Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.09.2011, Az.: 9 A 1640/11

Ausweisersatz; Duldungsbescheinigung; Fahrerlaubnisantrag; Fahrerlaubnisprüfung; Personenbezogene Daten; Verpflichtungsklage

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
14.09.2011
Aktenzeichen
9 A 1640/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Duldungsbescheinigung mit Lichtbild, die nicht als Ausweisersatz bezeichnet ist, genügt dann als Nachweis der personenbezogenen Daten für den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis, wenn der Führerscheinbewerber im Kindesalter in das Bundesgebiet eingereist ist und immer unter den dabei angegebenen personenbezogenen Daten im Bundesgebiet gelebt hat.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2011 der Klägerin eine Fahrerlaubnis für die Klasse B einschließlich aller darin enthaltenen Klassen auf der Grundlage der Duldungsbescheinigung als Identitätsnachweis zu erteilen, soweit die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihren Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis mangels eines ausreichenden Nachweises der Angaben zur Person ablehnte.

Die nach eigenen Angaben E. geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben aserbaidschanische Staatsangehörige; sie gibt an, der Vater sei kurdischer, die Mutter armenischer Volkszugehörigkeit. Ihre Eltern stammten aus Berg-Karabach. Am 24.11.1998 beantragten die Klägerin, ihr F. geborenes Geschwister G. und ihre H. und I. geborenen - angeblich nicht verheirateten - Eltern nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet die Anerkennung als Asylberechtigte. Die Eltern gaben in ihrer in armenischer Sprache geführten Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, am 16.11.1998 in das Bundesgebiet ohne Dokumente eingereist zu sein. Zuletzt hätten sie in dem Dorf J. in der Region Krasnodar in der Russischen Föderation gelebt. Schwierigkeiten hätten sie in Russland gehabt, weil sie keine Personalpapiere besessen hätten. Die Asylanträge blieben ohne Erfolg. Da die Klägerin keinen Pass oder Passersatz besaß, stellte der Landkreis K. ihr erstmals am 17.03.1999 eine Duldung aus. Im Jahr 1999 wurde die Klägerin eingeschult.

Das Generalkonsulat der Russischen Föderation weigerte sich 1999 und 2000, der Klägerin und ihrer Familie Pässe auszustellen, da sie keine russischen Staatsangehörigen seien.

Mit Schreiben vom 07.12.2005 stellte die Beklagte der Klägerin unter der Voraussetzung, dass sie ihrer Passpflicht nachkomme, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Aussicht.

Ein Antrag auf Ausstellung eines Passersatzes bei der Botschaft der aserbaidschanischen Republik blieb laut einer von den Eltern der Klägerin vorgelegten Mitteilung vom 10.04.2006 erfolglos, da die Mutter der Klägerin armenische Staatsangehörige sei. Der Vater und die Mutter der Klägerin seien bis 1989 in Leninavan/Aserbaidschan wohnhaft gewesen. Mit Schreiben vom 17.05.2006 teilte die Botschaft der Beklagten mit, das Schreiben vom 10.04.2006 sei eine Fälschung.

Seit 2005 tragen die Duldungsbescheinigungen der Klägerin ein Lichtbild, den Zusatz "Die Personenangaben beruhen auf den eigenen Angaben der Inhaberin/des Inhabers" und den Aufdruck "Die Inhaberin/der Inhaber genügt mit dieser Bescheinigung nicht der Pass- und Ausweispflicht."

Am 01.06.2010 beantragte die Klägerin die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B und legte eine gültige - derzeit bis zum 02.11.2011 verlängerte - Duldungsbescheinigung vor.

Mit Schreiben vom 05.08.2010 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, die Duldungsbescheinigung reiche für die gesetzlich geforderten Angaben zur Person nicht aus. Sie bitte um die Vorlage eines Identitätsnachweises.

Die Klägerin hat am 17.04.2011 Klage erhoben. Sie erwarte eine Bescheidung ihres Antrages.

Nach Anhörung vom 26.04.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 06.06.2011 ab, da die Klägerin den von ihr geforderten Identitätsnachweis nicht erbracht habe.

Die Klägerin hält an ihrer Klage fest. Sie sei nicht imstande, die von der Beklagten geforderten Papiere vorzulegen. Sie könne ihre Angaben über ihre Person im ausreichenden Maße mit ihrer Duldungsbescheinigung machen.

