Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.02.2011, Az.: L 3 KA 100/10 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.02.2011
Aktenzeichen
L 3 KA 100/10 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 28126
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0221.L3KA100.10B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 12.10.2010 - AZ: S 16 KA 130/10 ER

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 12. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6211,90 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Richtgrößenregress.

2

Die Antragstellerin nahm im Jahr 2002 als fachärztliche Internistin mit Praxissitz in C. an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

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Die Geschäftsstelle der Prüfungseinrichtungen für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung teilte ihr mit Schreiben vom 27. Juli 2006 mit, dass sie im Jahr 2002 die Richtgrößen für Arznei- und Heilmittel (saldiert) mit 73,95 % um mehr als 25 % überschritten habe und daher gemäß § 10 Abs 3 der Richtgrößenvereinbarung (RGV) von Amts wegen eine Richtgrößenprüfung einzuleiten sei. Der vorläufig errechnete Nettoregress belaufe sich auf 120.357,51 Euro.

4

In ihrer Stellungnahme vom 9. September 2006 machte die Antragstellerin geltend, ihre Praxis sei schwerpunktmäßig kardiologisch orientiert; die Behandlung der schweren kardialen Dekompensation und der arteriellen Hypertonie sei sehr kostenintensiv. Außerdem machten die Praxisbesonderheiten nach den Anl 2 und 3 der RGV einen höheren Betrag aus, als von der Geschäftsstelle anerkannt. Der Prüfungsausschuss Niedersachsen setzte mit Bescheid vom 30. November 2006 einen Regress iHv 75.288,74 Euro fest, wobei er zugunsten der Antragstellerin Praxisbesonderheiten iHv insgesamt 104.704,98 Euro berücksichtigte.

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Hiergegen legte die Antragstellerin am 18. Dezember 2006 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie erneut auf den kardiologischen Behandlungsschwerpunkt verwies. Als Praxisbesonderheit machte sie weiterhin weitere Arzneimittel nach Anl 2 der RGV, besonders "teure Patienten" und nicht ausreichend berücksichtigte freiwillig versicherte Rentner geltend.

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Der Antragsgegner gab dem Widerspruch teilweise statt und reduzierte den Regress mit Bescheid vom 14. Januar 2010 auf 24.847,59 Euro. Er sah in der Behandlung kardiologischer Erkrankungen einen besonderen Schwerpunkt mit der Folge, dass die Verordnung von Statinen und antithrombotischen Mitteln zu 50 % als Praxisbesonderheit anerkannt wurden. Weitere Behandlungsschwerpunkte hätten sich in den Verordnungsdaten nicht widergespiegelt. Die Anerkennung von Präparaten und Präparategruppen über die Anl 2 zur RGV 2002 sei nicht möglich, weil dies in Niedersachsen nicht vereinbart worden sei. Die Summe der anerkannten Praxisbesonderheiten machte einen Betrag von insgesamt 153.706,10 Euro aus. Die mindestens 65 Jahre alten Patienten mit dem Versichertenstatus "freiwillig Versicherter" wurden wie Rentner behandelt, woraus sich ein Differenzbetrag von 6.495,28 Euro zugunsten der Antragstellerin ergab.

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Am 27. Januar 2010 hat die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben; am 10. März 2010 hat sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Zur Begründung des Eilantrags hat sie gerügt, dass den Vertragsärzten in Niedersachsen die Richtgrößen für das Jahr 2002 nicht rechtzeitig bekannt gegeben worden seien. Außerdem hat sie das behauptete Verordnungsvolumen bestritten, weil Bedenken gegen die Richtigkeit der von den Prüfgremien zugrunde gelegten Daten bestünden. Die Regressfestsetzung sei weiterhin deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragsgegner seine Verpflichtung missachtet habe, eine regressablösende Individualvereinbarung gemäß § 106 Abs 5d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) anzubieten. Der Antragsgegner habe außerdem die zeitlichen Vorgaben für den Prüfrhythmus im SGB V und in den Gesamtverträgen nicht eingehalten. Die Richtgrößen seien nicht entsprechend § 84 Abs 6 SGB V vereinbart worden. Da sie nicht dem Verordnungsverhalten der Vergleichsgruppe entspreche, müsse auch der Begriff der Praxisbesonderheit anders als bei der Vergleichsprüfung definiert werden. Die Höhe des Schadens sei unrichtig berechnet worden, weil weder der von der Pharmaindustrie als Einmalzahlung geleistete Rabatt noch Retaxierungen beachtet worden seien. Ihre umfangreichen Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren seien ferner vom Antragsgegner nicht zur Kenntnis genommen worden. Es bleibe insbesondere unerklärlich, warum Statine und antithrombotische Mittel nur zu 50 % als Praxisbesonderheit anerkannt worden seien. Schließlich sei sie nicht in der Lage, den durch die Vollziehung des Regressbescheids entstehenden finanziellen Ausfall zu überbrücken; wenn sie in den nächsten zwei Quartalen keinerlei Zahlungen von der - zu 1. beigeladenen - Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) erhalte, könne der Praxisbetrieb nicht mehr aufrecht erhalten werden.

