Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.09.2011, Az.: 4 A 1052/10
Ausschlusswirkung; Flugsicherungseinrichtung; Navigationsanlage; Regionales Raumordnungsprogramm; Veränderungssperre; Windenergie; Windenergieanlage
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.09.2011
- Aktenzeichen
- 4 A 1052/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45286
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs 3 BauGB
- § 35 Abs 3 S 3 BauGB
- § 18a LuftVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Für die Frage, ob Windenergieanlagen innerhalb eines durch Regionales Raumordnungsprogramm ausgewiesenen Vorrangstandortes liegen, kommt es wie bei Bauleitplänen auf die vom Rotor überstrichene Fläche an.
2. Zu der Frage, wann eine der zivilen Luftfahrt dienende Navigationsanlage durch
die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen im Sinne von § 18 a Abs. 1 LuftVG gestört werden kann (hier verneint).
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin gemäß ihrem Antrag vom 12.05.2006, geändert am 18.07.2008, erneut geändert am 18.12.2009 einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG bezogen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs der in dem Antrag als "WEA 2" bezeichneten Windenergieanlage zu erteilen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.11.2007 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens, die Beklagte trägt 1/4 der Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für die Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen.
Mit Antrag vom 12.05.2006, hinsichtlich der Anlagenstandorte jeweils geändert am 18.07.2008 und am 18.12 2009, beantragte die Klägerin die Erteilung auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bezogener Vorbescheide gemäß § 9 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb von vier Windenergieanlagen auf den Flurstücken 47, 48, 51 und 18 der Fluren 4 und 5, Gemarkung F. (im Folgenden: "WEA 1 bis 4"). Geplant sind vier Anlagen vom Typ Enercon E-70 mit einer Leistung von je 2,0 MW und einer Gesamthöhe von 99,95 m. Zu den Antragsunterlagen gehört ein Gutachten der G., H., vom 18.10.2006 zu den potentiellen Störwirkungen des Projektes auf die Navigationsanlage DVOR "Leine", die von der Beigeladenen zu 2 betrieben wird, mit Ergänzungen vom 05.02.2007 und vom 14.03.2007.
Die für die Bebauung vorgesehene Fläche ist in dem seit dem 01.02.2006 wirksamen Regionalen Raumordnungsprogramm 2005 (RROP) der Beklagten als Vorrangstandort für Windenergiegewinnung dargestellt (Windpark I. 2). Die am 06.07.2006 in Kraft getretene 69. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen zu 1 setzt diese Fläche - anders als ein östlich der L 410 gelegenes Gebiet (Windpark I. 1) - nicht als Sondergebiet (SO) "Windkraftwerke/Windfarm" fest. Gemäß § 5 der Textlichen Festsetzungen des Flächennutzungsplans sind außerhalb der dargestellten SO-Gebiete keine weiteren Windkraftwerke zulässig (Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Aufgrund einer raumordnerischen Untersagungsverfügung der Beklagten wurde die Textliche Festsetzung insoweit ergänzt, als von dieser Ausschlusswirkung die im RROP neu ausgewiesene Vorrangfläche (Windpark I. 2) ausgenommen ist. Der Flächennutzungsplan enthält weitere Festsetzungen insbesondere zu der Höhe, wobei sich diese Festsetzungen auf die Höhe von Anlagen in den SO-Gebieten beziehen.
Die Standorte befinden sich im Bereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 309 der Beigeladenen zu 1. Den Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 309 "J. /I. West" (Windenergie) fasste die Beigeladene zu 1 am 20.12.2005. Zielsetzung war es, "die räumliche Abgrenzung des Sondergebietes näher zu konkretisieren und auch inhaltlich, unter anderem durch Festsetzung überbaubarer Flächen, Höhenbegrenzungen, Art und Umfang von Kompensationsmaßnahmen sowie komplementäre textliche Festsetzungen und örtliche Bauvorschriften dezidierter zu regeln". Das Bebauungsplanverfahren wurde nicht weitergeführt.
Am 24.09.2009 beschloss die Beigeladene zu 1 die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses vom 20.12.2005 und die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 309 - Neufassung - "J. /I. West". Allgemeines Ziel sei es, für das im RROP ausgewiesene Vorranggebiet eine "Feinsteuerung" der Windenergieanlagen hinsichtlich unter anderem der einzuhaltenden Abstände zum Ortsrand F., der überbaubaren Flächen, der maximalen Höhen, der Erschließung etc. vorzunehmen und zugleich zwei Flächen für externe Kompensationsmaßnahmen unmittelbar am Ortsrand F. festzusetzen. Das im Dezember 2005 eingeleitete Aufstellungsverfahren habe nicht weitergeführt werden können, da das Vorranggebiet innerhalb der Schutzzone der Navigationsanlage DVOR "Leine" liege. Ein entsprechender Bebauungsplan, der diese Rahmenbedingungen nicht beachte, wäre nichtig gewesen. Da nach Auskunft der Beigeladenen zu 2 die Navigationsanlage DVOR "Leine" voraussichtlich im Jahre 2011 außer Betrieb genommen werde, sei die Beigeladene zu 1 gefordert, einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Auch dieses Bauleitverfahren wurde bisher nicht weiter betrieben.
Mit Schreiben vom 14.06.2006 versagte die Beigeladene zu 1 das Einvernehmen gemäß § 36 BauGB. Die Anlagen lägen außerhalb der im RROP festgelegten Vorrangflächen. Die auf der Kartengrundlage dargestellte Vorrangfläche sei nicht hinreichend parzellenscharf, maßgeblich sei der detailliertere Textteil. Außerdem stehe der öffentliche Belang der Flugsicherung entgegen. Die Erweiterungsfläche liege innerhalb des Anlagenschutzbereiches der Navigationsanlage DVOR "Leine". Schließlich sei die ausreichende Erschließung nicht gesichert.
Am 18.07.2006 beschloss der Rat der Beigeladenen zu 1 die Veränderungssperre Nr. 19 für den Geltungsbereich des am 21.12.2005 aufgestellten Bebauungsplans Nr. 309 "J. /I. West (Windenergie), OS F. -K. ", die am 27.07.2006 in Kraft trat. Am 03.07.2008 beschloss er die Verlängerung und am 24.09.2009 die Erneuerung der Veränderungssperre (in Kraft getreten am 05.11.2009).
Mit Schreiben vom 03.08.2006 an das Niedersächsische Wirtschaftsministerium zeigte die Beigeladene zu 2 gemäß § 18 a Abs. 1 LuftVG a.F. an, dass die Windenergieanlagen möglicherweise die Navigationsanlage DVOR "Leine" stören.
Mit Bescheid vom 15.11.2007 lehnte die Beklagte die Erteilung des Vorbescheides ab. Der Erteilung des Vorbescheides stünden öffentliche Belange entgegen, nämlich die von der Beigeladenen zu 1 beschlossene Veränderungssperre und Belange der Flugsicherung. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 18 a LuftVG habe nicht erteilt werden können. Über den dagegen gerichteten Widerspruch hat die Beklagte noch nicht entschieden.
