Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.09.2011, Az.: 12 A 3847/10
Einvernehmen; Einvernehmensfiktion; Frist; Gemeinde; Planungshoheit; Präklusion; Unterbrechung; Zurückstellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.09.2011
- Aktenzeichen
- 12 A 3847/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45282
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs 3 BauGB
- § 36 BauGB
- § 10 Abs 6a BlmSchG
- § 20 Abs 1 S 1 BlmSchV 9
- Art 28 Abs 2 GG
- § 249 Abs 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Zurückstellung eines Baugesuchs gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB unterbricht den Lauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB mit der Folge, dass nach dem Ende der Zurückstellung eine neue Frist von zwei Monaten zu laufen beginnt.
2. Es bedarf nach dem Ende der Zurückstellung keines neuen Einvernehmensersuchens, um die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB erneut in Lauf zu setzen.
3. Ist die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB eingetreten, ist die Gemeinde im Anfechtungsprozess gegen die Genehmigung gehindert, diejenigen Einwände geltend zu machen, die bereits zum Zeitpunkt des Eintritts der Einvernehmensfiktion eine Versagung des Einvernehmens ermöglicht hätten (Anschluss an OVG Münster, Beschl. v. 21.12.2010 - 8 B 1426/10, juris).
4. Die Genehmigungsbehörde ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV auch vor dem Hintergrund des Art. 28 Abs. 2 GG weder berechtigt noch verpflichtet, die Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens über die in §§ 14, 15 BauGB vorgesehenen Möglichkeiten hinaus hinauszuzögern, um der planenden Gemeinde Gelegenheit zu geben, entgegenstehendes Planungsrecht in Kraft zu setzen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage.
Unter dem 27.11.2008 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Austauschs ("Repowering") einer vorhandenen Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-40 gegen eine neue Anlage vom Typ ENERCON E-82 mit einer Nennleistung von 2.000 kW auf dem Flurstück 8/2, Flur 14, Gemarkung E. (I.). Die geplante Anlage soll eine Nabenhöhe von 98,38 m, eine Gesamthöhe von 139,38 m sowie einen Rotordurchmesser von 82 m aufweisen. Der Anlagenstandort liegt außerhalb der Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen, die die Klägerin in ihrem Flächennutzungsplan in der Fassung der seit dem 23.04.2010 wirksamen 67/16. Änderung dargestellt hat.
Mit Schreiben vom 03.12.2008, der Klägerin zugegangen am 10.12.2008, übersandte der Beklagte der Klägerin eine Ausfertigung des Antrags zur Stellungnahme und Erteilung des Einvernehmens gemäß § 36 BauGB.
Mit Schreiben vom 27.01.2009 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Zurückstellung des Baugesuchs der Beigeladenen für ein Jahr gemäß § 15 Abs. 3 BauGB im Hinblick auf die seit dem Aufstellungsbeschluss vom 06.03.2008 in Aufstellung befindliche 67/16. Änderung ihres Flächennutzungsplans mit einer geplanten Konzentrationsfläche für die Windenergienutzung. Diesem Antrag kam der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2009, der Beigeladenen zugestellt am 10.02.2009, insoweit nach, als er die Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum 10.02.2010 aussetzte.
In der Zwischenzeit verfolgte die Klägerin die Änderung ihres Flächennutzungsplans zwecks Ausweisung einer Konzentrationsfläche im Bereich F.. Die öffentliche Auslegung des Planentwurfs fand vom 15.10.2009 bis zum 20.11.2009 statt. Mit Schreiben vom 06.10.2009 beteiligte die Klägerin die Träger öffentlicher Belange. In seiner Sitzung vom 10.12.2009 beschloss der Rat der Klägerin über die eingegangenen Einwendungen sowie über die Gesamtabwägung. Über weitere außerhalb der gesetzten Frist eingegangene Einwendungen sowie eine angeforderte Stellungnahme der Firma G. zu einer möglichen Beeinflussung der Radaranlage H. beschloss der Rat im Rahmen einer ergänzenden Abwägung am 11.03.2010. Zugleich beschloss er an diesem Tag die 67/16. Änderung des Flächennutzungsplans. Am 13.04.2010 genehmigte der Beklagte die Änderung des Flächennutzungsplans; am 23.04.2010 trat die Änderung mit der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.
Bereits unter dem 22.04.2010, der Klägerin zugegangen am 27.04.2010, erteilte der Beklagte der Beigeladenen den beantragten Vorbescheid. Zur Begründung führte der Beklagte aus, das Schreiben vom 03.12.2008 habe die Zwei-Monats-Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB in Lauf gesetzt. Fristablauf sei am 10.02.2009 gewesen. Aufgrund der Zurückstellung des Baugesuchs mit Bescheid vom 05.02.2009 sei die Frist unterbrochen worden, sodass sie erst am 18.02.2010 abgelaufen sei. Damit sei am 19.02.2010 die Einvernehmensfiktion eingetreten, weil die Klägerin bis dahin keine Stellungnahme abgegeben habe.
