Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 10.12.2003, Az.: 5 A 199/02
Ausnahmebewilligung; Berufsfreiheit; Eintragung in die Handwerksrolle; Herstellung von Rohmauerwerk; Inländerdiskriminierung; Kernbereich; langjährige Erfahrung; Leipziger Beschlüsse; Maurerhandwerk; Meisterprüfung; notwendige Kenntnisse und Fertigkeiten; selbständige Tätigkeit; unzumutbare Belastung; wesentliche Tätigkeit; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 10.12.2003
- Aktenzeichen
- 5 A 199/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48287
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 HwO
- § 8 Abs 1 HwO
- Art 12 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein Ausnahmefall i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 HwO kann in dem fortgeschrittenen Lebensalter des Antragstellers begründet sein (hier verneint bei einem Lebensalter von knapp 44 Jahren).
2. Die Beschränkung der selbständigen Handwerksausübung auf den Kernbereich eines Handwerks (hier Herstellung von Rohmauerwerk als Teil des Maurerhandwerks) stellt keinen Ausnahmegrund für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung dar.
Tatbestand:
Der Kläger ist am ... geboren. Er bestand 1978 die Gesellenprüfung im Maurerhandwerk und 1988 die Prüfung zum Werkpolier mit der Fachrichtung Hochbau. Im März 2000 meldete er bei der Samtgemeinde E. das Gewerbe „Fugen, Eisenflechten, Einbau von genormten industriegefertigten Fertigteilen, Bodenleger, Erdarbeiten“ mit Wirkung zum 15. April 2000 an.
Im Januar 2001 beantragte der Kläger die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle nach § 8 HwO und erklärte, dass er seinen Betrieb um das Handwerk Maurer- und Betonbauer erweitern wolle. Dem Antrag legte er neben seinen Prüfungszeugnissen auch Zeugnisse seiner früheren Arbeitgeber bei. Danach war er im Anschluss an seine Lehrzeit bis 1986 in seinem Ausbildungsbetrieb F. und von 1987 bzw. - gemäß nachfolgend korrigierten Angaben seit Mai 1986 - bis Dezember 1999 bei der Firma G. zunächst als Maurergeselle und später als Werkpolier beschäftigt. Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger aus, dass er langjährige Erfahrungen in führender Position mit Arbeiten in Eigenverantwortung habe. Nach dem Fall der Mauer sei er 3 ½ Jahre für die Firma H. in den neuen Bundesländern tätig gewesen. Eigenständigkeit und Verantwortung seien dort unabdingbar gewesen. Bei seinen jetzigen baunebengewerblichen Tätigkeiten sei es nicht möglich, alle Aufträge anzunehmen. Kaufmännische Erfahrungen habe er in seiner derzeitigen selbständigen Tätigkeit gesammelt. Eine Unterbrechung seiner beruflichen Tätigkeit könne er sich schon im Hinblick auf seine gewerblichen Investitionen nicht leisten.
