Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 23.04.2021, Az.: 5 B 1736/21
Aufenthaltserlaubnis; Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen; Duldung; Duldung aus gesundheitlichen Gründen; Glaubhaftmachung; kein Anordnungsanspruch; kein Anordnungsgrund; keine Abschiebungsandrohung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.04.2021
- Aktenzeichen
- 5 B 1736/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70982
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 VwGO
- § 25 Abs 5 AufenthG
- § 60a Abs 2c AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Anordnungsanspruch: keine Reiseunfähigkeit glaubhaft gemacht, keine Aufenthaltserlaubnis aus familären Gründen
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren von der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtschutzverfahren Duldungen mit Beschäftigungsgestattung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels.
Die Antragsteller reisten am G. 2013 mit zwei weiteren Kindern (H. und I.) in die Bundesrepublik ein. In der Folge befand sich die Antragstellerin zu 3. wiederholt in ärztlicher Behandlung. Sie war im Jahre 2014 nach Beschluss des AG Neustadt zeitweise in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht und wurde anschließend vom sozialpsychiatrischen Dienst der Region A-Stadt ambulant behandelt. Das AG Neustadt ordnete mit Beschluss vom 1. April 2015 außerdem eine Betreuung an. Die Antragsteller legten im Verwaltungsverfahren verschiedene ärztliche Berichte vor, u. a. diagnostizierte eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in einem Arztbrief vom 7. Oktober 2016 eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Impulsiver Typ und eine Anpassungsstörung, worauf auch ein weiterer, aktuellerer Arztbrief vom 11. Dezember 2019 verweist, der außerdem eine Medikation mit Fluanxol 2x2mg pro Tag sowie Valprat long 450-0-0-300mg angibt. Nach dem Vorbringen des ersten bevollmächtigten Rechtsanwalts leide die Antragstellerin zu 3. an Epilepsie und weiteren psychischen Erkrankungen. Nach Aussage des anschließend bevollmächtigten Rechtsanwalts sei die Antragstellerin zu 3. nicht reisefähig und alleine schon nicht überlebensfähig. Dieser Rechtsanwalt beantragte auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Die Antragsgegnerin stellte den Antragstellern fortlaufend ausländerbehördliche Bescheinigungen bzw. ab dem 4. Januar 2016 Duldungen aus. Mit Schreiben vom 23. Mai 2018 drohte sie den Antragstellern zu 1. und 2. die Abschiebung an und setzte eine Frist von 30 Tagen nach Zustellung der Verfügung. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
Hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. fragte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Juni 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an, ob aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden medizinischen Berichte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG in Betracht kämen. Mit Stellungnahme vom 5. Februar 2020 verneinte das BAMF diese Frage. Die Voraussetzungen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder nach § 60 Abs. 7 AufenthG lägen nicht vor. Eine Verelendung der Antragstellerin zu 3. sei bei deren Rückkehr nach Serbien nicht zu befürchten. Eine ambulante oder stationäre psychiatrische Behandlung sowie das Medikament Mirtazipin sei auch in Serbien verfügbar.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 mit dem Betreff: „Ihr Aufenthalt“ informierte die Antragsgegnerin die Antragsteller zu 1. und 2., dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Abschiebungsverbote für die Antragstellerin zu 3. verneint habe. Eine Duldung wegen medizinischer Gründe komme daher nicht in Betracht. Damit sei der bisherige Duldungsgrund wegen der Prüfung von Abschiebungsverboten erloschen und die Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig. Die Antragsgegnerin hängte Grenzübertrittsbescheinigungen an und bat darum, im Falle einer freiwilligen Rückkehr das Flugticket zu übermitteln, damit sie die Pässe zum Flughafen schicken könne. Zusätzlich übermittelte sie Informationen zum Härtefallverfahren und zur Vorlage von neuen Reisepässen. Das Schreiben endete mit dem Hinweis, dass die Antragsteller beachten sollten, dass Ihnen die Beschäftigung nicht gestattet sei.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2020 wies die Antragsgegnerin die Antragsteller zu 1. und 2. darauf hin, dass Grenzübertrittsbescheinigungen vorerst bis zum 11. August 2020 ausgestellt seien, aufgrund der derzeitigen Ein- und Ausreisebeschränkungen aber verlängert würden. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Antragstellerin zu 3. zu einer beabsichtigten Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet angehört.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2020 zeigte der aktuelle Prozessbevollmächtigte gegenüber der Antragsgegnerin seine Vertretung an, machte diverse Vorhaltungen, begehrte verschiedene Handlungen und legte (erneut) die ärztlichen Berichte vor. Mit Schreiben vom 26. Juni 2020 forderte die Antragsgegnerin vom Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht und wies daraufhin, dass eine Ausreisefrist bis zum 11. August 2020 gewährt worden sei.
