Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 26.11.2021, Az.: 12 A 5211/21
Abschiebungsverbot; Drittstaatenbescheid; Griechenland; Rechtsschutzbedürfnis; Statthaftigkeit; Verpflichtungsklage; Wahlrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 26.11.2021
- Aktenzeichen
- 12 A 5211/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71067
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992
- § 60 Abs 5 AufenthG
- Art 3 MRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der gerichtliche Rechtsschutz von Asylantragstellern, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz erhalten haben und in der Bundesrepublik Deutschland einen weiteren Asylantrag stellen, ist nicht auf eine vorrangige Anfechtung der auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes beschränkt. Vielmehr haben die betreffenden Personen alternativ die Möglichkeit, mit dem Hauptantrag die Verpflichtung der Bunderepublik zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich des anderen Mitgliedstaates zu beantragen.
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, zugunsten des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Griechenlands festzustellen.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. August 2021 wird hinsichtlich der Nr. 2 bis 5 der Entscheidungsformel aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Der 2008 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Er reiste im Dezember 2019 zusammen mit seinem älteren Bruder und Vormund, Herrn F., in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 29. Januar 2020 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Am 30. Januar 2020 wurde Herr F. vom Bundesamt zur Zulässigkeit des Asylantrages des Klägers angehört. Dabei gab er an, dass der Kläger und er in Griechenland bereits internationalen Schutz erhalten hätten.
Daraufhin ersuchte das Bundesamt die griechischen Behörden mit E-Mails vom 13. Mai und vom 2. Juni 2020, eine individuelle Zusicherung zur Unterbringung des Klägers nach einer Rücküberstellung nach Griechenland abzugeben.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Februar 2021 bat der Kläger das Bundesamt um Mitteilung, wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden werde. Für den Fall, dass der Asylantrag bis zum 1. März 2021 noch nicht beschieden worden sein sollte, kündigte der Kläger an, Untätigkeitsklage zu erheben.
Unter dem 26. Februar 2021 teilte das Bundesamt dem Kläger mit, dass die Beurteilung der allgemeinen Lebensumstände für Personen, die - wie er - in Griechenland internationalen Schutz erhalten hätten, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen aufwerfe, weshalb der Asylantrag des Klägers derzeit nicht entscheidungsreif sei.
Am 28. April 2021 erhob der Kläger Untätigkeitsklage (Az. G.). Mit Urteil vom 29. Juni 2021 verpflichtete das erkennende Gericht die Beklagte, über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 16. August 2021 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Griechenland zur Ausreise auf; der Kläger dürfe nicht in den Irak abgeschoben werden (Nr. 3). Darüber hinaus ordnete das Bundesamt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung setzte es aus (Nr. 5). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Asylantrag des Klägers sei nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, weil Griechenland ihm bereits internationalen Schutz gewährt habe. In Griechenland herrschten keine derartigen Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannt Schutzberechtigte seien dort einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt. Die Lebensbedingungen dort seien ausreichend und hätten sich im Vergleich zu vorherigen Jahren deutlich verbessert. Griechenland gewähre schutzberechtigten Migranten prinzipiell Zugang zu Bildung, zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung und stelle sie damit der einheimischen Bevölkerung gleich. Auch Abschiebungsverbote lägen vor diesem Hintergrund nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
Am 6. September 2021 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, in Griechenland drohe ihm eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK. Angesichts der dort herrschenden Aufnahmebedingungen für anerkannt Schutzberechtigte sowie mit Blick auf seine individuelle Rückkehrsituation bestehe das reale Risiko, dass er nicht in der Lage sein werde, eine Unterkunft zu finden, sich ausreichend zu ernähren und seine grundlegenden hygienischen Bedürfnisse zu befriedigen. Er könne auch die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots beanspruchen. Weder aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch aus anderen rechtlichen Aspekten ergäben sich Anhaltspunkte dafür, dass ihm kein Wahlrecht hinsichtlich einer „Komplettanfechtung“ oder dem vorrangigen Begehr von nationalen Abschiebungsverboten zustehe. Dies gelte umso mehr, als beide Wege im Einzelfall mit unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen verbunden seien.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2021 zu verpflichten, zu seinen Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Griechenlands festzustellen,
hilfsweise, den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2021 - mit Ausnahme der Feststellung, dass er, der Kläger, nicht in den Irak abgeschoben werden darf (Nr. 3 Satz 4) - aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angegriffenen Bescheid. Ergänzend trägt sie vor, das auf Durchführung eines Asylverfahrens gerichtete Verpflichtungsbegehren des Klägers könne bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil die Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig jedenfalls seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes nur mit der Anfechtungsklage angefochten werden könne. Nach der gerichtlichen Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung sei das Bundesamt automatisch zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat mit dem Hauptantrag Erfolg.
