Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.11.2021, Az.: 10 A 1119/19

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.11.2021
Aktenzeichen
10 A 1119/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70775
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband durch die Beklagte.

Der Kläger ist kurdischer Volkszugehörigkeit und war bis zu seiner Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft am 29. Juli 2014 im Besitz der türkischen Staatsbürgerschaft. Im Zeitraum von Mai 2013 bis November 2013 äußerte der Kläger unter dem Facebook-Decknamen „Memedo KcK (Öcalan)“ auf Facebook Sympathiebekundungen für die „Partiya Karkerên Kurdistanê“ (hiernach: PKK). Zudem teilte der Kläger am 16. Oktober 2013 einen Post mit dem Inhalt „biji pkk biji serok apo!!!“, „Es lebe die PKK, es lebe der Führer Apo“. Diesem Post war ein Foto des Klägers angehängt, auf dem er mit einem Kapuzenpullover zu sehen und der mit der Flagge der PKK bedruckt ist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (hiernach: BfV) teilte mit Schreiben vom 24. April 2015 mit, dass der Kläger zumindest seit Dezember 2013 Mitglied der Jugendorganisation der PKK sei.

Der Kläger stellte am 31. Oktober 2013 einen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In diesem Rahmen und am selben Tag unterzeichnete er die Loyalitätserklärung und bekannte sich damit zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Die Einbürgerung des Klägers wurde mit der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 3. Juli 2014 vollzogen. Am Tag des Vollzuges der Einbürgerung bestätigte der Kläger wiederum mit seiner Unterschrift, dass sich die Einbürgerungsvoraussetzungen zwischen dem Tag der Antragstellung und der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde nicht verändert hätten.

Am 11. Dezember 2014 wandten sich die Eltern des Klägers an die Bundespolizeiinspektion Flughafen Köln-Bonn der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin. Sie teilten mit, dass der Kläger seinem Bruder am 10. Dezember 2014 mitgeteilt habe, dass er in der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 2014 von Deutschland aus über die Türkei in den Irak reisen wolle, um sich dort der PKK im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (hiernach: IS) anzuschließen. Der Kläger habe für ungefähr sechs bis sieben Monate einen kurdischen Verein in A-Stadt aufgesucht und sei dort radikalisiert worden. Sie – die Eltern – seien in Köln gewesen und hätten Bekannte zum Verbleib ihres Sohnes befragt; diese hätten angegeben, dass sie den Kläger des Öfteren in einem kurdischen Kulturverein in der Nähe des Kölner Bahnhofes gesehen hätten. Die Eltern des Klägers teilten mit, dass es naheliegend sei, dass der Kläger mit einem gefälschten Ausweis ausgestattet worden sei, um aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen und in den Irak einreisen zu können. Die Polizeikräfte führten daraufhin eine Internetrecherche durch. In diesem Zuge stellten sie fest, dass der Kläger in den sozialen Netzwerken mit Symbolen abgebildet ist, die der PKK bzw. der Jugendorganisation der PKK zuzuordnen sind. Als der Kläger einen Tag später am 12. Dezember 2014 durch Polizeikräfte in A-Stadt angetroffen wurde, gab dieser an, nach Tunesien in den Urlaub fliegen zu wollen. In den Irak habe er hingegen nicht reisen wollen.