Unter dem 29.04.2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Vorbescheid ein. Der Beklagte habe die Klägerin erneut beteiligen und ihr dazu eine neue Frist von zwei Monaten einräumen müssen. Jedenfalls habe der Beklagte am 22.04.2010 keinen Vorbescheid erteilen dürfen, der die - wie dem Beklagten bekannt gewesen sei - am 23.04.2010 in Kraft getretene Änderung des Flächennutzungsplans missachtete.
Mit Telefaxschreiben vom 11.05.2010 versagte die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen im Hinblick auf die 67/16. Änderung ihres Flächennutzungsplans. Zur Begründung führte sie aus, dass die geplante Anlage außerhalb der darin ausgewiesenen Konzentrationsfläche liege und deshalb planungsrechtlich unzulässig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2010, der Klägerin zugestellt am 09.08.2010, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Einer erneuten Beteiligung der Klägerin habe es nicht bedurft. Die Zurückstellung habe lediglich zur Folge, dass der Verfahrensablauf gehemmt und alle verfahrensrelevanten Fristen eingefroren gewesen seien. Die am 23.04.2010 in Kraft getretene Änderung des Flächennutzungsplans habe der Beklagte nicht berücksichtigen können.
Die Klägerin hat am 06.09.2010 Klage erhoben. Die Klage sei zulässig und die von dem Beklagten getroffene Entscheidung rechtswidrig, weil die Einvernehmensfiktion nicht eingetreten und überdies die Pflicht zum gemeindefreundlichen Verhalten verletzt sei. Sie sei jedenfalls nicht gehindert, weiterhin eine Verletzung ihrer Planungshoheit geltend zu machen. Die Zurückstellung der Entscheidung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB führe dazu, dass nach Ablauf der Zurückstellungsfrist alle Fristen neu zu laufen begännen. Die Aussetzung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB habe insofern die gleiche Wirkung wie die Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 249 Abs. 1 ZPO. Die Aussetzung unterbreche nicht nur die planungsrechtliche Frist für die Erteilung des Einvernehmens, sondern auch die Bearbeitungsfrist nach § 10 Abs. 6a und Abs. 9 BImSchG. Die Entscheidungsfindung des Beklagten habe deshalb nach Ablauf der Zurückstellung gänzlich von neuem beginnen müssen. Dafür hätten drei Monate zur Verfügung gestanden, innerhalb derer er sie - die Klägerin - erneut um die Erteilung des Einvernehmens habe ersuchen müssen. Erst ein erneutes Ersuchen hätte die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB in Lauf gesetzt. Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB bewirke eine materielle Präklusion, was ein striktes Verfahren mit verlässlich erkennbaren Fristläufen voraussetze. Ohnehin sei der innerhalb der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gestellte Antrag auf Zurückstellung als konkludente Versagung des Einvernehmens auszulegen. Sei die Genehmigung daher ohne das erforderliche Einvernehmen erteilt worden, sei sie rechtswidrig und schon deshalb aufzuheben. Selbst wenn man dem aber nicht folgen sollte, sei der Vorbescheid rechtswidrig, weil ihn der Beklagte nicht am 22.04.2010 in Kenntnis des am nächsten Tag erfolgenden Inkrafttretens der Änderung des Flächennutzungsplans habe erteilen dürfen. Das gelte insbesondere aufgrund der vorherigen Mitteilung des Beklagten, dass die Frist zur Versagung des Einvernehmens erst nach dem 23.04.2010 ablaufe. Ein solches Verhalten verletze das aus Art. 28 Abs. 2 GG folgende Gebot des gemeindefreundlichen Verhaltens und verstoße gegen Treu und Glauben. Der vor dem Inkrafttreten stehende Flächennutzungsplan sei eine Rechtstatsache, die die Genehmigungsbehörde nicht einfach beiseite schieben könne. Eine Verzögerung der Entscheidung um einen Tag hätte keine Amtspflichtverletzung zur Folge gehabt. Bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans mit Konzentrationswirkung handele es sich um ein komplexes Vorhaben, das innerhalb von zwölf Monaten kaum zu bewältigen sei. Deshalb sei es falsch zu behaupten, der Gesetzgeber habe den Gemeinden mit dieser kurzen Zurückstellungsfrist zumuten wollen, ihre Planung auf Biegen und Brechen innerhalb eines Jahres abzuschließen und zur Rechtswirksamkeit zu bringen. Die Sache sei auch nicht entscheidungsreif gewesen. Weder die naturschutzrechtlichen Fragen noch die Frage einer Beeinträchtigung der Radaranlage H. seien geklärt gewesen. Der Beklagte habe auch die Vorwirkung des planreifen Entwurfs des Flächennutzungsplans beachten müssen, auf die sie sich erst mit dessen Genehmigung durch den Beklagten am 13.04.2010 habe berufen können. Dieser stelle einen entgegenstehenden öffentlichen Belang dar und begründe zumindest im Innenverhältnis zwischen ihr und dem Beklagten das Verbot, einen positiven Bescheid zu erlassen. Sie habe die Veröffentlichung des Flächennutzungsplans nicht verzögert. Es sei auf Anweisung des Beklagten eine Überarbeitung der Ausfertigung der Planurkunde erforderlich gewesen, die einige Tage in Anspruch genommen habe. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, ihr Einvernehmen bereits vor dem Inkrafttreten des Flächennutzungsplans rechtmäßig zu versagen. Die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB setze erst mit dem Inkrafttreten ein. Sie habe angesichts des Verhaltens des Beklagten auch keine Veranlassung gesehen, das Einvernehmen vor dem Inkrafttreten zu verweigern.
