Verwaltungsgericht Lüneburg
v. 29.12.2003, Az.: 1 A 36/03

Anrechnung der Rente; Billigkeitsentscheidung; gesetzesimmanenter Vorbehalt; Ruhensregelung; Rückabwicklung; Seekasse; Versorgungsbezüge; Vorbehalt der Rückforderung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.12.2003
Aktenzeichen
1 A 36/03
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2003, 48375
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger setzt sich gegen die Anrechnung einer Regelaltersrente auf seine Versorgungsbezüge und einen hieraus folgenden Rückforderungsanspruch in Höhe von 905,55 EUR zur Wehr.

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Mit Festsetzungsbescheid der Wasser- und Schifffahrtsdirektion West über Versorgungsbezüge vom 21. April 1997 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass Renten auf Versorgungsbezüge anzurechnen sind, u.zw. auch solche Renten, die nicht bzw. nicht rechtzeitig beantragt worden sind. Die Versorgungsbezüge wurden ihm danach ausdrücklich unter Vorbehalt gezahlt. Mit Schreiben vom Dezember 1998 wurde er auf seine Anzeigepflicht hingewiesen sowie darauf, dass etwaige Zweifel durch Rückfrage zu klären seien. Außerdem wurde er im März 2000 noch um Mitteilung gebeten, ob ihm eine Rente gewährt, abgelehnt oder er insoweit abgefunden worden sei. Hierauf teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch Schreiben vom 3. April 2000 mit, dass dieser keine Rentenansprüche geltend gemacht habe - das, obwohl er solche Ansprüche hatte.

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Durch Bescheid der Wasser- und Schifffahrtsdirektion West vom 4. Februar 2002 wurden daher die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. März 2002 unter Ansatz zunächst einer fiktiven Rente von 300 EUR auf 2.658,91 EUR (brutto) gekürzt; zugleich wurde dem Kläger dringend empfohlen, einen Rentenantrag zu stellen.

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Mit Schreiben vom 5. Februar 2002 teilte die Seekasse mit, dass der Kläger Anspruch auf eine Regelaltersrente habe, aber ein Antrag dafür fehle. Bald darauf teilte der Kläger mit, dass er bei der Seekasse einen entsprechenden Rentenantrag gestellt habe. Die Seekasse übermittelte wenig später eine (fiktive) Berechnung der Regelaltersrente ab 1.6.2000. Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 teilte die Seekasse mit, dass die Rentenzahlungen von 427,01 EUR mtl. wegen verspäteter Antragstellung am 1. Februar 2002 begönnen, ab 1. Juli 2002 aufgenommen würden und die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2002 2.085,15 EUR betrage; für die Zeit vom 1. Juni 2000 bis 30. Juni 2002 mache sie voraussichtlich den Betrag von 8.751,06 EUR aus.

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Mit angefochtenem Bescheid vom 1. Juli 2002 setzte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion West die Versorgungsbezüge des Klägers unter Berücksichtigung der inzwischen gewährten Regelaltersrente niedriger als zuvor fest, u.zw. auf 2.601,71 EUR (brutto) ab 1. Juli 2002. Zugleich wurde ein überzahlter Betrag von 905,55 EUR für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2002 gem. § 52 Abs. 2 BeamtVG zurückgefordert. Für die Zeit vom 1. Juni 2000 bis 31. Januar 2002 wurde ein gesonderter Bescheid angekündigt.

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Der Kläger legte im Juli 2002 Widerspruch ein, ohne diesen zunächst zu begründen. Nachdem die Seekasse dem Kläger die Nachzahlung von 2.085,15 EUR am 6. August 2002 erstattet hatte, ordnete die Wasser - und Schifffahrtsdirektion West die sofortige Vollziehung ihres Bescheides vom 1. Juli 2002 an und bat um die Vorlage der Widerspruchsbegründung. Die streitige Überzahlung von 905,55 EUR wurde mit den Versorgungsbezügen im August 2002 aufgerechnet. Die Bitte um Vorlage einer Widerspruchsbegründung wurde im Oktober 2002 wiederholt, worauf der Prozessbevollmächtigte um Fristverlängerung bat, schließlich aber mit Schreiben vom 19. Dezember 2002 auf eine Entreicherung des Klägers hinsichtlich gutgläubig empfangener Beträge verwies. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2003 wurde der Widerspruch sodann zurückgewiesen.