Am 25.02.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme der Beigeladenen zu 2 vom 11.03.2010 hatte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung am 15.03.2010 zunächst entschieden, dass § 18 a LuftVG der Errichtung der "WEA 2 bis 4" entgegen stehe und der Errichtung der "WEA 1" nicht entgegen stehe. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung mit Bescheid vom 28.02.2011 als unzulässig zurückwies. Die Entscheidung gemäß § 18 a Abs.1 Satz 3 LuftVG sei kein Verwaltungsakt, sondern richte sich nur an die nach dem Immissionsschutzrecht zuständige Genehmigungsbehörde. Es handele sich um die Mitwirkung einer anderen Behörde in einem Genehmigungsverfahren, der keine Außenwirkung zukomme. Am 25.07.2011 hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nunmehr entschieden, dass § 18 a LuftVG der Errichtung der "WEA 1 bis 4" entgegen stehe.
Zur Begründung der Klage macht die Klägerin geltend, sie habe einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheides. Die in dem ablehnenden Bescheid genannten Gründe seien nicht tragfähig.
Das RROP und der Flächennutzungsplan stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Die Satzung über die Erneuerung der Veränderungssperre sei unwirksam, da mit dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 309 "Neufassung" keine positiven Planungsziele, sondern ausschließlich ein Verhinderungsinteresse verfolgt werde. Es sei nicht erkennbar, dass seit dem Aufstellungsbeschluss vom 21.12.2005 an dem aufzustellenden Bebauungsplan gearbeitet würde. Die Unwirksamkeit der Veränderungssperre ergebe sich bereits aus deren Begründung. Die Veränderungssperre werde vor allem damit begründet, es gebe wegen der Lage im Einwirkungsbereich der Navigationsanlage DVOR "Leine" ein rechtliches Planungshindernis. Wenn eine Bauleitplanung aber aus der Sicht der Gemeinde gar nicht möglich sei, könne es auch keine zu sichernde Planung geben.
Die Veränderungssperre könne aber bereits deswegen keine Wirksamkeit mehr entfalten, weil die Zeiten einer faktischen Zurückstellung anzurechnen seien. Der Bauantrag datiere vom 12.05.2006 und hätte längstens innerhalb von drei Monaten beschieden sein müssen. Selbst wenn die erneute Veränderungssperre wirksam sein sollte, dauere die faktische Bausperre mittlerweile mehr als vier Jahre an. Sie entfalte daher gegenüber dem klägerischen Vorhaben keine Wirkung mehr.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 lägen die Standorte alle innerhalb des durch das RROP festgesetzten Vorranggebietes. Maßgeblich sei die zeichnerische Darstellung im RROP, wobei der Plan eine metergenaue Abgrenzung nicht vornehme. Dies könne im Rahmen der Bauleitplanung erfolgen. Dabei komme es darauf an, ob sich der Mast als Mittelpunkt der Anlage innerhalb des Vorrangebietes befinde. Sei dieses aufgrund des Maßstabes zweifelhaft, sei nach der Rechtsprechung (VG Dessau, Urt. vom 09.07.2003, - 1 A 499/01) davon auszugehen, dass sich der Standort innerhalb des Eignungsgebietes befinde.
Die Störung von Flugsicherungseinrichtungen durch die Windenergieanlagen sei nicht zu besorgen. Das belegten verschiedene im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Gutachten des von der Klägerin beauftragten Sachverständigen H.. Störungen seien zu besorgen, wenn das gesamte Störpotential einen Winkelfehler von 3,5° übersteige. Das sei nicht zu erwarten. Flugvermessungen hätten ergeben, dass die Anlage unter Einschluss des bereits bestehenden Windparks I. 1 in den zu betrachtenden Radialen ein Störpotential von ungefähr 1° aufweise. Das Störpotential für die zur Genehmigung gestellten Anlagen bewege sich ebenfalls in einem Bereich unter 1°.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2007 zu verpflichten, ihr gemäß dem Antrag vom 12.05.2006, geändert am 18.07.2008, erneut geändert am 18.12.2009 einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG bezogen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs von vier Windenergieanlagen zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten befinden sich die Einzelstandorte zwar innerhalb des Vorranggebietes. Es komme allein darauf an, dass sich der Baukörper innerhalb des ausgewiesenen Bereichs befinde, was der Fall sei. Die von der Beigeladenen zu 1 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geltend gemachte Parzellenschärfe gelte zwar bei Bauleitplänen, nicht aber bei Raumordnungsplänen.
Der Erteilung des Vorbescheides stehe aber die Veränderungssperre Nr. 19 der Beigeladenen zu 1 entgegen. Zudem seien Störungen der Navigationsanlage DVOR "Leine" zu befürchten. Insoweit nimmt die Beklagte Bezug auf die Entscheidung des Bundesamtes für Flugsicherung vom 25.07.2011.
Die Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag, hält die Klage aber ebenfalls für unbegründet.
Die auf der Grundlage von § 17 Abs. 3 BauGB beschlossene erneute Veränderungssperre vom 24.09.2009 sei wirksam. Die Beigeladene zu 1 verfolge positive Planungsziele. Ziel sei es, für das im RROP ausgewiesene Vorranggebiet eine Feinsteuerung hinsichtlich der einzuhaltende Abstände, der überbaubaren Flächen, der maximalen Höhen und der Erschließung vorzunehmen. Zugleich sollten zwei Flächen für externe Kompensationsflächen am südlichen Ortsrand F. festgesetzt werden. Es werde keine Verhinderungsplanung betrieben, indem lediglich ein Alibi-Sondergebiet ausgewiesen werde. Bei der klägerischen Planung würden sogar die Grenzen des Vorranggebietes nach dem RROP überschritten, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die von den Rotoren überstrichene Fläche berücksichtigt werden müsse. Unter Berücksichtigung der Wirtschaftswege lasse die Größe des Sondergebietes (rund 8 Hektar) allenfalls die Errichtung von drei Windenergieanlagen zu.
Bei der Frage der genauen Grenzen des Vorranggebietes komme es nicht nur auf die Ergebnisdarstellung in den Kartenblättern an, sondern auch auf die technischen Daten, die der Ausarbeitung zugrunde gelegen hätten. Die Beigeladene zu 1 habe sich bei ihren Berechnungen an den sogenannten GIS-Daten der Beklagten orientiert, die der Beschlussfassung zugrunde gelegen hätten. Dabei zeige sich, dass die Beklagte ihr eigenes der Beschlussfassung zugrunde gelegtes Kriterium eines 1.000 m-Abstandes zum Ortsrand F. nicht eingehalten habe. Auf eine metergenaue Abgrenzung komme es in der Tat nicht an, da die Gemeinden ohnehin legitimiert seien, konkrete Flächenabgrenzungen zu definieren bzw. zu modifizieren. Das beabsichtige die Beigeladene mit ihrer Bauleitplanung.
Die Bauleitplanung mache auch Fortschritte. Im Vergleich zu der Vorgängerfassung sei der Geltungsbereich um die Teilbereiche B und C für Kompensationsmaßnahmen erweitert worden. Der Erlass der Veränderungssperre sei auch vor dem Hintergrund der angekündigten Außerbetriebnahme der Navigationsanlage zulässig. Dieser Fall sei vergleichbar einer Freistellung von Bahnbetriebszwecken gemäß § 23 AEG. In jenen Fällen habe die Rechtsprechung ein Sicherungsbedürfnis anerkannt.
