Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.11.2003, Az.: 3 A 245/02
Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstückes nach dem Vermögensgesetz (VermG); Erfordernis der entschädigungslosen Übereignung oder Abschreibung des Grundstücks auf Grund Machtmissbrauch, Nötigung oder in sonstwie manipulativer, sittlich anstößiger Weise; Sinn und Zweck des Vermögensgesetzes (VermG)
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 25.11.2003
- Aktenzeichen
- 3 A 245/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 30905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2003:1125.3A245.02.0A
Rechtsgrundlage
- § 1 VermG
Verfahrensgegenstand
Rückübertragung eines Grundstückes
Das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer - hat
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Siebert,
die Richterin am Verwaltungsgericht Sandgaard,
den Richter am Verwaltungsgericht Malinowski sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen Frau Milde und Frau Düsenberg
auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2003
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung eines Grundstücksteils in H. im Bereich der jetzigen Gemeinde Amt Neuhaus, der Beigeladenen.
Der Abbauer F.. hatte ursprünglich ein Grundstück von 3.070 qm Größe. Es handelte um die Parzellen B., C. und D.. Nebenan befand sich das Schulgrundstück, das sich jetzt im Eigentum der beigeladenen Gemeinde Amt Neuhaus befindet. Aus den genannten Parzellen des Abbauers F.. ist 1978 das Flurstück E. gebildet worden, das daneben liegende Grundstück hat damals die Flurstücksbezeichnung 96 erhalten. Das Schulgrundstück Flurstück 96 umfasst seitdem auch Flächen, die früher zu den Parzellen D. und B. gehörten, das Schulgrundstück hat sich mithin "auf Kosten" des Nachbargrundstücks vergrößert. Das Flurstück E. steht nunmehr im Miteigentum der Klägerin.
Mit der "Verkleinerung" des streitbefangenen Grundstückes hat es folgende Bewandtnis:
In den 50er Jahren erfolgte durch das Kataster- und Vermessungsamt Hagenow eine Neuvermessung sämtlicher Grundstücke im Bereich Neuhaus. Die Flurbücher wurden neu angelegt. Die Notwendigkeit zur Neuvermessung ergab sich daraus, dass Neuhaus zuvor zum Bezirk des Katasteramtes Lüneburg gehörte und nach dem Kriege Teil der DDR war. Von Hagenow konnte nicht auf die katastermäßigen Altunterlagen zugegriffen werden konnte. Die neue Vermessung wurde durch das Vermessungsbüro G. durchgeführt, und zwar auf Grundlage der konkreten Nutzung der Grundstücke vor Ort. Aufgrund dessen kam es zu Abweichungen von der historischen Katastersituation. Die Flurstücksbezeichnungen änderten sich, teilweise ergaben sich auch Größendifferenzen. In den 80er Jahren dann wurde das Bestandsverzeichnis des Grundbuches an das zwischenzeitlich erstellte Einheitskataster angeglichen. Auch im vorliegenden Fall stimmten Einheitskataster und Grundbuchbestand nicht überein (2.257 qm zu ursprünglich 3.070 qm). Die im Grundbuch aufgeführte Fläche wurde entsprechend verringert auf 2.257 qm. Im Grundbuch des ehemaligen Amtsgerichtes Neuhaus findet sich hinsichtlich des Grundstücks folgende Eintragung: "Das Bestandverzeichnis ist auf das Einheitskataster am 17.05.1983 zurückgeführt". Auf diese Weise sind die ehemalige Parzelle D. und ein Teil der ehemaligen Parzelle B. in das benachbarte Schulgrundstück Flurstück 96 eingegangen.
Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 16. September 1990 vermögensrechtliche Ansprüche an auf diejenigen Flächen, die von dem Grundbesitz abgeschrieben worden waren.
