Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 14.07.2004, Az.: 3 A 3241/02
Abzugskapital; ausgleichspflichtige Kostenüberdeckung; Fehler; Gebührenkalkulation; kalkulatorische Verzinsung; Kostenüberdeckung; Kostenüberschreitungsverbot; Niedersachsen; Toleranzgrenze; Verzinsung; Wasserverbrauchsgebühr
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 14.07.2004
- Aktenzeichen
- 3 A 3241/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50665
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 S 2 KAG ND
- § 5 Abs 1 S 2 KAG ND
- § 5 Abs 2 S 3 Halbs 1 KAG ND
- § 5 Abs 2 S 4 Halbs 2 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Fehler in einer Gebührenkalkulation, die sich zu Lasten der Gebührenpflichtigen auf die Gebührensatzobergrenze auswirken, sind nur dann rechtlich unbeachtlich, wenn sie die in Niedersachsen grundsätzlich geltende Toleranzgrenze von bis zu maximal 1 % nicht übersteigen.
2. Bei der kalkulatorischen Verzinsung sind als Abzugskapital im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 NKAG bei leitungsgebundenen Einrichtungen auch solche nach § 6 NKAG veranlagten Anschlussbeiträge gebührenmindernd zu berücksichtigen, die gestundet worden sind oder deren Vollziehung ausgesetzt worden ist.
3. Beschließt der Rat einer Gemeinde in gleicher Sitzung einerseits eine erhebliche (mehr als 20 % betragende) Erhöhung des Gebührensatzes für einen zukünftigen Zeitraum und nimmt er andererseits eine Betriebskostenabrechnung für einen vergangenen Zeitraum mit einer erheblichen (über 9 % des prognostizierten künftigen Gebührenbedarfs betragenden) ungewollten Überdeckung billigend zur Kenntnis, ohne sich darauf festzulegen, ob, wie und in welchem Zeitraum die ausgleichspflichtige Überdeckung ausgeglichen werden soll, so führt diese ermessensfehlerhafte und dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 NKAG widersprechende Verfahrensweise zu einem rechtserheblichen Kalkulationsfehler.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhöhung der Wasserverbrauchsgebühren ab dem 1.1.1996.
Die Klägerin ist eine industrielle Mosterei mit Getränkeabfüllanlagen im Gewerbegebiet I. des Beklagten. Nach einer in den Jahren ab 1991 erfolgten Betriebserweiterung (Errichtung einer zweiten Abfüllanlage mit Lager) wurde auch dieses Firmengelände der Klägerin im Mai 1993 an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten angeschlossen, wobei insoweit eine Direktversorgung über die im Oktober 1992 betriebsfertig hergestellte Wasserverbindungsleitung von Nörten-Hardenberg nach I. erfolgt. Anlässlich dieser Betriebserweiterung schlossen die Beteiligten dieses Verfahrens und der Zweckverband Kreisgruppenwasserwerk Northeim im Dezember 1992 einen Wasserlieferungsvertrag (Anlage K2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 27.9.2002, Bl. 31-34 der Gerichtsakte). Für die Möglichkeit der Inanspruchnahme seiner öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 9.8.1995 zu einem Wasserversorgungsbeitrag von 204.804 DM zuzüglich 7 % MWSt = 14.336,28 DM, insgesamt 219.140,28 DM, heran. Dieser festgesetzte und zur Zahlung angeforderte Betrag, dessen Aussetzung der Vollziehung nach Widerspruchseinlegung durch die Klägerin angeordnet war, wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28.11.2000 auf 113.372,49 DM und im anschließenden Klageverfahren (VG Göttingen, 3 A 3001/01) durch gerichtlichen Vergleich vom 21.2.2002 auf 51.000 Euro (entspricht 99.747,33 DM) reduziert und im März 2002 bezahlt.
Mit Wirkung vom 1.1.1996 erhöhte der Rat des Beklagten durch die 5. Satzung zur Änderung der Wasserabgabensatzung vom 19.10.1995 die Wasserverbrauchsgebühren von bisher 2,40 DM je cbm zuzüglich MWSt auf nunmehr 2,90 DM je cbm zuzüglich MWSt. Grund für diese Gebührenerhöhung waren geplante notwendige Investitionskosten des Beklagten von über 3 Millionen DM unter anderem für den Bau einer Zuleitung zum Hochbehälter J. einschließlich einer Mischstation.