I. Der auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Griechenlands gerichtete Hauptantrag ist zulässig.
Er ist entgegen der Auffassung der Beklagten statthaft. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig - jedenfalls seit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes - nur mit der Anfechtungsklage angefochten werden; denn nach der gerichtlichen Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung ist das Bundesamt automatisch zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 16 ff., und Urt. v. 20.05.2020 - 1 C 34.19 -, juris Rn. 10). Der Kläger, der bereits in Griechenland internationalen Schutz erhalten hat, wendet sich mit seinem Hauptantrag jedoch nicht gegen die Unzulässigkeitsentscheidung. Er begehrt nicht - wie die Beklagte meint - deren Verpflichtung zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, sondern zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots. Da die Unzulässigkeitsentscheidung bei Erfolg des Hauptantrages nicht aufgehoben, sondern bestandskräftig wird, ist die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, in diesem Fall auch nicht „verfrüht ergangen“ (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 -, juris Rn. 21). Dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Verstöße gegen Art. 4 GRC im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen (vgl. EuGH, Beschl. v. 13.11.2019 - C-540/17 und C-541/17 -, juris Rn. 34 ff.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 17.06.2020 - 1 C 35.19 -, juris Rn. 23, und Nds. OVG, Urt. v. 19.04.2021 - 10 LB 244/20 -, juris Rn. 25), schließt - bei entsprechender Antragstellung - eine Verpflichtung der Beklagten durch das Gericht zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich des anderen Mitgliedstaates wegen solcher Verstöße ebenfalls nicht aus. Auch sonst sind keine systematischen oder teleologischen Gründe dafür ersichtlich, den Rechtsschutz des Asylantragstellers in Fällen wie dem vorliegenden auf eine vorrangige Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung zu beschränken (so im Ergebnis auch Vogt, NVwZ 2020, 137, 140: „Wahlrecht“).
Der Kläger verfügt insoweit auch über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dies ergibt sich daraus, dass die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG für ihn zur Folge hat, dass ihm gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll (vgl. bereits BVerwG, Beschl. v. 02.08.2017 - 1 C 37.16 -, juris Rn. 24). Die Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung würde ihm eine solche Rechtsposition nicht vermitteln. Sie ergibt sich mangels einer § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entsprechenden gesetzlichen Regelung auch nicht bereits aus der in dem streitgegenständlichen Bescheid auf der Grundlage von § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG getroffenen Feststellung, dass der Kläger nicht in den Irak abgeschoben werden darf (Nr. 3 Satz 4 der Entscheidungsformel).
II. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 16. August 2021 ist hinsichtlich der mit dem Haupantrag angegriffenen Nr. 2 bis 5 der Entscheidungsformel rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich - zielstaatsbezogene (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 35) - Abschiebungshindernisse aus der EMRK ergeben. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage. Danach darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Art. 3 EMRK und der ihm entsprechende Art. 4 GRC verbieten ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 78). Daher ist es hinsichtlich in einem Mitgliedstaat schutzsuchender Personen für die Anwendung dieser Bestimmungen irrelevant, wann die Personen bei ihrer Rücküberstellung in den für ihr Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat bzw. den Mitgliedstaat, der ihnen bereits internationalen Schutz gewährt hat, einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wären, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 88 f.). Legt eine schutzsuchende oder eine als schutzberechtigt anerkannte Person hinreichend substantiiert dar, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihr nach einer Rücküberstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, hat das Gericht auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben sowie im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 90). Solche Schwachstellen erreichen allerdings erst dann die für die Annahme einer Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Mitgliedstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 91 f., und Beschl. v. 13.11.2019 - C-540/17 und C-541/17 -, juris Rn. 39). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die rückzuüberstellende Person in dem zuständigen Mitgliedstaat ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basis- bzw. Notbehandlung erhalten würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 12). Bei der Gefahrenprognose, ob einer rücküberstellten Person im Zielland eine Verletzung von Art. 4 GRC droht, stellt der Europäische Gerichtshof auf das Bestehen einer ernsthaften Gefahr („serious risk“) ab. Dies entspricht dem Maßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“) in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK bzw. der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im nationalen Recht (zum Vorangehenden Nds. OVG, Urt. v. 19.04.2021 - 10 LB 244/20 -, juris Rn. 24 und 26).
Ausgehend hiervon droht dem Kläger zur Überzeugung des Einzelrichters im Falle seiner Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. April 2021 (- 10 LB 244/20 -, juris Rn. 28-73) zur Situation anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland Folgendes ausgeführt:
„a) Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Klägerin bei einer Rücküberstellung nach Griechenland dort keine menschenwürdige Unterkunft finden und über einen längeren Zeitraum obdachlos sein wird, weil ihr von der Republik Griechenland keine Unterkunft gestellt (dazu unter aa)), sie keine wohnungsbezogenen Sozialleistungen erhalten (dazu unter bb)), sie auch bei nichtstaatlichen Stellen keine nennenswerte Chance auf den Erhalt bzw. die Vermittlung von Wohnraum haben (dazu unter cc)), sie auch auf dem freien Wohnungsmarkt keinen Wohnraum anmieten können (dazu unter dd)), sie aber auch nicht die Möglichkeit haben wird, sich auf dem Rechtsweg eine Unterkunft zu verschaffen und damit Obdachlosigkeit zu vermeiden (dazu unter ee)), und sie aus diesen Gründen konkret von Obdachlosigkeit bedroht sein wird (dazu unter ff)).