Die Klägerin beantragt

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2011 zu verpflichten, ihr eine Fahrerlaubnis für die Klasse B einschließlich aller darin enthaltenen Klassen auf der Grundlage der Duldungsbescheinigung als Identitätsnachweis zu erteilen, soweit die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend, dass mit der vorgelegten Bescheinigung die Klägerin ihre wahre Identität unter keinen Umständen beweisen könne.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Vorbringen der Beteiligten, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Ausländerakten der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die - zunächst als Untätigkeitsklage (§ 75 Satz 1 VwGO) erhobene - Verpflichtungsklage gegen die Versagung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 06.06.2011 ist gemäß § 42 VwGO mit den aus dem Antrag ersichtlichen Einschränkungen zulässig.

Die Klage ist statthaft. Dem Rechtsschutzziel der Klägerin, mit ihrer Duldungsbescheinigung die beantragte Fahrerlaubnis erhalten zu können, ist mit der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu entsprechen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 08.06.2007 - 4 A 348.06 -, juris; wohl auch VG Schleswig, Urteil vom 17.04.2007 - 3 A 161/06 -, juris; VG Dessau, Beschluss vom 01.03.2005 - 2 A 190/04 DE). Die Verpflichtung der Beklagten klärt trotz der im Tenor ausgesprochenen Einschränkung die umstrittene Rechtsfrage in dem erforderlichen Umfang verbindlich und abschließend. Denn genauso wie Verpflichtungsklagen auf Bewilligung von Geldleistungen "in gesetzlicher Höhe" zulässig sind, obwohl damit ein Spielraum verbleibt, welcher Betrag damit gemeint ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 - 5 C 39/97 -, BVerwGE 108, 40; OVG Bautzen, Urteil vom 22.06.2010 - 4 A 111/08 -, NVwZ-RR 2010, 774), ist den Beteiligten mit der tenorierten Einschränkung "soweit die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen" bekannt, dass damit u. a. das Bestehen der Fahrerlaubnisprüfung nach § 15 FeV angesprochen ist. Obwohl der Zugang zu einer Fahrerlaubnisprüfung nach § 15 FeV faktisch erst dadurch eröffnet wird, dass die Fahrerlaubnisbehörde die zuständige Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr mit der Prüfung beauftragt (§ 22 Abs. 4 Satz 1 FeV) und dieser Auftrag nicht in Form eines Verwaltungsakts erfolgt, ist für das Anliegen der Klägerin eine (kombinierte) Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid vom 06.06.2011 und eine Leistungsklage darauf, dass die Beklagte der Prüfstelle einen Auftrag erteilt (so wohl VG Weimar, Beschluss vom 15.03.2007 - 2 E 267/07 We -, juris), nicht erforderlich. Die Verpflichtungsklage klärt das umstrittene Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Sie muss sich auch nicht auf eine Neubescheidung des Fahrerlaubnisantrages beschränken (so aber VG Gelsenkirchen, Urteile vom 22.08.2007 - 7 K 2840/06 -, juris; vom 22.06.2011 - 7 K 4343/10 -, juris), weil dies nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO nur bei fehlender Spruchreife in Betracht kommt. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Weder bestehen Ermessens- oder Beurteilungsspielräume der Verwaltung, die das Gericht nicht auszufüllen vermag, noch bedarf es einer aufwändigen Aufklärung des Sachverhalts zu der alleinigen Streitfrage (zu den Fallgruppen: Wysk, VwGO, § 113, Rn. 100 f.).

Die Klage ist auch begründet, denn die Ablehnung der Fahrerlaubnis für die Klasse B einschließlich aller darin enthaltenen Klassen durch den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; sie hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr auf der Grundlage der Duldungsbescheinigung als Identitätsnachweis eine Fahrerlaubnis erteilt, soweit die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), d. h. insbesondere wenn die Klägerin noch die Fahrerlaubnisprüfung vor der Technischen Prüfstelle nach § 15 FeV besteht. Liegen sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat die Beklagte der Klägerin die Fahrerlaubnis mit der Aushändigung der amtlichen Bescheinigung (Führerschein) zu erteilen.

