Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.07.2004, Az.: 4 A 4133/02
Anstößigkeit; Familienname; Lächerlichkeit; Namensänderung; sachlicher Maßstab; subjektives Empfinden; wichtiger Grund; ärztliches Attest
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 20.07.2004
- Aktenzeichen
- 4 A 4133/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50709
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 NamÄndG
- § 3 Abs 1 NamÄndG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der unbestimmte Rechtsbegriff des "wichtigen Grundes" in § 3 NamÄndG wird in rechtlich unbedenklicher Weise durch die in der Namensänderungs-Verwaltungsvorschrift (NamÄndVwV) dargestellten Maßstäbe ausgefüllt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt mit der Klage die Verpflichtung des Beklagten zur Änderung seines Familiennamens.
Am 21.02.2002 stellte der am 08.10.1940 geborene und damit derzeit Jahre alte Kläger einen Antrag auf Änderung seines Familiennamens. Zur Begründung führte er aus, während seines Grundwehrdienstes in der Zeit vom 01.10. bis zum 31.12.1964 habe ihn ein Fähnrich, mit dem er eine verbale Auseinandersetzung gehabt habe, nach Nennung seines Namens mit den Worten beleidigt: „Aha, genau wie der Name sagt, den Namen werde ich mir merken!“. Während seines ganzen Lebens sei er mit Namen wie „K.“, „L.“, „M.“ oder „N.“ belegt worden. Er werde aufgrund seines Namens für nachlässig, willensschwach und kraftlos gehalten. 1989 habe der Gemeindepastor in O. seinen Namen vor Publikum für ein Wortspiel missbraucht und ihn dadurch lächerlich gemacht. 1997, als er noch im Arbeitsleben gestanden habe, habe sich ein Kollege in Gegenwart anderer unter Einbeziehung seines Namens herabsetzend geäußert. Auch gegenwärtig biete sein Name immer wieder Anlass zu Spott. Um nicht weiterem Mobbing zu unterliegen, wünsche er, den Geburtsnamen seiner Großmutter „S.“ anzunehmen.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 31.05.2002 mit der Begründung ab, der für die Änderung des Familiennamens notwendige wichtige Grund liege im Fall des Klägers nicht vor. Vorfälle, die bereits seit Jahrzehnten zurücklägen, seien nicht geeignet, ein aktuelles Interesse an der Namensänderung zu begründen. Der Kläger führe seinen Nachnamen seit fast 62 Jahren. Bisher sei seine Beeinträchtigung nicht von einer Intensität und Nachhaltigkeit gewesen, die ihn zu einem Antrag auf Namensänderung veranlasst hätten. Der Name des Klägers sei ohne Weiteres verständlich wiederzugeben und biete weder durch seine Phonetik noch durch anknüpfende Assoziationen Anlass zu Wortspielen. Er sei auch nicht in einer Weise lächerlich, die eine Namensänderung rechtfertigen würde.
Am 28.06.2002 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch, mit dem er seinen Vortrag vertiefte.
Die Bezirksregierung Braunschweig wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.07.2002 (zugestellt am 25.07.2002) zurück und führte zur Begründung aus: Als berechtigte Interessen eines Antragstellers an einer Namensänderung dürften Gründe, die allein in der Person des Betroffenen lägen, nicht berücksichtigt werden. Vielmehr müsse das vorgebrachte berechtigte Interesse einer objektiven Prüfung standhalten. Dies bedeute, dass die vorgebrachte Beeinträchtigung nicht nur durch den Antragsteller persönlich empfunden werde. Es müsse vielmehr bewertet werden, ob ein unvoreingenommener Betrachter in einer vergleichbaren Situation dieselbe Belastung empfinden würde. Eine derartige Belastung sei im Fall des Klägers nicht zu erkennen. Verunglimpfungen, denen er als Kind ausgesetzt gewesen sei, könnten heute eine Namensänderung nicht mehr rechtfertigen. Auch die diesbezüglichen Erlebnisse des Klägers bei der Bundeswehr und gegenwärtig im Bekanntenkreis böten keinen Anlass, seinen Familiennamen zu ändern. Lege man einen objektiven Maßstab an, so sei festzustellen, dass der Familienname „B.“ keine negativen Assoziationen wecke. Die vom Kläger dargelegten Verunglimpfungen kämen unter Kindern durchaus vor. Dass jedoch Erwachsene bei der Nennung seines Namens Wortspiele damit trieben, die als Verunglimpfungen gemeint seien, sei eher unwahrscheinlich. In Einzelfällen möge dies vorkommen, dies rechtfertige jedoch keine Namensänderung. Der Familienname des Klägers klinge auch nicht anstößig oder lächerlich und biete keinen Anlass zu frivolen oder unangemessenen Wortspielen. Auch bei der Prüfung der Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Familiennamens sei der sachliche Maßstab allgemeiner Erfahrungen anzulegen. Hierzu diene zunächst die Überlegung, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Name zum Anlass genommen werden könne, den Namensträger zu verunglimpfen. Ein unvoreingenommener Beobachter müsse mit dem Namen Anstößigkeiten oder Lächerlichkeiten assoziieren, d. h. es müssten sich Verunglimpfungen offensichtlich aufdrängen. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da sein Name nicht mehr Anlass zu Verunglimpfungen oder Verunstaltungen biete, als viele andere Namen auch. Es seien auch keine nachvollziehbaren Gründe dafür zu erkennen, dass der Kläger die Änderung seines Familiennamens erst im Alter von mehr als 61 Jahren beantragt habe.