aa) Staatliche Unterkunftsgewährung
Anerkannt Schutzberechtigte, die aus dem Ausland nach Griechenland rücküberstellt werden, haben keinen Anspruch auf Unterbringung in einer staatlichen Unterkunft. In Griechenland existieren zwar verschiedene staatlicherseits zur Verfügung gestellte Unterkunftsarten. Dazu zählen Camps, die aus Notunterbringungen hervorgegangen sind, Hotels, Apartments und Einrichtungen die von Nichtregierungsorganisationen geführt werden (AIDA, Country Report: Greece, Stand: 31.12.2019, Seite 148, https://bit.ly/36lduPV, Abruf: 28.1.2021, im Folgenden: AIDA). Ein Platz in einer solchen Unterkunft wird jedoch selbst für Personen, die nach Anerkennung internationalen Schutzes das Land nicht verlassen haben, nach der Anerkennung nicht mehr gewährt. Davon sind auch alle Bewohner einer im Rahmen des sogenannten ESTIA-Programms zur Verfügung gestellten Wohnung betroffen. Im Rahmen dieses Programms wurde Asylbewerbern für die Zeit des Asylverfahrens eine Unterkunft gestellt. Nach Zuerkennung internationalen Schutzes haben die so Untergebrachten aber keinen Anspruch mehr darauf, in dieser Unterkunft zu verbleiben. Vielmehr müssen diese Personen wie auch alle anderen in den oben genannten Unterkünften untergebrachten Personen nach einer Gesetzesänderung, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat, innerhalb von 6 Monaten ab dem Zeitpunkt der Anerkennung der Schutzberechtigung die Unterkünfte für Asylsuchende ohne Verzögerung verlassen. Diese Frist wurde durch eine weitere Änderung des Asylgesetzes im März 2020 auf 30 Tage verkürzt. Seit Anfang Juni 2020 setzt die griechische Regierung diese Vorschrift um (ProAsyl/RSA, Stellungnahme: Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, https://bit.ly/2QtHSSV, Abruf: 15.4.2021, im Folgenden: Stellungnahme April 2021; Auskunft des Auswärtigen Amtes (im Folgenden: AA) vom 26.11.2020 an das VG Magdeburg, n.v, Seite 1 f.; insofern überholt AA vom 28.1.2020 an das VG Leipzig, n.v., Seite 2).
International Schutzberechtigte haben auch ansonsten keine Möglichkeit, über staatliche Programme untergebracht zu werden (AA vom 4.12.2019 an das VG Berlin, Seite 3 f.).
Der griechische Staat bietet zwar im Rahmen des Programms Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection (Helios II) bestimmte Sozialleistungen (Unterkunft, Sprachunterricht, Berufsvorbereitung) an. Dieses Programm steht aber nur solchen Personen offen, deren internationaler Schutzstatus nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurde und die im Moment der Unterrichtung über die Anerkennung in einer offiziellen Flüchtlingsunterkunft (Open Accomodation Center), in einem der Hotspot-Lager (Reception and Identification Center, RIC), einer der Unterkünfte im Rahmen des sogenannten IOM Filoxenia-Programms oder in einer Unterkunft des (lediglich Asylantragstellern vorbehaltenen) sogenannten Estia-Programms untergebracht und gemeldet waren (AA an das VG Schleswig vom 15.10.2020, n.v., Seiten 1 f.; AA an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, n.v., Seite 2; Respond, Integration – Greece Country Report, Stand: Juni 2020, Seite 16, https://bit.ly/3opgdhy, Abruf: 28.1.2021, im Folgenden: Respond). Grundsätzlich hätte ein Antrag bis 30 Tage nach Anerkennung des Schutzstatus gestellt werden müssen (AA vom 26.11.2020 an das VG Magdeburg, n.v., Seite 2), nach anderen Angaben binnen eines Jahres (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 7 f.). All diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
Ob anerkannte Schutzberechtigte, die die letzten Monate in einem anderen EU-Mitgliedstaat verbracht haben, überhaupt Zugang zu Helios II haben, ist laut dem Auswärtigen Amt mindestens unklar (ebenda) bzw. soweit bisher bekannt zu verneinen (AA an das VG Leipzig vom 28.1.2020, n.v., Seite 1 f.). Laut einer Stellungnahme von ProAsyl/RSA hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) auf explizite Nachfrage auf die bereits genannten Kriterien verwiesen (ProAsyl/RSA, Stellungnahme im Verfahren „Kurdestan Darwesh and others v. Greece and the Netherlands – Application no. 52334/19“, 4.6.2020, Rn. 31, https://bit.ly/2Uvmnk9, Abruf: 29.1.2021, im Folgenden: ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 4.6.2020). Das Programm, das eine Laufzeit bis Juni 2021 hat (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 7), soll dabei unterstützen, einen nahtlosen Übergang von einer griechischen Hilfsmaßnahme zu einer europäischen zu ermöglichen. An in Deutschland (oder im anderen Ausland) lebende Migranten richtet sich das Programm originär nicht (AA an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, n.v., Seite 2).
Als Reaktion darauf, dass anerkannt Schutzberechtigte ohne Unterkunft sich immer wieder im Stadtzentrum von Athen versammelt hatten, wurden diese in einer Abschiebungshaftanstalt in der Nähe Athens untergebracht. Dort blieben sie unregistriert sich selbst überlassen. Sie wurden vor die Wahl gestellt, entweder in dieser Haftanstalt zu verbleiben oder diese ohne Rückkehrmöglichkeit zu verlassen. Die Tore zur Haftanstalt waren verschlossen (RSA, Recognised but unprotected: The situation of refugees in Victoria Square, 3.8.2020, https://bit.ly/3p34Cow, Abruf: 15.4.2021).
bb) Wohnungsbezogene Sozialleistungen
Rücküberstellte anerkannt Schutzberechtigte erhalten auch keine wohnungsbezogenen Sozialleistungen (Raphaelswerk, Griechenland: Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand: 12/2019, Seite 9, https://bit.ly/3iRZYZa, Abruf: 28.1.2021, im Folgenden: Raphaelswerk). Das zum 1. Januar 2019 neu eingeführte Wohngeld greift nur bei einem legalen Voraufenthalt von mindestens 5 Jahren in Griechenland (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 19, und Stellungnahme vom 4.6.2020, Rn. 41; AA an das VG Berlin vom 4.12.2019, Seite 5, und an das VG Stade vom 6.12.2018, Seite 2). Die Höhe beträgt maximal 70 € für eine Einzelperson und maximal 210 € für einen Mehrpersonenhaushalt (AA an das VG Leipzig vom 28.1.2020, Seite 2).