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Mit Beschluss vom 12. Oktober 2010 hat das SG den Antrag abgelehnt und gleichzeitig die Beigeladene zu 1. angewiesen, die Rückforderung auf mindestens zwölf monatliche Raten zu verteilen. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Regressforderung unterliege keinen Zweifeln. Insbesondere folge das SG der Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach die für das Jahr 2001 vereinbarten Richtgrößen auch 2002 weiter gelten könnten. Die Rügen unrichtiger Datensätze seien nicht substantiiert begründet und im Rahmen der Richtgrößenprüfung kaum relevant. Der Antragsgegner habe sich ferner mit den Einwänden der Antragstellerin zu ihren Praxisbesonderheiten hinreichend auseinandergesetzt. Schließlich stelle die ratenweise Vollziehung der Honorarrückforderung keine unbillige Härte dar. Vor dem Hintergrund der von der Antragstellerin vorgelegten Angaben zur monatlich verfügbaren Liquidität sei aber die tenorierte Ratenzahlung sachgerecht und angemessen.

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Hiergegen hat die Antragstellerin am 20. Oktober 2010 Beschwerde vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zusätzlich zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen meint sie, bei der anzustellenden Interessenabwägung sei die lange Verfahrensdauer zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, zumal die Prüfung ordnungsgemäß ab Mitte des Jahres 2003 hätte vorgenommen werden müssen. Ein besonderes Interesse an einer nunmehr sofortigen Vollziehung liege nicht vor. Auch die vom SG jetzt angeordnete ratenweise Vollziehung der Honorarrückforderung stelle für sie eine unbillige Härte da.

10

Die Antragstellerin beantragt,

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den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 12. Oktober 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Januar 2010 anzuordnen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er verteidigt seinen Bescheid und hält den angefochtenen Beschluss des SG Hannover für zutreffend.

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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

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II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, insgesamt die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. Januar 2010 anzuordnen.

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1. Nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen ganz oder teilweise anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Über das "Ob" einer Anordnung entscheidet das Gericht dabei auf der Grundlage einer Interessenabwägung, wobei das private Interesse des belasteten Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts abzuwägen ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 86b Rn 12 ff mwN). Die Privatinteressen überwiegen regelmäßig, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn die Vollziehung des angefochtenen Bescheids zu einer unbilligen Härte für den Antragsteller führen würde. Damit lehnt sich der Senat in den Fällen der Festsetzung von Honorarrück- oder sonstigen Regressforderungen bei der hier zu treffenden Abwägung wegen der insoweit grundsätzlich vergleichbaren Interessenlage an die Kriterien des § 86a Abs 3 S 2 SGG an. Sonstige Gesichtspunkte, die die Rechtmäßigkeit des Bescheids oder eine ggf vorliegende unbillige Härte nicht betreffen - also auch die von der Antragstellerin angeführte lange Verfahrensdauer -, sind bei der Abwägung regelmäßig nicht von Belang.

18

Vorliegend hat die Klage der Antragstellerin keine aufschiebende Wirkung. Dies ergibt sich aus Art 3 § 2 S 4 des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes ((ABAG) vom 19. Dezember 2001, BGBl I 3773). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber allgemein zum Ausdruck gebracht, dass der Sofortvollzug von Richtgrößenregressen im allgemeinen Interesse liegt. Einer besonderen Darlegung des sofortigen Vollziehungsinteresses im Einzelfall bedarf es - entgegen der Beschwerdebegründung - deshalb nicht.

19

Vom Sofortvollzug ist vorliegend nicht abzusehen; denn es bestehen derzeit weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner geltend gemachten Regressforderung iHv 24.847,59 Euro (dazu 2.), noch ist ersichtlich, dass die Vollziehung des Richtgrößenregresses in (mindestens) zwölf Monatsraten zu einer unbilligen Härte für die Antragstellerin führen könnte (dazu 3.)

