Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 14.07.2004, Az.: 4 B 86/04

berufliche Vorbildung; einstweilige Anordnung; Gleichwertigkeit; Hessen; Hochschulrecht; Hochschulzugangsberechtigung; Niedersachsen; private Akademie; staatlich anerkannt; staatliche Fachschule; Studiengang Tiermedizin; Tierphysiotherapie; zeitliche Umfang

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
14.07.2004
Aktenzeichen
4 B 86/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50674
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine vorläufige Anerkennung ihrer Vorbildung als gleichwertig und damit als Hochschulzugangsberechtigung im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Lit. c des Nds. Hochschulgesetzes (NHG) für den Studiengang Tiermedizin zu erteilen,

hat keinen Erfolg.

Gründe

1

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragstellerin hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, denn nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand und der im vorliegenden Verfahren lediglich möglichen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erlass des begehrten feststellenden Verwaltungsakts. Die Frage, ob die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, kann danach dahingestellt bleiben.

2

Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 NHG ist zum Studium berechtigt, wer über eine entsprechende deutsche Hochschulzugangsberechtigung verfügt. Eine Hochschulzugangsberechtigung hat gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NHG u. a. auch derjenige, der eine Meisterprüfung abgelegt hat (Lit. a), einen Bildungsgang zur staatlich geprüften Technikerin oder zum staatlich geprüften Techniker oder zur staatlich geprüften Betriebswirtin oder zum staatlich geprüften Betriebswirt abgeschlossen hat (Lit. b) oder eine andere vom Fachministerium für bestimmte Studiengänge als gleichwertig festgestellte abgeschlossene Vorbildung besitzt (Lit. c). Die Antragstellerin begehrt die Feststellung nach § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Lit. c NHG

3

Der Begriff der Gleichwertigkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff der gerichtlichen Überprüfung voll zugänglich. Ermessen ist der Behörde im Rahmen des § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Lit. c NHG nicht eingeräumt. Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und des VGH Baden-Württemberg zum Charakter des Begriffs der Gleichwertigkeit (BVerwG, Urt. v. 18.02.1993 - 3 C 64.90 -, BVerwGE 92, 88 zu § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung sowie Beschl. v. 17.03.1993 - 3 B 128.92 -, NJW 1993, 3007 zu § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.10.2000 - 9 S 2236/00 -, KMK-HSchR/NF 11A Nr. 4 zu § 85 des Universitätsgesetzes Baden-Württemberg).

4

Nach Auffassung des Gerichts ist die Vorbildung der Antragstellerin bei summarischer Prüfung gegenüber den in § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Lit. a und b NHG genannten Bildungsgängen nicht gleichwertig. Bei der Auslegung des Begriffs der Gleichwertigkeit berücksichtigt das Gericht, dass es sich bei den in der Vorschrift aufgeführten Bildungsgängen (mit Ausnahme der Meisterprüfung) um Weiterbildungen an zweijährigen Fachschulen in Vollzeitunterricht oder in entsprechenden Teilzeitbildungsgängen handelt. Auch der Zulassung zur Meisterprüfung geht im Regelfall ein auf die Berufstätigkeit anzurechnender zeitlich umfangreicher Fachschulbesuch an einer sog. Meisterschule voraus, der mit der Ablegung der Meisterprüfung abschließt (vgl. Honig, HWO, 2. Aufl. 1999, § 49 Rn. 9 f.). Die Antragstellerin hat zur Begründung ihres Antrags ausgeführt, sie habe nach einer Ausbildung zur Tierarzthelferin eine Weiterbildung „Tierphysiotherapie für Kleintiere“ im „Vierbeiner Reha-Zentrum“ in Bad Wildungen absolviert, die sich speziell an Tierarzthelferinnen gerichtet habe und in vierzehn drei- bzw. viertägige Blockseminare mit einer Stundenzahl von insgesamt 387,5 Stunden untergliedert gewesen sei. Bei dem „Vierbeiner Reha-Zentrum“ handelt es sich um eine in der Rechtsform einer GmbH bestehende „Private Akademie für erweiterte Tiermedizin“. Die in Hessen ansässige Einrichtung, die sich als „anerkannte Weiterbildungsstätte für Akupunktur und physikalische Therapie/Physiotherapie“ bezeichnet, ist nach dem Vortrag der Antragsgegnerin, an dessen Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, in Niedersachsen nicht als Ausbildungsstätte anerkannt. Demgegenüber finden alle im Gesetz genannten bzw. durch Erlass des Nds. Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (Nds. MWK) vom 24.04.2003 als gleichwertig anerkannten beruflichen Weiterbildungen an staatlichen oder staatlich anerkannten Schulen statt.

5

Für die Kammer ist auch nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass das Weiterbildungsprogramm des „Vierbeiner Reha-Zentrums“ mit der Weiterbildung an einer staatlichen Fachschule oder einer der im o. g. Erlass genannten Bildungsstätten vergleichbar ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist für die Beurteilung dieser Frage der zeitliche Umfang der von ihr absolvierten Weiterbildung von Bedeutung, der nicht demjenigen einer staatlichen Fachschule in Vollzeitunterricht entspricht und auch den Umfang der durch das Nds. MWK anerkannten Weiterbildungen deutlich unterschreitet. Zu Recht weist die Antragsgegnerin des Weiteren darauf hin, dass die in Gesetz und Erlass genannten Weiterbildungen auf der Grundlage staatlicher Weiterbildungs- und Prüfungsordnungen absolviert werden. Den durch die Antragstellerin eingereichten Unterlagen ist lediglich zu entnehmen, dass die Weiterbildung mit einer Prüfung abgeschlossen worden ist, während die Anforderungen an diese Prüfung offen bleiben.

6

Schließlich kann der bloße Umstand, dass nach dem Vortrag der Antragstellerin für Tierarzthelferinnen keine Weiterbildungsmöglichkeit mit dem durch o. g. Erlass geforderten zeitlichen Umfang existiert, nicht dazu führen, dass die von ihr gewählte Maßnahme als gleichwertig im Sinne des Gesetzes anzuerkennen ist.

7

Die sonstigen, meist eintägigen Fortbildungsveranstaltungen, die die Antragstellerin darüber hinaus absolviert hat, erfüllen die Anforderungen an die Feststellung einer Gleichwertigkeit ersichtlich nicht.

8

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO.

9

Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Wegen der Vorläufigkeit der begehrten Regelung vermindert die Kammer den Auffangwert um die Hälfte.