Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.11.1997, Az.: XIV 291/93
Bewertung des Warenbestandes für Betriebsvermögensvergleich; Zulässigkeit der retrograden Ermittlung der Anschaffungskosten; Begriff des Teilwerts; Bewertung bewusster Verlustprodukte; Grundsatz der Einzelbewertung; Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten; Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme; Vorliegen eines Erfüllungsrückstandes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.11.1997
- Aktenzeichen
- XIV 291/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 16194
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:1113.XIV291.93.0A
Rechtsgrundlage
- § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG
Fundstellen
- BB 1998, 1102-1104 (Volltext mit red. LS)
- DStRE 1998, 123-126 (Volltext mit amtl. LS)
- SteuerBriefe 1998, 1028
Verfahrensgegenstand
Teilwertabschreibung bei sogenannten Verlustprodukten des Umlaufvermögens;
Einheitliche und gesonderte Feststellung 1985 bis 1988
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens liegt ein unter den Anschaffungskosten befindlicher abschreibbarer Teilwert vor, wenn entweder die Wiederbeschaffungskosten gesunken sind oder der nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zu erwartende Veräußerungserlös nicht mehr die Selbstkosten der Waren zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns deckt. Die Anschaffungskosten sind dann um den rechnerischen Fehlbetrag zu mindern.
- 2.
Für die Teilwertabschreibung bei sogenannten Verlustprodukten, also solchen Produkten, die von vornherein nicht gewinnbringend veräußert werden können, ist allein entscheidend, ob ein gedachter Erwerber des Betriebes den vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Aufwand im Rahmen des Gesamtkaufpreises honorieren würde.
- 3.
Ein Erfüllungsrückstand liegt bei Dauerschuldverhältnissen dann vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hat.
In dem Rechtsstreit
hat der XIV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 13. November 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Rechterkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewertung des Warenbestandes sowie die Bildung von Rückstellungen.
Die Klägerin betreibt mehrere Verbrauchermärkte, in denen Güter des täglichen Bedarfes vertrieben werden. Teilflächen ihrer Märkte hat sie an Dritte weitervermietet. Mit den Mietern hat sie Kooperationsverträge abgeschlossen, nach denen die Werbung unter dem Firmenzeichen der Klägerin gemeinschaftlich betrieben werden soll. Die Gestaltung der Werbung sowie ihre Aufgabe und technische Durchführung obliegt ausschließlich der Klägerin. Diese entscheidet von sich aus selbständig, welcher Teil und in welchem Umfang die Sonderangebote der Mieter in der Zeitungswerbung im einzelnen berücksichtigt werden. Die Mieter zahlen der Klägerin hierfür ein pauschales, prozentual nach dem Umsatz berechnetes Entgelt, monatlich jedoch mindestens 1.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Klägerin ist den Mietern gegenüber nicht zur Abrechnung des tatsächlich entstandenen Werbeaufwandes verpflichtet. Soweit sich aufgrund interner Abrechnungen ein über den gezahlten Pauschalen liegender Werbeaufwand ergab, hat die Klägerin die Differenzbeträge nachgefordert. Guthaben wurden den Mietern nicht im Abrechnungswege offengelegt. Vereinzelte Streitigkeiten wurden einvernehmlich beigelegt.
In den Jahresabschlüssen 1985 bis 1988 hatte die Klägerin - wie in den Vorjahren - Rückstellungen gebildet, soweit die gezahlten Werbekostenentgelte den jeweils tatsächlich angefallenen Werbeaufwand überstiegen. Dabei ging sie davon aus, daß den einzelnen Mietern in Hohe der überzahlten Beträge Erstattungsansprüche zustünden.
