Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.03.1995, Az.: 15 UF 95/94
Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens; Zerrüttung einer Ehe; Aufnahme einer außerehelichen Beziehung des Ehemannes zu einer anderen Frau aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis; Ein weiteres Festhalten an der Ehe als unzumutbare Härte; Depressionen auf Grund eines Partnerverlustes; Scheidungsfolgenvereinbarung hinsichtlich des Versorgungsausgleichs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.03.1995
- Aktenzeichen
- 15 UF 95/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 30772
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1995:0303.15UF95.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - 18.03.1994 - AZ: 38 F 32/93
Rechtsgrundlagen
- § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB
- § 1565 Abs. 2 BGB
- § 1568 BGB
- § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB
Fundstellen
- FamRZ 1996, 614 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 1995, 1409-1410 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Ehescheidung u.a.
Der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaul sowie
die Richter am Oberlandesgericht Treppens und Eisele
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 1995
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 28. September 1994 bleibt aufrechterhalten, soweit die Berufung des Antragsgegners gegen den Scheidungsausspruch zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird das Versäumnisurteil vom 28. September 1994 und auf den Hilfsantrag des Antragsgegners auch das am 18. März 1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hildesheim - 38 F 32/93 - in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich - Nummer 3 der Urteilsformel - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat - in Modifizierung auch der Kostenentscheidung im Versäumnisurteil - der Antragsgegner vorab diejenigen seiner Säumnis am 28. September 1994 und die übrigen zu 25/26, die Antragstellerin zu 1/26 zu tragen.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch des Antragsgegners gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 28. September 1994 hat, soweit die Berufung gegen den Scheidungsausspruch geführt wird, keinen Erfolg. Soweit mit dem Hilfsantrag der amtsgerichtliche Ausspruch zum Versorgungsausgleich angegriffen wird, führt die Berufung zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht.
I.
Die Berufung des Antragsgegners gegen den Ehescheidungsausspruch des angefochtenen Urteils ist unbegründet.
Der Antrag der Antragstellerin auf Ehescheidung ist begründet, denn die Ehe der seit Dezember 1992 getrennt lebenden Parteien ist zerrüttet. Die Antragstellerin lehnt die Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens ernsthaft und endgültig ab, so daß auch nicht erwartet werden dann, daß die Lebensgemeinschaft wieder hergestellt werden wird. Dabei stützt die Antragsgegnerin ihr ablehnendes Verhalten auf die unstreitige Aufnahme einer außerehelichen Beziehung des Antragsgegners zu einer anderen Frau aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis, aus der auch ein im Oktober 1993 geborenes Kind entstanden ist. Ob hierdurch der Antragsgegner einen Zustand geschaffen hat, der für die Antragstellerin eine unzumutbare Härte für ein weiteres Festhalten an der Ehe, § 1565 Abs. 2 BGB, begründet, kann angesichts der verstrichenen Trennungszeit dahinstehen.
Der Ehescheidung steht auch nicht die Härteklausel des § 1568 BGB entgegen. Denn auf selten des Antragsgegners, der die Scheidung ablehnt, bestehen auf der Grundlage seines Vertrags keine außergewöhnlichen Umstände, die eine so schwere Härte darstellen würden, daß der Wunsch der Antragstellerin auf Scheidung zurücktreten müßte. Die vorgenannte Härteklausel kann nur im Lichte der gesetzgeberischen Grundentscheidung für das Zerrüttungsprinzip gesehen werden, woraus folgt, daß die Scheidung nicht schon deshalb zu versagen ist, weil sie von dem ablehnenden Ehegatten aufgrund seiner inneren Verfassung als besondere Härte empfunden und deshalb nicht hingenommen werden soll. Seelische Beeinträchtigungen auch mit der Gefahr eines Suizides können dabei im Einzelfall für den betroffenen Ehegatten durchaus eine schwere Härte darstellen. Der gesetzliche Ausnahmetatbestand ist jedoch nur gegeben, wenn diese psychische Beeinträchtigung auf Umständen beruht, die nach objektiver Beurteilung außergewöhnlich sind, vgl. BGH FamRZ 1981, 1161 (1162). Sind solche besonderen Umstände nicht ersichtlich, mutet es das Gesetz dem Ehegatten zu, die mit der Scheidung verbundene seelische Belastung hinzunehmen und damit in eigener Verantwortlichkeit fertig zu werden. Demgemäß ist es nicht mit der gesetzgeberischen Entscheidung zum Zerrüttungsprinzip vereinbar, die Härteklausel bereits zur Verhütung seelischer Reaktionen eingreifen zu lassen, die der betroffene Ehegatte selbst ausreichend zu steuern vermag. Allenfalls außergewöhnliche Umstände können die Berücksichtigung der seelischen Verfassung des betroffenen Ehegatten gebieten. Die Gefahr psychischer Fehlreaktionen im Verantwortungsbereich eines Ehegatten kann dabei nach dem Sinn der Härteklausel jedenfalls nicht selbst als außergewöhnlicher Umstand gewertet werden, der zur Versagung der Scheidung führen müßte, vgl. BGH, a.a.O., S. 1163.