Für den Erlass der erneuten Veränderungssperre hätten auch die erforderlichen besonderen Umstände vorgelegen. Mit der Ankündigung der Beigeladenen zu 2 zur Außerbetriebnahme der Navigationsanlage sei eine nicht vorhersehbare Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Die bauplanungsrechtliche Ausweisung eines Sondergebietes für Windenergieanlagen hätte ohne Berücksichtigung der luftverkehrsrechtlichen Belange zu einem nichtigen oder zumindest rechtswidrigen Bebauungsplan geführt. Die Verzögerung sei daher vernünftig gewesen.
Die Veränderungssperre entfalte auch Wirkung. Eine Zurückstellung der Entscheidung gemäß § 15 BauGB sei von der Beigeladenen nie beantragt worden. Auch von einer "faktischen Zurückstellung" könne keine Rede sein. Der Antrag sei nicht zögerlich behandelt worden. Die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre komme nicht in Betracht, da die Planungsvorstellungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich der Standorte der Windenergieanlagen divergierten.
Das gemeindliche Einvernehmen habe im Hinblick auf die Veränderungssperre, die zeitliche Perspektive des Abbaus der Navigationsanlage und des Umstandes, dass die Windenergieanlagen zumindest teilweise außerhalb der im RROP festgelegten Vorrangflächen lägen, versagt werden dürfen.
Zudem sei fraglich, inwieweit sich die Klägerin auf die Festsetzungen des RROP berufen könne. Auch bei der Aufstellung des RROP hätten die Belange der Flugsicherung berücksichtigt werden müssen.
Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag und äußert sich wie folgt:
Aufgrund eigener aktueller Berechnungen und Erfahrungswerte ergebe sich, dass in Bezug auf das geplante Vorhaben ("WEA 1 - 4") Störungen hinreichend wahrscheinlich seien.
Störungen der Navigationsanlage DVOR "Leine" seien ab einem Gesamtwinkelfehler von 3,0° zu erwarten. Von diesem Störpotential sei zunächst der Anlagenfehler (alignment) in Höhe von 2,0° abzuziehen. Dies sei der Wert, den die Anlage nach den Bestimmungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO einhalten müsse. Weiter seien die schon bereits bestehenden Störfaktoren zu berücksichtigen, insbesondere die Topologie und der bestehende Windpark. Allein durch diese Faktoren werde das Restpotential vollständig ausgeschöpft. Bei weiteren Windenergieanlagen seien daher Störungen der Navigationsanlage zu erwarten. Die Beigeladene zu 2 habe aufgrund eines eigenen Berechnungstools ein Störpotential für den bestehenden und den geplanten Windpark von 1,41° und nur des bestehenden Windparks von 0,86° ermittelt. Die Ergebnisse der Flugvermessung seien jedenfalls in Bezug auf den bestehenden Windpark von nur eingeschränkter Aussagekraft, weil nicht sicher sei, dass die Messungen unter Worst-Case-Bedingungen durchgeführt worden seien. Anders als bei statischen Bauwerken hänge die Störwirkung von Windenergieanlagen maßgeblich von der Windgeschwindigkeit und der Rotorstellung ab. Der Einfluss der Windenergieanlagen auf Navigationsanlagen sei im Übrigen wissenschaftlich noch nicht hinreichend untersucht. Die Zusammenhänge seien im Moment Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen.
Wann die Navigationsanlage DVOR "Leine" außer Betrieb genommen werde, sei offen.
Das Gericht hat sich die Funktionsweise der Navigationsanlage vor Ort erläutern lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bezogenen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für die Errichtung und den Betrieb der in ihrem Antrag als "WEA 2" bezeichneten Windenergieanlage. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Für die weiteren in dem Antrag bezeichneten Anlagen steht der Klägerin ein solcher Anspruch nicht zu, so dass sich der angefochtene Bescheid insoweit als rechtmäßig erweist.
Gemäß § 9 BImSchG soll auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen sowie über den Standort der Anlage entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde von ihrem eingeschränkten Versagungsermessen Gebrauch machen darf, bedarf hier keiner Entscheidung, weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ihre ablehnende Entscheidung darauf stützt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG nicht vorliegen, und damit eine materielle Entscheidung getroffen hat.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen gemäß § 6 BImSchG vorliegen. Dabei dürfen andere - also nicht dem Bundesimmissionsschutzrecht zu entnehmende - Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegen stehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Das ist nur in Bezug auf die als "WEA 2" bezeichnete Anlage der Fall. Die übrigen zur Bescheidung gestellten Anlagen liegen nicht vollständig innerhalb der im RROP als Vorrangstandort dargestellten Fläche und sind daher bauplanungsrechtlich unzulässig (dazu unter 1.). Der Erteilung eines Vorbescheides für die "WEA 2" stehen weder die Veränderungssperre der Beigeladenen zu 1 (dazu unter 2.) noch Belange der Luftsicherheit entgegen (dazu unter 3.).
1. Die in dem Antrag als "WEA 1, 3 und 4" bezeichneten Anlagen sind bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Anlagen sind zwar gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert. Sie sind aber planungsrechtlich unzulässig, weil ihnen öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegenstehen. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen öffentliche Belange einem Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB in der Regel dann entgegen, wenn hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.
Das RROP 2005 weist in seiner zeichnerischen Darstellung den streitbefangenen Bereich "L. - I. " als "Vorrangstandort für Windenergiegewinnung" auf und setzt als Ziel der Raumordnung fest, dass die Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen nur in den festgelegten Vorrangstandorten möglich ist (D 3.5 - 05 RROP). Gemäß § 5 der Textlichen Festsetzungen des Flächennutzungsplans (69. Änderung) der Beigeladenen zu 1 sind außerhalb der dargestellten Sondergebiete keine weiteren Windkraftwerke zulässig, wobei die im RROP neu ausgewiesene Vorrangfläche im Flächennutzungsplan zwar nicht als Sondergebiet ausgewiesen, aber nach dessen textlichen Festsetzungen von der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausgenommen ist.
Die "WEA 1, 3 und 4" werden von der Ausschlusswirkung zumindest des Flächennutzungsplans, an dessen Wirksamkeit Zweifel nicht geäußert wurden, erfasst, weil sie nicht vollständig, also auch mit der vom Rotor überstrichenen Fläche in der durch RROP ausgewiesenen Vorrangfläche liegen.
Der genaue Standort der Windenergieanlagen ergibt sich - worüber zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht - aus dem von der Klägerin zu den Verwaltungsvorgängen gegebenen Lageplan vom 12.10.2009 (Bl. 272 der Beiakte A). Danach liegt die als "WEA 2" bezeichnete Anlage auch mit der Rotorkreisfläche vollständig innerhalb der Vorrangfläche, die als "WEA 1" bezeichnete Anlage überschreitet mit ihrer Rotorkreisfläche die Vorrangfläche in Richtung Norden um ca. 10 m, die als "WEA 3" bezeichnete Anlage überschreitet mit ihrer Rotorkreisfläche die Vorrangfläche in Richtung Norden um ca. 10 m und in Richtung Südosten um ca. 25 m und die als "WEA 4" bezeichnete Anlage überschreitet mit ihrer Rotorkreisfläche die Vorrangfläche in Richtung Osten, Süden und Westen jeweils um ca. 25 - 30 m.