Die Klägerin beantragt,
den Vorbescheid vom 22.04.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 04.08.2010 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Zustellung der Entscheidung nach § 15 Abs. 3 BauGB an die Beigeladene habe nur zu einer Hemmung und nicht zum Neubeginn der verfahrensrechtlichen Fristen geführt. Überdies stelle sich die Frage, ob der Fristlauf gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB von der Zurückstellung des Baugesuchs überhaupt betroffen sei. Erst recht sei nicht ersichtlich, dass nach Ablauf der Zurückstellung eine erneute Anfrage bei der Klägerin erforderlich gewesen sei. Dies sei mit dem Beschleunigungsgedanken nicht zu vereinbaren. Spätestens nach dem Ratsbeschluss habe die Klägerin die Gelegenheit gehabt, ihr Einvernehmen zu versagen. Es sei auch nicht verständlich, warum die Klägerin nach der Genehmigung des Flächennutzungsplans am 13.04.2010 anderthalb Wochen zugewartet habe, bis die Veröffentlichung erfolgt sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Entscheidung am 22.04.2010 nicht überhastet erfolgt, sondern aufgrund der Entscheidungsreife des Antrags geboten gewesen. Sonstiges Planungsrecht habe der Erteilung des Vorbescheids nicht entgegen gestanden. Der Flächennutzungsplan der Klägerin habe noch keine Wirkungen entfaltet, auch nicht gegenüber dem Beklagten "nach innen". Eine rechtliche Grundlage für diese Auffassung der Klägerin fehle. Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens sei aufgrund der Rechtspflicht, den Vorbescheid zu erteilen, nicht verletzt.
Die Beigeladene trägt darüber hinaus vor, die Klage sei bereits unzulässig. Aufgrund der Einvernehmensfiktion fehle ihr ein Klagerecht gegen die Genehmigung für das entsprechende Vorhaben. Die Einvernehmensfiktion sei am 10.02.2009 oder zumindest am 11.02.2010 eingetreten. Die Aussetzung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB wirke sich auf die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht aus. Die Auffassung der Klägerin, nach dem Ablauf einer Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB sei das Einvernehmen erneut einzuholen, könne nicht richtig sein, weil sich dies auch auf Fälle des bereits erteilten Einvernehmens bzw. der bereits eingetretenen Einvernehmensfiktion erstrecken müsste. § 15 Abs. 3 BauGB und § 36 Abs. 2 BauGB seien voneinander unabhängig. § 15 Abs. 3 BauGB sichere nicht etwa § 36 BauGB verfahrensrechtlich ab, sondern gebe der Gemeinde unabhängig von § 36 BauGB die Möglichkeit, neues Planungsrecht zu schaffen. Es handele sich um eine reine Verfahrensvorschrift, die die Pflicht der Gemeinde, einem rechtmäßigen Vorhaben das Einvernehmen zu erteilen, nicht berühre. Das Genehmigungsverfahren beginne nicht von neuem, sondern werde von dem Stand an weitergeführt, den es vor der Zurückstellung gehabt habe. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass die Zurückstellung Auswirkungen auf die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB habe, sei allenfalls von einer - § 209 BGB entsprechenden - Ablaufhemmung auszugehen. Der Antrag der Klägerin auf Zurückstellung des Baugesuchs sei nicht als konkludente Versagung des Einvernehmens zu verstehen. Gehe man gleichwohl davon aus, habe der Beklagte das dann rechtswidrig versagte Einvernehmen mit dem Vorbescheid vom 22.04.2010 konkludent ersetzt. In der Sache sei der Vorbescheid im maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig ergangen. Der planreife Entwurf des Flächennutzungsplanes entfalte keine Vorwirkung als unbenannter öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht diese Frage zuletzt offen gelassen. Das Baugesetzbuch messe einem in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplan jedoch - anders als § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG für in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung - keine rechtliche Wirkung bei. Der Gesetzgeber habe sich mit § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB dafür entschieden, der Gemeinde bis zu einem Jahr Zeit zu geben, um einen neuen Flächennutzungsplan in Kraft zu setzen. Diese Frist werde durch eine rechtliche Wirkung des in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplans unzulässig verlängert. Abzulehnen sei auch die Annahme einer Vorwirkung lediglich nach innen gegenüber der Genehmigungsbehörde. Schließlich stehe weder Natur- und Artenschutzrecht noch die Funktionsfähigkeit der Radaranlage H. dem Vorbescheid entgegen. Gegebenenfalls seien im Genehmigungsverfahren Auflagen zu formulieren. Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens sei nicht verletzt. Der Antrag der Beigeladenen sei entscheidungsreif gewesen, sodass eine Genehmigungspflicht bestanden habe. § 10 Abs. 6a BImSchG setze nur eine Höchstdauer für die Bearbeitung fest, weiche aber nicht von dem Grundsatz ab, dass ein Antrag nach Eintreten der Entscheidungsreife zu bescheiden sei. Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens reiche jedenfalls nicht soweit, dass er von dem Beklagten ein rechtswidriges und amtshaftungsbegründendes Verhalten verlange. Schließlich sei für den Fall, dass das Einvernehmen entgegen der obigen Ausführungen fristgerecht versagt worden sei, von der Rechtswidrigkeit der Versagung auszugehen. Die 67/16. Änderung sei aus den Gründen eines Normenkontrollantrags vom 21.04.2011 unwirksam. Die Klägerin, die es trotz Ausschöpfung der Möglichkeit einer Neuplanung unter Zuhilfenahme der Plansicherungsinstrumente nicht geschafft habe, einen wirksamen Flächennutzungsplan aufzustellen, sei im Anfechtungsprozess nicht schutzwürdig.