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2.a) Rechtsgrundlage für die Berechtigung des Antragsgegners, einen Vertragsarzt wegen seiner Verordnungen aufgrund einer Überschreitung von Richtgrößen in Regress zu nehmen, sind ab dem Jahr 2002 die §§ 84 Abs 6, 106 Abs 5a SGB V wie sie idF des ABAG vom 19. Dezember 2001 (aaO.) anzuwenden sind. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden hat (zuletzt Beschluss vom 4. November 2010 - L 3 KA 26/10 B ER), sehen die dargelegten Neuregelungen zur Richtgrößenprüfung durch das ABAG ausdrücklich eine übergangsweise Fortgeltung der RGV 2001 auch für das Jahr 2002 vor, sodass sich die Antragstellerin nicht darauf berufen kann, die Richtgrößen für 2002 seinen verspätet bekannt gegeben worden. Nach Art 3 § 2 S 1 AGAB erfolgen nämlich die Richtgrößenprüfungen im Jahr 2002 "auf der Grundlage der Richtgrößenvereinbarungen nach § 84 Abs 3 SGB V in der bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung". Zum wesentlichen Inhalt der hiermit in Bezug genommenen "Richtgrößenvereinbarungen" gehören gerade die dort gemäß § 84 Abs 3 SGB V aF festgesetzten arztgruppenspezifischen Richtgrößen für 2001. Soweit die Antragstellerin demgegenüber in ihrer Beschwerdebegründung meint, für 2002 könnten allenfalls Prüfungen nach Durchschnittswerten gemäß Art 3 § 2 S 2 ABAG erfolgen, folgt der Senat dem nicht. Auf die Prüfung nach Durchschnittswerten können die Prüfgremien nur verwiesen werden, wenn "die erforderlichen Voraussetzungen für die Prüfungen nach S 1 nicht" vorliegen, es also an umsetzbaren Vereinbarungen für das Jahr 2001 fehlt.

21

b) Soweit die Antragstellerin rügt, die Regressfestsetzung des Antragsgegners beruhe auf unrichtig festgestellten Verordnungsdaten, kann sie im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden. Denn wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, sind Datenfehler bei der Richtgrößenprüfung schon vor den Prüfgremien geltend zu machen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 19). Im Verwaltungsverfahren hat die Antragstellerin aber lediglich auf den unrichtigen Richtgrößenansatz für freiwillig versicherte Rentner hingewiesen. Diesen Einwand hat der Antragsgegner im Bescheid vom 14. Januar 2010 in vollem Umfang zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt (Differenzbetrag von 6.495,28 Euro).

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b) Ebenfalls zu Unrecht rügt die Antragstellerin, der Antragsgegner habe ihre Stellungnahme im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis genommen. Wie die Begründung des Bescheids vom 14. Januar 2010 zeigt, hat dieser sich vielmehr mit ihrem Haupteinwand - Behandlung kardiologischer Patienten als Praxisbesonderheit - befasst und diesen dadurch berücksichtigt, dass er 50 % der hierfür typischerweise eingesetzten Statine und antithrombotischen Mittel als Praxisbesonderheit anerkannt hat. Dabei ist die schätzweise Festlegung der Quote auf 50 % nachvollziehbar damit begründet worden, dass Patienten mit kardiologischen Erkrankungen in der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten grundsätzlich keine Besonderheit darstellen, sodass der besonders hohe Anteil der Antragstellerin auch nur anteilig zu berücksichtigen war.

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Auch Praxisbesonderheiten, die sich aus den Anl 3.1 und 3.2 der RGV ergeben, hat der Antragsgegner ausweislich der Anl 3 seines Bescheids berücksichtigt. Soweit sich die Antragstellerin außerdem auf Praxisbesonderheiten nach der Wirkstoffliste in Anl 2 zur RGV beruft, hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Vertragspartner der RGV auf die Umsetzung dieser Anlage nicht einigen konnten. Für das Jahr 2001 ergibt sich dies aus der Protokollnotiz zu § 1 Abs 4 und § 3 Abs 2 der RGV 2001 (vgl NdsÄBl 2000, 110, 114).