Die Kammer folgt nicht der von der Klägerin und der Beklagten vertretenen Auffassung, dass es für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nur auf den Standort des Turmes und nicht auf die vom Rotor überstrichene Fläche ankomme. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 21.10.2004, 4 C 3.04 - juris) sind die äußeren Grenzen eines Bauleitplans stets von der gesamten Windkraftanlage einschließlich des Rotors einzuhalten. Es gibt keinen sachlichen Grund, dies anders zu beurteilen, wenn Vorrangstandorte durch ein Regionales Raumordnungsprogramm festgelegt werden. Der Klägerin ist zuzugeben, dass es wegen des Maßstabs der zeichnerischen Darstellung (hier 1:50.000) zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen kann, ob die vollständige Rotorkreisfläche innerhalb der Vorrangfläche liegt oder nicht. Das Problem der Genauigkeit des Maßstabs wird aber nicht dadurch gelöst, statt auf die Rotorkreisfläche auf den Turm oder dessen Fundament abzustellen. Im Übrigen fehlt es dem Flächennutzungsplan - anders als einem Bebauungsplan (§ 1 Abs. 2 PlanzV) - ebenfalls an der Parzellenschärfe, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht (vgl. a.a.O.) zwischen Bebauungsplan und Flächennutzungsplan differenzieren würde. Die Kammer hält es für denkbar, diese Probleme des Maßstabs in der Weise zu lösen, in Zweifelsfällen, in denen sich ein Standort nicht genau zuordnen lässt, davon auszugehen, dass dieser sich innerhalb der Vorrangfläche befindet (so VG Dessau, Urt. vom 09.07.2001, 1 A 499/01 - juris). Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten aber keine Zweifel, dass sich die vom Rotor umstrichenen Flächen der "WEA 1, 3 und 4" nicht vollständig innerhalb der durch das RROP ausgewiesenen Vorrangfläche befinden. Der von der Klägerin vorgelegte Lageplan ergibt ein eindeutiges Ergebnis.
Die Kammer kann die Frage offen lassen, ob auch die Ausschlusswirkung des RROP als öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB der Errichtung und dem Betrieb der "WEA 1, 3 und 4" entgegen steht. Das wäre dann der Fall, wenn die zur Genehmigung gestellten Anlagen als raumbedeutsam anzusehen wären, wofür angesichts der Größe und der Zahl der Anlagen weit Überwiegendes spricht (vgl. zur Raumbedeutsamkeit von Windenergieanlagen OVG Lüneburg, Urt. vom 15.09.2011, 12 LB 218/08 - juris).
Gesichtspunkte, die für die "WEA 1, 3 und 4" das Vorliegen einer Ausnahme von der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die als "WEA 2" bezeichnete Anlage liegt auch mit der vom Rotor überstrichenen Fläche vollständig innerhalb des durch RROP festgesetzten Vorrangstandortes und ist damit bauplanungsrechtlich zulässig.
2. Die am 05.11.2009 in Kraft getretene Veränderungssperre Nr. 19 der Beigeladenen zu 1 steht der Erteilung des Vorbescheides nicht entgegen, weil sie unwirksam ist. Über die Wirksamkeit der als Satzung beschlossenen Veränderungssperre kann das Gericht im Rahmen einer Inzidentprüfung entscheiden (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB Kommentar, § 16 Rn. 29).
Die Beigeladene zu 1 hat unter Berufung auf § 17 Abs. 3 BauGB eine Erneuerung der Veränderungssperre am 24.09.2009 beschlossen. Gemäß § 17 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde eine außer Kraft getretene Veränderungssperre erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen. § 17 Abs. 3 BauGB sieht zwar nach seinem Wortlaut keine Befristung der Geltungsdauer vor. Um aber eine Umgehung der Tatbestandsvoraussetzungen zu verhindern, müssen die jeweiligen materiellrechtlichen Anforderungen erfüllt sein, die im Fall der Verlängerung hätten eingehalten werden müssen (vgl. Stock, a.a.O., § 17 Rn. 48). Die Erstreckung der Gesamtdauer einer Veränderungssperre über drei Jahre hinaus auf vier Jahre erfordert das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB, an eine Veränderungssperre, die über das vierte Jahr hinauswirken soll, sind noch weitergehende Anforderungen zu stellen.
Die erste Veränderungssperre beschloss der Rat der Beigeladenen zu 1 am 18.07.2006. Sie hatte eine Dauer von drei Jahren. Am 24.09.2009 beschloss er die Erneuerung der Veränderungssperre, die am 05.11.2009 in Kraft trat. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Rates betrug die Dauer der Veränderungssperren mehr als drei Jahre. Sie sollte nach zwei Jahren außer Kraft treten (§ 4 Abs. 2 der Satzung). Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung betrug die Dauer der Veränderungssperren mehr als vier Jahre. Die Veränderungssperre ist unwirksam, weil schon die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen und erst recht nicht die besonderen Voraussetzungen für die Verlängerung einer Veränderungssperre über den Zeitraum von vier Jahren hinaus.
§ 17 Abs. 2 BauGB lässt eine Verlängerung nur zu, wenn besondere Umstände es erfordern. Dabei muss es sich um außergewöhnliche Verhältnisse handeln, die grundsätzlich außerhalb des Einflussbereichs der Gemeinde liegen. Solche Umstände sind in erster Linie dann anzuerkennen, wenn sie durch die außergewöhnlichen Schwierigkeiten der konkreten Planung selbst begründet sind (vgl. Stock, a.a.O., Rn 31). Solche Umstände sind nicht gegeben. Die Planung hätte längst abgeschlossen werden können.
Die Beigeladene zu 1 führt als besondere die Planung verzögernden Umstände an, es bestünden rechtliche Restriktionen im Hinblick auf § 18 a LuftVG. Sollten die Voraussetzungen des § 18 a LuftVG vorliegen, erweise sich der Bebauungsplan, durch den in Bezug auf die Vorrangfläche räumliche und inhaltliche Konkretisierungen vorgenommen würden, als nichtig. Solange nicht geklärt sei, inwieweit § 18 a LuftVG der Errichtung von Windenergieanlagen entgegen stehe, dürfe die entsprechende Fläche nicht als Sondergebiet für Windenergienutzung ausgewiesen werden. An einer solchen Planung sei die Beigeladene zu 1 rechtlich gehindert, die Planung könne aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht weiter vorangetrieben werden.
Die Tragfähigkeit dieses Gesichtspunkts unterstellt hätte allerdings von vornherein kein Bedürfnis für die Aufstellung eines Bebauungsplans bestanden. Es hätte an einer mit Veränderungssperre zu sichernden Planung gefehlt. Bebauungspläne sind aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Eine Bauleitplanung, die einer Gemeinde aus rechtlichen Gründen verwehrt ist, kann nicht erforderlich sein und nicht mit einer Veränderungssperre gesichert werden.
Allerdings ist der Gesichtspunkt, den die Beigeladene zu 1 für die Verzögerung ihrer Planung anführt, nicht tragfähig. Ein Bebauungsplan mit der von der Beigeladenen zu 1 verfolgten Zielsetzung hätte ohne weiteres aufgestellt werden können. Ziel der Bauleitplanung ist die "Feinsteuerung" eines im RROP ausgewiesenen Vorranggebietes für Windenergie. Mit dem entsprechenden Bebauungsplan würde damit nicht eine Fläche für die Bebauung mit Windenergieanlagen ausgewiesen, auf der eine solche Nutzung ohne den Bebauungsplan planungsrechtlich nicht zulässig wäre. Ziel der Bauleitplanung der Beigeladenen zu 1 ist vielmehr eine Beschränkung der bereits aufgrund der Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB und der Ausweisung als Vorrangstandort zulässigen Nutzung der Fläche für Windenergieanlagen. Der Aufstellung eines solchen Bebauungsplans kann § 18 a LuftVG von vornherein nicht entgegen stehen.