Des weiteren nahm die Klägerin in den jeweiligen Bilanzen zum 31.12.1985 bis 1988 Teilwertabschreibungen auf den Warenbestand vor. Bei der Teilwertermittlung der Waren ging sie von deren Verkaufspreisen aus. Diese führte sie auf die Einkaufspreise zurück, indem sie die Verkaufspreise grundsätzlich um die kalkulierte Handelsspanne minderte. Soweit sich bei einzelnen Warengruppen aufgrund einer Kostenstellenrechnung eine Kostenspanne ergab, die die kalkulierte Handelsspanne überstieg, setzte die Klägerin erstmals zum 31.12.1988 "zum Zwecke der verlustfreien Bewertung in Anlehnung an Abschnitt 36 Abs. 2 Satz 3 EStR" die höhere Kostenspanne vom Verkaufspreis ab. Hierdurch ergab sich ein zusätzlicher Abzug von rund 369.000 DM (vgl. Anlage 4 zum Schriftsatz vom 4. Mai 1992 in dem Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide 1985 bis 1988 ..., Blatt 45 FG-Akte). Im übrigen nahm die Klägerin bei Non-Food-Artikeln auf die Einstandspreise nach Altersgruppen gestaffelt zur Abgeltung des "individuellen Verwertungsrisikos" Teilwertabschläge in prozentual unterschiedlicher Höhe vor. Bei dem übrigen Warenbestand wurde ein pauschaler Betrag von 1,5 % zur Abgeltung des allgemeinen Verwertungs- und Lagerrisikos berücksichtigt. Im einzelnen wird insoweit auf den Anhang zum Jahresabschluß 1988 - Anlage 3 - (Blatt 1 Bp-Arbeitsakte Band IV Steuer-Nr. ..., Auftragsbuch-Nr. ... Gew - im folgenden: Bp-Arbeitsakte IV -) sowie auf das Schreiben der Deutschen Treu ... (Blatt 21 bis 23 Bp-Arbeitsakte IV) Bezug genommen.
Das Finanzamt führte die Gewinnfeststellungen für die Streitjahre zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch. Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung beanstandete der Betriebsprüfer die Warenbewertung des Jahres 1988 insoweit, als die Klägerin Abschläge zum Zwecke der verlustfreien Bewertung vorgenommen hatte mit der Begründung, es sei selbst aktuelle Ware unter den Anschaffungskosten bewertet worden, obwohl Wertminderungen der Waren nicht vorgelegen hätten.
Darüber hinaus erkannte der Betriebsprüfer die Rückstellungen für überzahlte Werbekosten nicht an, weil die Inanspruchnahme der Klägerin nicht wahrscheinlich sei. Demgegenüber hatte die Betriebsprüfung für die Vorjahre die Rückstellungen dem Grunde nach anerkannt, in der Höhe aber auf Ansprüche der letzten vier Jahre begrenzt. Hinsichtlich der Auflösung der Rückstellungen wird auf Tz. 27 des Bp-Berichtes vom 10.05.1991 AB-Nr. ... Gew (Bl. 173 Bilanzakte des FA) Bezug genommen.
Die Feststellungen der Außenprüfung führten zu folgenden Gewinnerhöhungen in den Streitjahren:
1985: | 702.300,00 DM |
---|---|
1986: | 95.500,00 DM |
1987: | 21.800,00 DM |
1988: | 377.200,00 DM. |
Der Auffassung des Betriebsprüfers folgend erließ das Finanzamt entsprechend geänderte Feststellungsbescheide. Zur Begründung der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin im wesentlichen folgendes geltend:
Die von ihr gewählte Warenbewertungsmethode entspreche dem Grundsatz der Einzelbewertung und dem Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 Handelsgesetzbuch - HGB -). Die vom Finanzamt geforderte Voraussetzung für die Warenbewertung, es sei anhand einer ausreichenden Zahl von Fällen nachzuweisen, daß die voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlöse infolge von Wertminderungen der Waren im Vergleich zu den ursprünglich kalkulierten Verkaufspreisen gesunken seien, betreffe nicht den vorliegenden Sachverhalt. Die Warenbewertung sei durchgeführt worden, weil - bei gleichbleibenden Verkaufspreisen - der Veräußerungserlös die Selbstkosten und den durchschnittlichen Unternehmergewinn nicht decke. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf die von ihr in dem Verfahren ... vorgelegten Kostenstellenrechnungen ihrer Verbrauchermärkte, die Warengruppen- und Spartenübersicht sowie die Aufstellungen über die Ermittlung der sich aus dem Vergleich von Kosten- und Umsatzspanne ergebenden Abschläge (Anlage 1 bis 3 zum Schriftsatz vom 4. Mai 1992, Blatt 36 bis 45 FG-Akte ...).