Mit Bescheid vom 22.11.1999 veranlagte der Beklagte die Klägerin für ihr Betriebsgelände in I. für den Bezug von 217.989 cbm Frischwasser unter Zugrundelegung eines Gebührensatzes von 2,90 DM/cbm zuzüglich Mehrwertsteuer zu Wasserverbrauchsgebühren für 1996 von insgesamt 678.140,43 DM. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 17.12.1999 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.3.2002, zugestellt am 22.4.2002, als unbegründet zurück.
Mit ihrer am 17.5.2002 erhobenen Teilanfechtungsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Wasserverbrauchsgebührenfestsetzung für 1996, soweit dabei ein höherer Gebührensatz als 2,40 DM/cbm zuzüglich Mehrwertsteuer zugrunde gelegt ist. Zur Begründung macht sie geltend: Der Beklagte begründe die Erhöhung der Wasserverbrauchsgebühren damit, dass er erhebliche Investitionen habe tätigen müssen, um das von ihm gelieferte Wasser und die Wasserversorgung insgesamt zu verbessern. Diese erheblichen Investitionen wolle er an den Verbraucher über die Erhöhung der Wasserverbrauchsgebühr weitergeben. Dabei übersehe er allerdings in seinem Verhältnis zur Klägerin, dass die „Durchreichung“ der ihm jetzt entstandenen Investitionskosten auf die Klägerin aufgrund des zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Wasserlieferungsvertrages vom Dezember 1992 ausgeschlossen sei. Vor der begonnenen Erweiterung des Betriebes der Klägerin im Jahre 1991 sei der Beklagte in der Lage gewesen, das von der Klägerin benötigte Wasser aus eigener Leistungskraft zu liefern. Mit der Erweiterung des Betriebsgeländes der Klägerin sei die täglich benötigte Wassermenge auf bis zu 1.600 cbm angewachsen. Der Beklagte sei jedoch nicht in der Lage gewesen, diesen erhöhten Bedarf an Wasser zu decken. Der Grund hierfür sei gewesen, dass der Zweckverband Kreisgruppenwasserwerk Northeim, von dem wiederum der Beklagte das Wasser bezogen habe, aus der ihm zur Verfügung stehenden Quelle nicht mehr so viel Wasser wie von der Klägerin benötigt habe entnehmen können. Aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, für eine entsprechende Belieferung der von der Klägerin benötigten Wassermenge von insgesamt bis zu 1.600 cbm täglich zu sorgen und diese Versorgung auch sicherzustellen. Da er dazu nicht in der Lage gewesen sei, habe er mit der Klägerin vereinbart, dass diese die dem Beklagten obliegende Verpflichtung durch öffentlichen Vertrag vom Dezember 1992 übernehme. Für die Erfüllung der eigentlich dem Beklagten obliegenden Verpflichtung habe die Klägerin Investitionen in einer Größenordnung von 400.000 DM getätigt. Sie habe den Beklagten aufgrund des Vertrages vom Dezember 1992 von erheblichen Investitionen befreit, die der Beklagte zur ordnungsgemäßen Erfüllung seines Versorgungsauftrages hätte erbringen müssen, aber nicht habe erbringen können. Der Beklagte verlange nun von der Klägerin, dass sie über die von ihm vorgenommene Erhöhung der Wasserverbrauchsgebühren die Investitionen für die Erstellung der Wasserversorgung, wie sie von Anfang an hätte vorhanden sein sollen und müssen, noch einmal bezahle. Diese Doppelzahlung sei aber aufgrund des Wasserlieferungsvertrages vom Dezember 1992 ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 22.