Schutzberechtigte haben zwar vollen Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose. Diese sind jedoch nur begrenzt vorhanden und stehen überdies nur für kurze Zeiträume bzw. für Notfälle zur Verfügung (ProAsyl/RSA, Abschiebungen ins Nichts, 30.1.2019, Seite 3, https://bit.ly/39qm1Ts, Abruf: 29.1.2021). Eigene Unterbringungsplätze für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte existieren nicht (BFA (österr.), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Stand: 19.3.2020, Seite 30, n. v.). Die Obdachlosenunterkünfte sind chronisch überfüllt (vgl. die Aufstellung für Obdachlosenunterkünfte im Juli 2018: ProAsyl/RSA, Update – Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigte in Griechenland, 30.8.2018, Seite 6 f., https://bit.ly/2YrmazO, Abruf: 29.1.2021, im Folgenden: Stellungnahme vom 30.8.2018; AA vom 6.12.2018 an das VG Stade, Seite 3). Im Jahr 2019 erfolgte auf 950 Anfragen von Asylsuchenden, die heimatlos oder unter prekären Lebensumständen auf dem griechischen Festland lebten, nur in 55 Fällen ein Angebot für eine Unterbringung. Das entspricht einem Anteil von unter 6 % (AIDA, Seite 150). Auf Anfrage der Flüchtlingshilfsorganisation ProAsyl hat das KYADA Multi-Purpose Homeless Shelter, die größte Unterkunft in der Region von Attika, Ende Februar 2021 mitgeteilt, dass aktuell keine Plätze verfügbar seien (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 10).
cc) Einige Nichtregierungsorganisationen bieten punktuell Wohnraum an. Hierzu gehören z.B. Caritas Hellas, Orange House und PRAKSIS. Insbesondere Caritas Hellas unterhält einen sogenannten „Social Spot" in Athen. Hier werden täglich Hilfestellungen zu verschiedenen Themen angeboten. Zudem verfügt Caritas Hellas über Wohnräumlichkeiten sowie Kooperationen mit der armenischen Kirchengemeinde, welche u. a. auch für kurzfristige Unterbringungen zur Verfügung stehen. Weitere gemischte Wohnprojekte der Caritas Hellas im Stadtteil Neos Kosmos werden von den römisch-katholischen Bischöfen in Griechenland unterstützt (BFA (österr.), a.a.O., Seite 30 f.; AA vom 6.12.2018 an das VG Stade, Seite 3). Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen leisten auch Unterstützung bei der Vermittlung von Wohnraum (Raphaelswerk, Seite 9). Die Unterstützung durch solche Organisationen erfolgt aber teilweise in Projekten mit kurzer Laufzeit, die unregelmäßig gefördert werden (Raphaelswerk, Seite 1). Aktuell soll es laut Auskunft von ProAsyl keinen Wohnraum oder Wohnunterstützung durch Hilfsorganisationen geben (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 10).
dd) Anmietung von Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt
Eine Anmietung von Wohnraum kommt zumindest dann nicht Betracht, wenn die rücküberstellten Personen nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen, die sie mit eigener Erwerbstätigkeit – wie im Folgenden unter b) ausgeführt – nicht erlangen können. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, dass anerkannt Schutzberechtigte nicht nur die Mittel für die laufenden Mietzahlungen benötigen, sondern auch für die Hinterlegung einer Mietkaution (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 9; ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 4.6.2020, Rn. 38).
Selbst wenn solche Mittel vorhanden sind, wird eine Wohnungssuche durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, hilfsweise Bekannte und Studenten, sowie gelegentlich auch durch Vorurteile erschwert (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 9; AA vom 26.9.2018 an das VG Schwerin, Seite 5, n.v.; BAMF, Länderinformation: Griechenland, Stand: Mai 2017, Seite 6; ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 4.6.2020, Rn. 38).
ee) Rechtsschutz zur Vermeidung von Obdachlosigkeit
Es besteht für anerkannte Schutzberechtigte auch keine realistische Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg eine Unterkunft zu verschaffen. Laut einer Auskunft des Auswärtigen Amts an das VG Schleswig besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Vermeidung von Obdachlosigkeit nach griechischem Recht (AA an das VG Schleswig vom 15.10.2020, n.v.). Zwar ist gemäß Art. 21 Abs. 4 der griechischen Verfassung „Die Verschaffung von Wohnungen für Obdachlose oder ungenügend Untergebrachte Gegenstand der besonderen Sorge des Staates“. Daraus lasse sich aber – so das Auswärtige Amt – kein Rechtsanspruch herleiten. Es handele sich vielmehr um eine Staatszielbestimmung. Auch einfachrechtlich sei kein Rechtsanspruch auf Zuweisung von Wohnraum statuiert. Ein Eilrechtsschutz mit dem Ziel der Unterbringung bestehe nicht.
Auch aus den europäischen Richtlinien resultiert kein Anspruch auf Bereitstellung einer Unterkunft. Die international Schutzberechtigten zu gewährenden Rechte ergeben sich aus der Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (EU-Qualifikations-RL). Gemäß Art. 32 Abs. 1 dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Zugang zu Wohnraum unter Bedingungen erhalten, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich regelmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten. Gemäß Art. 29 Abs. 1 EU-Qualifikations-RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Das Europarecht gewährt den anerkannt Schutzberechtigten danach nur eine Gleichbehandlung mit anderen Drittstaatsangehörigen bzw. mit griechischen Bürgern.