Wegen des weiteren Sachverhalts - insbesondere der mit dem Normenkontrollantrag vom 21.04.2011 vorgetragenen Einwände gegen die Änderung des Flächennutzungsplans - wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere macht die Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO in ausreichender Weise geltend, in ihren Rechten verletzt zu sein. Die Klägerin als Gemeinde beruft sich unter anderem auf eine mögliche Verletzung der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG und der daraus folgenden gemeindlichen Planungshoheit. Es erscheint nicht schlechthin und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass der Beklagte diese Garantie verletzt hat, indem er den angefochtenen Vorbescheid einen Tag vor dem Inkrafttreten einer - dem Vorhaben der Beigeladenen entgegenstehenden - Änderung des Flächennutzungsplans in Kenntnis dieses Umstands erteilt hat.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid vom 22.04.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 04.08.2010 verletzen keine Rechtsvorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind.
Der Vorbescheid ist zunächst nicht deshalb rechtswidrig, weil - wie die Klägerin meint - das gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB erforderliche Einvernehmen bei dessen Erteilung nicht vorgelegen hat.
Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den vorbezeichneten Vorschriften entschieden wird. Das danach für die Erteilung des immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids gemäß § 9 BImSchG, der sich auf die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage im Gemeindegebiet der Klägerin bezieht (vgl. § 13 BImSchG), erforderliche Einvernehmen liegt in diesem Fall vor. Der Beklagte ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass bei Erteilung des Vorbescheids am 22.04.2010 die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB eingetreten war.
Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt das Einvernehmen der Gemeinde als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird. Die Zwei-Monats-Frist begann folglich mit dem Eingang des entsprechenden Ersuchens bei der Klägerin am 10.12.2008. Der dadurch in Gang gesetzte Lauf der Frist wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass der Beklagte die Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen auf Erteilung des Vorbescheids gemäß § 15 Abs. 3 BauGB mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2009 bis zum 10.02.2010 ausgesetzt hat. Die Aussetzung hatte nach Auffassung der Kammer die in § 249 Abs. 1 ZPO bezeichneten Rechtswirkungen zur Folge (vgl. zur Begründung ausführlich VG Hannover, Urt. v. 22.09.2011 - 12 A 3846/10, juris). Der Lauf aller Fristen - auch der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB - hörte auf und begann mit Beendigung der Aussetzung von neuem. Mit Ablauf des 10.02.2010 begann demnach eine neue Zwei-Monats-Frist, die am Montag, dem 12.04.2010, abgelaufen ist (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V. mit § 31 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 VwVfG und § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihr Einvernehmen nicht verweigert, sodass die Einvernehmensfiktion eingetreten ist. Dass die Klägerin ihr Einvernehmen nach Eintritt der Fiktion mit Schreiben vom 11.05.2010 versagt hat, ist rechtlich ohne Belang.
Soweit die Klägerin einwendet, sie habe ihr Einvernehmen konkludent bereits mit dem Antrag auf Zurückstellung des Baugesuchs vom 27.01.2009 versagt, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Schon der Wortlaut des Antrags enthält für eine derartige Auslegung nicht den geringsten Anhaltspunkt, sondern weist auf die beabsichtigte Neuschaffung entgegenstehenden Planungsrechts hin. Das Einvernehmen darf gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB aber nur aus Gründen des geltenden Planungsrechts versagt werden. Derartige Gründe lagen nach der in dem Schreiben zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung der Klägerin (noch) nicht vor. Allein das unzweifelhafte Interesse der Klägerin an einer Verhinderung des Vorhabens der Beigeladenen rechtfertigt hingegen nicht die Annahme, dass sie mit dem Antrag auf Zurückstellung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB zugleich und ohne Rücksicht auf das Vorliegen der hierfür erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB auch ihr gemeindliches Einvernehmen versagen wollte, zumal die Gemeinde zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen musste, dass sie für einen durch eine rechtswidrige Versagung des Einvernehmens entstehenden Schaden nach Amtshaftungsgrundsätzen (Art. 34 GG, § 839 BGB) einstehen müsste (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 21.12.2010 - 8 B 1426/10, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.11.2008 - 11 S 10/08, juris).
Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Klägerin, die Aussetzung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB habe zur Folge, dass sich das Einvernehmensersuchen vom 03.12.2010 erledigt habe und der Beklagte die Klägerin erneut um das Einvernehmen habe ersuchen müssen (so aber Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, § 15, Rn. 9 und 50 <Stand der Bearbeitung: Januar 2011>). Für diese Auffassung fehlt ein tragfähiger Grund. Die Aussetzung des Verfahrens hat vielmehr - was die Klägerin im Grundsatz nicht in Abrede stellt - die in § 249 Abs. 1 ZPO bezeichneten Wirkungen: Die Aussetzung des Verfahrens führt dazu, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. Das impliziert, dass vor der Aussetzung vorgenommene Handlungen, die den Lauf einer Frist auslösen, wirksam bleiben und es einer Wiederholung dieser Handlungen nicht bedarf. Eben dies folgt auch im Umkehrschluss aus § 249 Abs. 2 ZPO, der bestimmt, dass (nur) die während der Unterbrechung oder Aussetzung vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung sind.
Für eine Auslegung des Begriffs der Aussetzung in Anlehnung an § 249 Abs. 1 ZPO spricht aus Sicht der Kammer zunächst, dass bereits das Bundesbaugesetz von 1960 in § 15 BBauG eine Regelung zur Aussetzung des Verfahrens kannte. Die Gesetzesbegründung (zu § 19 BBauG-E, BT-Drs. 3/336, S. 67) trifft zur Bedeutung des Begriffs keinerlei Aussage. In der Gesetzesbegründung wird lediglich der Begriff der Aussetzung wiederholt, sodass dem Gesetzgeber der rechtliche Gehalt offenbar als selbstverständlich vor Augen stand. Die Kammer hält es - ebenso wie im Grundsatz wohl auch die Klägerin - für naheliegend, diesen Gehalt entsprechend der zu diesem Zeitpunkt schon bestehenden Regelung des § 249 Abs. 1 ZPO zu bestimmen. Eine andere Bestimmung der rechtlichen Wirkungen einer Aussetzung eines Verfahrens ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht ist die Aussetzung des Verfahrens zwar ungeregelt, die Möglichkeit einer solchen Aussetzung ist jedoch - soweit ersichtlich - allgemein anerkannt (vgl. VGH München, Beschl. v. 31.01.1997 - 5 CE 96.3769, BayVBl. 1998, 185). Die Wirkungen der Aussetzung werden in der Literatur - soweit sie sich dazu verhält - einhellig dahingehend bestimmt, dass die Aussetzung entsprechend § 249 Abs. 1 ZPO zu einer Unterbrechung aller laufenden Fristen und deren Neubeginn nach Wiederaufnahme des Verfahrens führt (vgl. Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2010, § 13, Rn. 48; Riedl, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 9, Rn. 66; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, Verwaltungsrecht, 2006, § 9 VwVfG, Rn. 22, m.w.N.). Dem schließt sich die Kammer an, denn ein im Verwaltungsverfahrensrecht verwendeter Rechtsbegriff hat im Regelfall keinen anderen Inhalt als ein wortgleicher Rechtsbegriff des Prozessrechts (vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1, Rn. 59). Dabei handelt es sich nicht etwa um eine analoge Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsverfahren. Es geht lediglich darum, dass gleichlautende Rechtsbegriffe des Verwaltungsverfahrens- und des Prozessrechts im Regelfall den gleichen Regelungsgehalt aufweisen. Ist demnach für das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht davon auszugehen, dass eine Aussetzung des Verfahrens die Folgen des § 249 Abs. 1 ZPO bewirkt, sind Gründe dafür, die Rechtswirkungen der besonderen Regelung über die Aussetzung eines Verfahrens gemäß § 15 BauGB abweichend zu bestimmen, nicht ersichtlich. Aus diesem Grund spielt es auch keine Rolle, dass § 249 Abs. 1 ZPO keine Anwendung auf Fristen des materiellen Rechts wie etwa Verjährungsfristen findet (vgl. Feiber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 249, Rn. 5). Denn unabhängig davon, ob man in § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB eine materiell-rechtliche Frist sieht, wird nicht die Regelungswirkung des § 249 Abs. 1 ZPO auf das öffentliche Recht übertragen, sondern lediglich der Begriff der Aussetzung in § 15 BauGB in Anlehnung an § 249 Abs. 1 ZPO bestimmt.