Die Beklagte teilte dem Kläger am 29. Oktober 2018 mit, dass sie beabsichtige, seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband zurückzunehmen, da er zum Zeitpunkt der Einbürgerung am 3. Juli 2014 verschwiegen habe, dass er Mitglied der Jugendorganisation der PKK geworden sei und damit Unterstützungshandlungen für eine als terroristische Vereinigung eingestufte Organisation ausgeführt habe. Hierzu äußerte sich der Kläger nicht.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2019, zugestellt am 25. Februar 2019, nahm die Beklagte die Einbürgerung des Klägers zurück und setzte zu dessen Lasten eine Verwaltungsgebühr für die Rücknahme in Höhe von 166,00 Euro fest. Dies begründete sie damit, dass der Kläger absichtlich eine unwahre Loyalitätserklärung im Einbürgerungsverfahren abgegeben habe, da er zu diesem Zeitpunkt bereits Unterstützungshandlungen für eine terroristische Vereinigung, nämlich die PKK, vorgenommen habe. Das hinsichtlich der Rücknahme auszuübende Ermessen falle deutlich zuungunsten des Klägers aus. Er habe sich im Verfahren nicht geäußert. Der Erhalt der staatlichen Ordnung und die Einhaltung und der Schutz der Verfassung würden deutlich schwerer wiegen als das eigene Interesse des Klägers am Erhalt der Einbürgerung.

Der Kläger hat am 5. März 2019 Klage erhoben. Er macht geltend, dass die Rücknahme seiner Einbürgerung rechtswidrig sei. Er sei ein verheirateter Familienvater, in der Bundesrepublik Deutschland gut integriert, beherrsche die Deutsche Sprache, gehe einer Arbeit nach und habe ein Haus erworben. Sein Leben sei aber nicht immer so geordnet gewesen. Bevor er geheiratet habe, habe er „falsche“ Freunde gehabt. Diese hätten ihn zum Glücksspiel verleitet. Er habe sein Geld in Spielhallen und Wettbüros „verzockt“. Er sei hoch verschuldet gewesen. Seinen Eltern habe er hiervon nichts erzählen können. Sein Vater sei sehr konservativ und gegen Glücksspiele aller Art gewesen. Deshalb sei er seinen „falschen Freunden“ ausgeliefert gewesen. Diese hätten mit der PKK sympathisiert. Er selbst sei nie Mitglied der PKK oder einer ihrer Jugendorganisationen gewesen.

Nachdem der Druck seiner Gläubiger immer größer geworden sei, habe er keinen anderen Ausweg gewusst, als seiner Familie von seinen Problemen zu erzählen. Aufgrund der Vorbehalte seines Vaters habe er dies aber nicht auf die gewöhnliche Art und Weise tun können. Denn dann hätte er seine Familie verloren. Deshalb habe er eine Geschichte erfunden und diese seinen Eltern mitgeteilt. Demnach habe er seinen Eltern erzählt, dass er die Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Zugehörigkeit zur PKK verlassen und sich dem kurdischen Kampf im Irak anschließen wolle. Hiernach hätten sich seine Eltern – seinem Plan entsprechend – darum bemüht, dass er in der Bundesrepublik Deutschland bleibe, und seine Schulden bei seinen Gläubigern beglichen. Er habe nie die Absicht gehabt und es habe auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er die Bundesrepublik Deutschland verlassen werde. Er sei zwar Kurde. Aber nicht jeder kurdisch stämmige Bürger sei ein Mitglied der PKK.

Allein die Bezeichnungen und die „Likes“ auf seiner (alten) Facebook-Seite deuteten nicht darauf hin, dass er die freiheitliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe vorsätzlich über die von ihm ausgesprochene Loyalitätserklärung getäuscht. Denn er verfolge Bestrebungen, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung zuwiderliefen.

Im Zeitraum vom Mai 2013 bis November 2013 habe der Kläger nachweislich Sympathien für die PKK geäußert. Die Einlassungen des Klägers seien vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Der Kläger mache sich auch nach wie vor für die PKK stark. Nach Erkenntnissen des Niedersächsischen Verfassungsschutzes (hiernach: NVerfSch) belege das Facebook-Profil des Klägers „Likes“ zur PKK-nahen „Yekîneyên Parastina Gel“ (hiernach: YPG) und zur Kurdischen Jugend F-Stadt. Seine innere Haltung zur PKK habe der Kläger mithin nicht aufgegeben.