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.3.2002 aufzuheben, soweit darin für das Betriebsgrundstück der Klägerin in I. Wasserverbrauchsgebühren für 1996 von insgesamt mehr als 559.795,75 DM festgesetzt sind,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Bescheide für rechtmäßig und tritt den Ausführungen der Klägerin im Einzelnen entgegen. Der Wasserlieferungsvertrag vom Dezember 1992 hindere den Beklagten nicht daran, die Klägerin an den dem Beklagten entstandenen Investitionskosten anteilig zu beteiligen. Der genannte Wasserlieferungsvertrag habe dazu gedient, die Klägerin darauf vorzubereiten, dass sie in Zukunft unterschiedliche Wasserqualitäten vom Beklagten geliefert bekomme. Die von der Klägerin genannten 400.000 DM seien auf ihrem eigenen Grundstück für die Erweiterung ihres Betriebes verwendet worden, also nicht für öffentlich-rechtliche Aufgaben. Die Kalkulation der Wassergebühren sei nicht Gegenstand des Vertrages gewesen. Sie müsse sich im Übrigen, da die Wasserversorgung im Bereich des Beklagten als öffentliche Einrichtung betrieben werde und öffentlich-rechtliche Benutzungsgebühren erhoben würden, ausschließlich nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes richten. Die Abwälzung der Investitionskosten des Beklagten über die allgemeine Wasserverbrauchsgebühr sei auch und gerade aus Gleichbehandlungsgründen gegenüber der Klägerin zulässig. Durch die neue Verbindungsleitung von Nörten-Hardenberg nach I. sei der Beklagte seinem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag nachgekommen. Durch den Wasserlieferungsvertrag habe die Klägerin keine öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen übernommen. Insofern sei auch eine von ihr behauptete „Doppelbezahlung“ nicht nachvollziehbar.
Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 22.6.2004 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gerichtsakte 3 A 3001/01 und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Teilanfechtungsklage hat Erfolg, allerdings nicht aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen. Der Bescheid des Beklagten vom 22.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.3.2002 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte darin Wasserverbrauchsgebühren in Höhe von 2,90 DM je cbm Wasser festgesetzt hat. Der Bescheid ist daher im beantragten Umfang aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der für das Jahr 1996 festgesetzten Wasserverbrauchsgebühren ist § 5 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes - NKAG - i. V. m. der Wasserabgabensatzung des Beklagten vom 22.3.1982 i. d. F. der am 1.1.1996 in Kraft getretenen 5. Änderungssatzung vom 19.10.1995 - WAS 1996 -. Gemäß § 12 Abs. 2 WAS 1996 beträgt die Wasserverbrauchsgebühr 2,90 DM je cbm (Erhöhung des bis zum 31.12.1995 geltenden Gebührensatzes ab 1.1.1996 um 0,50 DM). Der in dieser Satzungsbestimmung normierte Gebührensatz ist unwirksam, weil ihm eine zwar vom Rat des Beklagten gebilligte, aber gegen § 5 NKAG verstoßende Gebührenkalkulation zugrunde liegt.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG erheben u. a. die Gemeinde als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren von den Gebührenpflichtigen im Sinne von § 5 Abs. 6 Satz 1 NKAG. Der Beklagte betreibt gemäß § 1 Abs. 1 seiner Wasserversorgungssatzung vom 15.12.1981 die Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung zur Versorgung der Grundstücke seines Gebietes mit Trink- und Betriebswasser, und die Klägerin nimmt die von dieser Einrichtung gebotene Leistung durch Bezug erheblicher Mengen von Trinkwasser in Anspruch, weil ihr Betriebsgelände seit Mai 1993 an diese Einrichtung tatsächlich angeschlossen ist. Bei der Gebührenerhebung dürfen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung im Sinne von § 5 Abs. 2 NKAG gedeckt