Die sich daraus ergebenden Diskriminierungsverbote werden aber von der Republik Griechenland beachtet. Es ist gerade das erklärte Ziel Griechenlands, sich durch die Gewährung von internationalem Schutz und der damit verbundenen (formalen) Gleichstellung mit griechischen Bürgern weiterer Ansprüche auf Sozialleistungen, die die Antragsteller vor ihrer Anerkennung als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigte erhalten haben, zu entledigen. So erklärte der Minister für Migration und Asyl, dass es das Ziel Griechenlands sei, binnen 2 bis 3 Monaten den Schutzberechtigten einen entsprechenden Status zu garantieren, und im Anschluss alle Sozialleistungen und Unterkünfte zu entziehen, da die Gewährung derartiger Leistungen als „Pull-Faktor“ wirke. Jeder, dessen Status anerkannt worden sei, sei für sich selbst verantwortlich (AIDA, Seite 217).
Rechtsbehelfe vor Verwaltungsbehörden oder Gerichten nehmen überdies oft Jahre in Anspruch, sind für anerkannte Flüchtlinge oft nicht zugänglich und für diese deshalb unwirksam (ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 23.6.2017, Seite 10).
ff) Als Folge der geschilderten fehlenden bzw. unzureichenden Unterstützung durch staatliche und nichtstaatliche Stellen sind in Griechenland zahlreiche international Schutzberechtigte obdachlos.
In Presseberichten wird die Zahl von 11.000 Flüchtlingen genannt, die allein infolge der bereits oben geschilderten verschärften Praxis der griechischen Behörden, Flüchtlinge spätestens binnen 30 Tagen nach Anerkennung eine Unterkunft in einem Flüchtlingslager zu verweigern, obdachlos geworden sind (ProAsyl/RSA, Griechenland: Selbst anerkannten Flüchtlingen droht Verelendung, 14.9.2020, https://bit.ly/3cUtA6Y, Abruf: 6.4.2021; Ärzte ohne Grenzen, Regierung treibt Tausende Flüchtlinge gezielt in Obdachlosigkeit, 14.7.2020, https://bit.ly/3dwgNX6, Abruf: 6.4.2021; Der Spiegel, Plötzlich vor dem Nichts, 6.6.2020, https://bit.ly/3wwkvZH, Abruf: 6.4.2021). Rücküberstellte anerkannt Schutzberechtigte vergrößern diese Gruppe der Obdachlosen noch, zumal sie – wie ausgeführt – selbst nicht (mehr) berechtigt sind, in eine Flüchtlingsunterkunft aufgenommen zu werden. Aufgrund des Mangels an Unterbringungskapazitäten greifen anerkannt Schutzberechtigte, einschließlich Vulnerable, auf Notunterkünfte zurück oder bleiben in den städtischen Gebieten von Athen, Thessaloniki und Petra obdachlos. Andere leben unter prekären Bedingungen in besetzten oder verlassenen Gebäuden ohne Zugang zu Strom oder Wasser (vgl. BFA (österr.), Länderinformationsblatt der Staaten Dokumentation: Griechenland, Stand: 19.3.2020, n. v., Seite 21).
Die Klägerin kann nicht auf solche “informelle Möglichkeiten“ der Unterkunft in verlassenen bzw. besetzten Gebäuden verwiesen werden. Denn abgesehen von der Illegalität dieser Unterkunftsform sind diese Gebäude wegen der dort zumeist herrschenden menschenunwürdigen Zustände unzumutbar (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A –, juris Rn. 62f. m.w.N.). Diese Situation hat sich durch die Auflösung von Flüchtlings-Camps auf den ägäischen Inseln und die Erschwernisse infolge der Corona-Krise noch verschärft (siehe hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A –, juris Rn. 49-62 m. w. N.).
Zusammengefasst besteht für die Klägerin eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, nach einer Rücküberstellung nach Griechenland obdachlos zu werden. Dass es vereinzelt nicht zur Obdachlosigkeit kommt, weil es mithilfe von Nichtregierungsorganisationen oder Unterstützung anderer Flüchtlinge gelingt, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Gefordert ist nur, dass der Klägerin mit „beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ eine Verletzung des Mindestinhalts ihres Grundrechts gemäß Art. 4 GRC („Brot, Bett und Seife“) droht. Eine solche Wahrscheinlichkeit lässt sich aufgrund der vorbeschriebenen Lage in Griechenland nicht verneinen (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A –, juris Rn. 41 ff.). Dass Obdachlosigkeit kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, trifft jedenfalls aktuell nicht mehr zu. Selbst in der deutschen Presse wird umfänglich über obdachlose anerkannte Schutzberechtigte in Athen berichtet (vgl. etwa Redaktionsnetzwerk Deutschland, „Flüchtlinge in Athen: Ein Leben wie menschliches Treibgut“, 20.10.2020, http://bit.ly/36E8LsO, Abruf: 6.4.2021; Der Spiegel, Plötzlich vor dem Nichts, 6.6.2020, https://bit.ly/3wwkvZH, Abruf: 6.4.2021). Nach einem Pressebericht hat die Beklagte zudem bestätigt, von sich aus seit Ende des Jahres 2019 Rücküberstellungen nach Griechenland ausgesetzt zu haben (Oldenburger Onlinezeitung, BAMF legt Tausende Asylverfahren von Flüchtlingen[n] auf Eis, 6.2.2021, http://bit.ly/3bmsMFS, Abruf: 19.2.2021).