Mit Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 1999 wurde die Rückübertragung der abgeschriebenen Teilfläche abgelehnt, weil eine entschädigungslose Enteignung und Überführung in Volkseigentum nicht stattgefunden habe, auch ein Machtmissbrauch habe nicht vorgelegen. Der Flächenverlust sei nicht auf unlautere Machenschaften seitens der Katasterbehörde zurückzuführen, es handele sich vermutlich um einen vermessungstechnischen Fehler. Damit seien die Voraussetzungen für eine Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz nicht gegeben.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Juli 2002 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 16. August 2002 Klage erhoben. Sie trägt ebenso wie schon im Widerspruchsverfahren vor: Die abgeschriebene Fläche sei dem Schulgrundstück zugeschlagen und damit in Volkseigentum überführt worden. Der Eigentumsverlust sei durch hoheitliche Maßnahmen eingetreten, indem im Rahmen einer Neuvermessung in den 50er Jahren zum Zwecke der Anlegung neuer Flurbücher einfach ohne ersichtlichen Grund die Fläche reduziert worden sei. Von einem rein verwaltungstechnischen Fehler könne nicht ausgegangen werden. Was bei ihrem Grundstück abgeschrieben worden sei, sei dem Nachbargrundstück zugeschrieben worden. Auch ein verwaltungstechnischer Fehler sei ein hoheitlicher Eingriff in das Eigentumsrecht und sei nach dem Vermögensgesetz rückgängig zu machen. Bei einem Unterschied zwischen der Größenangabe eines Grundstückes im Grundbuch und dem katasteramtlichen Wert sei das Grundbuch maßgeblich und nicht das Kataster. Die Enteignung sei bewusst und geplant für schulische Zwecke durchgeführt worden. Die enteignete Grundstücksfläche habe der Schule zuvor schon als Spielplatz gedient. Sie sei der Gemeinde von dem damaligen Eigentümer zur Nutzung überlassen worden, und die Gemeinde habe auch einen Pachtzins gezahlt. Sei die Abschreibung rechtsgrundlos erfolgt, so bestehe ein Anspruch auf Rückgängigmachung.
In der mündlichen Verhandlung hat der Sohn der Klägerin ergänzt: 1966 sei das Grundstück an seine Großmutter - die Mutter der Klägerin - gegangen, und sie hätten einen Grundbuchauszug darüber bekommen. Damals sei das Grundstück noch in voller Größe verzeichnet gewesen. Erst nach der Grenzöffnung sei festgestellt worden, dass ein Teil des Grundstückes abgeschrieben worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Juli 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die diejenigen Teilflächen der früheren Parzellen 363/110 und 364/111 zurück zu übertragen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert: Die Neuvermessungen seien zwar als fehlerhaftes Verwaltungshandeln zu qualifizieren. Aus dem Akteninhalt sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin oder ihre Rechtsvorgänger gezielt benachteiligt werden sollten oder der Grundstücksteil machtmissbräuchlich in das Eigentum der Gemeinde überführt werden sollte. Ein willkürliches Handeln, das rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderlaufe, sei nicht gegeben. Bei den Neuvermessungen habe es öfter Fehler gegeben, das sei nichts Außergewöhnliches. Meist habe es sich um nur ganz geringe Abweichungen gehandelt. Wenn im vorliegenden Fall über 700 qm abgeschrieben worden seien, sei das mit einem Viertel der ursprünglichen Fläche hingegen ganz ungewöhnlich. Gleichwohl habe es sich um einen offensichtlichen Verwaltungsfehler gehandelt, der seine Ursache in der Schulnutzung gehabt habe. Dieser Verwaltungsfehler sei keine Maßnahme mit Willkürcharakter.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat - jedenfalls nach dem hier alleinüberprüfbaren Vermögensgesetz - keinen Anspruch auf Rückübertragung der streitbefangenen Grundstücksflächen.
1.
Allerdings ist zur vollen Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die streitbefangenen Teilflächen der ursprünglichen Parzellen D. und B. im heutigen Flurstück 96 aufgegangen sind, das im Eigentum der Beigeladenen steht. Das ergibt sich aus einem Vergleich der heutigen Flurkarte mit der von der Beklagten so bezeichneten "Mutterkarte",die sich in den Verwaltungsvorgängen befindet, und die in der mündlichen Verhandlung eingesehen und besprochen worden sind.
2.
