Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.12.2005, Az.: 13 U 46/02

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.12.2005
Aktenzeichen
13 U 46/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 41482
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2005:1215.13U46.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 29.01.2002 - AZ: 7 O 209/00
nachfolgend
BGH - 15.11.2007 - AZ: IX ZR 15/06

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2008, 180-181

In dem Rechtsstreit

...

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter Dr. K. und U. sowie die Richterin F. auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Januar 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Verden - 7 O 209/00 - geändert.

  2. Die Klage wird abgewiesen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  5. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuvor leistet.

  6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beklagte erwarb vom Schuldner der Klägerin am 7. Februar 2000 ein Hausgrundstück unter Übernahme der darauf in Abt. III lastenden Grundschulden, die an diesem Tage mit 399 728 DM, also 204 377,68 € valutierten. Die Klägerin hielt den Erwerb für anfechtbar; das Grundstück sei durchaus mehr wert als die Valuten der übernommenen Grundschulden.

2

Das Landgericht hat die Beklagte zur Duldung der Zwangsvollstreckung der Klägerin in dieses Grundstück verurteilt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die wiederum geltend macht, der Verkehrswert sei niedriger als die Valuten der übernommenen Grundschulden.

3

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 3. März 2005 über den Wert des Grundstücks am 7. Februar 2000 und 30. Juni 2005. Darüber verhalten sich die Gutachten des Sachverständigen R. vom 15. September 2005 und 26. September 2005.

4

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat deshalb Erfolg, weil der Klägerin der mit dem angefochtenen Urteil zuerkannte Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das vom Schuldner der Beklagten übertragene Grundstück gem. § 11 Anfechtungsgesetz nicht zusteht. Entgegen den Feststellungen des Landgericht war das übertragene Grundstück wertausschöpfend belastet, sodass es für die Gläubiger des Schuldners keinen Wert hat. Es fehlt mithin an der objektiven Gläubigerbenachteiligung. Den Gläubigern ist kein ansonsten der Vollstreckung unterliegender Gegenstand entzogen worden.

5

Zwar hat der vom Landgericht bestellte sachverständige Dipl.-Ing. M. den Verkehrswert des Grundstücks mit 510 000 DM bewertet. Dagegen hatte der Sachverständige E., der im Zwangsvollstreckungsverfahren zu 11 K 48/01 vom Amtsgericht Walsrode zur Feststellung des Verkehrswerts bestellt war, diesen mit nur 399 000 DM ermittelt. Inzwischen fand das Zwangsversteigerungsverfahren zu 11 K 48/01 des Amtsgerichts Walsrode statt, in dem das Grundstück auf ein Gebot von 164 500 € mit Beschluss vom 15. Mai 2002 der Beklagten zugeschlagen wurde. Angesichts dieses geringen Ergebnisses sah sich der Senat veranlasst, durch Beschluss vom 3. März 2005 den Sachverständigen R. zu beauftragen, der in seinen Gutachten vom 15. September 2005 und 26. September 2005 den Verkehrswert für den 7. Februar 2000 mit 381 000 DM und für den 30. Juni 2005 mit 173 000 €, das sind 338 358,59 DM beziffert hat. Der Sachverständige hat dabei den Sachwert um einen Marktanpassungsfaktor verringert, den er auf Seite 34 und 41 seines Gutachtens vom 15. September 2005 für den Zeitwert am 7. Februar 2000 und auf Seite 19 seines Gutachtens vom 26. September 2005 für den Zeitwert am 30. Juni 2005 hergeleitet hat. Entsprechend dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2001 (- V ZR 420/099 - NJW RR 2001,732) gehört die Anpassung der Wertschätzung an die konkrete Marktsituation zur Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken. Die vom Sachverständigen zur Einschätzung dieses Korrekturfaktors der festgestellten Substanzwerte verwendeten Kriterien, nämlich die Objektart, die Region, der Bodenwert und die Objektgröße sowie die Kaufpreise vergleichbarer Objekte sind sachgerecht .Auch die Quellen des Marktanpassungsfaktors sind nicht zu beanstanden. Dies sind die Angaben des örtlichen Gutachterausschusses und die in der Lose-Blatt-Sammlung S., H. - O. (vgl. Gutachten vom 15. September 2005, S. 76) veröffentlichten Werte sowie eigene sachverständige Erfahrung. Das vom Sachverständigen so gewonnene Ergebnis eines Abschlages in Höhe von 33 % ist damit plausibel hergeleitet, die Schätzung Produkt der Sachkunde des Sachverständigen, die einzubringen seine Aufgabe war.

