Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.07.2020, Az.: 15 WF 72/20
Umfang der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegenüber einem in vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruch auf Kindesunterhalt
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.07.2020
- Aktenzeichen
- 15 WF 72/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 60227
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Peine - 25.05.2020 - AZ: 20 F 309/19
Rechtsgrundlagen
- FamFG § 76
- FamFG § 249
- FamFG §§ 249 ff.
- ZPO § 119 Abs. 1 S. 1
Fundstellen
- FamRB 2021, 186
- FamRZ 2020, 1747
- NJW-Spezial 2020, 764
- NZFam 2020, 1114
Redaktioneller Leitsatz
Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen einen im vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruch auf Kindesunterhalt erstreckt sich auch auf das anschließende streitige Verfahren.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Peine vom 25. Mai 2020 wie folgt geändert:
Die auf den Vergütungsfestsetzungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 8. April 2020 aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung gemäß § 55 RVG wird auf 315,35 € festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Peine vom 26. September 2019 ist dem Antragsgegner in einem vereinfachtem Unterhaltsverfahren zu dem Aktenzeichen 20 FH 16/19 VKH2 durch die zuständige Rechtspflegerin antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe für die 1. Instanz unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt worden.
Mit Antrag vom 18. September 2019 hat der Antragsgegner den Übergang in das streitige Verfahren beantragt. Dieses ist zu dem Aktenzeichen 20 F 309/19 UK geführt und durch Beschluss vom 25. März 2020 beendet worden.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. April 2020 auf Festsetzung der Vergütung für das streitige Verfahren ist mit Beschluss vom 6. Mai 2020 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass für das streitige Verfahren Verfahrenskostenhilfe weder beantragt noch bewilligt worden sei und sich bereits aus § 17 Nr. 3 RVG ergebe, dass das vereinfachte Verfahren und das anschließend streitige Verfahren verschiedene Angelegenheiten seien, für die gesondert Verfahrenskostenhilfe beantragt werden müsse.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Erinnerung ist nach einer Nichtabhilfeentscheidung durch die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 25. Mai 2020 durch das Familiengericht zurückgewiesen worden.
Mit der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde verfolgt der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners sein Ziel, dem Vergütungsantrag vom 8. April 2020 zu entsprechen, weiter. Zur Begründung trägt er vor, dass das vereinfachte Verfahren mit dem streitigen Verfahren in einem untrennbaren Zusammenhang stehe und es sich insoweit um dasselbe Verfahren handele. Dementsprechend gelte die VKH-Bewilligung und Beiordnung im vereinfachten Verfahren grundsätzlich auch bereits für das streitige Verfahren. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die VKH-Bewilligung nebst Anwaltsbeiordnung ausdrücklich auf das vereinfachte Verfahren beschränkt worden sei.
II.
Die gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 RVG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die 2-Wochenfrist gewahrt. Der Beschwerdewert von 200 € ist erreicht, §§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG.
Die Beschwerde ist auch begründet. Denn die mit Beschluss vom 26. September 2019 bewilligte Verfahrenskostenhilfe ist - wenngleich unter dem Aktenzeichen 20 FH 16/19 erteilt - nicht ausdrücklich auf das vereinfachte Unterhaltsverfahren beschränkt worden.
Die sich aus § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergebende Beschränkung auf den Rechtszug ist - wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat - kostenrechtlich zu verstehen, d. h. Rechtszug in diesem Sinne ist jeder Verfahrensabschnitt, der besondere Kosten verursacht (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 119 Rn. 2; BGH MDR 2005, 50 = NJW 2004, 3260).
Stehen mehrere Verfahrensabschnitte in einem notwendigen inneren Zusammenhang, sind sie trotz jeweiliger besonderer Kosten ein einheitlicher Rechtszug, es sei denn, dass bei der ursprünglichen Verfahrenskostenhilfebewilligung noch nicht geprüft werden konnte, ob die Rechtsverfolgung oder -verteidigung genügend aussichtsreich und nicht mutwillig ist (Schultzky a.a.O., § 119 Rn. 2). Ist für einen Verfahrensabschnitt eine gesonderte Kostenentscheidung erforderlich, ist dies ein Indiz für einen eigenen Rechtszug (MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 119 Rn. 2). Der Begriff des Rechtszugs ähnelt damit zwar dem des § 35 GKG, deckt sich aber nicht vollständig mit diesem.
Das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff FamFG) und das sich anschließende streitige Verfahren nach § 255 FamFG bilden einen einheitlichen Rechtszug Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn bereits bei VKH-Bewilligung für das vereinfachte Verfahren sind - anders als beim Mahnverfahren - die Erfolgsaussichten zu prüfen (vgl. Frankfurt FamRZ 2008, 420; Schultzky a.a.O., § 119 Rn. 3.26). Auch fallen besondere Gebühren bei Vorschaltung des vereinfachten Verfahrens nicht an (vgl. Lorenz in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 249 FamFG Rn. 10), auch wenn das vereinfachte Unterhaltsverfahren einen eigenen Gebührentatbestand auslöst, wie sich dies aus § 17 Ziff. 3 RVG ergibt.
Bewilligt also der Rechtspfleger im vereinfachten Unterhaltsverfahren nach §§ 249 ff. FamFG Verfahrenskostenhilfe ohne Einschränkung, so gilt diese für den gesamten Rechtszug, damit auch für das streitige Verfahren. Dieser Unterschied zum Mahnverfahren (vgl. MüKoZPO/Wache, a.a.O., § 119 Rn. 17) ist gerechtfertigt, weil im vereinfachten Unterhaltsverfahren eine Schlüssigkeitsprüfung stattfindet.
Der Rechtspfleger kann jedoch die Bewilligung auf das vereinfachte Verfahren beschränken. Ebenso wie beim Mahnverfahren umfasst sie dann nicht das streitige Verfahren nach § 255 FamFG (BeckOK ZPO/Reichling, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 119 Rn. 4-4.2).
Dies ist vorliegend aber gerade nicht erfolgt. Allein der Umstand, dass die Bewilligung unter dem FH-Aktenzeichen erfolgt ist, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Eine mögliche Beschränkung der Verfahrenskostenhilfebewilligung lediglich auf das vereinfachte Verfahren hätte ausdrücklich erfolgen müssen. Anders als in dem vom OLG Koblenz (NZFam 2020, 263) entschiedenen Fall, auf den sich das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung bezieht, ist in dem hier vorliegenden Verfahrenskostenhilfebeschluss auch nicht im Betreff etwa durch den Zusatz "wegen vereinfachtem Unterhaltsverfahren" darauf hingewiesen worden, dass sich die Entscheidung (lediglich) auf das vereinfachte Unterhaltsverfahren bezieht. Ohne einen Hinweis auf eine solche Beschränkung durften sowohl der Antragsgegner als auch der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass eine umfassende Verfahrenskostenhilfebewilligung für den gesamten Rechtszug erfolgt ist.
III.
Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 RVG. Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG nicht erstattet.