Die Klägerin hat mit der von ihr vorgelegten Duldungsbescheinigung im Sinne von § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV der Pflicht an den Nachweis ihrer Identität in hinreichendem Maße entsprochen, so dass die Beklagte auf den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 21 FeV die weiteren zum Erwerb der Fahrerlaubnis erforderlichen Maßnahmen ergreifen kann. Sie kann insbesondere im Sinne von § 22 Abs. 4 FeV die zuständige Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr mit der Prüfung der Klägerin beauftragen und ihr den bereits vorbereiteten Führerschein zwecks Aushändigung an die Klägerin übersenden (1.). Es lässt sich auch mit Sicherheit sagen, dass die Duldungsbescheinigung ausreicht, um den gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV im Verfahren vor der Technischen Prüfstelle erforderlichen Identitätsnachweis zu führen (2.).

(1.) Die Duldungsbescheinigung der Klägerin ist trotz der in ihr enthaltenen Nebenbestimmung, dass die Klägerin damit nicht der Ausweispflicht genügt und dass die Personalangaben auf ihren eigenen Angaben beruhen, als ausreichender Nachweis ihrer Identität anzusehen.

§ 2 Abs. 6 Satz 1 StVG bestimmt, dass der Bewerber um eine Fahrerlaubnis nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung u. a. die in der Nummer 1 dieser Vorschrift aufgeführten personenbezogenen Daten - Familiennamen, Geburtsnamen, sonstige frühere Namen, Vornamen, Ordens- oder Künstlernamen, Doktorgrad, Geschlecht, Tag und Ort der Geburt, Anschrift - "mitzuteilen und nachzuweisen" hat. § 21 Abs. 1 Satz 3 FeV regelt weiter, dass der Führerscheinbewerber u. a. die in § 2 Abs. 6 StVG bezeichneten Personendaten mitzuteilen und "auf Verlangen" nachzuweisen hat. Der Verordnungsgeber trägt so dem Umstand Rechnung, dass in manchen Fällen (etwa wenn die angegebenen Personalien der Fahrerlaubnisbehörde ohnehin bekannt sind oder sie sich dort mit geringem Aufwand verifizieren lassen) ohne Beeinträchtigung öffentlicher Belange auf eine Nachweisführung durch den Bewerber verzichtet werden kann. Zu den Unterlagen, deren Vorlage grundsätzlich (d.h. vorbehaltlich einer Ausnahmegenehmigung nach § 74 FeV) geboten sind, gehört nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV ein "amtlicher Nachweis über den Ort und den Tag der Geburt" des Bewerbers.

Die Duldungsbescheinigung der Klägerin genügt diesen Kriterien. Hierfür spricht eine an dem vom Gesetzgeber mit den Normen verfolgten Sinn und Zweck orientierte Auslegung von § 2 Abs. 6 StVG bzw. § 21 FeV.

Die mit Änderungsgesetz vom 24.04.1998 vollzogene Einfügung des § 2 Abs. 6 StVG (BGBl. I S. 747) konkretisierte die Anforderungen an den Fahrerlaubnisantrag und beruhte auch auf datenschutzrechtlichen Gründen, wie die amtliche Begründung (BR-Drs. 821/96, S. 67 f.) ausführt:

"... Wie die Fahrerlaubnisbehörde die Eignung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG, eig. Erg. zu überprüfen und sie der Bewerber nachzuweisen hat, ist in den Absätzen 6 bis 8 angesprochen und wird im einzelnen durch Verordnung geregelt .....

...Abs. 6 legt die Verpflichtung des Antragstellers fest, bei der Beantragung der Erteilung, Erweiterung, Verlängerung, der Änderung einer Fahrerlaubnis oder der Ausfertigung eines Führerscheins die notwendigen Angaben zu seiner Person mitzuteilen und nachzuweisen, ein Lichtbild vorzulegen sowie nachzuweisen, daß er die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt. Damit erhält die bisher in § 8 der StVZO geregelte Grundlage für die Erhebung der Daten Gesetzesrang.......,"

Der Gesetzgeber umschreibt, welche Angaben zur Person "notwendig" sind, nur dadurch, dass sie der Prüfung der Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers dienen. § 21 Abs. 3 FeV ersetzte § 8 Abs. 2 StVZO (BR-Drs. 443/98, S. 271), ohne dass der Verordnungsgeber neue Anforderungen an den Identitätsnachweis aufstellte. § 8 StVZO regelte bei Inkrafttreten des § 2 Abs. 6 StVG und der "Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Straßenverkehr" vom 13.11.1937 (RGBl. I S. 1215), dass dem Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis u. a. ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt beizufügen war.