werden. Dieser gesetzlich geregelte Kostendeckungsgrundsatz ist eine Veranschlagungsmaxime, die Anforderungen an die Zielsetzung der Gebührenerhebung stellt. Er verpflichtet im Sinne eines Kostenüberschreitungsverbots die Gemeinde, die Gebühren so zu kalkulieren, dass das in einem bestimmten Kalkulationszeitraum zu erwartende Gebührenaufkommen die in diesem Zeitraum zu erwartenden gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung in ihrer Gesamtheit nicht übersteigt. Über die Höhe des Gebührensatzes, dessen Normierung zum Mindestinhalt einer Abgabensatzung gehört (§ 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG), hat der Rat der Gemeinde als zuständiges Rechtssetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach pflichtgemäßem Satzungsermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ausübung dieses Satzungsermessens ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Ist dem Rat der Gemeinde vor oder bei der Beschlussfassung eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20.1.2000 - 9 K 2148/99 -, NVwZ-RR 2001, 124 = NdsVBl. 2000, 113; Urteil vom 18.8.2003 - 9 LB 390/02 - NST-N 2004, 115; Urteil vom 4.11.2002 - 9 LB 215/02 -, NST-N 2003, 36/37 = ZKF 2003, 153/154). Ein in einem wesentlichen Punkt mangelhafte Gebührenkalkulation ist dann anzunehmen, wenn Fehler bei der Kalkulation zur Folge haben, dass der beschlossene Gebührensatz zu Lasten der Gebührenpflichtigen die sich bei ordnungsgemäßer Kalkulation ergebende Gebührensatzobergrenze mehr als nur geringfügig übersteigt (vgl. OVG Lüneburg, Urteile vom 18.8.2003 und 4.11.2004, a. a. O.). Die Grenze zur Geringfügigkeit ist in Niedersachsen jedenfalls dann überschritten, wenn die grundsätzlich geltende Toleranzgrenze von bis zu maximal 1 % überstiegen ist (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2004, § 6 Rdn. 731).
Nach diesen Grundsätzen ist § 12 Abs. 2 WAS 1996 unwirksam, weil dem Satzungsbeschluss des Rates des Beklagten vom 19.10.1995 über den Wasserverbrauchsgebührensatz dieser Satzungsbestimmung eine Gebührenkalkulation zugrunde lag, die in für die Höhe des Gebührensatzes von 2,90 DM je cbm wesentlichen Punkten zu Lasten der Gebührenpflichtigen fehlerhaft ist.
In der maßgeblichen Gebührenkalkulation vom 19.9.1995 (Bl. 13 der Beiakte B), die der Rat des Beklagten am 19.10.1995 billigend zur Kenntnis genommen hat, ist die Gebührensatzobergrenze für den Durchschnittsgebührensatz für die Wasserverbrauchsgebühr 1996 überhöht mit (umlagefähige Kosten 1.927.957 DM : geschätzte Verbrauchsmenge 650.000 cbm =) 2,97 DM je cbm angesetzt worden. Bei richtigem Ansatz hätten bei den umlagefähigen Kosten insgesamt 57.000 DM für Mindestverbrauch (1.000 DM), Bauwasser (1.000 DM) sowie Grundpreis und Zahlergebühr (55.000 DM) abgesetzt werden müssen, so dass sich eine maßgebliche Gebührensatzobergrenze von nur (1.870.975 DM : 650.000 cbm =) 2,88 DM je cbm ergeben hätte. Diese liegt noch unter dem vom Rat des Beklagten festgesetzten Verbrauchsgebührensatz von 2,90 DM je cbm, der hiernach um 0,02 DM je cbm überhöht ist. Da die Fehlerquote nur rund 0,7 % beträgt, hätte dieser Fehler allein nicht zur Unwirksamkeit des Gebührensatzes geführt. Im vorliegenden Fall kommen jedoch weitere Fehler hinzu, die sich zu Lasten der Gebührenpflichtigen auswirken und die insgesamt nicht mehr als rechtlich unerheblich angesehen werden können.
Die angesetzte kalkulatorische Verzinsung für 1996 ist zu Lasten der Gebührenpflichtigen in einer rechtlich nicht mehr unbeachtlichen Größenordnung überhöht.