Es gebe handelsrechtlich keine Differenzierung innerhalb des Warenbestandes in Waren, die im Verkaufswert gegenüber der ursprünglichen Kalkulation zum Bilanzstichtag herabgemindert oder wertgemindert seien und Waren, die am Bilanzstichtag in ihrem Verkaufspreis nicht gemindert seien. Vielmehr gelte als allgemeiner Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung, daß Umlaufvermögen zum Bilanzstichtag nur mit dem Wert bewertet werden dürfe, der sich nach Abzug eines angemessenen Unternehmergewinns und der Selbstkosten vom voraussichtlichen Veräußerungserlös ergebe. Auch bei im Preis nicht herabgesetzter Ware könne es innerbetriebliche Umstände und betriebliche Gründe geben, die zu einer Wertminderung der Ware am Bilanzstichtag auch für einen gedachten Erwerber führten. Im Streitfall ergebe sich aus den Kostenstellenrechnungen und den aufgezeigten Auswirkungen der durchgeführten Warenbestandsbewertung, daß insbesondere bei den neu eröffneten Märkten der Klägerin die tatsächlichen Kostenspannen oberhalb der kalkulierten Spannen lägen. Jeder gedachte Erwerber würde auch die Kostensituation des neu eröffneten Marktes berücksichtigen und dieser mit einem Teilwertabschlag beim Warenbestand Rechnung tragen.
Auch Verlustprodukte seien zum Absatz bestimmt und daher absatzorientiert und nicht wiederbeschaffungsorientiert nach der gewählten Methode zu bewerten. Die positiven Einflüsse eines vollständigen Warensortiments oder anderer betrieblicher Gründe für die Führung von Verlustprodukten würden auch für einen potentiellen Erwerber des Betriebes gelten, sie wirkten sich u.a. auf den Geschäftswert des Unternehmens aus, dürften bei der Warenbestandsbewertung aber nicht einbezogen werden.
Die praktische Durchführung der verlustfreien Bewertung sei nicht zu beanstanden. Mit der Kostenstellenrechnung habe die Klägerin Aufzeichnungen geführt und Nachweise erbracht, wie hoch die Selbstkosten für die Waren je Sparte und je Markt gewesen seien. Da die einzelnen Sparten mit den einzelnen Abteilungen der Märkte übereinstimmten, in den Abteilungen grundsätzlich vom Kostenverursachungsfaktor gleichartige Produkte geführt würden, sei eine sachgerechte Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Waren vorgenommen worden.
Aufgrund der Kooperationsverträge mit den Mietern sei die Klägerin verpflichtet, die vereinnahmten Beträge zweckgebunden für Werbung aufzuwenden. Soweit sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei sie den Mietern gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Auszahlung "nicht verwendeter Einnahmen" verpflichtet. Auch für den Fall, daß ein solcher Anspruch nicht bestehe, habe ein entsprechender Ansatz in der Bilanz zu erfolgen. Bei noch schwebenden Dauerschuldverhältnissen sei der Leistungs- oder Erfüllungsrückstand als Verbindlichkeit oder - bei Ungewißheit über Grund und/oder Höhe - als Verbindlichkeitsrückstellung zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Klägerin durch die Mieter könne es nicht darauf ankommen, ob die Mieter nach dem Bilanzstichtag auf die Geltendmachung durch Passivität verzichtet hätten oder aber es der Klägerin bei einzelnen Mietern gelungen sei, durch andere Zugeständnisse (bzw. geschicktes Verhandeln) eine Inanspruchnahme zu verhindern.