Unterbricht demnach die Aussetzung alle laufenden Fristen mit der Folge, dass sie nach Ablauf der Aussetzungsfrist neu beginnen, sind belastbare Gründe dafür, darüber hinaus eine erneute Beteiligung der Klägerin für erforderlich zu halten, nicht ersichtlich. Schon der Wortlaut des § 15 BauGB, der von einer Aussetzung der Entscheidung bzw. einer Zurückstellung des Baugesuchs spricht, steht dieser Annahme entgegen. Von einem gänzlichen oder teilweisen Neubeginn des Verwaltungsverfahrens ist nicht die Rede. Hielte man einen solchen Neubeginn nicht nur der Fristen, sondern des gesamten Verwaltungsverfahrens für erforderlich, käme die Zurückstellung eines Baugesuchs - worauf die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat - in ihren Wirkungen überdies einer Veränderungssperre nahe. Die Folge einer Veränderungssperre ist die Ablehnung des Bauantrags, sodass nach dem Ablauf der Geltungsdauer ein neuer Antrag erforderlich ist. Ähnlich wäre die Situation bei der Zurückstellung, wenn man nach Ende der Zurückstellung einen Neubeginn des gesamten Verfahrens einschließlich der Wiederholung aller Verfahrensschritte für erforderlich halten wollte. Hier bedürfte es zwar keines neuen Antrags, alle weiteren Verfahrensschritte vor der Zurückstellung wären indes gegenstandslos. Dass eine derartige, den Bauherrn unter Umständen erheblich belastende Wirkung von § 15 BauGB beabsichtigt sein könnte, ist nicht ersichtlich.
Ein Grund für eine erneute Beteiligung ist auch nicht darin zu sehen, dass die Genehmigungsbehörde nach dem Auslaufen der Zurückstellung die planungsrechtlichen Grundlagen - namentlich die Erforderlichkeit des gemeindlichen Einvernehmens - neu zu prüfen hat (so Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, § 15, Rn. 9 <Stand der Bearbeitung: Januar 2011>). Ist ein Einvernehmen aufgrund der nunmehr eindeutig negativen planungsrechtlichen Situation nicht mehr erforderlich, kann die Genehmigungsbehörde das Baugesuch innerhalb der laufenden Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ablehnen, wenn nicht die Gemeinde im Hinblick darauf ihr Einvernehmen bereits versagt hat. Rechtspositionen der Gemeinde sind insofern nicht beeinträchtigt. Ist dagegen die planungsrechtliche Situation nicht eindeutig negativ, wird den Interessen der Gemeinde dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ihr nach dem Ende der Zurückstellungsfrist - wie von § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gefordert - erneut volle zwei Monate zur Verfügung stehen, um über das Einvernehmen zu entscheiden. Eine förmliche neue Beteiligung wäre demgegenüber eine Förmelei, die das Verfahren unnötig belastet. Alle wesentlichen Aspekte sind der Gemeinde aufgrund des früheren Ersuchens bekannt. Sollten sich neue Aspekte ergeben haben, kann die Gemeinde diese bei der Genehmigungsbehörde erfragen. Gegebenenfalls muss sie auf eine Vervollständigung der Antragsunterlagen hinwirken (vgl. zu dieser Obliegenheit BVerwG, Urt. v. 16.09.2004 - 4 C 7/03, juris). Nicht tragfähig ist der Einwand der Klägerin, die Gemeinde wisse in der Regel nicht genau, wann dem Bauherrn die Zurückstellungsverfügung zugestellt worden sei, sodass sie den Fristlauf nicht klar bestimmen könne. Das Zustellungsdatum kann die Gemeinde mit einer einfachen Anfrage bei der Genehmigungsbehörde in Erfahrung bringen. Darüber hinaus muss der Zurückstellungsbescheid im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die Zurückstellungsfrist eindeutig bestimmen (vgl. Bielenberg/Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 15, Rn. 46 <Stand der Bearbeitung: September 2004>). Nicht nur für den Bauherrn, sondern auch für die Gemeinde ist damit klar erkennbar, wann die unterbrochene Frist erneut in Lauf gesetzt wird.
War damit mit Ablauf des 12.04.2010 die Einvernehmensfiktion eingetreten, ist die Klägerin gehindert, die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens der Klägerin aus Gründen geltend zu machen, die bereits zu diesem Zeitpunkt die Verweigerung des Einvernehmens gerechtfertigt hätten. Denn nach der Zielsetzung des Gesetzgebers soll die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde gerade dort, wo sie noch nicht geplant hat, im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen von Vorhaben mitentscheidend beteiligt werden. Die Gemeinde ist dabei zur eigenverantwortlichen Beurteilung der für die Erteilung der Genehmigung maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen berufen. Erteilt die Gemeinde ihr Einvernehmen oder lässt sie die in § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB normierte Frist von zwei Monaten verstreichen, sodass ihr Einvernehmen als erteilt gilt, entspricht es ihrer Stellung im Baugenehmigungsverfahren, insbesondere ihrer Verantwortung zur eigenständigen Prüfung der planungsrechtlichen Voraussetzungen des Vorhabens, sie ähnlich zu behandeln, als habe sie die Baugenehmigung im Zeitpunkt des Eintritts der Einvernehmensfiktion selbst erteilt. So wie die Gemeinde keinen Anspruch auf gerichtliche Aufhebung einer von ihr selbst erteilten Baugenehmigung hat, steht ihr auch im Fall der Mitwirkung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Aufhebung einer von ihr gleichsam selbst miterteilten Baugenehmigung zu (vgl. OVG Münster, Urt. v. 28.11.2007 - 8 A 2325/06, juris; Beschl. v. 21.12.2010 - 8 B 1426/10, juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.03.1999 - 1 L 6696/96, juris; VGH München, Urt. v. 26.01.2006 - 26 B 02.2957, juris).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Klägerin die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens aus Gründen des Natur- und Artenschutzes sowie aus Gründen der Funktionsfähigkeit der Radaranlage H. nicht in Zweifel ziehen kann. Derartige Gründe hätte sie bereits am 12.04.2010 geltend machen können. Neue Gesichtspunkte trägt sie insofern nicht vor.