In den für den Verbrauchsgebührensatz allein maßgeblichen berücksichtigungsfähigen Kosten von 1.870.975 DM sind kalkulatorische Zinsen von insgesamt (106.100 DM + 92.475 DM =) 198.575 DM enthalten. Während die erste Kostenposition (die unter anderem die das Betriebsgelände der Klägerin versorgende Leitung I. umfasst) in der Gebührenkalkulation nicht spezifiziert ausgewiesen ist (sie ist im Pauschalansatz „Gesamtsumme der Ausgaben“ enthalten und ergibt sich erst unter Rückgriff auf den maßgeblichen Haushaltsplan, vgl. Beiakte C, S. 83), umfasst die zweite Kostenposition neue Anlagegüter, die nach der Prognose des Beklagten spätestens in der 2. Hälfte des Jahres 1996 in Betrieb genommen werden sollten (Anschluss Hochbehälter Eichenburg einschließlich Mischstation sowie - später tatsächlich nicht gebaut - Verbindungsleitung Bierkeller - Sudershausen).
Über kalkulatorische Zinsen (und über kalkulatorische Abschreibungen) - beide sind nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe des § 5 Abs. 2 Satz 4 NKAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gebührenfähige Kosten - fließen die Herstellungsinvestitionen des Einrichtungsträgers erst mit dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des jeweiligen Anlagegutes der öffentlichen Einrichtung mittelbar in die Gebührenkalkulation ein (ein unmittelbares und sofortiges „Durchreichen“ von anfallenden Investitionskosten des Einrichtungsträgers auf die Gebührenpflichtigen findet also nicht statt).
Von beitragsfinanzierten Anlageteilen der öffentlichen Einrichtung darf ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Inbetriebnahme in Niedersachsen uneingeschränkt kalkulatorisch abgeschrieben werden (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 9.10.1990 - 9 L 279/89 -, KStZ 1991, 73 f. = DÖV 1991, 340 f. = NST-N 1991, 18/19; Beschluss vom 14.2.2000 - 9 L 4375/99 - BA S. 5).
Bei der kalkulatorischen Verzinsung des aufgewandten Kapitals hat nach der gesetzlichen Vorgabe des § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 NKAG unter anderem der durch Beiträge aufgebrachte Kapitalanteil außer Betracht zu bleiben. Gegen diesen Grundsatz verstößt die Gebührenkalkulation des Beklagten vom 19.9.1995, die sein Rat am 19.10.1995 gebilligt hat.
Im Zeitpunkt der Billigung der Kalkulation war die Klägerin für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten durch dessen Bescheid vom 9.8.1995 zu einem Wasserversorgungsbeitrag von netto (ohne die darin enthaltene Mehrwertsteuer von 14.336,28DM) 204.804,00 DM veranlagt worden. Gleichwohl ist dieser Betrag bei der kalkulatorischen Verzinsung nicht - wie es nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 NKAG erforderlich gewesen wäre - als Abzugskapital berücksichtigt worden, so dass die Verzinsung zu Lasten der Gebührenpflichtigen überhöht ist (eine individuelle Anrechnung bezahlter Beiträge auf die Gebührenbelastung einzelner Grundstücke findet demgegenüber nicht statt, da der Beitrag nach § 6 NKAG seiner Natur nach kein Entgelt für den Vorteil ist, der in der tatsächlichen Benutzung einer öffentlichen Einrichtung liegt, sondern ein Ausgleich für den von der tatsächlichen Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage unabhängigen Vorteil durch die Möglichkeit des Anschlusses eines Grundstücks an die Einrichtung).
Der im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 NKAG gebührenmindernden Berücksichtigung des Wasserversorgungsbeitrages der Klägerin von 204.804,00 DM steht nicht entgegen, dass der Beitrag gestundet bzw. seine Vollziehung ausgesetzt worden war, nachdem die Klägerin gegen den mit einem Leistungsgebot versehenen Beitragsbescheid vom 9.8.1995 Widerspruch eingelegt und später Klage erhoben hatte. Denn insoweit kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Realisierung der Beitragsforderung durch die Veranlagung, nicht aber auf den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit an (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, a. a. O., § 6 Rdn. 735a, S. 482 f.; ebenso Driehaus/Klausing, a. a. O., § 8 Rdn. 1067j, S. 668/2). Der niedersächsische Landesgesetzgeber hätte zwar durch eine ausdrückliche Vorschrift anordnen können, dass nach § 6a Abs. 2 bis 6 NKAG gestundete bzw. nach § 80 Abs. 4 oder 5 VwGO in ihrer Vollziehung ausgesetzte Anschlussbeiträge als Abzugskapital bei der kalkulatorischen Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Stundung bzw. Aussetzung der Vollziehung anzusetzen sind (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, a. a. O.). Da er dies aber bisher nicht getan, kann es in diesem Zusammenhang aus Rechtsgründen nicht darauf ankommen, wann ein veranlagter Anschlussbeitrag tatsächlich bezahlt wird bzw. hätte bezahlt werden müssen.