Das erkennende Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Kläger sowie eine Mitarbeiterin des Niedersächsischen Verfassungsschutzes informatorisch angehört und durch Einvernahme des Vaters des Klägers als Zeugen Beweis darüber erhoben, ob der Kläger Mitglied der PKK war bzw. ist und diese unterstützt hat bzw. unterstützt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids ist hinsichtlich der Rücknahme der Einbürgerung (Ziffer 1 des Bescheids) § 35 Abs. 1 des Deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der bis zum 8. August 2019 gültigen Fassung (hiernach: StAG). Demnach kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

2. Der Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Kläger ist vor der Rücknahme der Einbürgerung durch die Beklagte nach § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (hiernach: NVwVfG) i. V. m. § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (hiernach: VwVfG) angehört worden. Zudem erfolgte die Rücknahme, die am 25. Februar 2019 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG.

3. Der Bescheid ist in materieller Hinsicht rechtmäßig ergangen.

a. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG sind erfüllt: Die Einbürgerung ist rechtswidrig erfolgt (aa.) und der Kläger hat diese durch arglistige Täuschung erwirkt (bb.).

aa. Die Einbürgerung des Klägers ist rechtswidrig erfolgt. Zwar fehlt es vorliegend nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG. Der Einbürgerung stand aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vollzuges der Einbürgerung am 3. Juli 2014 waren sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG erfüllt. Insbesondere hat es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) gefehlt. Hierbei handelt es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung (vgl. – auch zum Folgenden – Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m. w. N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urteil vom 13. April 2011, – 10 K 201/10 –, juris Rn. 41 ff.). Denn wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, liegt nicht nahe (VG Hamburg, Beschluss vom 22. Februar 2016, – 19 E 6426/15 –, juris Rn. 6). Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.

Allerdings lag zum Zeitpunkt des Vollzuges der Einbürgerung am 3. Juli 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vor.

Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Personen auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f.; BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2009, – 5 C 24/08 –, juris Rn. 15).

Im verwaltungsbehördlichen und im gerichtlichen Verfahren haben sich vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (aaa.) unterstützt (bbb.) hat.

aaa. Bei den Bestrebungen, die der Kläger verfolgt hat, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i. S. v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) des Bundesverfassungsschutzgesetzes (hiernach: BVerfSchG) solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die PKK der Fall. Mit Verfügung vom 22. November 1993 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung der PKK bestandskräftig verboten, da sie Bestrebungen verfolgt, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Zum bestandskräftigen Verbot der PKK, das auch die Teilorganisation „Nationale Befreiungsfront Kurdistans“ (hiernach: ERNK) betrifft, hat das Bundesinnenministerium Folgendes erklärt (abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/verbot-der-arbeiterpartei-kurdistans-in-deutschland-790068; zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2021):

„Das Verbot der PKK ist geboten, da sie mit Gewalttaten ihre Ziele verfolgt. Die Aktivitäten dieser Organisation verletzen Strafgesetze, richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und gefährden die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung in Deutschland. Allein 1992 und 1993 organisierte die PKK sechs große Anschlagswellen in Westeuropa und Deutschland. An den europaweiten Gewaltaktionen am 24. Juni 1993 beteiligten sich in Deutschland etwa 600 Täter an 50 Anschlägen, 122 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Der schwerwiegendste Zwischenfall ereignete sich im türkischen Generalkonsulat in München mit der Geiselnahme durch 13 PKK-Aktivisten. Am 4. November 1993 wurden bundesweit ca. 60 gewalttätige Übergriffe gegen türkische Einrichtungen und Privathäuser festgestellt. Die PKK ist verantwortlich für viele Verletzte bis hin zum Todesfall in Wiesbaden am 4. November 1993 und Sachschäden in Millionenhöhe. Zur Durchsetzung ihrer Ziele übt die PKK Druck auf kurdische Mitbürger aus, sich ihr anzuschließen, verfolgt politisch Andersdenkende und es besteht der Verdacht, dass sie Gelder zum Zwecke ihrer Gewalttaten erpresst. Die Art der Ausführung der Gewalttaten, die zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung, die bundesweite, teilweise europaweite Anlage der Aktionen, die Gleichzeitigkeit (teilweise auf die Minute), die Ähnlichkeit der Aktionen und des Verhaltens der Täter, die große Zahl der jeweils Beteiligten, Flugblätter, Parolen und Aufrufe belegen eine zentrale Steuerung der Anschlagswelle durch die PKK und ihrer Teil- und Nebenorganisationen. Alle festgestellten Tatsachen belegen die Verantwortlichkeit der PKK. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass andere Organisationen hinter den Anschlägen stehen.“