Nachdem die Beklagte Bedenken gegen den Antrag des Klägers geäußert hatte, beschränkte der Kläger ihn zunächst dahin, dass die Ausnahmebewilligung nicht für das volle Maurer- und Betonbauerhandwerk erstrebt werde, sondern lediglich für Spezialtätigkeiten gemäß Ziffern 1 und 3 des Berufsbildes nach der Maurermeisterverordnung. Damit erfülle er nach den Leipziger Beschlüssen die Voraussetzung für die Erteilung einer unbefristeten Ausnahmebewilligung, sofern er die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen könne. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Dezember 2001 beschränkte der Kläger den Antrag weiterhin auf das Mauern und die Herstellung von Bauwerken einschließlich Bauwerksteilen aus künstlichen Steinen. Der Antrag umfasse nur noch das Erstellen von Rohmauerwerk. Für diese Tätigkeit sei keine besondere Qualifikation Voraussetzung. So lasse die Firma I. private Bauherren ohne handwerkliche Ausbildung nach kurzer Einweisung und Anleitung selbst den Rohbau ihrer Selbstbauhäuser mauern.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Februar 2002 ab, nachdem sich zuvor auch die Beigeladene negativ zu dem Begehren des Klägers geäußert hatte. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung nicht, er stelle keinen Ausnahmefall im Sinne von § 8 Abs. 1 HwO dar. Er sei 42 Jahre alt und damit in einem Lebensalter, in dem ihm die Ablegung der Meisterprüfung zuzumuten sei. Zu seinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen habe er keine Nachweise eingereicht, sodass ein Ausnahmefall aus diesen Gründen nicht dargetan sei. Aus den sog. Leipziger Beschlüssen des Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht könne der Kläger nichts für sich herleiten. Danach könne ein Ausnahmefall unter bestimmten Voraussetzungen bei einem Lebensalter von etwa 47 Jahren angenommen werden. Bei einer langjährigen, d.h. etwa 20jährigen Tätigkeit in herausgehobener Stellung des Handwerks könne die Altersgrenze auch angemessen herabgesetzt werden. Eine Herabsetzung auf das 42. Lebensjahr sei vorliegend aber nicht zu rechtfertigen. Ein Ausnahmefall komme nach den Leipziger Beschlüssen auch bei der Aufnahme einer begrenzten Spezialtätigkeit eines Handwerks in Betracht. Die Erstellung von Rohmauerwerk gehöre dazu aber nicht, sie gebe dem Berufsbild des Maurers und Betonbauers vielmehr das typische Gepräge.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und machte geltend, dass die Ablehnung seines Antrags ihn in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletze. Er beabsichtige nur einen eng begrenzten Teilbereich des Maurerhandwerks auszuüben, für den die Ablegung der Meisterprüfung nicht verlangt werden könne. Bei ihm liege ein Ausnahmegrund im Sinne von § 8 HwO vor, aufgrund seiner 26jährigen Berufserfahrung verfüge er auch über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten in dem Handwerk.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2002 unter Vertiefung ihrer bisherigen Argumentation zurück.
Der Kläger hat am 5. Juli 2002 Klage erhoben, mit der er geltend macht, dass die von ihm beabsichtigte Herstellung von Rohmauerwerk keiner Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO und auch nicht des Nachweises einer Meisterprüfung bedarf. Zumindest sei ihm eine Ausnahmebewilligung zu erteilen. Die Entscheidung der Beklagten halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand, sie verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und führe zu einer europarechtlich unzulässigen Inländerdiskriminierung. Die Herstellung von Rohmauerwerk sei leicht erlernbar, sie sei nicht allein dem Handwerk vorbehalten.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass er für die Erstellung von Rohmauerwerk weder eine Ausnahmebewilligung benötigt noch das Bestehen einer Meisterprüfung nachweisen muss,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle nach § 8 HWO für die selbständige Ausübung von Maurertätigkeiten in den Teilbereichen Mauern und Herstellung von Bauwerken einschließlich Bauwerksteilen aus künstlichen Steinen (Rohmauerwerksherstellung) zu erteilen,
den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist dem Begehren des Klägers entgegen getreten und hält an ihrer Rechtsauffassung fest.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie unterstützt das Vorbringen der Beklagten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Das mit dem Hauptantrag zu 1. verfolgte Feststellungsbegehren ist nach § 43 VwGO zulässig. Der Kläger begehrt die Klärung eines zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses. Im Zusammenhang mit der Prüfung, ob er einen Anspruch auf eine Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO hat, ist als Vorfrage zu klären, ob die selbständig und gewerbsmäßig ausgeübte Herstellung von Rohmauerwerk aus künstlichen Steinen den Nachweis einer erfolgreichen Meisterprüfung oder die Erteilung einer Ausnahmebewilligung voraussetzt. Die Frage ist demgemäß nicht nur in einem gegen die Beigeladene zu führenden Verfahren zur Eintragung in die Handwerksrolle von Relevanz, sie stellt sich vielmehr auch im Rahmen des in die Zuständigkeit der Beklagten fallenden Verfahrens nach § 8 HwO.
Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, weil der Kläger bei einem Erfolg seines Begehrens ohne weiteres die streitigen Tätigkeiten ausüben kann.
Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Die selbständige Herstellung von Rohmauerwerk mit künstlichen Steinen im Rahmen eines stehenden Gewerbebetriebes stellt eine nach § 1 Abs. 1, 2 HwO eintragungspflichtige Handwerkstätigkeit dar, sodass der Kläger nach § 7 HwO auf das Bestehen einer Meisterprüfung oder die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zu verweisen ist.
Ein Gewerbebetrieb ist nach § 1 Abs.2 HwO Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Wesentliche Tätigkeiten in diesem Sinne sind solche, die nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehören, sondern gerade den Kernbereich dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essenzielles Gepräge geben. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich umfassen, können daher die Annahme eines Handwerksbetriebes nicht rechtfertigen. Dies trifft namentlich auf Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, sondern nach kurzer Anlernzeit beherrscht werden oder die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des betreffenden Handwerks nebensächlich sind. Dabei ist nicht rein schematisch auf die Zahl der im Einzelnen notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse, sondern deren Gewichtigkeit zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil v. 25.2.1992, GewArch 1992, 306; Honig, HwO, 2. Aufl., § 1 Rdnr. 44). Das Maurer- und Betonbauerhandwerk ist in Nr. 1 der Anlage A aufgeführt. Die Herstellung von Rohmauerwerk stellt eine wesentliche Tätigkeit des Maurerhandwerks dar. Dass sie dem Berufsbild dieses Handwerks entspricht, wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Es handelt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht um eine Tätigkeit, die keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt und von Laien leicht erlernt werden kann. Die Herstellung von Rohmauerwerk, z.B. die Errichtung des Rohbaus von Wohnhäusern oder Industriebauten, stellt seit jeher den Kernbereich des Maurerhandwerks dar und hat für dieses Handwerk überragende Bedeutung. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass für diesen Kernbereich des Handwerks die wesentlichen Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß der Maurermeisterverordnung (vom 21.1.1993, BGBl. I, 90) vorhanden sein müssen, wie z.B. Kenntnisse der Statik, des Wärme-, Schall-, Brand- und Feuchtigkeitsschutzes, der Baukonstruktionen, der Vermessungsarbeiten, der Mörtelgruppen, des Aufmaßes und der Mengenberechnungen, des Anfertigens von Entwurfs-, Teil- und Sonderzeichnungen, des Ausführens von Arbeiten nach gegebenen Plänen und Berechnungen und des Aufstellens von Mengenberechnungen, Leistungsverzeichnissen und Bauabrechnungen. Die Sichtweise des Klägers, diese - nicht vollständig aufgelisteten - Kenntnisse und Fertigkeiten stellten laienhafte Anforderungen dar, ist nicht überzeugend und wird dem Berufsbild des Maurerhandwerks einschließlich seiner Anforderungen nicht ansatzweise gerecht.
Soweit der Kläger grundsätzliche Bedenken gegen die Meisterprüfung als Großen Befähigungsnachweis erhoben hat, greifen diese nicht durch. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Ablegung der Meisterprüfung, die nach der Systematik der Handwerksordnung im Regelfall Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle und den selbständigen Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe ist, mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. BVerfG, Urteil v. 17.7.1961, BVerfGE 13, 97 [BVerfG 17.07.1961 - 1 BvL 44/55]; Beschluss v. 31.3.2000, GewArch 2000, 240 [BVerfG 31.03.2000 - 1 BvR 608/99]; Beschluss v. 27.9.2000, GewArch 2000, 480 [BVerfG 27.09.2000 - 1 BvR 2176/98]; BVerwG, Urteil v. 8.12.1992, GewArch 1993, 165 [BVerwG 08.12.1992 - BVerwG 1 C 5.91]; Beschluss v. 22.12.1998, GewArch 1999, 108 [BVerwG 22.12.1998 - BVerwG 1 B 81/98]; Urteil v. 29.8.2001, GewArch 2001, 479 [BVerwG 29.08.2001 - BVerwG 6 C 4/01]). Für die Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO gilt nichts anderes. Sie eröffnet den Zugang zur selbständigen Handwerksausübung in Ausnahmefällen auch ohne Meisterprüfung und stellt im Vergleich zu dieser keine zusätzlichen oder weitergehenderen Anforderungen an die Berufszulassung.