Die kalkulatorischen Zinsen hätten hiernach, da der Beklagte mit 6 % kalkulatorisch verzinst, um ein Abzugskapital von (204.804,00 DM x 6 % =) 12.288,24 DM verringert werden müssen.
Ermäßigt man die allein ansatzfähigen Kosten für die Wasserverbrauchsgebühr für 1996 von insgesamt 1.870.975,00 DM um diesen Betrag, errechnet sich eine Gebührensatzobergrenze von (1.858.686,80 DM umlagefähige Kosten : 650.000 cbm veranschlagte Gesamtverbrauchsmenge =) 2,86 DM je cbm. Gegenüber dem vom Rat des Beklagten festgesetzten Gebührensatz von 2,90 DM je cbm (§ 12 Abs. 2 WAS 1996) ergibt dies eine unzulässige Überhöhung um 0,04 DM je cbm. Eine solche Fehlerquote von rund 1,4 % ist rechtlich beachtlich und führt zur Unwirksamkeit des festgesetzten Gebührensatzes. Denn Fehler in einer Gebührenkalkulation, die sich zu Lasten der Gebührenpflichtigen auf die Gebührensatzobergrenze auswirken, sind nur dann unbeachtlich, wenn sie die in Niedersachsen grundsätzlich geltende Toleranzgrenze von bis zu maximal 1 % nicht übersteigen (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, a. a. O., § 6 Rdn. 731). Diese Grenze ist hier überschritten. Darauf, ob sie durch den Ansatz von berücksichtigungsfähigen Kostenpositionen in anderer Höhe unterschritten werden könnte, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Denn maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung des Gebührensatzes, die keine reine Ergebniskontrolle ohne Berücksichtigung der in Niedersachsen zwingend erforderlichen Gebührenkalkulation ist, sind ausschließlich die in der Kalkulation vom 19.9.1995 enthaltenen Kostenansätze, die vom Rat des Beklagten am 19.10.1995 gebilligt worden sind und die der Gebührensatzfestlegung in § 12 Abs. 2 WAS 1996 zugrunde liegen.
Unabhängig hiervon leidet die Kalkulation für die Wasserverbrauchsgebühr 1996 an einem weiteren rechtlich relevanten Mangel.
Bevor der Rat des Beklagten in seiner Sitzung vom 19.10.1995 die erhebliche, mehr als 20 % betragende Erhöhung des Gebührensatzes von bisher 2,40 DM je cbm auf 2,90 DM je cbm ab 1.1.1996 beschloss, nahm er die Betriebskostenabrechnung 1994 für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung billigend zur Kenntnis, die - wie in der Kalkulation vom 19.9.1995 ausdrücklich erwähnt - mit einer Überdeckung von 174.699,07 DM abschloss. Darauf, ob, wie und zu welchem Zeitpunkt diese erhebliche ausgleichspflichtige Überdeckung aus 1994, die immerhin über 9 % des prognostizierten künftigen Gebührenbedarfs für 1996 (1.927.975,00 DM) ausmachte, ausgeglichen werden sollte, legte sich der Rat des Beklagten nicht (in einer für das Gericht erkennbaren Weise) fest. Diese Verfahrensweise ist ermessensfehlerhaft und widerspricht dem Sinn und Zweck des § 5 Abs.2 Satz 3 Halbs. 1 NKAG. Nach dieser ab 1.1.1992 geltenden Vorschrift sind (ungewollte) Kostenüberdeckungen innerhalb der nächsten drei Jahre (nach Ende des betreffenden Kalkulationszeitraums) auszugleichen (vgl. hierzu Driehaus/Lichtenfeld, a. a. O., Rdn. 726d und 726h). Der Rat des Beklagten ging offenbar rechtsirrig davon aus, die Überdeckung aus dem Jahre 1994 von fast 175.000 DM sei durch die verschiedenen, in der Gebührenkalkulation vom 19.9.1995 aufgelisteten Unterdeckungen der vergangenen Jahre 1989 bis 1993 in Höhe von insgesamt fast 350.000 DM - im Sinne einer gleichsam automatischen Saldierung - „ausgeglichen“. Dies entspricht jedoch nicht