Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 03.08.2004, Az.: 1 B 167/04
Abschiebestopp; Duldung; Familiäre Gemeinschaft; Kosovo; nicht ehelicher Vater; Roma
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 03.08.2004
- Aktenzeichen
- 1 B 167/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50708
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 54 AuslG
- § 55 Abs 2 AuslG
- Art 6 GG
- § 123 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Schutz des Abschiebestopps für Roma aus dem Kosovo erstreckt sich auch auf die in Deutschland geborenen, nicht ehelichen Kinder, mit denen der leibliche Vater in häuslicher Gemeinschaft lebt.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg, denn die Antragsteller haben für ihr nach entsprechenden Anträgen auf Duldung statthaftes Begehren sowohl den nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung besteht, weil die Antragsgegnerin nach dem Erlöschen der zuletzt bis zum 13.07.2004 erteilten Duldung den Antragstellern trotz der gestellten Anträge auf Verlängerung eine solche nicht vorgenommen, sondern vielmehr die Abschiebung vorbereitet hat, die heute durchgeführt werden soll. Die Antragsteller befinden sich bereits auf dem Wege zum Flughafen.
Die Antragsteller haben auch glaubhaft gemacht, dass für sie jeweils ein Anspruch auf Erteilung einer weiteren Duldung besteht. Die Kammer geht bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nach Aktenlage davon aus, dass es sich bei den Antragstellern um Roma-Volkszugehörige handelt, die gemäß §§ 55 Abs. 2, 54 AuslG i. V. m. dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 25.06.2004 - Az.: 45.22-12231/3-6-SGG-K - einen Anspruch auf Duldung haben. Nach dem Erlass besteht bis auf Weiteres ein Abschiebestopp für Roma aus dem Kosovo.
Bei der für die Antragsteller vorgesehenen Abschiebung nach Belgrad ist die Antragsgegnerin nach Auffassung der Kammer zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den Antragstellern um Roma handelt. Nach Überzeugung der Kammer spricht auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin zu 1. und ihre Familie tatsächlich aus Pristina im Kosovo stammt.
wird ausgeführt
Im Übrigen leben die Antragstellerin zu 1. seit ihrer Heirat nach Stammesrecht mit dem Lebensgefährten bzw. die Antragsteller zu 2. und 3. jeweils seit ihrer Geburt im November 2001 bzw. Februar 2004 mit ihrem leiblichen Vater A. B. in familiärer Gemeinschaft, die auch in Bezug auf den nichtehelichen Vater den Schutz von Art. 6 GG genießt. Nach Aktenlage stammt A. B. aus Podujevo im Kosovo und verfügt über eine bis zum 15. August 2004 erteilte Duldung, die wegen des o. g. Abschiebestopps zu verlängern sein wird. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer zumindest die Antragsteller zu 2. und 3. auch wegen ihrer familiären Verbundenheit zu ihrem Vater von dem Abschiebestopp für Roma aus dem Kosovo erfasst. Die Kammer teilt hierzu nicht die Ansicht der Antragsgegnerin, dass es dem Vater zur Herstellung der Familieneinheit zuzumuten sei, den Antragstellern nach Belgrad zu folgen.
Selbst wenn die Antragstellerin aus Nis stammen sollte und damit wie auch durch ihre nach Stammesrecht erfolgte Aufnahme in die Familie B. nicht selbst zum Kreis der Roma aus dem Kosovo gehören sollte, müsste ihr deshalb weiterhin eine Duldung erteilt werden, weil sie von ihren beiden Kindern, von denen das eine gerade erst fünf Monate alt ist, nicht getrennt werden dürfte. Ein Duldungsanspruch würde sich in diesem Fall wegen des verfassungsrechtlich durch Art. 6 GG verbürgten Schutzes der Familie direkt aus § 55 Abs. 2 AuslG ergeben.
Aus diesem bei summarischer Prüfung bestehenden Duldungsanspruch folgt, dass die eingeleiteten Abschiebungsmaßnahmen abzubrechen sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 39 Abs. 1 GKG. Ausgehend davon, dass bei einem Verfahren wegen Duldung nach dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der halbe Auffangwert anzunehmen ist, der gemäß § 52 Abs. 2 GKG 5.000,00 Euro beträgt, bemisst die Kammer das Interesse der Antragstellerin zu 1. mit 2.500,00 Euro und legt für das Begehren der Antragsteller zu 2. und 3. in entsprechender Anwendung von § 30 RVG jeweils 600,00 Euro zu Grunde.