Die Klägerin hat nach dem Vermögensgesetz keinen Anspruch auf Rückübertragung der streitbefangenen Grundstücksflächen.
Nach § 3 Vermögensgesetz - VermG - sind Vermögenswerte, die Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG unterlagen und in Volkseigentum überführt wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurück zu übertragen.
Ein Rückübertragungsanspruch ergibt sich nicht nach§ 1 Abs. 1 Buchst, a VermG. Diese Vorschrift betrifft entschädigungslose Enteignungen, die zur Begründung von Volkseigentum geführt haben. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht nach § 1 Abs. 3 VermG. Diese Vorschrift betrifft Ansprüche an Vermögenswerten, die aufgrund unlauterer Machenschaften, z.B. durch Machtmissbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von Seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter, erworben wurden.
Die Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschriften liegen nicht vor.
Das Vermögensgesetz soll allgemein solche der DDR zuzurechnenden vermögensentziehenden oder vermögensbeeinträchtigenden Unrechtsmaßnahmen wiedergutmachen, die auf die Teilung Deutschlands oder auf bestimmte teilungsunabhängige Entscheidungen zurückgehen und die dem Gesetzgeber aus rechtsstaatlicher Sicht als nicht hinnehmbar erscheinen. Damit stellt das Vermögensgesetz zum einen auf ein "Teilungsunrecht" ab, wenn es bezweckt, solche Vermögensverluste rückgängig zu machen, die sich gegen Bürger außerhalb der DDR gerichtet haben, und die ihr Vermögen mangels Wohnsitzes in der DDR nicht verwalten konnten. Zum zweiten stellt das Gesetz auf politisch bedingte Diskriminierungen ab, die wieder gutgemacht werden sollen, wobei diese politische Diskriminierung Bürger außerhalb und innerhalb der DDR vergleichbar treffen konnte (BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 11.93 -, NJW 1994 S. 2106). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Art. 19 des Einigungsvertrages. Danach bleiben Verwaltungsakte der DDR wirksam, sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 30.06.1994 - 7 C 19.93 -, Buchholz 112 § 1 VermG, Nr. 24). Demgemäß unterfällt eine Maßnahme dem Vermögensgesetz nur dann, wenn die Maßnahme mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar ist, wenn es sich um eine wesentlich rechtsstaatswidrige Enteignung handelt, die in der geeinten, rechtsstaatlich ausgerichteten Bundesrepublik keinen Bestand haben darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 11.93 -, a.a.O.; Urt. v. 30.06.1994, a.a.O.).
Gesetzgeberisches Leitbild für diskriminierende Enteignungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst a VermG sind die in § 1 Abs. 1 der Anmeldeverordnung aufgeführten Rechtsvorschriften, soweit sie eine entschädigungslose Enteignung zuließen. Typisches Beispiel ist die bei "Republikflucht" erfolgte Vermögensbeschlagnahme, die in der Rechtspraxis der DDR als entschädigungslose Eigentumsentziehung zugunsten des Volkseigentums verstanden wurde. Ist zur Anwendung dieser Vorschrift eine politisch bedingte Diskriminierung zu fordern, fällt "lediglich systembedingtes Unrecht" aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus. Die Ergebnisse einer 45jährigen Entwicklung in einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sollen nicht der Totalrevision unterworfen werden (vgl. hierzu auch Kinkel, ZRP 1991 S. 409, 411). Gehören Vermögensübertragungen zu den typischen Fällen der systembedingten Enteignungen, die im Zuge des Aufbaues einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in der ehemaligen DDR stattfanden und nicht besonders diskriminierend waren, werden sie deshalb vom Sinn und Zweck des Vermögensgesetzes nicht erfasst.