Knüpfen die Erwartungen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers in § 2 Abs. 6 StVG bzw. § 21 FeV an den Identitätsnachweis des Fahrerlaubnisbewerbers an, um die Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers zu prüfen, sind die an den von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV geforderten Nachweis zu stellenden Anforderungen nicht zu überziehen. Ein "amtlicher" Nachweis ist ein von einem (auch ausländischen) Träger öffentlicher Gewalt ausgestelltes Dokument (vgl. VGH München, Beschluss vom 05.11.2009 - 11 C 08.3165 -, juris). Der Nachweis "über Ort und Tag der Geburt" ist primär mit einer Geburtsurkunde oder einer beglaubigten Abschrift aus dem Familienstammbuch zu führen, worüber die Klägerin nicht verfügt. Denkbar ist es auch, da eine Geburtsurkunde nur "auf Verlangen" vorzulegen ist (§ 21 Abs. 1 Satz 3 FeV), dass z.B. ein Personalausweis oder Reisepass ausreichen (vgl. Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. 2004, § 21 FeV, Anm. 9; VG Arnsberg, Urteil vom 30.10.2008 - 6 K 159/08 -, juris). "Nachweis" vermag ein solches Dokument nur formell i. S. d. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zu erbringen. So ist es der Fahrerlaubnisbehörde z.B. nicht verwehrt, den durch § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV vorgeschriebenen Nachweis dann als nicht geführt anzusehen, wenn ihr ein - auch unbezweifelbar echter - ausländischer Ausweis vorgelegt wird, der eindeutig für den Fahrerlaubnisbewerber ausgestellt wurde, wenn dieser nach seinem äußeren Erscheinungsbild keinesfalls so alt sein kann, wie sich das aus dem im Pass eingetragenen Geburtsdatum ergibt. In Fällen, in denen der Rechtsanwender nicht durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung gehalten ist, einen Sachverhalt unter bestimmten Voraussetzungen als erwiesen anzusehen, ist deshalb auch im Rahmen des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zwischen der formellen Erfüllung des Nachweiserfordernisses und der Frage der materiellen Beweiskraft der vorgelegten Dokumente zu unterscheiden. Diese hängt zum einen von der Echtheit der Urkunde, d.h. davon ab, ob sie von der Person herrührt, die nach außen hin als ihr Urheber in Erscheinung tritt; zum anderen kommt es auf die inhaltliche Verlässlichkeit der in dem Schriftstück enthaltenen Erklärungen an (VGH München, Beschluss vom 05.11.2009, a. a. O.).

Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin mit der Duldungsbescheinigung zwar einen "amtlichen Nachweis" vorlegen, der jedoch weder strengen Beweis über Tag und Ort der Geburt erbringen noch, da die Angaben zur Person auf eigenen Erklärungen beruhen, mit absoluter Zuverlässigkeit ihre Personalien mitteilen kann.