Am Montag, dem 26.08.2002, hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend hat er ein ärztliches Attest des Nervenarztes und Psychotherapeuten Dr. med. P. aus G. vom 27.09.2002 vorgelegt, wegen dessen Inhalts auf Bl. 41 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 31.05.2002 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 24.07.2002 zu verpflichten, seinen Familiennamen „B.“ in „S.“ zu ändern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Änderung seines Familiennamens.
Gemäß § 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 05.01.1938 (RGBl. I S. 9), zuletzt geändert durch Art. 17 des Dritten Verwaltungsverfahrensrechtsänderungsgesetzes vom 21.08.2002 (BGBl. I S. 3322, 3331; NamÄndG) kann der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen auf Antrag geändert werden. Ein Familienname darf gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Diese Regelung wird durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 11.08.1980 (Beil. z. BAnz. Nr. 153 vom 20.08.1980) in der Fassung vom 18.04.1986 (BAnz. Nr. 78 vom 25.04.1986; NamÄndVwV) ausgefüllt. Gemäß Nr. 27 NamÄndVwV ist das Namensrecht durch die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Rechts umfassend und im Grundsatz abschließend geregelt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen. Sie hat Ausnahmecharakter. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung liegt vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Antragstellers an der Namensänderung gegenüber den etwa entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter und dem berührten öffentlichen Interesse überwiegt (Nr. 28 NamÄndVwV). Im Interesse des Antragstellers rechtfertigt der Umstand, dass ein Familienname anstößig oder lächerlich klingt oder Anlass zu frivolen oder unangemessenen Wortspielen geben kann, regelmäßig eine Namensänderung. Dabei ist bei der Prüfung der Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Familiennamens der sachliche Maßstab allgemeiner Erfahrungen anzulegen (Nr. 35 NamÄndVwV). Der bloße Umstand, dass ein Name dem Namensträger nicht gefällt, kann dagegen eine Namensänderung nicht rechtfertigen (Nr. 30 Abs. 2 NamÄndVwV). Das Gericht hat keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ in § 3 NamÄndG in der dargestellten Weise durch die Namensänderungs-Verwaltungsvorschrift ausgefüllt wird.
Im Fall des Klägers liegt ein wichtiger Grund für die Namensänderung nicht vor. Insbesondere klingt sein Familienname bei Anlegung eines objektiven Maßstabes weder lächerlich noch anstößig. Das subjektive Empfinden des Klägers ist für sich allein gesehen nicht geeignet, seinem Begehren auf Namensänderung zum Erfolg zu verhelfen. Der Wunsch des Klägers, seinen Namen ändern zu lassen, muss daher hinter das entgegenstehende öffentliche Interesse an der Beibehaltung des überkommenen Namens als wichtiges Identifizierungsmerkmal zurücktreten. Zur weiteren Begründung folgt das Gericht den eingehenden und überzeugenden Ausführungen des Beklagten in seinem Bescheid vom 31.05.2002 und der Bezirksregierung Braunschweig in ihrem Widerspruchsbescheid vom 24.07.2002 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 117 Abs. 5 VwGO ab.
Das Klagevorbringen bietet keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Insbesondere kann der Kläger aus dem ärztlichen Attest des Facharztes Dr. med. P. vom 27.09.2002 nichts herleiten. Dieses Attest beruht offenbar im Wesentlichen auf Angaben des Klägers selbst. Es enthält keine Ausführungen zur Dauer der Behandlung des Klägers und zu den ärztlichen Grundlagen und Methoden der Begutachtung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Arzt den Kläger nur einmal gesehen hat. Unter diesen Umständen ist dem Attest nur ein sehr eingeschränkter Aussagewert zuzumessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.