Im Übrigen gestattet § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB in besonderen Fällen die Festsetzung, dass bauliche und sonstige Nutzungen bis zum Eintritt bestimmter Umstände unzulässig sind. Die Kammer hält zwar die Auffassung der Beigeladenen zu 1 für fernliegend, dass die zwischen dem Betreiber der Flugsicherungseinrichtung, der Beigeladenen zu 2, und der Klägerin strittige Frage, ob durch Windenergieanlagen Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können (§ 18 a LuftVG), die Beigeladene zu 1 hindern könnte, das Gebiet sogleich zu überplanen. Aber selbst wenn diese Auffassung zutreffen würde, hätte die Beigeladene zu 1 die Planung auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 BauGB zum Abschluss bringen können.
Rein vorsorglich wird angemerkt, dass der Beigeladenen zu 1 auch der - von ihr bisher nicht erhobene - Einwand nicht helfen würde, sie habe nicht die Erneuerung einer Veränderungssperre beschlossen, sondern den Erlass einer selbständigen neuen Veränderungssperre. Anders als bei der Erneuerung einer Veränderungssperre erfolgt bei einer selbständigen neuen Veränderungssperre keine zeitliche Anrechnung (vgl. Stock, a.a.O., § 17 Rn. 56 ff.). Gegen eine Auslegung als selbständige neue Veränderungssperre sprechen aber bereits entscheidend der Wortlaut der Satzung und die Bezugnahme auf § 17 Abs. 3 BauGB. Auch in materieller Hinsicht handelt es sich nicht um eine selbständige neue Veränderungssperre. Maßgeblich für die Abgrenzung ist, ob die Veränderungssperren unterschiedliche Planungen sichern oder aber der Sicherung derselben, gegebenenfalls konkretisierten Planung dienen soll (vgl. Stock, a.a.O., Rn. 58). Letzteres ist hier der Fall, weil sowohl der Bebauungsplan Nr. 309 als auch der Bebauungsplan Nr. 309 - Neufassung die "Feinsteuerung" der Windenergieanlagen in dem Vorranggebiet zum Ziel haben. Der Umstand, dass durch den Bebauungsplan Nr. 309 - Neufassung auch Kompensationsflächen festgesetzt werden sollen, ändert daran nichts.
3. § 18 a LuftVG steht der Errichtung und dem Betrieb der "WEA 2" nicht entgegen.
Bauwerke dürfen nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können (§ 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG). Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung entscheidet auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation, ob durch die Errichtung der Bauwerke Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können (§ 18 a Abs. 1 Satz 2 LuftVG), und teilt seine Entscheidung der zuständigen Luftfahrtbehörde des Landes mit (§ 18 a Abs. 1 Satz 3 LuftVG).
Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hatte zunächst auf der Grundlage einer Stellungnahme der Beigeladenen zu 2 am 15.03.2010 entschieden, dass § 18 a LuftVG der Errichtung der Bauwerke "WEA 2 - 4" entgegen steht und der Errichtung der "WEA 1" nicht entgegen steht. Es hat dann aufgrund einer neuerlichen Stellungnahme der Beigeladenen zu 2 am 25.07.2011 entschieden, dass § 18 a LuftVG der Errichtung aller zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen entgegen steht.
Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung ist im vorliegenden Verfahren gerichtlich überprüfbar, weil es sich nicht um einen Verwaltungsakt handelt, den die Klägerin hätte anfechten müssen und der Bindungswirkung entfalten würde (eine andere Auffassung vertritt zu §18 a LuftVG a.F. Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, § 18 a Rn. 2). Die Kammer folgt insofern der Auffassung des Bundesaufsichtsamtes, das einen von der Klägerin gegen die Entscheidung vorsorglich eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 15.02.2011 als unzulässig zurückgewiesen hat. Der "Entscheidung" fehlt es an der Außenwirkung. Es handelt sich um die Mitwirkung einer anderen Behörde in einem Genehmigungsverfahren. Gegen die Annahme einer Außenwirkung spricht auch nach Auffassung des Gerichts insbesondere, dass die "Entscheidung" nicht dem Betroffenen, sondern der zuständigen Luftfahrtbehörde mitgeteilt wird.
Flugsicherungseinrichtungen können durch Bauwerke gestört werden, wenn eine Störung hinreichend wahrscheinlich zu erwarten ist. Eine Störung muss nicht sicher eintreten. Allerdings reicht die nur ganz entfernt liegende Möglichkeit des Eintritts einer solchen Störung nicht aus, weil zugunsten der betroffenen Grundstückseigentümer Art. 14 Grundgesetz streitet. Ob Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können, ist eine Rechtsfrage, die verwaltungsgerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (so auch Grabherr/Reidt/Wysk, a.a.O., Rn. 3).
Auf der Grundlage der vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen sowie der Erläuterungen der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass eine Störung der betroffenen Flugsicherungseinrichtung, nämlich der Navigationsanlage DVOR "Leine" selbst durch die Errichtung und den Betrieb aller vier zum Streit gestellten Windenergieanlagen nicht hinreichend wahrscheinlich zu erwarten ist, erst recht aber nicht, wenn nur die "WEA 2" errichtet und betrieben wird.
Bestimmungen oder Regeln nationalen Rechts, die darüber Auskunft geben könnten, wann Störungen von Flugsicherungseinrichtungen zu besorgen sind, gibt es nicht. Zurückzugreifen ist daher - darüber besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit - auf Regelungen des internationalen Luftrechts.
Maßgeblich für das internationale Luftrecht ist insbesondere das Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) vom 07.12.1944. In diesem Abkommen wird die ICAO (Internationale Luftfahrt-Organisation) errichtet, die unter anderem technische Standards der internationalen Zivilluftfahrt entwickelt. Das ICAO-Abkommen enthält Vorgaben für diese Normsetzung. Diese werden als Dokumente ("documents") veröffentlicht. Dazu gehören von Ausschüssen und Fachgremien erarbeitete Regelwerke, bei denen es sich um eine spezielle Art der technischen Rechtssetzung handelt. Die wichtigsten finden Eingang in sogenannte Richtlinien und Empfehlungen (Standards und Recommended Practises - SARPS) sowie in Verfahren (Procedures). Die SARPS können vom Rat der ICAO angenommen und zu Anhängen des ICAO-Abkommens bestimmt werden. Derzeit bestehen 18 Anhänge (Annexe). Für die hier zu entscheidende Frage finden sich insbesondere Regelungen im Annex 10 (Aeronautical Telecommunications) (vgl. dazu Grabherr/Reidt/Wysk, a.a.O., Einleitung Rn. 147 ff.).
Bei diesen Regelungen handelt es sich aber nicht um Rechtssätze, die wie nationale Gesetze oder Verordnungen Rechtsgeltung beanspruchen könnten und anzuwenden wären. Die Bindungswirkung der verschiedenen ICAO-Dokumente wird zwar diskutiert und insbesondere für die Anhänge kontrovers beurteilt (vgl. Grabherr/Reidt/Wysk, a.a.O., Rn. 157 ff.). Dabei geht es aber um die Frage, inwieweit die Vertragsstaaten an die Regelungen gebunden sind. In nationales Recht transformiert werden diese Regelungen erst durch den Erlass eines entsprechenden Gesetzes. Die Dokumente der ICAO, um deren Anwendung und Auslegung die Beteiligten streiten, sind nach Kenntnis des Gerichts allesamt nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Das Gericht sieht in den einschlägigen Dokumenten daher fachliche Standards für die Beurteilung des Störpotentials.