Die Antragsteller haben am 20. Juli 2020 Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht.
Nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten seien die Hygienebedingungen bei einer Abschiebung unklar. Die Corona-Schutzmaßnahmen funktionierten nur in Deutschland. Die Bescheide seien nicht wirksam bekanntgegeben, weil sie an eine längst nicht mehr involvierte Kanzlei versandt worden seien. Die vorliegende Erkrankung der Antragstellerin zu 3. erfülle jedenfalls ein Abschiebungsverbot. Es bestehe keine Anbindung an den Heimatstaat mehr. Die Eltern unterstützten die schwerkranke Tochter. Eine Rückkehr bedeute Obdachlosigkeit in einem nun fremden Land. Die Antragsteller erfüllten beinahe die Einbürgerungsvoraussetzungen. Zumindest aus humanitären Gründen liege ein Bleiberecht vor.
Die Antragsteller haben in der Antragsschrift wörtlich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen,
sie haben darin und in weiteren Schriftsätzen Klarstellungen zum Begehren versucht und das Schreiben vom 16. Juni 2020 als den angegriffenen Bescheid vorgelegt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Sie hätten einen solchen nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsteller seien erst weit nach Erreichen der Volljährigkeit in das Bundesgebiet gereist. Die Erkrankung konstituiere kein Abschiebungsverbot. Hinsichtlich der Antragsteller zu 1. und 2. sei außerdem zu beachten, dass die Antragstellerin zu 3. volljährig sei und darüber hinaus unter Betreuung stehe. Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus sei in Serbien vergleichbar. Konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien noch nicht geplant.
Mit Beschluss vom 3. August 2020 hat die damals zuständige 19. Kammer die asylrechtlichen Fragestellungen gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgetrennt. Unter dem 1. September 2020 hat die dafür zuständige 13. Kammer vorläufigen Rechtschutz abgelehnt (Az. J.). Der Antrag sei bereits nicht statthaft, da die Antragsteller keinen Bescheid mit einer Abschiebungsandrohung vorgelegt hätten und nicht ersichtlich sei, dass die Antragsteller beim BAMF überhaupt ein Asylverfahren durchgeführt hätten. Das Hauptsacheverfahren hat sich anschließend am 11. September 2020 erledigt (Az. K.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Soweit die Antragsteller erkennbar den Verbleib im Bundesgebiet als Rechtsschutzziel verfolgen, ist der Antrag nach sachdienlicher Auslegung der Anträge und der sonstigen Stellungnahmen der verschiedenen Rechtsanwälte im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren gem. § 88, 122 VwGO als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 123 VwGO auszulegen. Er ist insoweit zulässig, insbesondere statthaft (1.), aber mangels Anordnungsgrundes der Antragstellerin zu 3. (2a.) und mangels Anordnungsanspruchs aller drei Antragsteller (2b.) unbegründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist statthaft und auch ansonsten zulässig.