Das Finanzamt hat im Verlauf des Klageverfahrens einen geänderten Feststellungsbescheid 1987 erteilt, den die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat (§ 68 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Feststellungsbescheide 1985 bis 1988 abzuändern und den Gewinn um folgende Beträge zu vermindern:
1985: | um 597.300,00 DM |
---|---|
1986: | um 81.300,00 DM |
1987: | um 18.500,00 DM |
1988: | um 321.400,00 DM, |
hilfsweise, im Fall des Unterliegens,
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen sowie wegen möglicher Abweichung vom BFH-Urteil in BStBl II 1974, Seite 508.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid und trägt ergänzend vor: Die von der Klägerin gewählte Methode der sogenannten "verlustfreien Bewertung" führe dazu, daß selbst kurz vor dem Bilanzstichtag angeschaffte einwandfreie Ware unter den Anschaffungskosten bewertet werde. Bereits der von der Klägerin gewählte Ausgangspunkt sei mit Fehlern behaftet: Die Sparteneinteilung entspreche den einzelnen Abteilungen der Märkte und sei keineswegs nach dem Gesichtspunkt eines gleichartigen Kostenverhaltens gestaltet. Die in den einzelnen Sparten erfaßten Warengruppen seien weder gleichartig noch gleichwertig. Ein gleichartiges Kostenverhalten sei nicht erkennbar. Die Klägerin vergleiche die lt. Kostenstellenrechnung für eine Sparte ermittelte Kostenspanne mit der lt. Kalkulation zu erzielenden Umsatzspanne der Warengruppe. Die Selbstkosten der Warengruppe würden nicht ermittelt. Der von der Klägerin gewählte Vergleich sei nicht geeignet zu ermitteln, ob die Umsatzspanne einer Warengruppe die ihr zuzuordnenden Kosten decke.
Außerdem verkenne die Klägerin den Teilwertbegriff. Sie vernachlässige den Fortführungsgedanken durch einen gedachten Betriebserwerber. Die Klägerin habe bewußt in Kauf genommen, bei bestimmten Waren weniger als die kalkulierte Handelsspanne der Sparte, der die Ware zugeordnet wurde, zu erzielen. Die Führung solcher Produkte sei für das Unternehmen im ganzen von Vorteil. Hierfür gebe es vielfältige Gründe, z.B. Konkurrenzabwehr, Produkteinführung, Kapazitätsauslastung, Mischkalkulation im Produktverbund, Verkaufsförderung etc. Der gedachte Erwerber würde diese aus betriebswirtschaftlichen Gründen angeschafften "Verlustprodukte" mit den Anschaffungs- bzw. Wiederbeschaffungskosten vergüten. Zwar ergebe sich isoliert betrachtet bei den nicht kostendeckenden Produkten ein Verlust, die für den Erfolg des Unternehmens positiven Auswirkungen würden aber von einem Erwerber auch bei einer Einzelbewertung honoriert. Der Grundsatz der Einzelbewertung stehe dem nicht entgegen. Bei der Ermittlung des Teilwerts seien die einzelnen Wirtschaftsgüter zu bewerten, die nach § 5 Einkommensteuergesetz (EStG) als Betriebsvermögen anzusetzen seien. Es werde der "Teil-Wert" angesetzt, der für das Wirtschaftsgut im Rahmen eines Gesamtpreises für das gesamte lebende Unternehmen anzusetzen wäre. Dabei könne nicht isoliert auf den Ertrag eines Wirtschaftsgutes abgestellt werden. Eine solche Betrachtung wäre bei der Ermittlung des gemeinen Wertes anzustellen. Bei der Ermittlung des Teilwerts müsse der unternehmerische Zweck und die Funktion im Betriebsorganismus berücksichtigt werden. Die sogenannte verlustfreie Bewertung führe zu einer Antizipation künftiger Umsatzverluste. Sie stehe damit im Gegensatz zum Imparitätsprinzip (§ 152 Abs. 1 Nr. 3 HGB), wonach alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden seien, zu berücksichtigen seien. Es seien nur die bis zum Bilanzstichtag tatsächlich eingetretenen Vermögenseinbußen zu berücksichtigen.