Zwischen den Beteiligten und den Sachverständigen besteht jedenfalls im Ansatz Einigkeit darüber, wonach sich beurteilt, wann Störungen zu erwarten sind. Das ist dann der Fall, wenn bestimmte Anlagentoleranzen überschritten werden. Diese Toleranzen werden als Winkelfehler bezeichnet. Winkelfehler bis zu einer bestimmten Größe sind tolerabel und wirken sich auf die Funktionsfähigkeit der Flugsicherungseinrichtung nicht aus. Technisch geht es bei dem Winkelfehler um Folgendes: Die Navigationsanlage sendet ein Signal aus, das von Flugzeugen empfangen wird. Bei dieser Übertragung bzw. dem Empfang der Signale gibt es Ungenauigkeiten. Diese werden als Winkelfehler bezeichnet. Die Winkelfehler können ihre Ursache in der Anlage haben (sogenannter Alignmentfehler) oder in externen Störungen etwa durch die Topologie und/oder Bauwerke (wie etwa Hochspannungsmasten, Gebäude oder Windparks). Der Alignmentfehler wiederum setzt sich zusammen aus dem Nordausrichtungsfehler und dem Anlagenfehler, also der Ungenauigkeit der Anlage selbst. Einigkeit besteht zwischen den Sachverständigen auch darüber, dass die Berechnung dieser Fehlerquellen nicht summarisch erfolgt. Die Berechnung erfolgt in der Weise, dass zu dem Alignmentfehler die Quadratwurzel aus der Summe der Fehlerquadrate der externen Störer addiert wird, wobei sich die vom Gericht angehörten Sachverständigen nicht darüber einig sind, ob nur der Nordausrichtungsfehler linear und nicht mit der quadratischen Summe zu betrachten ist oder auch der Anlagenfehler. Die Auswirkungen dieses Streits sind indes marginal.
Nach Auffassung der Kammer ist selbst im Fall des Betriebs aller zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen nicht zu befürchten, dass es zu Winkelfehlern kommt, die unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Navigationsanlage DVOR "Leine" nicht mehr tolerabel sind.
Die Kammer geht davon aus, dass bis zu einem Winkelfehler von 3,5° Störungen nicht zu erwarten sind. Dieser Wert ergibt sich aus dem ICAO-Dokument 8071; der Wert war zwischen den Sachverständigen zunächst auch unstreitig. Die Beigeladene zu 2, die am Ende der mündlichen Verhandlung darauf hinwies, es gebe auch Dokumente, aus denen ein geringerer Wert abgleitet werden könne (nämlich ein Wert von 3,0°), hatte bis dahin all ihren Berechnungen den Wert von 3,5° (für konventionelle Navigation) und sogar von 3,6° für Flächennavigation zugrunde gelegt (vgl. etwa die mit Schriftsatz vom 27.05.2011 übersandte Präsentation). Die Erklärungen der Beigeladenen zu 2, warum nunmehr der Wert von 3,0° maßgeblich sein soll, überzeugen nicht. Die Beigeladene zu 2 weist darauf hin, das Dokument 8071 betreffe nur sogenannte Radialflüge (also die konventionelle Navigation), gelte aber nicht für die Flächennavigation.
Bei der konventionellen Navigation werden festgelegte Funkfeuer am Boden angeflogen (Radialflüge). Bei der Flächennavigation müssen diese Funkfeuer nicht mehr angeflogen werden, die Route erfolgt vielmehr über frei wählbare Wegpunkte (waypoints), was eine effektivere Luftraumnutzung erlaubt. Nach Auskunft der Beigeladenen zu 2 wird mittlerweile ca. 80% des Luftverkehrs über Flächennavigation abgewickelt. Nach Auffassung der Kammer gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte für die Annahme der Beigeladenen zu 2, bei der Flächennavigation sei allenfalls ein Winkelfehler von 3,0° tolerabel. Abgesehen davon, dass sie sich damit in Widerspruch setzt zu ihren bisherigen Einlassungen, vermag die Begründung für den Meinungswechsel nicht zu überzeugen. Der Sachverständige der Klägerin, H., weist darauf hin, dass das ICAO-Dokument 8071 nach wie vor aktuell sei, obwohl es Fehlerquellen für Radialflüge vorsehe. Träfe die Annahme der Beigeladenen zu 2 zu, dass Flächennavigation eine geringere Fehlertoleranz verlange, so hätte es angesichts des Umstandes, dass mittlerweile der weit überwiegende Teil des Luftverkehrs über Flächennavigation abgewickelt werde, nahegelegen, in den aktuellen Dokumenten darauf Rücksicht zu nehmen. Dies sei aber nicht geschehen und zwinge zu dem Schluss, dass an die Flächennavigation keine höheren Anforderungen gestellt werden müssten. Die Kammer überzeugt das, zumal die Beigeladene zu 2 in der mündlichen Verhandlung auch keine Dokumente benennen konnte, aus denen sich eine andere Fehlertoleranz für Flächennavigation ergebe. Sie verwies lediglich auf ein Sitzungsprotokoll eines Gremiums der ICAO aus dem Mai 2011. In dieser Sitzung sei von Fachleuten die Auffassung geäußert worden, das aktuelle Material sei nicht ausreichend, um den Bedingungen der Flächennavigation gerecht zu werden. Die Kammer hat sich in der mündlichen Verhandlung von den Sachverständigen die Arbeitsweise dieser Gremien erläutern lassen. Danach gibt es bei der ICAO eine ganze Reihe solcher Gremien, in denen unter jeweils verschiedenen Aspekten solche Fragen diskutiert werden. Diese Diskussionen werden zusammengetragen und finden dann unter Abwägung der verschiedenen Sichtweisen dieser Gremien gegebenenfalls Eingang in von der ICAO beschlossene Dokumente. Erst solche Dokumente können Beachtung beanspruchen. Nach den Erkenntnissen der Kammer gibt es aber kein solches Dokument, das für Flächennavigation eine geringere Fehlertoleranz als 3,5° vorsieht.
Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich zu erwarten, dass es durch den Betrieb der streitbefangenen Windenergieanlagen zu Winkelfehlern von mehr als 3,5° kommt.
Die Beteiligten streiten insofern im Wesentlichen um zwei Punkte. Der erste Punkt ist, ob bei der Addition der möglichen Winkelfehler der Alignmentfehler mit 2,0° zu berücksichtigen ist, weil sich aus dem ICAO-Anhang 10, Kap. 3.3.3 ergibt, dass dieser Wert von der Anlage eingehalten werden muss (so die Beigeladene zu 2), oder ob auf den - geringeren - tatsächlichen Anlagenfehler abzustellen ist, so wie er sich aus Flugvermessungen ergibt (so die Klägerin) (dazu unter (a)). Der zweite Punkt ist, welches Störpotential von den zur Genehmigung gestellten und den bereits vorhandenen Windenergieanlagen ausgeht (dazu unter (b)).
(a) Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen zu 2, bei der Berechnung des verfügbaren Potentials für neue Störer müsse vorab für den Alignmentfehler ein Abzug von 2,0° vorgenommen werden.