Ähnlich verhält es sich mit § 1 Abs. 3 VermG, der nicht nur rechtsgeschäftliche Erwerbsvorgänge, sondern auch hoheitliche Erwerbsakte in Form willkürlicher Enteignungen erfasst. Damit sind vor allem zwei Fallgruppen der unlauteren Machenschaften von Seiten staatlicher Stellen gemeint. Zum einen handelt es sich um Sachverhalte, bei denen die staatlichen Organe ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen. Die zweite Gruppe betrifft Maßnahmen, bei denen die eine unlautere Machenschaft begründende Manipulation nicht in der Verschleierung des wahren Enteignungszweckes, sondern darin liegt, dass der wahrheitsgemäß angegebene Zweck offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, die Maßnahme also nur den äußeren Schein eines gesetzmäßigen Vorgehens hatte. Die "einfache Rechtswidrigkeit" einer Enteignung unterhalb der Schwelle der Willkür reicht allerdings für die Annahme eines solchen Tatbestandes nicht aus; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deshalb gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechtes nicht eingehalten worden sind. Der Schädigungstatbestand nach dieser Vorschrift betrifft mithin Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich anstößiger Weise auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde; bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist von den in der DDR geltenden Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen auszugehen (BVerwG, Urt. v. 20.03.1997 - 7 C 23.96 -, VIZ 1997 S. 348). Dabei ist eine erhebliche Diskriminierung der betroffenen Person Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 3 VermG (BVerwG, Urt. v. 29.09.1993 -7C42.92-,VIZ1994S. 27).
Hiervon ausgehend hat es sich bei der Abschreibung des Grundstücksteils weder um eine wesentlich rechtsstaatswidrige Enteignung gehandelt, noch ist die Abschreibung von Teilflächen des Grundstücks aufgrund Machtmissbrauch, Nötigung oder in sonstwie manipulativer, sittlich anstößiger Weise herbeigeführt worden. Es liegt allenfalls "lediglich systembedingtes" Unrecht vor ohne eine ansatzweise erkennbare politische Diskriminierung oder sonstige wesentlich rechtsstaatswidrige Komponente.
Die Neuvermessung als solche ist kein machtmissbräuchliches Vorgehen, und sie hat auch nicht unmittelbar zu einer diskriminierenden Enteignung geführt. Sie erklärt sich aus der Notwendigkeit einer katastermäßigen (Neu-)Erfassung des Gebietes von Neuhaus. Neuhaus gehörte ursprünglich zum Landkreis Lüneburg, nach dem Kriege aber zu Mecklenburg und damit zum Gebiet der DDR. Zum Zwecke künftigen Grundstücksverkehrs mussten die unumgänglich nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. In den 50er Jahren wurde in der ehemaligen DDR zudem das Einheitskataster eingeführt. Da die Altunterlagen im Katasteramt Lüneburg und damit außerhalb der DDR lagerten, musste eine neue Vermessung durchgeführt werden. Eine Neuvermessung von Grundstücken deswegen, weil die Altunterlagen nicht zur Verfügung stehen, ist nicht rechtsstaatswidrig, sondern dient dazu, um in Zukunft den Grundstücksverkehr zu ermöglichen. Die Maßnahmen Neuvermessung/Einheitskataster dienten dem Aufbau der DDR und der Schaffung neuer Zustände. Eine besondere diskriminierende Komponente hat die Neuvermessung nicht gehabt. Es ist auch nachvollziehbar, dass es zu Fehlern kommt, wenn die konkrete Nutzung der Grundstücke vor Ort die Grundlage der G.'schen Schnellvermessung gewesen ist. Im vorliegenden Fall haben Teilflächen des Grundstückes ohnehin der Schule zur Verfügung gestanden, so dass diese Nutzung gleichsam als Schulnutzung verstanden werden konnte und im Rahmen der Vermessungsaktion die entsprechende Fläche dem Schulgrundstück zugeschlagen worden ist. Weder die Klägerin noch ein anderes Familienmitglied hat damals in H. gelebt, so dass von ihnen bei der Vermessung eine Aufklärung über die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse, die mit den Nutzungsverhältnissen nicht übereinstimmten, nicht geleistet werden konnte. Die damit aufgrund der Nutzungssituation einhergehende Abweichung von der historischen Katastersituation ist nicht als Machtmissbrauch zu bezeichnen, sondern systemimmanente Folge der fehlenden Altunterlagen, die beim Katasteramt Lüneburg lagen, und Folge dessen, dass die Alteigentümer des Grundstücks im Westen lebten.