Die Klägerin ist auch gehindert, sich auf eine mögliche Vorwirkung ihres planreifen Entwurfs der 67/16. Änderung ihres Flächennutzungsplans und der darin ausgewiesenen Konzentrationsfläche gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu berufen. Dabei lässt die Kammer offen, ob und inwieweit eine solche Vorwirkung als unbenannter öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB überhaupt in Betracht kommt (verneinend OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.11.2004 - 1 ME 190/04, juris; Beschl. v. 12.09.2003 - 1 ME 212/03, juris; Urt. v. 18.03.1999 - 1 L 6696/96, juris; VGH Kassel, Urt. v. 17.06.2009 - 6 A 630/08, juris; offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 20.05.2010 - 4 C 7/09, juris; Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 3/02, juris). Sofern nämlich eine solche Vorwirkung in Betracht kommen sollte, setzte diese nach der jedenfalls sinngemäß heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem in Aufstellung befindlichen Ziel der Raumordnung bereits dann ein, wenn ein inhaltlich konkretisierter Entwurf die hinreichend sichere Erwartung rechtfertigt, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe erstarken wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5/04, juris). Dieses Stadium liegt vor, wenn der Entwurf den Anforderungen genügt, unter denen ein in der Aufstellung befindlicher Bebauungsplan gemäß § 33 BauGB Rechtswirkungen entfaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 3/02, juris; BGH, Urt. v. 02.12.2010 - III ZR 251/09, juris). § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt insofern den Abschluss der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, mithin die formelle Planreife voraus, die erst nach Prüfung aller Einwendungen durch den Plangeber eintritt (vgl. Stock, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 33, Rn. 34 <Stand der Bearbeitung: März 2007>). Die formelle Planreife hatte der Entwurf der 67/16. Änderung spätestens mit dem Satzungsbeschluss des Rates des Beklagten vom 11.03.2010 erreicht, mit dem über letzte Einwendungen entschieden worden war. Mithin hätte die Klägerin mit dem Hinweis auf einen sich daraus ergebenden unbenannten öffentlichen Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB noch innerhalb der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ihr Einvernehmen versagen können.
Soweit die Klägerin schließlich eine Verletzung ihrer Planungshoheit sowie des Gebotes des gemeindefreundlichen Verhaltens gemäß Art. 28 Abs. 2 GG dadurch rügt, dass der Beklagte die Genehmigung einen Tag vor dem - ihm bekannten - Inkrafttreten der 67/16. Änderung des Flächennutzungsplans erteilt hat, liegt eine derartige Verletzung nicht vor. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Darunter fällt die Planungshoheit als von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteter Teilbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1987 - 2 BvR 826/83, BVerfGE 76, 107; Beschl. v. 07.10.1980 - 2 BvR 584/76, BVerfGE 56, 298). Gemeindliche Selbstverwaltung steht allerdings unter dem Vorbehalt gesetzlicher Regelung. Gesetzliche Beschränkungen der Selbstverwaltung sind mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, soweit sie deren Kernbereich unangetastet lassen und sich als verhältnismäßig darstellen (vgl. Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28, Rn. 192 ff.).
Vor diesem Hintergrund ermöglichen die Regelungen des Baugesetzbuchs der Gemeinde eine eigenverantwortliche Planung und stellen ihr zu diesem Zweck verschiedene Sicherungs- und Beteiligungsrechte - namentlich die Möglichkeiten der §§ 14, 15 BauGB sowie das Einvernehmenserfordernis gemäß § 36 BauGB - zur Verfügung. Diese Regelungen ermöglichen es einer Gemeinde, ihre planerischen Vorstellungen zu realisieren und gegenüber gegenläufigen Interessen des Bauherrn durchzusetzen. Auch der Bauherr verfügt allerdings über eine verfassungsrechtlich geschützte Position, die aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG oder jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG folgt. Dass die gesetzlichen Regelungen den gebotenen Ausgleich zwischen der Planungshoheit und der Rechtsposition des Bauherrn verfehlen könnten, ist weder dargelegt noch ersichtlich (vgl. auch Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, § 15, Rn. 12 <Stand der Bearbeitung: Januar 2011>).