6

Dieselben Überlegungen gelten für den Marktanpassungsfaktor, der auf Seite 19 des Gutachtens vom 26. September 2005 für den Zeitwert am 30. Juni 2005 hergeleitet wurde. Der Sachverständige hat dort ausgeführt, dass zum 30. Juni 2005 die Kaufpreise weiter nachgelassen hätten. Die daraus folgende Modifizierung des Marktanpassungsfaktors auf einen Abschlag von 44 % ist daraus plausibel und nachvollziehbar dargelegt. Auch die Differenz der Marktanpassungsfaktoren 2000 und 2005 ist a.a.O. mit dem weiteren, vom Sachverständigen aus geeigneten Quellen festgestellten Preisverfall begründet.

7

Hinzu kommt, dass das Hausgrundstück Bauschäden, einen Unterhaltungsstau und Modernisierungsdefizite aufweist. Diese sind zweifellos wertbeeinflussend und als sonstige besondere wertbeeinflussende Umstände auf Seite 42 des Gutachtens vom 15.September 2005 für den Zeitwert am 7. Februar 2000 und auf Seite 20 des Gutachtens vom 26. September 2005 für den Zeitwert am 30. Juni 2005 aufgeführt und bewertet. Die Differenz erklärt sich daraus, dass in der Zwischenzeit das Haus bewohnt wurde und notwendige Unterhaltungs- und Modernisierungsarbeiten durchgeführt wurden. Dabei hat der Sachverständige, wie Fußnote 24 auf Seite 59 seines Gutachtens vom 15. September 2005 deutlich zeigt, sorgfältig differenziert. Er hat als besondere wertbeeinflussende Umstände nur die tatsächlichen Bauschäden und Fertigstellungsdefizite aufgeführt, nicht die dargestellten Modernisierungsdefizite.

8

Nach alledem überzeugen die auch im Übrigen plausibel und nachvollziehbar begründeten Gutachten den Senat. Der Senat stellt auf der Grundlage dieser Gutachten den Verkehrswert zu den beiden Stichtagen mit einem geringeren Betrag als 204 377,68 € fest. Die Voraussetzungen dafür, ein Obergutachten einzuholen, liegen nicht vor. Der Sachverständige R. hat im Einzelnen überzeugend dargelegt, inwieweit die bisher vorgelegten Gutachten Fehler aufwiesen. Dagegen hat die Klägerin konkret nichts vorgebracht.

9

Dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass die Klägerin vermutet, im Zwangsversteigerungsverfahren könne ein höherer Erlös erzielt werden. Sicher ist, dass sich die Ergebnisse einer Zwangsvollstreckung im Anfechtungsprozess nicht mit letzter Sicherheit und Genauigkeit feststellen lassen. Richtig ist auch, dass es für ein stattgebendes Urteil genügen muss, wenn der Anfechtungsgläubiger darlegt und notfalls beweist, dass eine Zwangsvollstreckung in den anfechtbar übertragenen Gegenstand nicht aussichtslos erscheint ( BGH WM 1996, 2080, 2082 [BGH 24.09.1996 - IX ZR 190/95]). An eben einer solchen Darlegung fehlt es jedoch. Dafür reicht es nicht aus, darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige R. in seinem Gutachten Schätzungen verarbeitet hat. Diesen Schätzungen folgt der Senat aus den dargestellten Gründen. Anhaltspunkte dafür, dass Umstände vorlägen, die einen Erlös im Zwangsversteigerungsverfahren, der höher ist als der vom Senat festgestellte Verkehrswert erwarten ließen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

10

Mit dieser Entscheidung folgt der Senat dem Verständnis des BGH in WM 1996, 2080 [BGH 24.09.1996 - IX ZR 190/95] - 2082 und wendet dies auf den vorliegenden Fall an. Anlass, die Revision zuzulassen besteht folglich nicht.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.