Ein Konditionsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB bestehe nicht. Zwar sei die Klägerin nach dem Kooperationsvertrag verpflichtet. Werbeleistungen zu erbringen. In welchem Umfang sie sie erbringe, entscheide sie selbständig. Unstreitig habe die Klägerin Leistungen erbracht und damit ihre Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt. Selbst wenn der Anspruch gegen die Klägerin bestehen sollte, fehle es an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme. In der Vergangenheit seien die Mieter nur in Einzelfällen an die Klägerin herangetreten. Daraus könne keine generelle Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme abgeleitet werden. Zudem sei die Klägerin nicht zur Abrechnung verpflichtet, so daß die Mieter in der Regel nicht wüßten, daß eventuell noch ein Guthaben zu ihren Gunsten bestehe. Auch hieraus gehe hervor, daß eine Inanspruchnahme der Klägerin eher unwahrscheinlich sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat das Finanzamt die im Zuge der sogenannten verlustfreien Bewertung vorgenommenen Teilwertabschläge vom Warenbestand sowie die Rückstellungen für "überzahlte Werbungskosten" nicht anerkannt.
1.
Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich sind die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, wozu auch Waren zählen, grundsätzlich mit den Anschaffungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Ist der Teilwert niedriger, so ist dieser mit Rücksicht auf das Niederstwertprinzip auszuweisen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Die Anschaffungskosten (Wareneinstandspreis) sind der Einkaufspreis der Waren zuzüglich Nebenkosten des Warenbezugs abzüglich Preisminderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) können - insbesondere bei großen Warenlagern - die Anschaffungskosten durch Rückrechnung ermittelt werden (vgl. Urteile des BFH vom 27.10.1983 IV R 143/80, BStBl II 1984, 35; BFH-Urteil vom 05.06.1985 I R 65/82, BFH-NV 1986, 204). Daher ist die von der Klägerin gewählte Methode der retrograden Ermittlung der Anschaffungskosten dem Grunde nach zulässig.
2.
Dies gilt jedoch nicht, soweit die Klägerin zum Zwecke der verlustfreien Bewertung bei einzelnen Warengruppen statt der kalkulierten Handelsspanne die von ihr aufgrund einer Kostenstellenrechnung ermittelte höhere Kostenspanne angesetzt hat.
a)
Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens hat die Rechtsprechung des BFH einen unter den Anschaffungskosten liegenden niedrigeren Teilwert angenommen, wenn entweder die Wiederbeschaffungskosten gesunken sind oder der nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag zu erwartende Veräußerungserlös nicht mehr die Selbstkosten der Waren zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns deckt (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1983 IV R 143/80, BStBl II 1984, 35; BFH-Urteil vom 09.11.1994 I R 68/92, BStBl II 1995, 356). Die Anschaffungskosten sind dann um den rechnerischen Fehlbetrag zu mindern. Voraussetzung für diese Art der Teilwertabschreibung ist jedoch grundsätzlich, daß die voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlöse infolge von Wertminderungen der Waren im Vergleich zu den ursprünglich kalkulierten Verkaufspreisen gesunken sind (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.1968 IV R 234/67, BStBl II 1968, 801; BFH-Urteil vom 13.10.1976 I R 79/74, BStBl 1977, 540; vom 06.11.1974 IV R 205/71, BStBl II 1977, 377). Zum Nachweis eines im Vergleich zu den Anschaffungskosten niedrigeren Teilwertes setzt die Rechtsprechung des BFH für Warenvorräte grundsätzlich eine tatsächliche Herabsetzung der Verkaufspreise voraus (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.1985 I R 65/82 a.a.O.; vom 09.11.1994 I R 68/92 a.a.O.).
b)
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall jedoch nicht ohne weiteres übertragbar, da es sich hier um die Bewertung von Waren handelt, die von vornherein bei üblicher Kalkulation nicht zu einem kostendeckenden Preis verkauft werden können und damit - isoliert betrachtet - zu Verlusten führen.