Das Gericht folgt diesen Ausführungen und legt sie seiner Entscheidung zugrunde.

Die PKK hat sich, nachdem sie in der Bundesrepublik Deutschland verboten wurde, mehrmals unbenannt und verfolgt unter anderem Namen ihre Bestrebungen weiter. So hat sie sich im Jahr 2002 in „Kongreya Azadî û Demokrasiya Kurdistanê“ (KADEK [Freiheits und Demokratiekongress Kurdistans]) und im Jahr 2003 in „Kongra Gelê Kurdistan“ (KONGRA GEL [Volkskongress Kurdistans]) umbenannt. 2005 kamen die wiederaufgebaute PKK und die „Koma Komalên Kurdistan“ (KKK [Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans]) als weitere Bezeichnungen der Organisation hinzu. Seit 2007 firmiert die KKK unter „Koma Civakên Kurdistan“ (KCK [Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans]). Die ERNK wurde im Mai 2000 in „Kurdische Demokratische Volksunion“ (YDK) umbenannt. Die YDK firmiert seit 2004 unter dem Titel CDK (Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa). Mit Verfügung vom 2. März 2017 stellte das Bundesinnenministerium fest, dass sich das Verbot vom 22. März 1993 auf all diese Ausgründungen der PKK erstreckt, da diese den Regelungsbereich der Verfügung vom 22. März 1993 nicht überschritten haben. Die PKK ist seit ihrer Gründung ohne Unterbrechung kontinuierlich tätig gewesen. Das Wesen der PKK mit ihren originären Zielen, die sie seit ihrer Gründung vertritt, hat keine grundlegende Veränderung erfahren (Bundesinnenministerium, Vollzug des Verbots der Arbeiterpartei Kurdistans vom 2. März 2017, S. 3).

bbb. Das Gericht kommt unter Berücksichtigung sämtlicher im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Umstände zu dem Schluss, dass der Kläger bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung die Bestrebungen der PKK unterstützt hat.

Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2009, – 5 C 24/08 –, juris Rn. 16; Urteil vom 22. Februar 2007, – 5 C 20.05 –, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urteil vom 6. Dezember 2005, – 3 Bf 172/04 –, juris Rn. 64). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Mitglieds oder Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 6. Dezember 2005, – 3 Bf 172/04 –, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i. S. v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urteil vom 5. März 2008, – 5 B 05.1449 –, juris Rn. 48). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (VG Freiburg, Urteil vom 5. Dezember 2007, – 1 K 1851/06 –, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen zudem nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. April 2008, – 5 N 19.06 –, juris Rn. 9).

Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urteil vom 5. März 2008, – 5 B 05.1449 –, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen hingegen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.

Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen.

Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen, die in den Zeitraum vor der Einbürgerung fallen, im obigen Sinne vor:

(1.) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Klägers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen der PKK ergeben sich aus dessen Aktivitäten im Internet.

