil daraus keine Folgerungen hinsichtlich der Ursache abzuleiten sind. Insofern ergibt sich vielmehr aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Parteigutachten des Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung e.V. (Anlage K 3 im "Anlagenband I Kläger") gerade, dass die Behauptung der Beklagten zutreffen kann. Denn in dem Gutachten wird auf Seite 5 unter Ziff. 7 ausgeführt:

"Anhand der Aussagen zum Schadenhergang sowie des Brandspurenbildes ist als Brandursache von einer Überhitzung des Akkus infolge eines sogenannten thermischen Durchgehens (engl.: thermal runaway) auszugehen. Unter dem thermischen Durchgehen versteht man die Entzündung bzw. Explosion eines Akkus aufgrund eines sich selbst verstärkenden Aufheizungsprozesses. Dieser Erhitzungsprozess kann durch verschiedene interne und externe Auslöser hervorgerufen werden." (Unterstreichung durch den Senat)

Demnach kann das schadenstiftende Ereignis gerade auch eine externe Ursache gehabt haben, die nach Auffassung des Senats ohne Weiteres in einer (von der Beklagten behaupteten) Schadhaftigkeit des verwendeten Ladegeräts liegen kann.

b) Der von der Klägerin zur Ursächlichkeit des Akkus für das Explosionsereignis angebotene Sachverständigenbeweis (vgl. ebenfalls Bl. 85R d.A.) war und ist schon deshalb nicht zu erheben, weil das genannte Parteigutachten im unmittelbaren Anschluss an die vorstehend zitierte Passage des Weiteren ausführt:

"Aufgrund des sehr hohen Zerstörungs[g]rades ist jedoch eine nähere Eingrenzung der Brandursache durch eine technische Untersuchung nicht mehr möglich."

Damit ist weitere Aufklärung nicht möglich, was sich angesichts der bei der Klägerin liegenden Beweislast (s.o.) zu deren Lasten auswirkt.

3.) Schließlich scheitert eine Haftung der Beklagten auch an der Ausnahmebestimmung des § 8 Nr. 1 StVG. Es ist nämlich davon auszugehen, dass das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug bauartbedingt keine höhere Geschwindigkeit als 20 km/h erreichen konnte.

a) Die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast liegt zwar bei der Beklagten (vgl. BeckOGK/Walter, StVG, Stand: 1. September 2019, § 8 Rn. 25). Diese hat sich jedoch auf das "Certificate of Conformity" (Bl. 37 der als Beiakte geführten Ermittlungsakte zu 4553 UJs 14119/17, Staatsanwaltschaft Hannover, Kopie hier Bl. 129 d.A.) bezogen, aus dem sich eine Höchstgeschwindigkeit ("Maximum speed") von 20 km/h ergibt. Zwar kommt es auf die tatsächlichen Gegebenheiten im Unfallzeitpunkt an, doch reicht die Bezugnahme auf derartige Herstellerangaben jedenfalls dann aus, wenn sich eine von der Klassifizierung des Fahrzeugs abweichende Beschaffenheit im Unfallzeitpunkt nicht feststellen lässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juni 1997 - VI ZR 156/96 -, juris Rn. 18; Greger/Zwickel, a.a.O., § 19 Rn. 8).

b) Im Streitfall lässt sich auf Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes eine Beschaffenheit des Fahrzeugs, die ein Erreichen einer das in den Herstellerangaben verzeichnete Maximum von 20 km/h überschreitenden Geschwindigkeit ermöglicht hätte, nicht feststellen. Soweit die Klägerin auf erneut durch das Institut für Sch. e.V. als Parteigutachter durchgeführte Versuche mit einem vermeintlich vergleichbaren Fahrzeug und dabei erzielte, 20 km/h überschreitende Geschwindigkeiten verweist, ist das entsprechende Parteigutachten (Anlage K 8 im "Anlagenband II Kläger") unbehelflich, weil gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass das dort herangezogene Referenzmodell baugleich mit dem hier in Rede stehenden Fahrzeug gewesen ist. Denn wie das Parteigutachten (dort S. 2) selbst ausführt, ist in dem "Certificate of Conformity" des vermeintlichen Vergleichsmodells eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h angegeben. Die sich vor diesem Hintergrund aufdrängenden Zweifel an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der Fahrzeuge lassen das Parteigutachten als ungeeignet erscheinen, die Angaben im zum verfahrensgegenständlichen Fahrzeug gehörenden Zertifikat zu erschüttern, auf die sich der Senat mithin zu stützen hat.

III.

Die Klägerin sollte nach alledem erwägen, ihr Rechtsmittel aus Kostengründen zurückzunehmen. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle einer Rücknahme der Berufung die anfallenden Gerichtskosten deutlich ermäßigen würden.