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Weitere Praxisbesonderheiten sind vom Antragsgegner zu Recht nicht berücksichtigt worden. Praxisbesonderheiten, dh aus der Zusammensetzung der Patienten eines Vertragsarztes herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Fachgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27; BSG, Urteil vom 23. Februrar 2005 - B 6 KA 79/03 R - juris), müssen vom betroffenen Vertragsarzt substantiiert vorgetragen werden. Dieser muss spezielle Strukturen aufzeigen, etwa indem er die bei ihm schwerpunktmäßig behandelten Erkrankungen aufzählt und mitteilt, welcher Prozentsatz seiner Patienten ihnen jeweils zuzuordnen ist und welcher Aufwand an Arzneimitteln für die Therapie der konkreten Erkrankung erforderlich ist (vgl hierzu Clemens in: jurisPK-SGB V, § 106 Rn 120 mwN). Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Antragstellerin im Hinblick auf die geltend gemachte Betreuung von Patienten mit Asthma, Parkinson, Epilepsie ua und mit ihrem Hinweis auf besonders "teure Patienten" nicht gerecht.

25

d) Soweit die Antragstellerin weitere rechtliche Bedenken gegen die Grundlagen, das Verfahren und das Ergebnis der vorliegenden Richtgrößenprüfung vorbringt, muss die Klärung damit verbundener Detailfragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Anhaltspunkte dafür, dass sich hieraus schon jetzt ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ergeben, bestehen nach summarischer Prüfung nicht. Insbesondere kann schon aus dem Wortlaut des § 106 Abs 5d S 1 SGB V nicht abgeleitet werden, dass der Antragsgegner zur Vereinbarung einer individuellen Richtgröße mit der Antragstellerin verpflichtet gewesen ist (ebenso: Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Januar 2011, § 106 Rn 227). Auch für die Auffassung der Antragstellerin, der Begriff der Praxisbesonderheit sei bei Richtgrößenprüfungen anders zu definieren als bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Durchschnittswerten, findet sich gegenwärtig keine Stütze (vgl vielmehr Clemens aaO., § 106 Rn 175; Engelhard aaO., § 106 Rn 191b).

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3. Schließlich stellt die Vollziehung der Honorarrückforderung für die Antragstellerin auch keine unbillige, durch überwiegende öffentliche Interessen nicht gerechtfertigte Härte da. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein solcher Fall anzunehmen, wenn die verlangte Zahlung zu einer Existenzvernichtung oder zur Insolvenz des betroffenen Vertragsarztes führen könnte (vgl zB Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2010 - L 3 KA 23/10 B ER). Da das SG Hannover in seinem Beschluss vom 12. Oktober 2010 - insoweit rechtskräftig - die Beigeladene zu 1. angewiesen hat, die Rückforderung auf mindestens zwölf Monatsraten zu verteilen, ist mithin zu prüfen, ob die monatliche Zahlung eines Betrags von 2.070,63 Euro die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin mit sich bringen könnte. Dies ist zu verneinen.

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Eine drohende Existenzvernichtung ihrer Praxis ist mit den im Beschwerdeverfahren aktualisierten Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht glaubhaft gemacht worden. Entscheidend hierfür ist, dass sie nach den Angaben ihres Steuerberaters (vom 28. Mai 2010) einen weiteren Arzt als Job-Sharing-Partner in ihre Praxis aufnehmen wird und sich im Zusammenhang damit in der Lage sieht, die Anstellung einer zusätzlichen Angestellten sowie den Kauf eines weiteren Farbdoppler-Echo-Kardiographen für maximal 80.000,00 Euro (mit) zu finanzieren. Anzeichen, die aktuell für eine gravierende Verschlechterung der finanziellen Situation der Praxis sprechen könnten, ergeben sich aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht. Eine Praxis, die über die Kreditfähigkeit verfügt, um zu expandieren und derartige Investitionen zu tätigen, kann nicht darauf verweisen, ihr drohe bei der ratenweisen Vollziehung eines Regresses von ca 24.000,00 Euro die Insolvenz.

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Auch für ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten im privaten Bereich bestehen keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin verfügt nach der Auflistung ihres Steuerberaters vom 25. November 2010 über monatliche Einkünfte iHv 14.027,00 Euro und ist in der Lage, (gemeinsam mit ihrem Ehemann) zwei studierende Töchter mit jeweils mehr als 1.000,00 Euro im Monat zu unterstützen. Auch angesichts der geltend gemachten Aufwendungen und Kreditbelastungen kann nicht gesehen werden, dass ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit durch die streitbefangenen Ratenzahlungen derart beschränkt wäre, dass eine Privatinsolvenz zu befürchten ist.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und 3, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Sie folgt der Ziffer IX.15.3 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit (NZS 2009, 491, 495), wobei der Senat in ständiger Rechtsprechung und den Fällen der vorliegenden Art von einem Viertel der streitbefangenen Regressforderung ausgeht.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).