Besonderheiten in der Person der Klägerin, die ausnahmsweise die Annahme rechtfertigen könnten, die Klägerin werde auch im Falle einer Rücküberstellung nicht in die Obdachlosigkeit abgleiten, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in ihrer Anhörung durch die Beklagte mitgeteilt hat, sie sei von ihrem bereits in Deutschland lebenden Bruder unterstützt worden (Seite 4 der Niederschrift über die Anhörung der Klägerin vom 20. März 2018, Blatt 59, 62 unten der Verwaltungsakte), ist nicht ersichtlich, dass diese Unterstützung genügen würde, um eine Unterkunft zu erlangen. Seinerzeit lebte die Klägerin nämlich noch in einer Flüchtlingsunterkunft, sodass aus den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln lediglich die Kosten für Essen und Hygieneartikel zu bestreiten waren.
b) Die Klägerin wird ferner mit hoher Wahrscheinlichkeit im Falle ihrer Rücküberstellung nach Griechenland nicht in der Lage sein, mit Erwerbstätigkeit die finanziellen Mittel zu erlangen, die sie für die Versorgung mit den für ein Überleben notwendigen Gütern benötigt.
Die Ausstellung zahlreicher, für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit benötigter Dokumente ist an hohe Voraussetzungen geknüpft und teils wechselseitig vom Vorhandensein weiterer Dokumente abhängig (ProAsyl/RSA, Stellungnahme zur Situation international Schutzberechtigter in Griechenland, 9.12.2020, Seite 3, https://bit.ly/39q6FhM, Abruf: 28.1.2021, im Folgenden: Stellungnahme vom 9.12.2020).
Anerkannt Schutzberechtigte können zwar eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit unter denselben Bedingungen aufnehmen, die für griechische Bürger gelten (AA vom 21.8.2020 an das VG Bayreuth, Seite 2, n.v.; AA vom 6.12.2018 an das VG Stade, Seite 8, n.v.), sofern sie eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzen (Respond, Seiten 17, 25).
Schon die Erlangung dieser Aufenthaltserlaubnis gestaltet sich indes schwierig. Anders als in Deutschland reicht ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der Asylbehörde, mit dem einer Person internationaler Schutz zuerkannt wurde, in Griechenland nicht aus, um die entsprechende Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Zusätzlich wird ein sogenannter ADET- Bescheid benötigt, bei dem es sich um eine Anweisung des zuständigen Regionalbüros der Asylbehörde handelt, eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen. Erst mit einem solchen Bescheid kann bei der Passbehörde der griechischen Polizei ein Termin vereinbart werden, um die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. In der Praxis gibt es zwischen Beantragung und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Wartezeiten von bis zu einem Jahr (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seiten 12, 14). International Schutzberechtigte, die keine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzen, haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 12).
Die Arbeitsaufnahme ist zwar nicht von einer vorherigen Arbeitserlaubnis abhängig (AIDA, Seite 219). Ein (legales) Arbeitsverhältnis kann aber nur mit einer gültigen Steuerregistrierungsnummer bzw. -identifikationsnummer (AFM) eingegangen werden (AIDA, Seite 165; Respond, Seite 25). Diese Registrierungsnummer ist nur mit einem Nachweis einer Unterkunft zu erhalten (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 15; Respond, Seite 25). Für wohnungslose Inhaber internationalen Schutzes ist es daher nicht möglich, eine Steuerregistrierungsnummer zu erlangen (ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 9.12.2020, Seite 3, und Stellungnahme vom 4.6.2020, Rn. 8).
Auch die Erlangung einer ebenfalls für die Arbeitsaufnahme notwendigen Sozialversicherungsnummer (AMKA) (dazu Raphaelswerk, Seiten 8, 11; ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 4.6.2020, Rn. 13, 48, und Stellungnahme vom 9.12.2020, Seite 3) gestaltet sich laut den Erkenntnismitteln komplex und problematisch. Die Erteilung setzt den Nachweis einer Steuerregistrierungsnummer und einer Korrespondenzadresse voraus (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 12, 16, Stellungnahme vom 9.12.2020, Seite 3, und Stellungnahme vom 4.6.2020, Rn. 13). Für obdachlose bzw. nicht dauerhaft an einer Stelle sesshafte Schutzberechtigte sind diese Voraussetzungen nicht erfüllbar. International Schutzberechtigte, die ohne Aufenthaltserlaubnis nach Griechenland zurückkehren oder abgeschoben werden, können keine Sozialversicherungsnummer erhalten. Eine Beantragung ist erst möglich, wenn Ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Dies kann aber – wie ausgeführt – angesichts der aktuellen Wartezeiten bis zu einem Jahr dauern (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 17).
Anerkannt Schutzberechtigten ist der Arbeitsmarkt in Griechenland zudem nur zugänglich, wenn sie ein Bankkonto vorweisen können (ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 9.12.2020, Seite 5). Da die Eröffnung eines Bankkontos wiederum vom Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis, eines Reisepasses, eines Wohnsitzes, einer Steuer-ID sowie einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung abhängig ist, sind die wenigsten international Schutzberechtigten in der Lage, ein Konto zu eröffnen (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 17). Laut UNHCR hat zwar die Mehrzahl der anerkannt Schutzberechtigten, die seinerzeit über das sogenannte ESTIA II-Programm untergebracht worden waren (und somit sogar eine Meldeadresse vorweisen konnten), eine Sozialversicherungsnummer und eine Steuer-ID erhalten. Ein Bankkonto haben jedoch gerade einmal 10% eröffnen können (UNHCR, Population breakdown in ESTIA II Accomodation Scheme, 16.11.2020, Seite 2, https://bit.ly/2PYBBhZ, Abruf: 6.4.2021).