Die Kammer folgt nicht der Rechtsprechung, dass allein aus diesen Gründen bereits eine Duldungsbescheinigung, die nicht als Ausweisersatz bezeichnet ist, nicht die Angaben über die Person i. S. v. § 2 Abs. 6 StVG bzw. § 21 FeV geben kann, weil ihr Erklärungsinhalt darauf beschränkt ist, dass die Abschiebung des Ausländers nach § 60a Abs. 4 AufenthG zeitweise ausgesetzt ist und der Ausländer deshalb nach § 48 Abs. 2 AufenthG nicht der ausländerrechtlichen Ausweispflicht genügt (vgl. VG Trier, Urteil vom 24.10.2002 - 2 K 397/02 -, http://www.fahrerlaubnisrecht.de; VG Berlin, Urteil vom 08.06.2007, a. a. O.; VG Dessau, Beschluss vom 01.03.2005, a. a. O.; VG Stade, Beschluss vom 29.07.2004 - 1 B 1167/04; VG Neustadt/Weinstraße, Beschluss vom 22.08.2011 - 3 K 613/11.NW, 3 K 613/11 -, Beck-Online). Denn die Eignung einer Duldungsbescheinigung zum hier zu führenden Identitätsnachweis kann sich nicht allein an formellen Kriterien orientieren, sondern muss am Sinn von § 2 Abs. 6 StVG und § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV geprüft werden (vgl. VG Weimar, Beschluss vom 15.03.2007, a. a. O.; VG München, Beschluss vom 03.01.2002 - M 6a E 01.5647 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 22.08.2007, a. a. O.; vom 22.06.2011, a. a. O.). Im Verfahren auf Erteilung einer Fahrerlaubnis steht - wie ausgeführt - die Eignungsprüfung im Vordergrund, während in anderen Verwaltungsverfahren entsprechend den dortigen gesetzlichen Zielen weitergehende Anforderungen an den Identitätsnachweis zu stellen sind. So erfordert eine verlässliche Prüfung wesentlicher Einbürgerungsvoraussetzungen mehr Klarheit über die Identität des Einbürgerungsbewerbers, als sie ein Reiseausweis für Flüchtlinge mit dem Vermerk "Identität nicht nachgewiesen" erbringen kann (BVerwG, Entscheidung vom 01.09.2011 - 5 C 27.10 -, bisher nur Pressemitteilung in juris; vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 10.09.2008 - 13 LB 207/07 -, DVBl 2008, 1457). § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG rechtfertigt die nähere Klärung der Identität des Ausländers, "soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist".

Der Duldungsbescheinigung der Klägerin, mit der sie nicht ihrer Ausweispflicht genügt, haften Ungewissheiten an. Gleichwohl ist die Bescheinigung für die Nachweisführung als ausreichend anzusehen. § 2 Abs. 6 StVG und § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV verfolgen zwei Zielsetzungen. Zum einen sollen sie gewährleisten, dass zuverlässig festgestellt wird, ob der Bewerber das für die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis erforderliche Mindestalter (z.B. nach § 10 Abs. 1 und 2, § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV) erreicht hat (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 273 zu § 22 Abs. 4), und ob die Fahrerlaubnis ggf. aus Altersgründen (vgl. z.B. § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FeV) befristet oder ihre Verlängerung (z.B. nach § 24 Abs. 1 Satz 3 FeV) von der Erfüllung besonderer Voraussetzungen abhängig gemacht werden muss. Zum anderen soll die Erfüllung der Verpflichtung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV die Behörde in die Lage versetzen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis entscheidungserheblichen Informationen zutreffend und vollständig zu ermitteln. Die Beibringung von Unterlagen, aus denen sich die Identität des Bewerbers ergibt, soll verhindern, dass die Fahrerlaubnis einer Person erteilt wird, die bereits eine solche Berechtigung besitzt, sie besessen hat oder deren Fahreignung Bedenken begegnet (so schon VGH München, Beschluss vom 05.11.2009, a. a. O.). Diese Ziele wären nicht zu erreichen, wenn das fahrerlaubnisrechtliche Erteilungsverfahren unter anderen Personalien als denjenigen betrieben werden kann, unter denen der Bewerber sonst im Bundesgebiet lebt oder gelebt hat. Neben dem Namen des Betroffenen stellen sein Geburtstag und sein Geburtsort die wichtigsten Personenordnungsmerkmale dar. Nur wenn sie zuverlässig feststehen, ist ausreichend sichergestellt, dass sich auf den Betroffenen beziehende Eintragungen in behördlichen Akten und Datenbanken, deren Inhalt im jeweiligen Zusammenhang entscheidungserheblich ist (wie das Bundeszentral- und Verkehrszentralregister, die örtlichen und das Zentrale Fahrerlaubnisregister), aufgefunden werden können.

An dem von der Klägerin angegebenen Geburtsjahr hat auch die Beklagte keine Zweifel, so dass gesichert ist, dass die Klägerin das Mindestalter von 18 Jahren nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeV erreicht hat. Dies folgt nicht nur aus ihrem äußeren Erscheinungsbild, sondern auch daraus, dass die Klägerin, wie sie sich in dem Fahrerlaubnisantrag bezeichnet, zweifelsfrei mit derjenigen Person identisch ist, die 1998 unter den in der Duldungsbescheinigung angegebenen Daten in das Bundesgebiet einreiste und 1999 altersgerecht eingeschult wurde. Wäre die Klägerin 1999 erheblich jünger gewesen, wäre dieser Reiferückstand nach ihrer Einschulung im Unterricht aufgefallen.