In der Literatur ist umstritten, ob diese sogenannten bewußten Verlustprodukte mit dem niedrigeren Wert (Veräußerungspreis abzüglich Selbstkosten und durchschnittlichem Unternehmergewinn) als ihrem Teilwert angesetzt werden dürfen.
aa)
Knobbe-Keuk (Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Seite 178), Euler/Rzepka (Betriebsberater 1978, Seite 602), Söffing (Finanzrundschau 1978, Seite 240) vertreten die Ansicht, daß in diesen Fällen eine Teilwertabschreibung vorzunehmen sei. Die Versagung der Teilwertabschreibung verstoße gegen den Grundsatz der Einzelbewertung, da Verluste bei einem Produkt nicht mit Vorteilen bei anderen Produkten saldiert werden dürften.
bb)
Groh (Steuer und Wirtschaft 1976, Seite 32; Der Betrieb 1985, Seite 1246); Ehmke (in: Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 Rdz. 690) lehnen die Verlustvorwegnahme durch Teilwertabschreibung in den Fällen bewußt unter den Vollkosten am Markt angebotener Wirtschaftsgüter ab. Sie berücksichtigen bei der Teilwertbeurteilung auch Gesichtspunkte der Gesamtbewertung des Unternehmens. Nach Werndl (in: Kirchhoff/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 B Rdz. 397) verbietet sich eine Teilwertabschreibung bereits mit Rücksicht auf den Einzelveräußerungspreis als Bewertungsuntergrenze.
c)
Der erkennende Senat hält die Auffassung von Groh, Ehmke und Werndl, die auch das Finanzamt vertritt, für überzeugend und schließt sich ihr an. Ausgehend von der Teilwertbegriffsdefinition in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist für die Frage der Teilwertabschreibung bei sogenannten Verlustprodukten allein entscheidend, ob ein gedachter Erwerber des Betriebes den vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Aufwand im Rahmen des Gesamtkaufpreises honorieren würde. Im Streitfall hat die Klägerin bewußt bei bestimmten Waren Verluste in Kauf genommen. Diese Handhabung ist jedoch für das Unternehmen im Ganzen von Vorteil. Zutreffend weist das Finanzamt darauf hin, daß es für die Führung von derartigen Verlustprodukten verschiedene betriebswirtschaftliche Gründe gibt, wie z.B. Marktanteilserweiterung, Konkurrenzabwehr, Produkteinführung, Sortimentserweiterung, Kapazitätsauslastung, Fixkostendegression, Mischkalkulation, Verkaufsförderung, Lagerräumung, Schaffung und Wahrung eines bestimmten Firmenimages (vgl. weitere Beispiele bei Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Anm. 1014). Ein gedachter Erwerber des Gesamtbetriebes würde dieselben Überlegungen wie die Klägerin anstellen und den Verlustprodukten - jedenfalls so lange der Betrieb mit Gewinn wirtschaftet - denselben Nutzen beimessen. Bei seinen Preisvorstellungen für diese Wirtschaftsgüter würde er sich davon leiten lassen, was er an Anschaffungskosten aufwenden müßte, falls im Zeitpunkt des Erwerbs diese Waren nicht im Bestand wären. Dementsprechend würde er im betrieblichen Interesse die Verlustprodukte dem Veräußerer mit den Anschaffungskosten vergüten.
Der Senat vermag einen Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelbewertung und des Niederstwertprinzips nicht zu erkennen. Diese - auch von der Klägerin vertretene - Auffassung verkennt, daß bei der Bestimmung des Teilwerts der zum Umlaufvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter nicht auf den Einzelveräußerungserlös des jeweiligen Einzelwirtschaftsgutes abzustellen ist, sondern auf den Wert des Einzelwirtschaftsgutes im Rahmen eines Gesamtkaufpreises des Betriebes (vgl. BFH-Urteil vom 30.01.1980 I R 89/79, BStBl II 1980, 327 zu Ärztemustern). Dies führt dazu, daß in die Wertbestimmung besondere wertbildende Faktoren aus der Funktion des Wirtschaftsgutes im Gesamtorganismus des Unternehmens Eingang finden müssen.
Eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 17.05.1974 III R 50/73, BStBl II 1974, 508, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die vom BFH zu beurteilende Frage der Bewertung von halbfertigen Arbeiten aus einem Werkvertrag ist mit dem Streitfall, in dem es um die Bewertung von Verlustprodukten geht, nicht vergleichbar.
d)
Da der Senat den durchgeführten Teilwertabschlag dem Grunde nach für unzulässig hält, kann die Frage, ob die von der Klägerin gewählte Methode zur Berechnung des Teilwertes geeignet ist, offenbleiben.
3.