Laut einer Auskunft des Auswärtigen Amts ist die Bearbeitungsdauer bei administrativen Vorgängen überdies oft sehr lang und erfordert häufig die persönliche Vorsprache und gegebenenfalls einen Rechtsbeistand, um Verfahrensfragen zu klären. Nichtregierungsorganisationen unterstützten anerkannt Schutzberechtigte bei diesen Vorgängen (AA an das VG Chemnitz vom 1.2.2019, Seite 5, n.v., und an das VG Stade vom 6.12.2018, Seite 7, n.v.). Allein die Überprüfung der personenbezogenen Daten von Flüchtlingen dauert etwa 2 Monate (AIDA, Seite 220).
Die Chancen zur Vermittlung eines Arbeitsplatzes sind ohnehin gering. Die staatliche Arbeitsagentur OAED hat bereits für Griechen kaum Ressourcen für die aktive Arbeitsvermittlung und noch kein Programm zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen aufgelegt. Migration in den griechischen Arbeitsmarkt hat in der Vergangenheit vor allem in den Branchen Landwirtschaft, Bauwesen, haushaltsnahe und sonstige Dienstleistungen stattgefunden. Allerdings haben sich die Arbeitschancen deutlich verschlechtert (BFA (österr.), Länder Informationsblatt der Staaten Dokumentation: Griechenland, Stand: 19.3.2020, Seite 31).
Als letzte Möglichkeit verbleibt eine Erwerbstätigkeit im ungeregelten Arbeitsmarkt bzw. in der sogenannten „Schattenwirtschaft“ (so Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Juli 2018, Seite 9, https://bit.ly/36l5Q8k, Abruf: 29.1.2021, im Folgenden: Konrad-Adenauer-Stiftung). Laut dem AIDA-Bericht findet die überwiegende Anzahl derjenigen international Schutzberechtigten, die überhaupt eine Beschäftigung erlangen konnten, diese Beschäftigung in prekären Beschäftigungsverhältnissen, die das Risiko der Ausbeutung erhöhten (AIDA, Seite 220; vgl. auch Konrad-Adenauer-Stiftung, Seite 9; UNHCR, Refugee Integration in Mainland Greece: Prospects and Challenges, Seite 3, https://bit.ly/3tmW5jM, Abruf: 3.2.2021). Migranten werden schwarz beschäftigt und für harte, mühsame und gesundheitsschädigende Arbeiten eingestellt und häufig niedrig und/oder unregelmäßig bezahlt (Respond, Seite 28 f.). Im Jahr 2017 ergaben Nachforschungen, dass unter jungen syrischen Flüchtlingen die Quote der Vollbeschäftigten nur 7,25 % betrug, von denen wiederum die Hälfte ohne jede soziale Absicherung arbeitete (Pro Asyl/RSA, Stellungnahme: Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, 23.6.2017, Seite 24, https://bit.ly/39q6FhM, Abruf: 28.1.2021, im Folgenden: Stellungnahme vom 23.6.2017; Respond, Seiten 26 und 29 f.).
Einige Sektoren der griechischen Wirtschaft wie etwa der Tourismus und die Landwirtschaft sind zwar vor der Corona-Pandemie teilweise von schwarzarbeitenden Migranten abhängig gewesen (Respond, Seiten 28 f.), jedoch bedeutete das bereits vor der Corona-Pandemie bei weitem nicht, dass anerkannte Schutzberechtigte auch eine Tätigkeit, die ihre Versorgung mit den für ein Überleben notwendigen Gütern sichergestellt hätte, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hätten finden können. Die Republik leidet nunmehr sehr stark unter dem mit der Corona-Pandemie verbundenen Wirtschaftseinbruch, insbesondere im Tourismus (RND, Corona wirft Griechenland weit zurück, 25.12.2020, https://bit.ly/3urJ7Rn, Abruf: 6.4.2021). Daher ist jetzt erst recht nicht davon auszugehen, dass der ungeregelte Arbeitsmarkt anerkannten Schutzberechtigten ein zum Überleben ausreichendes Einkommen sichern kann.
c) Die Klägerin wird im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland auch keinen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen haben, mit deren Hilfe sie dort ihr Existenzminimum sichern kann.
Anerkannt Schutzberechtigte haben in Griechenland grundsätzlich Zugang zu der seit Februar 2017 schrittweise eingeführten sozialen Grundsicherung. Das System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld, das sogenannte „Garantierte Mindesteinkommen“, in Höhe von 200 Euro für einen Einpersonenhaushalt vor, das sich pro zusätzlicher erwachsener Person um 100 EUR und pro zusätzlichem Kind um 50 EUR erhöht (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 18). Diese Säule ist etabliert und bedarf einer elektronischen griechisch-sprachigen Antragstellung. Die zweite Säule besteht aus Sach- und Beratungsleistungen und die dritte aus der Arbeitsmarktintegration; sie befindet sich aber noch im Aufbau (AA, Auskunft an das VG Leipzig vom 28.1.2020, Seite 2 f.).