Wie der NVerfSch in der mündlichen Verhandlung zur vollen Überzeugung des Gerichts mitgeteilt hat, wies das damalige Facebook-Profil des Klägers Einträge und Bilder sowie „Likes“ für Einträge und Bilder auf, die einen Bezug zur PKK aufweisen. Im Zeitraum von Mai 2013 bis November 2013 äußerte der Kläger demnach unter dem Facebook-Decknamen „Memedo Kck (Öcalan)“ auf Facebook Sympathiebekundungen für die PKK. Allein die Abkürzung „Kck“ als aktuelle Bezeichnung der PKK mit dem Zusatz „Öcalan“, als Verweis auf die Führungsfigur der PKK, Abdullah Öcalan, bringt öffentliche Wertschätzung zum Ausdruck. Zudem teilte der Kläger am 16. Oktober 2013 einen Post mit dem Inhalt „biji pkk biji serok apo!!!“, „Es lebe die PKK, es lebe der Führer Apo“, wobei Letzteres wiederum als Abkürzung für Abdullah Öcalan steht. Zudem war dem Post ein Foto des Klägers angehängt, auf dem der Kläger mit einem Kapuzenpullover zu sehen und auf dem die Flagge der PKK abgebildet ist. All dies hat der NVerfSch in der mündlichen Verhandlung so dargelegt, dass es für das erkennende Gericht nachvollziehbar war. Der Kläger hat das Vorstehende vollumfänglich bestätigt. Diese Handlungen dürfen auch gegen den Kläger verwendet werden, da sie der Kläger bereits vor dem Vollzug der Einbürgerung erstellt bzw. verfasst hat.

Die vorstehenden und durch den Kläger geteilte Inhalte und „Likes“ sind bereits – allein betrachtet – für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen ausreichend. Zwar müssen die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit ist mit Blick auf die vor dem 3. Juli 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ jedenfalls in einer Gesamtschau aller Beiträge aus der Sicht des erkennenden Gerichts erfüllt (vgl. zum Gewicht solcher Sympathiebekundungen über das Internet etwa BfV, Arbeiterpartei Kurdistans [PKK], S. 20-22).

(2.) Hinzu kommt, dass zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger zumindest seit Dezember 2013 und mithin vor dem Vollzug seiner Einbürgerung Mitglied einer Jugendorganisation der PKK war. Entsprechendes ergibt sich aus dem im Verfahren vorgelegten Behördenzeugnis des BfV vom 24. April 2015 (Bl. 93 des Verwaltungsvorgangs). Zwar hat das BfV im laufenden Verfahren weder weiter offengelegt, wie diese Informationen erhoben worden sind noch um welche Jugendorganisation der PKK es sich handelt. In der Zusammenschau mit den unter (1.) genannten Aktivitäten des Klägers im Internet sind die Mitteilungen des Bundeamtes aber durchaus stimmig. Der Kläger hat sie zudem nicht substantiiert in Zweifel gezogen, sodass das Gericht sie seiner Entscheidung zugrunde legen kann.

bb. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i. S. v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden.

Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 31. Oktober 2013 hat der Kläger erklärt, keine verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu unterstützten und eine Loyalitätserklärung abgegeben. Selbst wenn der Kläger die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Beklagte darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Einbürgerungsbewerber Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 3. Dezember 2012 – 11 K 1038/12 –, Rn. 42 f.). Zudem hat der Kläger bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 3. Juli 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben haben, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten.

Der Kläger hat die Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt. Es war für den Kläger völlig klar, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Beklagten die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergibt, offenbar gewesen wären.

b. Die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist ermessensfehlerfrei erfolgt.

§ 35 Abs. 1 StAG stellt die Rücknahmeentscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist; sie ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 24. Februar 2011, – 1 A 327/10 –, juris; VG Wiesbaden, Urteil vom 15. Juni 2015, – 6 K 168/15 –, juris). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, führt dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1978, – 3 C 18.77 –, juris).

Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s. a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 6. Auflage, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2008, – 5 C 4.07 –, juris; vgl. auch OVG Saarlouis, Urteil vom 24. Februar 2011, – 1 A 327/10 –, juris). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (BVerwG, Urteil vom 9. September 2003, – 1 C 6.03 –, juris). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein. Diesen Anforderungen ist die Beklagte vorliegend gerecht geworden.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die Beklagte die Integrationsleistungen des Klägers im Verwaltungsverfahren zunächst nicht umfassend gewürdigt und im streitgegenständlichen Bescheid nicht hinreichend dokumentiert haben sollte, hat sie dies jedenfalls im laufenden gerichtlichen Verfahren nachgeholt. Nach § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes noch im laufenden Verfahren ergänzen. Dies hat die Beklagte getan, indem sie bereits schriftsätzlich im gerichtlichen Verfahren und zuletzt in der mündlichen Verhandlung die durch den Kläger erbrachten Integrationsleistungen gewürdigt und trotzdem an ihrer im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung, aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses am Ausschluss radikaler Personen aus dem deutschen Staatsverband, den Kläger auszubürgern, festgehalten hat. Dabei ist die Vertreterin der Beklagten auch darauf eingegangen, dass die zeitliche Dauer zwischen dem Vollzug der Einbürgerung und der Rücknahmeentscheidung, die über vier Jahre beträgt, keine andere Entscheidung rechtfertigt. Dass die Entscheidung der Behörde aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c. Die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers ist verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht vermag nicht zu erkennen, dass die Rücknahme der Einbürgerung zu dem verfolgten Zweck, die Einbürgerung radikaler Personen in den deutschen Staatsverband zu verhindern, außer Verhältnis stehen würde. Maßgeblich für diese Bewertung ist, dass der Kläger kein Vertrauen auf den Erhalt der Staatsbürgerschaft bilden konnte, da seine Einbürgerung auf der arglistigen Täuschung über seine Verfassungstreue beruht (vgl. BVerfGE 100, 139 [145]). Der Kläger musste mithin stets damit rechnen, dass ihm die Staatsbürgerschaft nachträglich entzogen wird. Dies ist auch nicht deshalb anders, da die Rücknahmeentscheidung dem Kläger erst am 25. Februar 2019 und mithin über vier Jahre nach dem Vollzug der Einbürgerung zugestellt worden ist. Denn die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dass sie die Einbürgerung des Klägers nicht zurücknehmen wird (Umstandsmoment). Auf den reinen Zeitablauf kann sich der Kläger nicht berufen, da nach der hier maßgeblichen Rechtslage eine Rücknahme binnen fünf Jahren möglich war (§ 35 Abs. 3 StAG).

Dass der Kläger durch die Rücknahme der Staatsbürgerschaft staatenlos wird, fällt nicht erheblich ins Gewicht. Vielmehr ist dies nach § 35 Abs. 2 StAG in der Regel ohne Belang. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit der Rücknahme in solchen Fällen nicht entgegensteht, in denen der Betroffene die Ursachen für die Rücknahme willentlich und darüber hinaus in vorwerfbarer Weise selbst gesetzt hat (BVerfGE 116, 24 [BVerfG 24.05.2006 - 2 BvR 669/04] [46]). So liegen die Dinge aufgrund der arglistigen Täuschung des Klägers über seine Verfassungstreue hier, sodass kein atypischer Fall im Sinne des § 35 Abs. 2 StAG anzunehmen ist.

Schließlich müsste der Kläger nach heutigem Stand nicht wieder in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden, sodass die Rücknahmeentscheidung auch insoweit nicht unangemessen ist. Maßgeblich hierfür ist, dass der Kläger im gerichtlichen Verfahren nicht glaubhaft machen konnte, dass er sich von der Unterstützung der PKK abgewandt hat, § 11 Satz 1 Nr. 1 a. E. StAG. Für die Glaubhaftmachung ist zu verlangen, dass sich die betroffene Person von früheren Aktivitäten abgewandt hat. Die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind auszurichten an Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen, die zur Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher oder extremistischer Aktivitäten entfaltet worden sind, und an dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt sind (Hailbronner/Hecker, StAG, 6. Auflage, § 11 Rn. 17). Je geringer das Gewicht der Aktivitäten ist und je länger sie zurückliegen, desto eher wird es dem Betroffenen gelingen, glaubhaft zu machen, dass er sich von den extremistischen Bestrebungen abgewandt hat. Erforderlich ist eine würdigende Gesamtschau der für bzw. gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren. Von der Glaubhaftmachung kann nur dann ausgegangen werden, wenn eingeräumt oder nicht bestritten wird, inkriminierte Bestrebungen unterstützt zu haben.