Eine Navigationsanlage muss so betrieben werden, dass der Alignmentfehler (ground station contribution) 2,0° nicht überschreitet. Das ergibt sich aus dem ICAO-Anhang 10, Kap. 3.3.3.2. Der Alignmentfehler umfasst den Nordausrichtungsfehler und den Fehler der Anlage selbst.
Der Nordausrichtungsfehler entsteht dadurch, dass der magnetische Nordpol wandert. Der Wert, um den der magnetische Nordpol wandert, wird der Beigeladenen zu 2 jeweils mitgeteilt. Er kann berücksichtigt werden, indem an der Anlage eine entsprechende Änderung vorgenommen wird. Die Beigeladene zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung dazu erklärt, sie korrigiere den Nordausrichtungsfehler, wenn er sich in eine Richtung um etwa 1° bewege. Dies sei in der Regel alle zwei Jahre der Fall. Korrekturen in kürzeren Intervallen würden nicht vorgenommen, weil nach den Bestimmungen des Lastenheftes Flugvermessung, denen der Charakter von Verwaltungsvorschriften zukomme, eine Flugvermessung in Form eines Kreisfluges vorzunehmen sei, die erhebliche Kosten verursache.
Ein Instrument, um die Funktionsfähigkeit der Anlage permanent zu überwachen, stellt die sogenannte Monitorüberwachung dar, die sich das Gericht vor Ort hat erläutern lassen. In einer Entfernung zur Anlage von 100 m steht ein Empfänger, der in diesem Radial Signale der Anlage empfängt. In der Anlage selbst steht ein Monitor, der auf eine Anlagentoleranz von +/- 1° eingestellt ist. Die Anlage schaltet sich automatisch ab, wenn diese Anlagentoleranz (nicht nur kurzfristig) überschritten wird. Da die Monitorüberwachung nur das Radial betrifft, an dem der Empfänger steht, wird durch diese Art der Überwachung allerdings nicht sichergestellt, dass der Alignmentfehler auf anderen Radialen 2,0° nicht übersteigt. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Im Übrigen wird die Funktionsfähigkeit der Anlage durch Flugvermessungen überwacht. Dabei wird unterschieden zwischen Radialflügen, bei denen eine Vermessung nur auf bestimmten angeflogenen Radialen durchgeführt wird, und Kreisflügen, bei denen sämtliche Radiale überflogen und vermessen werden. Die Beigeladene zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, solche Kreisflüge würden aus Kostengründen nur noch alle fünf Jahre durchgeführt. In der Vergangenheit habe es engere Intervalle gegeben.
In den vergangenen Jahren gab es mehrere Flugvermessungen der Navigationsanlage DVOR "Leine", nämlich vier Kreisflüge sowie drei Messungen auf dem Radial R044 (beeinflusst durch den Windpark I. 1) und jeweils eine Messung auf den Radialen R024 und R035 (Einfluss durch den Windpark I. 1 und im Einflussgebiet des beabsichtigten Windparks I. 2). Alle diese Messungen ergaben Gesamtwinkelfehler (also unter Einschluss des Alignmentfehlers sowie sämtlicher Störungen) in dem maßgeblichen Bereich von nicht mehr als 1°.
Nach Auffassung der Kammer kann nur die tatsächliche Vorbelastung bei der Beurteilung der zu erwartenden Störungen Berücksichtigung finden. Die Erwägungen, aus denen die Beigeladene zu 2 einen Abzug des maximal zulässigen Anlagenfehlers von 2,0° für gerechtfertigt hält, überzeugen nicht.
Die Beigeladene zu 2 beruft sich zum einen darauf, ihr stehe eine Rechtsposition zu, dieses Fehlerbudget auszuschöpfen. Habe die Anlage eine bessere "Performance", so könne der Betreiber diese für sich nutzen, um Wartungsintervalle zu verkürzen oder etwa in Zukunft eine alte und zu ersetzende DVOR durch eine kostengünstigere VOR zu ersetzen. Eine Reduzierung dieses Fehlerbudgets greife in ihre durch Art. 14 Grundgesetz geschützten Eigentumsrechte ein. Damit verkennt die Beigeladene zu 2 den Inhalt der Regelung in ICAO-Anhang 10, Kap. 3.3.3.2. Diese Vorschrift stellt bestimmte Anforderungen an den Betrieb einer Navigationsanlage. Nur wenn diese erfüllt sind, darf die Anlage betrieben werden. Eine Rechtsposition ergibt sich daraus nur insofern, als der Betrieb nicht untersagt werden darf, solange eine Anlage diesen Anforderungen genügt. Daraus kann nicht im Umkehrschluss eine materielle Rechtsposition abgeleitet werden, die in der Abwägung mit Rechten Dritter ein Abwehrrecht begründen könnte. Das gibt die Regelung in ICAO-Anhang 10, Kap. 3.3.3.2 bereits von ihrem Inhalt und ihrem Wortlaut nicht her. Abgesehen davon handelt es sich bei dieser Regelung - wie oben bereits ausgeführt - um einen fachlichen Standard, nicht um eine Rechtsnorm im eigentlichen Sinne. Auch deswegen vermag diese Regelung nicht über ihre Berücksichtigung als fachlicher Standard hinaus eine Rechtsposition gegenüber anderen Grundstückseigentümern zu begründen.
Den Ausgleich der Interessen zwischen dem Betreiber einer Flugsicherungseinrichtung und dem Interesse der Eigentümer von in der Nähe gelegen Grundstücken, diese zu bebauen, regeln allein § 18 a und § 19 LuftVG. Eine Errichtung von Bauwerken ist nicht möglich, wenn Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können (§ 18 a Abs. 1 LuftVG). Wie der Konflikt zwischen bestehenden Bauwerken und Flugsicherungseinrichtungen zu lösen ist, regelt § 18 a Abs. 2 LuftVG. Im Falle der Störung müssen die Eigentümer Veränderungen an Bauwerken dulden, wobei Satz 2 diese Duldungspflicht von einem Vergleich der anfallenden Kosten abhängig macht. Gemäß § 19 Abs. 1 LuftVG ist Eigentümern, denen durch Maßnahmen auf Grund von § 18 a LuftVG Vermögensnachteile entstehen, eine angemessene Entschädigung zu leisten. § 18 a und § 19 LuftVG stellen einen Ausgleich zwischen den Interessen der Flugsicherung und den durch Art. 14 Grundgesetz geschützten Interessen der Grundstückseigentümer dar.
Gemäß § 18 a Abs. 1 LuftVG ist auf den tatsächlichen Betrieb der Anlage abzustellen, der gestört werden kann. Dies legt der Wortlaut nahe und Sinn und Zweck der Regelung gebieten keine andere Auslegung. Die Navigationsanlage DVOR "Leine" hat mit einem bei Flugvermessungen festgestellten Gesamtwinkelfehler von nicht mehr als 1° eine nach Meinung aller Beteiligten gute "Performance". Ob auch eine schlechtere "Performance" mit einem Alignmentfehler von bis zu 2°, die aber durch zumutbaren wirtschaftlichen Aufwand (etwa kürzere Wartungsintervalle und/oder kürzere Intervalle für die Korrektur des Nordausrichtungsfehlers) verbessert werden könnte, der Errichtung von Bauwerken entgegen gehalten werden kann, muss die Kammer daher nicht entscheiden.