Anspruchsberechtigt für das garantierte Mindesteinkommen sind Haushalte, die anhand eines mindestens 6 Monate vor der Antragstellung unterzeichneten Mietvertrags eine Meldeadresse nachweisen können (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 18). Nach anderen Angaben ist ein durch eine inländische Steuererklärung nachzuweisender, dauerhaft einjähriger Mindestaufenthalt im Inland erforderlich (Pro Asyl/RSA, In Griechenland stehen abgeschobene anerkannte Flüchtlinge vor dem Nichts – eine Fallstudie, Seite 4, https://bit.ly/39qm1Ts, Abruf: 28.1.2021; AA an das VG Chemnitz vom 1.2.2019, Seite 5, n.v.). Jüngeren Auskünften des Auswärtigen Amts zufolge ist sogar ein Voraufenthalt von 2 Jahren erforderlich (AA an das VG Leipzig vom 28.1.2020, Seite 2 f., n.v., und an das VG Berlin vom 4.12.2019, Seite 5, n.v.).
Die Antragsteller müssten zudem unter anderen im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis sein, benötigen eine Steueridentifikationsnummer (AFM), eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, eine Sozialversicherungsnummer (AMKA) und ein Bankkonto (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 18).
Auch obdachlose Menschen können Anspruch auf dieses garantierte Mindesteinkommen haben. Sie müssen die sonst erforderlichen Dokumente (AFM, AMKA, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, Bankkonto) und eine mit diesen Dokumenten erst noch zu beantragende Bescheinigung ihrer Obdachlosigkeit vorweisen können. Faktisch steht das garantierte Mindesteinkommen daher international Schutzberechtigten, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückkehren, nicht zur Verfügung (ProAsyl/RSA, Stellungnahme April 2021, Seite 19).
Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten nur Personen mit entsprechenden Vorversicherungszeiten für eine Dauer von maximal einem Jahr. Die griechische Arbeitsagentur OAED stellt seit Juni 2018 für alle Schutzberechtigten eine Arbeitslosenkarte aus. Die Arbeitslosenkarte berechtigt zu folgenden Leistungen: Kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, kostenloser Eintritt in Museen, Ermäßigungen für Gas-, Wasser- und Stromrechnungen, Rabatte in einigen Fast-Food-Restaurants, Mobilfunkangebote und ermäßigte berufliche Fortbildungsmaßnahmen (vgl. BFA (österr.), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Stand 19.3.2020, Seite 31).
Schutzberechtigte haben auch keinen Anspruch auf Leistungen aus dem sogenannten „Cash-Card-System“ des UNHCR. Denn Mittel aus diesem System stehen nur Asylbewerbern zur Verfügung (AA, Auskunft an VG Leipzig vom 28.1.2020, Seite 2; BFA (österr.), a.a.O., Seite 29).
Ausgehend von diesen Erkenntnissen besteht für die Klägerin keine Möglichkeit, die aufgezeigten staatlichen Sozialleistungen zu erlangen. Allein mit Hilfe der Arbeitslosenkarte, die lediglich zu einigen Vergünstigungen berechtigt, könnte die Klägerin ihr Existenzminimum ersichtlich nicht sichern (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A –, juris Rn. 91).
d) Schließlich wird die Klägerin auch durch die Unterstützung durch nichtstaatliche Stellen nicht in die Lage versetzt, ihre elementarsten Bedürfnisse in Griechenland zu befriedigen.
Verschiedene Nichtregierungsorganisationen unterhalten Suppenküchen, in denen Bedürftige – d.h. sowohl Einheimische als auch Ausländer – warme Mahlzeiten erhalten können (vgl. ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 30.8.2018, Seite 8). Punktuell bieten sie auch Unterstützung bei der Arbeitssuche bzw. der Beantragung von Sozialleistungen an (AA, Auskunft an das VG Stade vom 6.12.2018, Seiten 10 f.). In geringem Umfang gelingt es Flüchtlingen auch, Nahrungsmittel für sich selbst und andere Flüchtlinge durch Spendenmittel zu erlangen (The World, In Greece, refugees and migrants turn to each other to get through coronavirus pandemic, 23.4.2020, https://bit.ly/2Q1g4p4, Abruf: 7.4.2021). Diese Hilfsmaßnahmen, die ergänzt werden durch Hilfen der orthodoxen Kirche und der Zivilgesellschaft, können aber lediglich als „elementares Auffangnetz gegen Hunger und Entbehrungen“ bezeichnet werden (vgl. AA, Auskunft an das VG Schwerin vom 26.9.2018, Seite 4).
Nach allem geraten anerkannte Schutzberechtigte, wie die Klägerin, nach einer Rücküberstellung nach Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Obdachlosigkeit, erhalten in der Praxis keinen Zugang zu elementaren Leistungen und können auch sonst auf keine ausreichende Unterstützung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite hoffen mit der Folge, dass ihnen innerhalb kürzester Zeit Verelendung und ein Leben unter menschenrechtswidrigen Bedingungen droht (so auch ProAsyl/RSA, Stellungnahme vom 9.12.2020, Seite 1).“
Ausgehend von diesen Feststellungen wird der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen bei einer Rückkehr nach Griechenland in eine Situation extremer materieller Not geraten und seine elementarsten Bedürfnisse, insbesondere eine menschenwürdige Unterkunft zu finden, für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können (vgl. bereits VG Hannover, Urt. v. 23.02.2021 - 12 A 111/21 -, Urt. v. 01.03.2021 - 12 A 106/21 -, und Urt. v. 05.03.2021 - 12 A 107/12 -, jeweils n.v.).
Wegen der Verpflichtung der Beklagten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen, steht § 35 i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG der unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, sodass diese ebenso aufzuheben ist wie das angeordnete befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Entscheidung, die Vollziehung der Abschiebungsandrohung auszusetzen (Nr. 4 und 5 des Bescheides).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.