Die übrigen, für die Fahrerlaubniserteilung bedeutsamen Gesichtspunkte kann die Beklagte anhand der Duldungsbescheinigung der Klägerin prüfen. Danach kann zuverlässig ausgeschlossen werden, dass die Klägerin eine Fahrerlaubnis bereits besitzt, besessen hat oder ihrer Fahreignung Bedenken begegnen, denn die Klägerin ist seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet nur unter der in der Duldungsbescheinigung ausgewiesenen Identität aufgetreten. Es ist ausgeschlossen, dass die Klägerin das fahrerlaubnisrechtliche Erteilungsverfahren unter anderen Personalien als denjenigen betreibt, unter denen sie sonst im Bundesgebiet lebt oder gelebt hat. Bis zu ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 1998 als Vorschulkind können von der Klägerin keine die Fahrerlaubniserteilung hindernde Fakten geschaffen worden sein. Damit steht fest, dass sich auf die Klägerin beziehende Eintragungen in behördlichen Akten und Datenbanken oder fahrerlaubnisrechtlich relevante Informationen (z.B. über begangene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, über frühere fahrerlaubnisrechtliche Entscheidungen etc.) schon bekannt geworden wären oder noch bekannt werden können. Die Fahrerlaubnisbehörde hat nach Vorlage der Duldungsbescheinigung ohne weiteres die Möglichkeit zur Prüfung, ob die Prüfungsbewerberin mit der Ausweisinhaberin identisch ist. Danach kann die Klägerin an der Prüfung teilnehmen, ohne dass ersichtlich wäre, dass dadurch ein besonderes Risiko im Sinne des Straßenverkehrsrechts begründet würde.

Die Klägerin hat nach Aktenlage Schwierigkeiten, Identitätspapiere aus ihrem Heimatland zu beschaffen. Aber selbst wenn sie eine auf ihre Personalien lautende russische, aserbaidschanische und/oder armenische Geburtsurkunde oder ein anderes ihre Person betreffendes Dokument vorlegen könnte, würde dies im Ergebnis den von § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV verfolgten Zielen nicht besser Rechnung tragen.

(2.) Die von der Klägerin erstrebte Verpflichtung der Beklagten scheitert auch nicht daran, dass ihre Duldungsbescheinigung nicht ausreicht, um den gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV im Verfahren vor der Technischen Prüfstelle erforderlichen Identitätsnachweis zu führen.

Die Klägerin kann den vor der theoretischen und der praktischen Fahrerlaubnisprüfung zu erbringenden Identitätsnachweis mit Hilfe ihrer Duldungsbescheinigung führen. Nach § 17 Abs. 5 FeV hat sich der Sachverständige oder Prüfer vor der Prüfung durch Einsicht in den Personalausweis oder Reisepass von der Identität des Bewerbers zu überzeugen. Fehlt es nach seiner Überzeugung an der Identität, darf die Prüfung nicht durchgeführt werden (§ 16 Abs. 3 Satz 3 FeV). Bei Zweifeln an der Identität kann der Sachverständige oder Prüfer die Prüfung durchführen, hat aber der Fahrerlaubnisbehörde eine Mitteilung zu machen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 FeV).

Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es sicherzustellen, dass der Fahrerlaubnisbewerber die Prüfung selbst ablegt. Dies ergibt sich sowohl aus der Begründung zu der insoweit wortidentischen Bestimmung von § 16 Abs. 3 FeV, als auch aus der Begründung zu Abs. 5 des § 17 FeV (vgl. VG München, Beschluss vom 03.01.2002 - M 6a E 01.5647, M 6a E 01.6242-, juris), denn der Sachverständige oder Prüfer wird ausdrücklich verpflichtet, sich vor der Prüfung von der Identität des Bewerbers zu überzeugen, um Täuschungsversuche zu verhindern (BR-Drucksache 443/98, S. 265 zu § 16 Abs. 3). Demselben Ziel dient laut Begründung § 17 Abs. 5 FeV: "Abs. 5 übernimmt weitere Bestimmungen aus § 11 Abs. 1 und 2 StVZO. Wie bei der theoretischen Prüfung wird auch der Sachverständige oder Prüfer verpflichtet, sich vor der Prüfung von der Identität des Bewerbers zu überzeugen, um Täuschungsversuche zu verhindern" (BR-Drucksache 443/98, S. 269 zu § 17 Abs. 5).