Die Regelungen über die Erlaubnisbedürftigkeit der Handwerksausübung verstoßen - soweit sie hier relevant sind - auch nicht gegen EU-Recht (vgl. BVerwG, Beschluss v. 22.12.1998, a.a.O., m.w.N. zur sog. Inländerdiskriminierung). In seinem Urteil vom 3. Oktober 2000 (GewArch 2000, 476) hat der EuGH festgestellt, dass Art. 59 EG-Vertrag (jetzt Art. 49 EG) und Art. 4 der Richtlinie 64/427/EWG des Rates vom 7. Juli 1964 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23-40 (Industrie und Handwerk) einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Verrichtung handwerklicher Tätigkeiten in dessen Hoheitsgebiet durch in anderen Mitgliedsstaaten ansässigen Dienstleistenden von einem Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis abhängig macht, das geeignet ist, die Ausübung des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr zu verzögern oder zu erschweren, nachdem die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Tätigkeiten bereits geprüft worden sind und festgestellt worden ist, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Um einen solchen Fall geht es vorliegend nicht. Der Kläger hat nicht bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der EU die von ihm beabsichtigten Handwerkstätigkeiten ausgeübt. Ihm geht es nicht um die nochmalige Überprüfung seiner Handwerksberechtigung, sondern um den erstmaligen Zugang zu dem von ihm beabsichtigten Teilbereich des Maurerhandwerks. Die nach nationalem Recht bestehende Erlaubnisbedürftigkeit der Handwerksausübung ist durch das Urteil des EuGH nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden. Die Mitgliedsstaaten dürfen die Aufnahme der Tätigkeit von einer Prüfung und Feststellung abhängig machen, ob der Handwerker die zur Sicherung der Qualität handwerklicher Arbeiten erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (vgl. Meyer, GewArch 2000, 265, 267).
Der Hilfsantrag zu 1. ist zulässig, in der Sache aber ebenfalls unbegründet.
Nach § 8 Abs.1 HwO ist in Ausnahmefällen eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle (Ausnahmebewilligung) zu erteilen, wenn die zur selbständigen Ausübung des von dem Antragsteller zu betreibenden Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind; dabei sind auch seine bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Ausnahmebewilligung auf einen wesentlichen Teil der Tätigkeiten beschränkt werden, die zu einem in der Anlage A zu diesem Gesetz aufgeführten Gewerbe gehören. In diesem Falle genügt der Nachweis der hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten.
Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn die Ablegung der Meisterprüfung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde. Ausnahmefälle sind dadurch gekennzeichnet, dass der als Regel vorgeschriebene Weg zur Erzielung und zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für einen Bewerber zu einer im Verhältnis zu der Vielzahl anderer Bewerber übermäßigen Belastung führt. Es kommen regelmäßig nur Fälle in Betracht, in denen die mehrjährige Ausbildung als solche und dabei namentlich die unmittelbare Vorbereitung auf die Meisterprüfung oder die Förmlichkeit der Prüfungssituation den Antragsteller mehr als die Vielzahl anderer Bewerber belastet. Dabei muss die Belastung von einigem Gewicht sein, damit nicht die Ausnahmebewilligung als gleichwertige Alternative zum Meisterbrief erscheint, was sie nicht ist (BVerwG, st. Rspr., z.B. Urteil v. 29.8.2001, a.a.O.). In verfassungskonformer Auslegung der Regelungen über den Großen Befähigungsnachweis und der Ausnahmetatbestände ist wegen der mit den Regelungen verbundenen Eingriffe in die Freiheit der selbständigen Berufsausübung eine grundrechtsfreundliche, großzügige Anwendung der Ausnahmetatbestände - hier des § 8 Abs.1 HwO - geboten (BVerwG, Urteil v. 29.8.2001, a.a.O.).
