Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 15.07.2004, Az.: 2 A 198/04
asylerheblich; China; Christ; evangelische Christen; geringer Bedrohungsfaktor; Hauskirchen; religiöses Existenzminimum; Störung der öffentlichen Ordnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 15.07.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 198/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50679
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG
- Art 16a Abs 1 GG
Tatbestand:
Der Kläger, ein chinesischer Staatsangehöriger, der nach eigenen Angaben am 16.10.2003 auf dem Landweg nach Deutschland eingereist ist, trug vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zur Begründung seines am 21.10.2003 gestellten Asylantrages im wesentlichen vor, vor seiner Ausreise aus China eine körperliche Auseinandersetzung mit einem Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung gehabt zu haben. Als evangelischer Christ habe er sich am 22.08.2003 - wie jede Woche - mit etwa 40 Glaubensbrüdern aus seinem Dorf in seinem Lagerhaus getroffen. Der leitende Gemeindedirektor sei gekommen und habe gesagt, dass sie sich nicht treffen dürften. Es sei zum Streit gekommen, sie hätten auf ihre Religionsfreiheit hingewiesen. Ein Mitarbeiter der Verwaltung habe dann seinen, des Klägers, Kopf gegen die Wand gestoßen, worauf es zu einer blutigen Schlägerei gekommen sei. Weil das sich in seinem Lagerhaus abgespielt habe, sei er geflohen.
Mit Bescheid vom 25.05.2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab, wogegen am 04.06.2004 Klage erhoben wurde. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass das Bundesamt sein vorgetragenes Verfolgungsschicksal nicht angezweifelt habe. Im Hinblick auf die repressive Art und Weise, wie die chinesischen Behörden mit Bürgern, die ihre Religion ausübten, umgingen, sei das, was ihm widerfahren sei, asylerheblich. Mitarbeiter des Staates hätten sein religiöses Existenzminimum eingeschränkt. Wegen der Handgreiflichkeiten habe er Bestrafung zu befürchten, die nicht nur an die körperliche Auseinandersetzung, sondern an die Religionsausübung anknüpfen werde. Er müsse deshalb einen sog. „Politmalus“ fürchten. Erschwerend komme seine illegale Ausreise aus China und die Asylantragstellung in Deutschland hinzu.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25.05.2004 die Beklagte zu verpflichten, für ihn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Volksrepublik China festzustellen,
hilfsweise festzustellen, dass bei ihm Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG hinsichtlich der Volksrepublik China vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid und verteidigt ihn.
Der Beteiligte hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Das Gericht hat die Erkenntnismittelsammlung über die asylerhebliche Lage in der Volksrepublik China zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises M. (Beiakten A und B), die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Das Bundesamt hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.05.2004 zu Recht ausgeführt, dass sich der Kläger weder auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG noch auf das Vorliegen von Abschiebungshindernissen mit Erfolg berufen könne.
Soweit der Kläger befürchtet, bei einer Rückkehr nach China festgenommen zu werden, ist dies allenfalls wegen der Schlägerei und nicht wegen der Religionsausübung zu befürchten. Selbst dann, wenn man den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, ist er nicht als asylerheblich zu qualifizieren. Im Übrigen ist es reine Spekulation, dass die Polizei gerade gegen den Kläger, der noch nicht einmal vorgetragen hat, sich selbst aktiv an der Schlägerei beteiligt zu haben, gegen ihn als Täter ermittelt hat oder noch ermitteln wird. Dass es sich um sein Lagerhaus gehandelt hat, macht den Kläger nicht verdächtiger, zumal in den dörflichen Strukturen, in denen der Kläger gelebt hat, ohnehin „jeder“ - also auch die Behördenvertreter - weiß, wer sich religiös betätigt und wer eine herausragende Stellung dabei einnimmt. Dass die chinesische Polizei nach einer „Massenschlägerei“ Ermittlungen aufnimmt, ist nicht bereits als solches asylerheblich. Hier in Deutschland wäre es dem Kläger in einer vergleichbaren Situation nicht anders gegangen. Es ist deshalb auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereiste Kläger bei einer Rückkehr nach China dort in menschenrechtswidriger Weise behandelt werden wird.
Eine Beeinträchtigung seines religiösen Existenzminimums vermag das Gericht nicht zu erkennen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.09.2002 ist die Glaubensfreiheit in China verfassungsrechtlich grundsätzlich garantiert. Allerdings unterliegen religiöse Aktivitäten der staatlichen Kontrolle und Genehmigung. Es gibt in China fünf offiziell anerkannte Religionen mit 180 Millionen Anhängern. Darüber hinaus sind 30 Millionen Christen in sog. Hauskirchen organisiert, die sich der Staatsaufsicht entziehen. Im Allgemeinen konzentriert sich staatliches Vorgehen auf Fälle, die aus der Sicht des Staates eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellen, weil sie den Zielsetzungen der Regierungspolitik zuwiderlaufen. Die bloße Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft und die Glaubensüberzeugung allein sind deshalb für die staatlichen Stellen nicht von entscheidender Bedeutung. Es kommt mehr auf die Stellung des Betroffenen innerhalb der Glaubensgemeinschaft an. Außerdem ist maßgeblich, ob das Engagement nach außen erkennbar gewesen und dieses als regierungskritisch einzustufen ist. Versammlungen der Hauskirchen werden aufgelöst und Gläubige eingeschüchtert. Darüber hinausgehende Übergriffe erfolgen nur, wenn die Aktivitäten von den Staatsorganen im Einzelfall als Bedrohung angesehen werden. Hauskirchen werden in der Regel aber nur als geringer Bedrohungsfaktor gewertet, weil sie nicht aggressiv nach außen tätig werden (vgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Gießen vom 12. Januar 1998).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass das religiöse Existenzminimum des Klägers bedroht gewesen ist. Nach eigenen Angaben konnte er sich mit seinen Glaubensbrüdern regelmäßig jede Woche treffen. Dass es vor dem 22.08.2003 zu irgendwelchen Beeinträchtigungen gekommen war, hat der Kläger nicht vorgetragen. Insoweit misst das Gericht dem einmaligen Vorfall am 22.08.2003 nicht die Bedeutung bei, die ihm der Kläger zuspricht. Der Umstand, dass bei der religiösen Veranstaltung Pressevertreter anwesend gewesen sein sollen, wie der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, spielt ebenfalls keine Rolle. Darüber hinaus handelt es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen.
Schließlich hält das Gericht auch die illegale Ausreise des Klägers aus China und die Asylantragstellung in Deutschland - mit dem Nds. OVG (vgl. Urt. v. 13.01.1998 - 11 L 2427/97 -, Internet-Entscheidungssammlung) und dem Auswärtigen Amt (vgl. Lagebericht vom 17.09.2002) - nicht für asylerheblich. Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers, die er auf Erkenntnisse des Gutachters Dr. Kolin gegenüber britischen Behörden stützt, überzeugen nicht.
Das Gericht sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG von der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, da es dem angefochtenen Bescheid im vollen Umfang folgt und der Kläger in der mündlichen Verhandlung nichts Neues vorgetragen hat, was eine andere Sichtweise der Sach- und Rechtslage rechtfertigen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG; die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.