Aus den vorgenannten Erwägungen folgt, dass die im vorliegenden Fall korrekte Anwendung des geltenden Rechts der Anlagenzulassung durch die Genehmigungsbehörde Rechte der Klägerin nicht verletzt. Die Genehmigungsbehörde ist gegenüber der Gemeinde berechtigt und gegenüber dem Bauherrn verpflichtet, über einen Genehmigungsantrag unverzüglich zu entscheiden, wenn sich der Antrag als entscheidungsreif darstellt und die vorgenannten Sicherungs- und Beteiligungsrechte der Gemeinde nicht (mehr) greifen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV). An der Entscheidungsreife des Antrags bestehen - unabhängig von der Frage, ob die Klägerin dies angesichts der fehlenden Nachforderung von Unterlagen ihrerseits überhaupt rügen könnte - keine Zweifel. Naturschutzrechtliche Belange sowie Fragen der Radartechnik waren in einer für einen Vorbescheid ausreichenden Weise abgearbeitet. War der Antrag demnach entscheidungsreif, war die grundrechtlich geschützte Rechtsposition des Bauherrn, hier der Beigeladenen, vorrangig, weil die Planung der Klägerin nicht mehr aufgrund des gesetzlich vorgesehenen planerischen Instrumentariums gesichert werden konnte. Das bewusste Nichtbearbeiten des entscheidungsreifen Baugesuchs zu dem Zweck, jenes planerische Instrumentarium überhaupt erst in Funktion zu setzen, wäre (wohl) amtspflichtwidrig gewesen (vgl. VG Köln, Urt. v. 21.05.2008 - 8 K 883/07, juris, unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 12.07.2001 - III ZR 282/00, juris). Auch angesichts des zugegebenermaßen komplexen Verfahrens der Änderung eines Flächennutzungsplans mit dem Ziel der Darstellung einer Konzentrationsfläche war der Beklagte gegenüber der Klägerin auch im Innenverhältnis nicht zu einem weiteren Zuwarten - auch nicht um einen weiteren Tag - verpflichtet. Daran ändert auch § 10 Abs. 6a i.V. mit Abs. 9 BImSchG nichts. Die darin vorgesehene Entscheidungsfrist von drei Monaten für ein im vereinfachten Verfahren zu genehmigendes Vorhaben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 4. BImSchV i.V. mit Nr. 1.6 des Anhangs) war zwar aufgrund des Neubeginns auch dieser Frist nach dem Ende der Aussetzung am 22.04.2010 noch nicht abgelaufen. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV war der Beklagte gleichwohl rechtlich verpflichtet, schon vor Ablauf der Frist eine Entscheidung über den entscheidungsreifen Antrag zu treffen (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 10, Rn. 119).
Aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Aussage überzeugt der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.11.2004 - 1 ME 190/04, juris) nicht. Die Entscheidung gelangt - ausgehend von der Annahme, dass § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB eine echte Ermessensnorm darstellt (anders etwa BGH, Urt. v. 16.09.2010 - III ZR 29/10, juris, m.w.N.) - zu dem Ergebnis, dass die Gemeinde im weit fortgeschrittenen Stadium einer entgegenstehenden Flächennutzungsplanung einen Anspruch darauf hat, dass ihre Planungshoheit beachtet wird und die für die Ersetzungsentscheidung zuständige Behörde von der Ersetzung absieht. Das mag angesichts der einfachrechtlich nicht weiter determinierten Entscheidung gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB auch vor dem Hintergrund der widerstreitenden Verfassungsrechtspositionen des Bauherrn und der Gemeinde zutreffen. Für den vorliegenden Fall hat sich der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in § 20 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV indes für einen Vorrang der Position des Bauherrn entschieden.
Fehl geht der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe gegen das "Gebot gemeindefreundlichen Verhaltens" verstoßen. Abgesehen davon, dass die von der Klägerin als Beleg zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die darin vermeintlich enthaltenen Passagen nicht aufweist, sondern sich mit dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens beschäftigt, vermag es ein solches allgemeines Gebot schon im Ansatz nicht, die Rechtspflichten des Beklagten gegenüber der Beigeladenen in ihr Gegenteil zu verkehren (vgl. zum Gebot bundesfreundlichen Verhaltens BVerfG, Beschl. v. 24.01.2001 - 2 BvE 1/00, BVerfGE 103, 81).
Weitergehende Rechte der Klägerin folgen schließlich nicht aus der landesverfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 57 Abs. 1 NV. Schon der nahezu identische Wortlaut legt insgesamt einen inhaltlichen Gleichlauf von Art. 57 Abs. 1 NV und Art. 28 Abs. 2 GG nahe. Eine weitergehende Rechtsposition ist angesichts des auch Art. 57 Abs. 1 NV beigefügten Gesetzesvorbehalts nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit § 709 Satz 2 ZPO.
Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.