Zur näheren Bestimmung eines Ausnahmefalles hat der Bund-Länder-Ausschuss Handwerksrecht in seinen Beschlüssen vom 21. November 2000 zum Vollzug der Handwerksordnung (sog. Leipziger Beschlüsse) Empfehlungen ausgesprochen und Fallgruppen herausgearbeitet. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beschlüsse keinen Erlasscharakter haben. Sie sind weder im Verwaltungsverfahren noch im vorliegenden Klageverfahren bindend. Der Begriff des Ausnahmefalls ist vielmehr ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Unter Zugrundelegung der von Verfassungs wegen zu fordernden großzügigen Auslegung des Ausnahmefalles stellen die Leipziger Beschlüsse eine Auslegungshilfe dar, ohne dass ihr Wortlaut Verbindlichkeit beanspruchen könnte. Nach Ziff. 2.11 der Beschlüsse soll ein Ausnahmefall anzunehmen sein, wenn sich ein Antragsteller auf eine begrenzte Spezialtätigkeit aus dem Kernbereich eines Handwerks beschränken will, insbesondere, wenn er mehrere Jahre lang in dem Bereich beschäftigt war. Der Kläger erfüllt diesen Ausnahmetatbestand nicht. Die von ihm beabsichtigte Herstellung von Rohmauerwerk ist nach den zuvor gemachten Ausführungen für das Maurerhandwerk prägend. Sie ist nach dem Antrag des Klägers auf die uneingeschränkte Herstellung von Bauwerken und Bauwerksteilen aus künstlichen Steinen gerichtet. Die Beschränkung des Antrags auf den Kernbereich des Maurerhandwerks stellt keine Spezialisierung dar, die nach der Zielrichtung der Ziff. 2.11 der genannten Beschlüsse die Ablegung der Meisterprüfung als unzumutbar erscheinen lässt.
Der Kläger stellt auch keinen Ausnahmefall in Anlehnung an Ziff. 2.11 der Leipziger Beschlüsse dar. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Ablegung der Meisterprüfung ab einem bestimmten Lebensalter einem Bewerber nicht mehr zumutbar ist, wobei die Zumutbarkeitsgrenze in der Vergangenheit bei einem Lebensalter von etwa 48-50 Jahren gezogen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 25.2.1992, GewArch 1992, 242 [BVerwG 25.02.1992 - BVerwG 1 C 56.88]; Nds. OVG, Urteil v. 18.7.1994, GewArch 1995, 75 [OVG Niedersachsen 18.07.1994 - 8 L 1286/94]; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.12.1995, GewArch 1996, 287). Wenn nach den Beschlüssen des Bund-Länder-Ausschusses die Zumutbarkeitsgrenze nunmehr bei einem Lebensalter von etwa 47 Jahren liegen soll mit der Möglichkeit einer angemessenen Verkürzung unter der Voraussetzung einer langjährigen (20jährigen) Berufserfahrung und Aufgabenwahrnehmung in herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Stellung, so kommt dies dem Gebot einer großzügigen Auslegung des Ausnahmefalles zwar entgegen. Der Kläger vollendet in diesem Jahr aber erst sein 44. Lebensjahr, d.h. er befindet sich in einem Lebensalter, das noch deutlich unterhalb der bisher in der o.g. Rechtsprechung vertretenen und auch der vom Bund-Länder-Ausschuss vorgeschlagenen Altersgrenze liegt. Eine Herabsetzung der Zumutbarkeitsgrenze bis auf das jetzige Lebensalter des Klägers erscheint im vorliegenden Fall nicht sachgerecht, auch wenn die vom Kläger geltend gemachte langjährige Berufserfahrung im Maurerhandwerk und die Wahrnehmung von Leitungsfunktionen insbesondere seit seiner Qualifikation zum Werkpolier zugrunde gelegt werden kann. Der Kläger kann - abgesehen von seinen beruflichen Interessen - keine persönlichen oder familiären Besonderheiten vorweisen, die eine im Verhältnis zu den bisherigen Maßstäben erhebliche Herabsetzung der Altersgrenze erfordern würden.
Ob der Kläger über die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HwO notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten in dem zu betreibenden Handwerk verfügt und nachgewiesen hat, kann im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen dahin gestellt bleiben.
Der Klageantrag zu 2. ist unbegründet. Die Beklagte hat das Begehren des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid und dem nachfolgenden Widerspruchsbescheid zu Recht abgelehnt, so dass eine Aufhebung der Bescheide nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt. Deshalb entspricht es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.