der seit dem 1.1.1992 in Niedersachsen geltenden Rechtslage. Danach hätte die Überdeckung aus 1994 zwingend in den Jahren 1995 bis 1997 ausgeglichen werden müssen, wobei sich die Ermessensentscheidung des Rates des Beklagten ausschließlich darauf bezogen hätte, auf welche Weise und mit welchen Beträgen der „Ausgleich“ innerhalb dieser drei Jahre erfolgen sollte. Am 19.10.1995, dem Zeitpunkt der Billigung der Gebührenkalkulation für 1996, kam ein „Ausgleich“ nur noch entweder insgesamt in den Kalkulationen für 1996 einerseits oder für 1997 andererseits oder aber anteilig für beide Kalkulationszeiträume in Betracht. Dafür, dass der Rat des Beklagten diese Ermessensspielräume gesehen hätte und zudem gewillt gewesen wäre, sie sachgerecht auszufüllen, gibt es im vorliegenden Fall für das Gericht keinerlei greifbare Anhaltspunkte. Hätte der Rat des Beklagten beispielsweise die Hälfte der Überdeckung aus 1994 - also 87.349,54 DM - als „weiteres Abzugskapital“ von den vorstehend errechneten umlagefähigen Gesamtkosten von 1.858.686,80 DM abgezogen, hätten sich diese auf 1.771.337,30 DM verringert. Bei einer prognostizierten Gesamtverbrauchsmenge von 650.000 cbm hätte sich dann eine Gebührensatzobergrenze für die Wasserverbrauchsgebühr 1996 von noch 2,72 DM je cbm ergeben, also ein Betrag, der um 0,18 DM je cbm - rund 6,2 % - unter dem festgesetzten Gebührensatz für 1996 gelegen hätte. Dies macht deutlich, dass der im Nichtgebrauch des von § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 NKAG eröffneten ortsgesetzgeberischen Ermessens liegende Fehler der Kalkulation vom 19.9.1995 die Gebührenpflichtigen des Kalkulationszeitraums 1996 in rechtlich erheblicher Weise belastet. Denn bei einer etwaigen erneuten Entscheidung des Rates des Beklagten und einer sachgerechten Ermessensentscheidung bezüglich § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 NKAG bestünde zwar nicht die gleichsam zwangsläufige Notwendigkeit, zumindest aber die insoweit ausreichende Möglichkeit, für 1996 einen für sie erheblich günstigeren als den jetzt angegriffenen Gebührensatz festzulegen.
Ist nach alledem § 12 Abs. 2 WAS 1996 - Neufestsetzung des Satzes für die Wasserverbrauchsgebühr ab 1.1.1996 von bisher 2,40 DM je cbm auf 2,90 DM je cbm - ungültig, ist der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 22.11.1999 in der Fassung des ihn bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 19.3.2002 mangels der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG zwingend erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage rechtswidrig und hat im Umfang seiner Anfechtung zwingend eine Rechtsverletzung der Klägerin im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Folge (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, a. a. O., § 6 Rdn. 713 m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerwG).
Der Klage ist hiernach antragsgemäß stattzugeben, ohne dass es darauf ankommt, ob der von der Klägerin vertretene Rechtsstandpunkt hinsichtlich der wassergebührenrechtlichen Relevanz des zwischen den Beteiligten und dem Zweckverband Kreisgruppenwasserwerk Northeim im Dezember 1992 geschlossenen Wasserlieferungsvertrages zutreffend ist oder nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO antragsgemäß für notwendig zu erklären (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.2.1991 - 8 C 83.88 -, NVwZ 1992, 669/670).