Nach diesem Maßstab konnte der Kläger nicht glaubhaft machen, dass er sich von den von ihm unterstützten extremistischen Bestrebungen der PKK abgesetzt hat, denn er hat bis zuletzt versucht, seine für die PKK entfalteten Aktivitäten zu verschleiern. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger im Dezember 2014 in den Irak ausreisen wollte, um dort für die PKK in den Kampf gegen den IS zu ziehen. Dies hat der Kläger bis zuletzt in Abrede gestellt. Dem folgt das Gericht nach Würdigung der Zeugenaussage sowie sämtlicher Einlassungen im gerichtlichen Verfahren nicht. Zwar hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, niemals vorgehabt zu haben, tatsächlich die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und in den Irak auszureisen. Vielmehr habe er Spielschulden angehäuft und seine Eltern veranlassen wollen, diese für ihn zu zahlen. Er habe auch nicht vorgehabt, nach Tunesien in den Urlaub zu reisen. Diesen Ausführungen des Klägers stehen aber die Ausführungen des Zeugen und Vaters des Klägers in der mündlichen Verhandlung entgegen. Dieser hat die damaligen Umstände rund um den Ausreiseversuch des Klägers anschaulich geschildert. So hat er eindringlich ausgeführt, dass – als sein Sohn am Ende des Jahres 2014 verschwunden war – er und seine Frau, die Mutter des Klägers, sowohl in F-Stadt als auch in Köln und insbesondere am Flughafen Köln-Bonn nach ihrem Sohn gesucht hätten, nachdem sie mit Freunden des Klägers über dessen Verbleib gesprochen hätten. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Eltern des Klägers entsprechendes ohne ernstzunehmende Veranlassung nicht getan hätten, sodass bereits aus diesem Grund davon auszugehen ist, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich in den Irak ausreisen wollte. Diese Einschätzung wird ebenfalls durch die im Verwaltungsvorgang enthaltenen polizeilichen Berichte getragen. Ausweislich des Protokolls vom 11. Dezember 2014 (Bl. 86 des Verwaltungsvorgangs) teilten die Eltern des Klägers gegenüber den Polizeibeamten der Bundespolizeiinspektion Flughafen Köln-Bonn mit, dass die Ausreise des Klägers unmittelbar bevorstehe. Der Kläger habe für ungefähr sechs bis sieben Monate einen kurdischen Verein in A-Stadt aufgesucht und sei dort radikalisiert worden. Die Eltern des Klägers teilten ferner mit, dass sie in Köln gewesen seien und Bekannte zum Verbleib ihres Sohnes befragt hätten; diese hätten angegeben, dass sie den Kläger des Öfteren in einem kurdischen Kulturverein in der Nähe des Kölner Bahnhofes gesehen hätten. Es sei naheliegend, dass der Kläger mit einem gefälschten Ausweis ausgestattet worden sei, um aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen und in den Irak einreisen zu können. Zwar hat der Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass Letzteres unzutreffend sei. Er und seine Frau hätten niemanden in Köln besucht oder befragt. Das wiederum wertet das Gericht als reine Schutzbehauptung zugunsten seines Sohnes. Gleiches gilt, soweit der Zeuge in der mündlichen Verhandlung ebenfalls erklärt hat, dass er nur vermutet habe, dass sich der Kläger vielleicht der PKK anschließen wolle. Dagegen sprechen die Erkenntnisse des NVerfSch sowie des BfV, auf die bereits vorstehend eingegangen wurde. Ferner spricht dagegen, dass der Zeuge gegenüber der Bundespolizeiinspektion ausgeführt hat, dass ihn der Bruder des Klägers weinend angerufen und unterrichtet habe, dass die Ausreise des Klägers in den Irak kurz bevorstehe. Hätte dies zum damaligen Zeitpunkt nicht ernsthaft zu befürchten gestanden, hätte der Bruder des Klägers nicht in dieser Form emotional reagiert. Dabei begründet das Protokoll als öffentliche Urkunde den vollen Beweis über den beurkundeten Vorgang (§ 98 VwGO i. V. m. § 415 Abs. 1 ZPO). Zwar ist der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, nach § 98 VwGO i. V. m. § 415 Abs. 1 ZPO zulässig. Ein solcher ist aber weder angetreten worden noch drängte dies sich dem erkennenden Gericht aufgrund des Vorstehenden in irgendeiner Form auf. Schließlich wird die Ausreiseabsicht auch durch das Behördenzeugnis vom 16. Dezember 2014 des BfV (Bl. 83 des Verwaltungsvorgangs) bestätigt. All dies konnte der Kläger – wiederum zur vollen Überzeugung des Gerichts – nicht durch die unsubstantiierte Behauptung, seine Eltern seien einem Missverständnis aufgesessen, entkräften. Diesbezüglich ist noch anzumerken, dass die Einlassungen des Klägers und des Zeugen hinsichtlich der Erstkontaktaufnahme nach dem Verschwinden des Klägers auseinandergehen. So hat der Kläger behauptet, seinen Vater nach seinem Verschwinden angerufen und ihn darüber aufgeklärt zu haben, dass er Spielschulden habe. Der Vater des Klägers hat hingegen ausgeführt, nicht mit dem Kläger telefoniert, sondern diesen erst wieder auf der Polizeiwache gesprochen zu haben, als er ihn in Empfang nahm. Auch diese Abweichungen im Vortrag führen dazu, dass das Gericht den Ausführungen des Klägers keinen Glauben schenkt und davon überzeugt ist, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt mit der PKK sympathisiert und für diese im Irak in den Krieg ziehen wollte. Da der Kläger bis zuletzt nicht selbst eingeräumt hat, dass er vorhatte, für die PKK zu kämpfen und für diese ins Kriegsgebiet zu reisen, konnte er sich nicht glaubhaft von deren extremistischen Bestrebungen absetzen.