Die Auflösung der Rückstellungen für "überzahlte Werbekosten" ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind Rückstellungen für Ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn die Verbindlichkeit dem Grunde nach nicht mit Sicherheit aber doch mit Wahrscheinlichkeit besteht (BFH-Urteil vom 05.02.1987 IV R 81/84, BStBl II 1987, 845, 846) und die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen wahrscheinlich ist (BFH-Urteil vom 01.08.1984 I R 88/80 BStBl II 1985, 44, 46).
a)
Der Senat hat bereits Zweifel daran, ob die von der Klägerin angenommenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der überzahlten Werbekostenbeträge mit Wahrscheinlichkeit bestehen. Gegen einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung spricht, daß im Falle eines unter den gezahlten Werbekostenbeiträgen zurückbleibenden Werbekostenaufwandes die schuldhafte Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (Sorgfaltspflichten) nicht erkennbar ist. Die Klägerin bestimmte nach den Kooperationsverträgen die durchzuführenden Werbemaßnahmen selbst. Die Zahlungen der Mieter waren nicht aufwandsbezogen, sondern pauschal nach der Umsatzgröße bemessen. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin verpflichtet war, den Werbeaufwand stets und zeitnah der Höhe der Zahlungen der Mieter anzupassen.
Auch ein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB liegt nicht auf der Hand. Es erscheint fraglich, ob die von den Mietern gezahlten Beträge bereits ihren Zweck verfehlt haben, wenn die Klägerin nicht sofort einen entsprechenden Werbeaufwand betrieben hat.
b)
Ob ein zivilrechtlicher Erstattungsanspruch wahrscheinlich ist, kann der Senat letztlich dahingestellt sein lassen. Denn unabhängig davon fehlt es zur Überzeugung des Senates für die Rückstellungsbildung an der Wahrscheinlichkeit für die Inanspruchnahme der Klägerin zu den jeweiligen Bilanzstichtagen. Dies gilt schon deshalb, weil die Klägerin den Mietern gegenüber nicht zur Abrechnung verpflichtet ist. Bei fehlender Offenlegung etwaiger Überzahlungen erscheint die Möglichkeit der Inanspruchnahme unwahrscheinlich. Tatsächlich sind vereinzelt aufgetretene Streitigkeiten stets einvernehmlich in der Vergangenheit beigelegt worden.
c)
Die Berücksichtigung eines Erfüllungsrückstandes als Verbindlichkeit oder Verbindlichkeitsrückstellung kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Ein Erfüllungsrückstand liegt bei Dauerschuldverhältnissen vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hat (BFH-Urteil vom 20.01.1993 I R 115/91, BStBl II 1993, 373). Der Begriff Erfüllungsrückstand knüpft eng an den schuldrechtlich gebotenen Zeitpunkt der Erfüllung an. Die Frage eines Erfüllungsrückstandes ist grundsätzlich nach dem rechtlichen, insbesondere schuldrechtlichen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu beurteilen (BFH-Urteil vom 08.10.1987 IV R 18/86, BStBl II 1988, 57). Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn eine Schuld, die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr (oder früher) hätte erfüllt werden müssen, von einem der Vertragspartner nicht erfüllt worden ist (BFH-Urteil vom 03.12.1991 VIII R 88/87, BStBl II 1993, 89).
Nach diesen Grundsätzen lag im Streitfall ein Erfüllungsrückstand nicht vor. Die Klägerin hat in den Streitjahren unstreitig Werbeleistungen erbracht. Da sie nach dem Vertrag nicht verpflichtet war, die Werbung jeweils entsprechend der eingehenden pauschalen Zahlung zeitnah vorzunehmen, befand sie sich mit der von ihr zu erbringenden Leistung an den jeweiligen Bilanzstichtagen nicht im Rückstand. Eine Verbindlichkeit war demnach nicht in die Bilanz einzustellen. Eine Verbindlichkeitsrückstellung scheitert - ebenso wie eine Rückstellung wegen zivilrechtlicher Erstattungsansprüche - an der fehlenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme. Insoweit gelten die Ausführungen unter 3. b) entsprechend.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der Teilwertabschreibung bei sogenannten Verlustprodukten zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).