Die vom Antragsgegner dargestellten psychischen Leiden, insbesondere Depressionen aufgrund eines Partnerverlustes, stellen eine häufige Begleiterscheinung in Scheidungsverfahren dar und rechtfertigen es nicht, solche Reaktionen bereits als scheidungshindernde außergewöhnliche Umstände zu werten, selbst wenn seelische Fehlreaktionen bis hin zum Suizid dargestellt werden. Schließlich kann es unter der Geltung des Zerrüttungsprinzips nicht dem die Scheidung ablehnenden Ehegatten überlassen bleiben, sich durch die Androhung einer Tat gegen sich selbst dem berechtigten Scheidungsverlangen des anderen Ehegatten zu widersetzen. In einem solchen Falle wird die schwere Härte nicht durch den Scheidungsausspruch, sondern stets aufgrund des eigenen reaktiven Verhaltens verursacht, vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 1992, 320 [OLG Stuttgart 19.09.1991 - 16 UF 181/91]/321.
Außergewöhnliche Umstände i.S.d. Härteklausel können nur dann als gegeben erachtet werden, wenn die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Handeln durch eine psychische Erkrankung ausgeschlossen oder zumindest erheblich eingeschränkt wird. Eine solche Einschränkung der Verantwortlichkeit sieht der Senat auf der Grundlage des Vertrages des Antragsgegners nicht als gegeben an, vielmehr geht er davon aus, daß der Antragsgegner trotz psychischer Behandlungsbedürftigkeit eigenverantwortlich für sein Verhalten auch einschließlich möglicher Fehlreaktionen einzustehen hat und auch einstehen kann. Insbesondere ergibt sich aus der vom Antragsgegner vorgelegten ärztlichen Stellungnahme der Dres. K., und D. vom 1. Februar 1995 nicht, daß die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Tun eingeschränkt ist. Vielmehr läßt sich aus der Beurteilung der im Niedersächsischen Landeskrankenhaus H. mit der Betreuung des Antragsgegners beauftragten Ärzte entnehmen, daß diese eine ambulante Behandlung und Betreuung für ausreichend erachten und das Gefahrenpotential also nicht so hoch bewerten, daß von dort aus eine - gegebenenfalls zwangsweise - Einweisung in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses für notwendig erachtet wird. Hieraus erschließt sich, daß auch unter dieser fachärztlichen Beobachtung und Beurteilung von einer relevanten Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit nicht ausgegangen werden kann.
Nach alledem hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Scheidung der Ehe der Parteien zu Recht ausgesprochen.
II.
Mit ihrem hilfsweise erhobenen Angriff gegen die Genehmigung der Vereinbarung der Parteien vom 26. Januar 1993 über den Versorgungsausgleich führt die Berufung in der Sache zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Die Parteien haben mit dem notariellen Vertrag vom 26. Januar 1993 eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich geschlossen, der gemäß § 1587 o BGB einen grundsätzlich zulässigen Inhalt hat. Bei der Vereinbarung handelt es sich um eine Scheidungsfolgenvereinbarung, die nicht wie ein Ehevertrag gemäß § 1408 BGB dann unwirksam wird, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß Antrag auf Ehescheidung gestellt wird, § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB. Vielmehr bedarf die Scheidungsfolgenvereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der richterlichen Genehmigung nach § 1587 o Abs. 2 Satz 3 BGB.
Die Genehmigung ist zu verweigern, wenn unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung die vereinbarte Gegenleistung nicht zur Sicherung des Berechtigten für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt. Inwieweit eine Sicherung des Antragsgegners für die genannten Fälle besteht, ergibt die von den Parteien getroffene Vereinbarung nicht; in welchem Maße der Antragsgegner durch eigene Versorgungsanwartschaften gesichert ist, hat das Amtsgericht nicht geklärt. Ebensowenig hat das Amtsgericht geklärt, welches Maß an Sicherung und welcher Ausgleich zwischen den Parteien angemessen wäre, weil es auch eine Versorgungsauskunft bezüglich der Antragstellerin nicht eingeholt hat. Den Verzicht des Antragsgegners auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgleichende Maßnahmen sind aus dem notariellen Vertrag vom 26. Januar 1993 nicht erkennbar.
Die im Vertrag an anderer Stelle geregelte Freistellung des Antragsgegners von Unterhaltsansprüchen des gemeinsamen Sohnes kommt hierfür nicht in Frage. Aus ihr resultiert keine Absicherung des Antragsgegners für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters. Bei den erheblich divergierenden Einkommensverhältnissen der Parteien ist die - ohnehin nur für eine begrenzte Zeit (§ 1602 Abs. 1 BGB) in Betracht kommende - Freistellung wirtschaftlich nur von sehr geringem Wert (§§ 1603 Abs. 2 Satz 2, 1607 Abs. 1 BGB). Mit der vom Amtsgericht bisher gegebenen Begründung kann daher die Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung der Parteien vom 26. Januar 1993 über den Versorgungsausgleich nicht festgestellt werden. Insoweit sind vielmehr weitere Ermittlungen erforderlich, deren Vornahme der Senat gemäß § 575 ZPO dem Amtsgericht überträgt. Dabei mag berücksichtigt werden, daß auch der von der Antragstellerin erhobene Verwirkungseinwand aus § 1587 c Nr. 3 BGB, sofern er denn hinreichend untermauert ist, nicht ohne Klärung der Versorgungslage beschieden werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 344, 620 g Hs. 1 und - zur Folgesache Versorgungsausgleich - auf § 93 a ZPO.
Treppens
Eisele