Der Umstand, dass das Grundbuch 1983 an das Liegenschaftskataster angepasst wurde und nicht umgekehrt, ist weder machtmissbräuchlich noch eine diskriminierende Enteignung. Mit dem Einheitskataster waren neue Flurstücksbezeichnungen eingeführt worden. Die ursprünglichen Parzellenbezeichnungen in den Grundbüchern konnten mit den neuen Bezeichnungen im Kataster naturgemäß nicht in Übereinklang gebracht werden. Eine Abstimmung mit den Altunterlagen war nicht möglich, da diese beim Katasteramt Lüneburg, mithin im Westen lagen und unerreichbar waren. Eine Anpassung des Liegenschaftskataster an die alten Grundbuchflurstücke schied damit von vorn herein aus. Es blieb nur die Übernahme der Katasterwerte in das Grundbuch, was alle Grundstückseigentümer in gleicher Weise betroffen hat und nicht mit einer politischen oder sonstigen Diskriminierung Einzelner oder ganzer Gruppen verbunden gewesen ist. Fehler, die sich im Einzelfall zugunsten oder zulasten von Grundstückseigentümern auswirken können, sind "systemimmanent" gewesen. Dementsprechend haben die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es bei dem Neuvermessungen öfter Fehler gegeben habe, das sei nichts Außergewöhnliches gewesen.
Auch sonst lässt sich bei dem Verfahren, das zur Verkleinerung des Grundstücks geführt hat, weder Machtmissbrauch noch sonstwie eine diskriminierende Enteignung feststellen.
Nach dem Vorbringen des Beklagten haben die Vermessungsergebnisse im Amtsbereich Neuhaus öffentlich ausgelegen. Damit hatten die betroffenen Bürger die Möglichkeit, bei vermeintlicher Benachteiligung durch die Neuvermessung eine Berichtigung zu beantragen und zu erreichen. Die öffentliche Auslegung machte die individuelle Bekanntgabe der Vermessungsergebnisse an die einzelnen Betroffenen und damit an die Klägerin oder ihre Rechtsvorgänger entbehrlich. Es ist gerade Sinn deröffentlichen Bekanntmachung, individuelle Benachrichtigungen zu vermeiden. Dies ist auch in der alten Bundesrepublik ein rechtlich zulässiger Weg ohne rechtsstaatliche Bedenken. Ein formelles Verfahren zur Wahrung rechtlichen Gehörs bei der Vermessung ist damit gegeben gewesen.
3.
Ob ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung des Grundstückes besteht, kann vom Verwaltungsgericht mangels Zuständigkeit nicht entschieden werden. Deshalb bedarf es hier auch keiner Prüfung, ob es eine Amtspflichtverletzung darstellt, wenn die Berichtigung des Grundbuches nach der Grundbuchverfahrensordnung der DDR weder der Klägerin noch ihren Rechtsvorgängern mitgeteilt worden ist. Jedenfalls - und das ist im vorliegenden Verfahren im Hinblick auf den vermögensrechtlichen Anspruch entscheidend - liegt im fehlerhaften Unterlassen der Benachrichtigung kein Machtmissbrauch, keine Nötigung und kein manipulatives sittlich anstößiges Vorgehen. Bei Grundbuchumschreibungen in der DDR sind die Eigentümer, die im Westen wohnten, grundsätzlich nicht benachrichtigt worden. Deswegen ist 1983 keine Benachrichtigung an die damalige Eigentümerin versandt worden über die Reduzierung der Grundstücksgröße. Bei der fehlenden Benachrichtigung handelt sich damit allenfalls um "lediglich systembedingtes Unrecht" und nicht um eine erhebliche Diskriminierung der Eigentümerin, um sie in Täuschungsabsicht um einen Teil des Grundstückes zu bringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Berufung gegen das Urteil ist gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht (§ 37 Abs. 2 Satz 2 VermG i.V.m. §§135, 132 VwGO).
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Der Beschluss ist gem. § 37 Abs. 2 VermG unanfechtbar.
Sandgaard
Malinowski