Das Begehren der Antragsteller ist in der Hauptsache augenscheinlich auf einen weiteren Aufenthalt in Deutschland mit Beschäftigungsmöglichkeit gerichtet. Dafür müsste die Antragsgegnerin entsprechend weitere Duldungen oder erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Die Antragsteller waren seit ihrer Einreise zu keinem Zeitpunkt im Besitz eines Aufenthaltstitels, sondern nur im Besitz einer ausländerrechtlichen Bescheinigung bzw. Duldung, sodass die beantragte Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich ist. Soweit die Antragsteller die Feststellung von Abschiebungsverboten beantragt haben, ist das asylrechtliche Vorbringen gegenüber dem BAMF abgetrennt und rechtskräftig von der 13. Kammer des Gerichts entschieden worden.
Es handelt sich damit in der Hauptsache um eine Verpflichtungssituation, bei der vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, sondern auf Grundlage des § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren ist. Anderes gilt allenfalls dann, wenn die ablehnende Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels zugleich eine gesetzliche Fiktion beseitigt und dadurch eigene Beschwer entfaltet, die mit der Anfechtungsklage und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO angegriffen werden könnte. Hier fehlt es dafür jedoch schon an einer ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin über einen fiktionsbegründenden Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie eines „rechtmäßigen“ Aufenthalts i.S.v. § 81 Abs. 3 AufenthG. Der jahrelang geduldete Aufenthalt der Antragsteller ist und bleibt mit Blick auf § 60 a Abs. 3 AufenthG ein rechtswidriger Aufenthalt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.6.2010 – 2 ME 186/10 –, juris Rn. 8).
Der Antrag ist hingegen unstatthaft, soweit die Antragstellerin zu 3. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine Abschiebungsandrohung begehren sollte – entsprechend haben die Antragsteller zumindest den Eilantrag formuliert. Die Antragsgegnerin hat eine solche Abschiebungsandrohung nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ihr gegenüber noch gar nicht erlassen, sondern nur mit Schreiben vom 26. Juni 2020 dazu angehört. Soweit die Antragsteller zu 1. und 2. den Eilantrag und die zugrundeliegende Klage gegen die Abschiebungsandrohung vom 23. Mai 2018 richten sollten, ist diese nach Ablauf der Klagefrist in Bestandskraft erwachsen und die Klage und Eilantrag infolgedessen unzulässig.
2. Der so verstandene zulässige Antrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin zu 3. hat bereits keinen Anordnungsgrund (a), alle drei Antragsteller zumindest keinen Anordnungsanspruch (b) in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht.
a) Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.10.2019 – 8 ME 221/10 –, juris Rn. 4 m. w. N.). Eine solche Eilbedürftigkeit hat die Antragstellerin zu 3. nicht glaubhaft gemacht. In den Verwaltungsvorgängen findet sich zwar eine Anhörung vom 26. Juni 2020 hinsichtlich einer Abschiebungsandrohung gegenüber der Antragstellerin zu 3. Es ist hier jedoch nicht bekannt und von den Antragstellern auch nicht vorgetragen, dass aufgrund der Anhörung tatsächlich eine Abschiebungsandrohung gegenüber der Antragstellerin zu 3. ausgesprochen worden ist. Da auch die Voraussetzungen eines Absehens von einer Abschiebungsandrohung gem. § 59 Abs. 1 AufenthG nach Ansicht des Gerichts nicht erfüllt sind, sind gegenwärtig keine unmittelbaren aufenthaltsbeendenden Schritte gegenüber der Antragstellerin zu 3. zu erwarten. Gegen eine mögliche Abschiebungsandrohung gegenüber der Antragstellerin zu 3. wäre fristgerecht Klage einzulegen bzw. Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen.
Hinsichtlich der Antragsteller zu 1. und 2. besteht ein Anordnungsgrund. Zwar ist das im gerichtlichen Verfahren einzig vorgelegte Schreiben der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 nur eine Information über den aktuellen Stand des Aufenthalts, wonach die Antragsteller zu 1. und 2. vollziehbar ausreisepflichtig sind und in dem auf die freiwillige Ausreisemöglichkeit hingewiesen wird. Allerdings könnte die Abschiebung der Antragsteller zu 1. und 2. aufgrund der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung vom 23. Mai 2018 jederzeit stattfinden.
b) Die Antragsteller zu 1. und 2. und selbstständig tragend auch die Antragstellerin zu 3. haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass den Antragstellern auf der Grundlage ihres Vorbringens eine Duldung oder eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sein könnte.
Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die Abschiebung wegen einer bei der Antragstellerin zu 3. bestehenden krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen.
Da nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG vermutet wird, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, muss der Ausländer, will er unter Berufung auf gesundheitliche Gründe eine Aussetzung der Abschiebung erwirken, die widerlegliche Vermutung entkräften (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.3.2019 – 13 ME 519/18 –, juris Rn. 28 m. w. N.). Hierzu muss er der Ausländerbehörde gemäß § 60a Abs. 2d Satz 1 AufenthG unverzüglich eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung vorlegen, die den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Sätze 2 bis 4 AufenthG genügt. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
Nach diesen Maßgaben – und den im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes allein zu berücksichtigenden präsenten Beweismitteln und glaubhaft gemachten Tatsachen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.3.2013 – 8 ME 44/13 –, juris Rn. 5) – ist eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 3. nicht glaubhaft gemacht. Die ärztlichen Berichte können eine aktuelle Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 3. nicht hinreichend belegen. Sie treffen über die Reiseunfähigkeit überwiegend bereits keine Aussage, beschreiben ansonsten einen bereits länger zurückliegenden Zeitraum und erfüllen insgesamt die Voraussetzungen an ärztliche Berichte i. S. v. § 60a AufenthG nicht. Zusätzlich haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin zu 3. auf die Antragsteller zu 1. und 2. angewiesen ist. Die Antragstellerin zu 3. mag unter Anpassungsstörungen leiden und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung haben. Sie wird zwar in den noch am ehesten aussagekräftigsten ärztlichen Berichten als „impulsiver Typ“ eingeordnet, ist aber über 30 Jahre alt und damit schon lange volljährig; eine Pflegebedürftigkeit oder der Bedarf einer umfassenden Betreuung durch die Antragsteller zu 1. und 2. ist nicht erkennbar. Dazu trägt auch bei, dass sie bereits unter Betreuung steht. Eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 3. und erst recht eine Abhängigkeit von den Antragstellern zu 1. und 2. ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht abzuleiten.
Einen eigenständigen Grund für eine Aussetzung der Abschiebung der Antragstellerin zu 1. und 2. haben diese weder vorgetragen noch ist er sonst ersichtlich.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsteller im Hinblick auf das in Art. 8 EMRK garantierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu dulden sein könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begründet, grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (BVerwG, Urt. v. 26.10.2020 - 1 C 18.09 -, juris Rn. 14). Den Antragstellern wurden seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich ausländerbehördliche Bescheinigungen und Duldungen erteilt, sodass sie weder einen rechtmäßigen Aufenthalt hatten noch ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet haben konnten.
Aus denselben Gründen ist auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ersichtlich. Grundsätzlich kann sich aus einer Reiseunfähigkeit ein inlandsbezogenes Ausreisehindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG ergeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, der Gesundheitszustand des Ausländers werde sich durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern, und diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch den Transport als solchen wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmalig entstehen würde (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch dann, wenn sich durch die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorganges und unabhängig vom Zielstaat - der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn, vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.03.2011 – 8 LB 121/08 – juris Rn. 47 m. w. N.). Die Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 3. im engeren oder im weiteren Sinne ist durch die von den Antragstellern vorgelegten ärztlichen Berichte nicht glaubhaft gemacht worden. Die Berichte entsprechen weder den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG noch legen sie eine Reiseunfähigkeit nahe (so bereits oben zu § 60a AufenthG).
Ein Anspruch auf andere Aufenthaltstitel ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht Nr. 8.1, Nr. 1.1.3 und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet.
Prozesskostenhilfe erhält gemäß §§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hier fehlt es aus den vorstehenden Gründen bereits an hinreichenden Erfolgsaussichten.