Angesichts dieser Zweckbestimmungen ist der amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer nach § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV verpflichtet, sich „von der Identität des Bewerbers“ – d.h. von der Personenidentität des Fahrerlaubnisbewerbers mit der die Prüfung ablegenden Person - zu überzeugen. Der Regelung, dass die Personenidentität durch Einsicht in den Personalausweis oder Reisepass des Fahrerlaubnisbewerbers zu prüfen ist, kommt kein eigenständiger Regelungsinhalt zu. Vielmehr werden Personalausweis und Reisepass nur deshalb genannt, weil dies die üblichen Identitätspapiere sind. Die Einsicht in Reisepass oder Personalausweis (bzw. ihnen gleichstehende Dokumente) vor Prüfungsbeginn soll nur sicher stellen, dass die zur Prüfung erschienene Person mit derjenigen identisch ist, auf die bezogen die Fahrerlaubnisbehörde durch den Prüfauftrag und die Übersendung des vorbereiteten Führerscheins zum Ausdruck gebracht hat, dass der Erteilung einer Fahrerlaubnis an sie - abgesehen von dem noch ausstehenden Nachweis der theoretischen und praktischen Befähigung - keine Versagungsgründe entgegenstehen. Die Feststellung, ob der erschienene Kandidat mit der im Prüfauftrag und im vorbereiteten Führerschein bezeichneten Person identisch ist, kann der amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer anhand einer Duldungsbescheinigung mit Lichtbild ebenso zuverlässig vornehmen wie anhand eines Personalausweises oder eines (ggf. ausländischen) Reisepasses (vgl. für Reiseausweise mit dem Vermerk, dass die Angaben auf eigenen Angaben beruhten: VGH München, Beschluss vom 05.11.2009, a. a. O.; VG Stade, Beschlüsse vom 24.3.2003 - 1 B 149/03 - juris und vom 29.7.2004 - 1 B 1167 -, juris; VG Schleswig, Urteil vom 17.04.2007, a. a. O.). Eine über die Einsicht in die Duldungsbescheinigung hinaus reichende Identitätsprüfung ist nicht nötig (vgl. VG Weimar, Beschluss vom 15.03.2007, a. a. O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.08.2007, a. a. O.). Die Klägerin kann bei dem die Prüfung abnehmenden Sachverständigen bzw. Prüfer mittels der mit einem Lichtbild versehenen Duldungsbescheinigung nachweisen, dass sie die Fahrerlaubnisbewerberin ist, die von der Fahrschule auf die Prüfung vorbereitet worden ist und die Prüfung ablegen möchte.

Ob die Klägerin den nach § 2 Abs. 6 StVG, § 21 Abs. 3 Nr. 1 FeV bzw. § 16 Abs. 3 Satz 3 FeV, § 17 Abs. 5 FeV erforderlichen Identitätsnachweis geführt hat, beurteilt das Gericht nicht anhand der Vorgaben des Runderlasses des für Verkehr zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13.08.2004. Das Gericht ist an die Verwaltungsvorschrift nicht gebunden. Im Übrigen hat das Ministerium die Frage, ob die Erlassregelung, dass den Anforderungen des § 21 Abs. 3 Nr. 1 FeV (und auch § 16 Abs. 3 Satz 3 FeV und § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV) eine "Duldung als Ausweisersatz nach § 39 Abs. 1 AuslG (entspricht ab 01.01.2005 dem § 48 Abs. 2 AufenthG)" genügt, so zu verstehen ist, dass Duldungen, die nicht als Ausweisersatz gekennzeichnet sind, nicht genügen sollen, durch den (nach der Verhandlung ergangenen) Erlass vom 16.09.2011 im Sinne der gerichtlichen Entscheidung geklärt..

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Das Gericht lässt die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die Frage, ob eine Duldungsbescheinigung, die zwar ein Lichtbild trägt, aber ausdrücklich keinen Ausweisersatz darstellt, zum Nachweis der Identität i. S. v. § 2 Abs. 6 StVG, § 21 Abs. 3 Nr. 1 FeV bzw. § 16 Abs. 3 Satz 3 FeV, § 17 Abs. 5 FeV geeignet ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet und ist (höchstrichterlich) noch nicht geklärt.