Diese Bewertung wird letztlich auch dadurch gestützt, dass Screenshots des Facebook-Accounts des Klägers aus dem Jahr 2019 belegen, dass er (noch zu diesem Zeitpunkt) u. a. die PKK-nahe YPG „geliked“ hat. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, PKK-nahen Organisationen über Facebook aktuell nicht mehr zu folgen und vorrangig Familienbilder über diese Plattform zu teilen. Diese Behauptung hat er aber nicht ansatzweise belegt. Zudem hat die Mitarbeiterin des NVerfSchG in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass immer dann von Sympathiebekundungen abgesehen werde, wenn Gerichtsverfahren liefen und Repressalien drohten; davon geht das Gericht auch im Fall des Klägers aus.

Die übrigen Einlassungen des Klägers im gerichtlichen Verfahren, die sich im Verweis auf die erbrachten Integrationsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland erschöpfen, gebieten kein anderes Ergebnis. Auf das Vorstehende wird insoweit verwiesen.

4. Die Kostenfestsetzung (Ziffer 2 des Bescheids) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie findet ihre rechtliche Grundlage in § 38 Abs. 1 und 3 StAG i. V. m. der Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung in der bis zum 19. August 2021 gültigen Fassung (hiernach: StAGebV). Der Betrag von 166,00 Euro bewegt sich zudem (noch) im mittleren Bereich des nach § 3 a Nr. 1 StAGebV vorgesehenen Gebührenkorridors.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.