Die Beigeladene zu 2 macht darüber hinaus geltend, eine Reduzierung des Fehlerbudgets führe zu einer erheblichen Einschränkung des Betriebs der Anlage, weil Änderungen an der Monitoreinstellung vorgenommen werden müssten. Dies ist nach Auffassung des Gerichts, das sich vor dem Hintergrund dieses Einwands die Funktionsweise der Anlage und insbesondere des Monitors vor Ort hat erläutern lassen, nicht der Fall. Die Monitoreinstellung hat mit der Frage, welche Störungen insgesamt zu erwarten sind, nur am Rande etwas zu tun. Mit der Monitorüberwachung kann - wie oben ausgeführt - nicht das gesamte auf die Anlage einwirkende Störpotential ermittelt werden. Die Monitoreinstellung, mit der ohnehin nur ein bestimmtes Radial überwacht wird, hilft also nicht bei der Frage, ob der Winkelfehler die Toleranz von 3,5° einhält.
Schließlich führt die Beigeladene zu 2 an, die Flugvermessungen gäben - zumindest in Bezug auf die vorhandenen Windenergieanlagen - nicht zuverlässig Auskunft über das tatsächliche Störpotential. Anders als bei statischen Bauwerken könne die Störwirkung von Windenergieanlagen abhängig von Windrichtung und -geschwindigkeit wegen der Rotorbewegungen unterschiedlich sein. Eine Flugvermessung gebe daher nur bedingt Auskunft über das Störpotential, da nicht sichergestellt sei, dass Worst-Case-Bedingungen geherrscht hätten. Selbst wenn dieser Einwand zuträfe, beträfe dies aber nicht die übrigen Störwirkungen. Über diese geben die Ergebnisse der Flugvermessung hinreichend zuverlässig Auskunft. Die Kammer unterstellt daher zu Gunsten der Beigeladenen zu 2, dass der gemessene Gesamtwinkelfehler von 1° nicht die bereits vorhandenen Windenergieanlagen erfasst.
(b) Das von den vorhandenen und den zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen insgesamt ausgehende Störpotential ist so gering, dass unter Berücksichtigung des übrigen Störpotentials von 1° ein Gesamtwinkelfehler zu erwarten ist, der geringer als 3,5° und sogar geringer als 3,0° ist. Es bleibt damit noch Raum für einen Sicherheitszuschlag.
Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren ein weiteres Gutachten des Sachverständigen H. (vom 16.05.2011) vorgelegt, das auf der Grundlage einer Simulationsberechnung die Auswirkungen der bestehenden acht Windenergieanlagen (Windpark I. 1) und der vier zur Genehmigung gestellten Anlagen (Windpark I. 2) untersucht. Unter der Worst-Case-Annahme, dass die Rotorblätter voll angestrahlt werden und insgesamt metallisch sind, errechnet H. ein Störpotential durch alle Windenergieanlagen von deutlich unter 1°, erst recht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in all diesen Fällen nach den von ICAO definierten Regeln nur eine 95%-Wahrscheinlichkeit einzuhalten ist. Es ergeben sich dann Werte, die sogar unter 0,5° liegen.
Die Beigeladene zu 2 kommt auf der Grundlage eines Prognosemodells, das sie als "Berechnungstool" bezeichnet und das auf einer Studie der französischen ENAC beruht, zu dem Ergebnis, dass ein Störpotential in einem Bereich von 1,4° (für alle 12 Windenergieanlagen) zu erwarten sei.
Die Kammer hält die Berechnungen des Sachverständigen H. für überzeugend und legt diese der Entscheidung zugrunde. H. hat nachvollziehbar erläutert, dass es sich dabei um ein Simulationsmodell handelt, wie es die Regelungen der ICAO vorsehen. Das stellt auch die Beigeladene zu 2 nicht in Zweifel. Sie hält die Simulation aber für zweifelhaft, weil sie den sogenannten "Doppler-Effekt" durch drehende Rotoren nicht hinreichend berücksichtige. Laboruntersuchungen hätten ergeben, dass es hier signifikante Effekte geben könnte. Diese Frage sei zurzeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und Diskussionen.
Nach den Ausführungen beider Sachverständigen ist in der wissenschaftlichen Diskussion offen und bisher nicht belegt, ob es den von der Beigeladenen zu 2 vermuteten sogenannten "Doppler-Effekt" gibt, der in den herkömmlichen, auch von H. durchgeführten Computersimulationen nicht (hinreichend) berücksichtigt würde. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diese in der Wissenschaft offene Frage zu klären. Maßstab des § 18 a LuftVG ist, ob Störungen hinreichend wahrscheinlich zu erwarten sind. Dazu muss es zumindest einigermaßen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse geben. Diese fehlen, weil der "Doppler-Effekt" bisher nicht durch Messungen an Windenergieanlagen nachgewiesen werden konnte. Es gibt lediglich Laboruntersuchungen, über deren Übertragbarkeit gestritten wird. Wissenschaftlich belegt ist dieser Effekt damit (bisher) nicht.
Nach Auffassung der Kammer liegt das gesamte Störpotential für die Navigationsanlage einschließlich der durch die bestehenden und die zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen in einem Bereich um 1,5° und damit deutlich sowohl unter der Grenze von 3,5° als auch unter der von 3,0°. Diese Betrachtung bezieht - weil die Berechnungen der Beteiligten darauf abstellen - alle vier zur Genehmigung gestellten Anlagen ein. Das Störpotential ist geringer, wenn nur die "WEA 2" einbezogen wird. Selbst wenn das Störpotential der Windenergieanlage entsprechend den Berechnungen der Beigeladenen zu 2 mit 1,4° zugrunde gelegt würde, wäre das gesamte Störpotential geringer als 3,5° und wohl auch geringer als 3,0°.
Weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften, die der Erteilung des Vorbescheides entgegen stehen könnten, sind - jedenfalls nach den Erklärungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung - nicht ersichtlich.
Die Kammer versteht das Begehren der Klägerin so, dass die Frage der Sicherung der ausreichenden Erschließung bei der Erteilung des Vorbescheides ausgeklammert ist, da bereits der Genehmigungsantrag keine Angaben zu der Frage der Erschließung enthält. Auch von der Genehmigungsbehörde wurde das Begehren offenbar in diesem Sinne verstanden. Die Beigeladene zu 1 hatte die Versagung des Einvernehmens zwar auch darauf gestützt, dass die ausreichende Erschließung zurzeit nicht gesichert sei, und verband dies mit dem Hinweis, dass diese im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nachzuweisen sei. Mit Schreiben vom 26.07.2006 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 mit, dass die Frage der Erschließung gemäß § 35 Abs. 1 BauGB erst im Genehmigungsverfahren zu prüfen sei. Dass es von vornherein ausgeschlossen wäre, die ausreichende Erschließung zu sichern, hat keiner der Beteiligten geltend gemacht.
Das von der Beigeladenen zu 1 versagte gemeindliche Einvernehmen wird durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO. Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil sowohl der Frage, ob auch die vom Rotor überstrichene Fläche in einem durch Raumordnungsprogramm festgelegten Vorranggebiet liegen muss, als auch der Frage, welche Maßstäbe bei der Beurteilung anzulegen sind, ob Navigationsanlagen durch Windenergieanlagen gestört werden können (§ 18 a LuftVG), grundsätzliche Bedeutung zukommt.