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Zur Begründung seiner am 27. Februar 2003 beim Verwaltungsgericht Schleswig erhobenen und an die Kammer verwiesenen Klage hebt der Kläger die Fürsorgepflicht seines Dienstherrn hervor und meint, der ursprüngliche Festsetzungsbescheid vom April 1997 sei sachlich richtig gewesen, weshalb ihm die Versorgungsbezüge ja auch entsprechend ausbezahlt worden seien. Es gehe ihm um die Belassung seiner vollständigen Versorgungsbezüge unter Anrechnung der „Vordienstzeiten“. Eine Doppelzahlung habe nicht vorgelegen, so dass ein Rückzahlungsanspruch nicht bestehe.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide vom 4. Februar 2002 und vom 1. Juli 2002 in Form des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, der Beklagten Gehaltsanteile zurückzuerstatten.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist unter Bezug auf die ergangenen Bescheide der Auffassung, die Änderungsfestsetzung sei unter Berücksichtigung der Regelaltersrente ebenso rechtmäßig wie die Rückforderung der Überzahlung, die durch Aufrechnung beglichen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 VwGO. Die Bescheide sind rechtmäßig. Auf den Widerspruchsbescheid wird insoweit zur Begründung Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.

16

Gemäß § 55 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zu einer Höchstgrenze gezahlt. Wird eine Rente nicht oder nicht rechtzeitig beantragt, so ist der Ruhensregelung (für Teile der Versorgung) eine fiktive Rente zu Grunde zu legen. Diese wird nach dem Betrag berechnet, der zustünde, wenn der erforderliche Rentenantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.

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Hier sind die entsprechenden Berechnungen - unter Berücksichtigung der dem Kläger zustehenden, von ihm aber zunächst nicht beantragten Regelaltersrente - von der Beklagten korrekt durchgeführt worden. Auf die EDV-gestützte Berechnung (Anlage zum Bescheid vom 1. Juli 2002) wird Bezug genommen. Der Kläger stellt sie auch nicht substantiiert in Frage. Hätte der Kläger rechtzeitig seinen Rentenantrag gestellt, so hätte ihm die Seekasse vom 1. Juni 2000 an auch eine Regelaltersrente gewährt.

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Soweit sich der Kläger auf eine Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB beruft, ist zu unterstreichen (vgl. den Widerspruchsbescheid), dass ihm das versagt ist, da Versorgungsbezüge stets unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen. Hierauf ist er im Übrigen von der Beklagten 1997/1998 deutlich hingewiesen worden. Der Kläger hatte damit zu rechnen, dass sich bezüglich seiner unter Vorbehalt stehenden Bezüge jederzeit etwas ändern könne.

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Die hier streitige Überzahlung von 905,55 EUR konnte von der Beklagten auch im Wege der Aufrechnung zurückgefordert. Davon brauchte nicht aus Billigkeitsgründen abgesehen zu werden. Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 8. 10. 1998 - 2 C 21/97 (Münster) in NVwZ-RR 1999, 387:

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"Nach ständiger Rechtsprechung hat die Billigkeitsentscheidung die Aufgabe, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Sie ist vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung. Darüber hinaus sind auch sonstige sachliche Gesichtspunkte zu beachten - insbesondere die Frage, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen; vielmehr ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Daherkommt es nicht entscheidend auf die Lage des Beamten in dem Zeitraum, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf dessen Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung an (vgl. BVerwGE 66, 251 [255f.] m.w.Nachw.; BVerwG, Buchholz 240 § 12 Nr. 15 = NVwZ 1990, 670; BVerwGE 95, 94 [97] = NVwZ 1995, 389).

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Da eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich deren Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel des Widerspruchsbescheides. Maßgebend ist die Erkenntnislage der Behörde zu diesem Zeitpunkt. Auch der gerichtlichen Überprüfung einer Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren. Eine darüber hinausgehende Aufklärungspflicht besteht nicht."

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Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Kläger hier nicht ein Billigkeitsentscheidung zu seinen Gunsten erwarten und verlangen. Denn ihm wurde im Zeitpunkt der Rückabwicklung (im August 2002), als mit der Überzahlung von 905,55 EUR aufgerechnet wurde, von der Seekasse eine Nachzahlung seiner Regelaltersrente von 2.085,15 EUR ausbezahlt. Außerdem hätte ihm von Anfang an klar sein oder bei Erkundigungen werden können, dass er auf Grund seiner mehrjährigen versicherungspflichtigen Tätigkeit (noch vor seinem Beamtenverhältnis) ab seinem 65. Lebensjahr Anspruch auf eine Regelaltersrente hatte. Schließlich sind ihm die Versorgungsbezüge nur unter Vorbehalt gezahlt worden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.