Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.03.1995, Az.: 22 U 73/94

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.03.1995
Aktenzeichen
22 U 73/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 33615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1995:0309.22U73.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 04.03.1994 - AZ: 4 O 507/93

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 1995 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . sowie die Richter am Oberlandesgericht . und . für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. März 1994 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert, teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft über Schenkungen des Erblassers an sie, A., H. und M., in der Zeit vom 22. Januar 1977 bis 22. Januar 1987 zu erteilen und in ihrem Besitz befindliche Unterlagen, aus welchen der Wert der Schenkungen hervorgeht, vorzulegen, sowie die Sache wegen des sich nach Auskunft ergebenden Zahlungsanspruchs an das Landgericht zurückverwiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

    Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits und der Streithilfe bleibt dem Landgericht vorbehalten.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7. 500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Beide Parteien dürfen die Sicherheit durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse leisten.

    Beschwer des Klägers:

    141.903,51 DM;

    Beschwer der Beklagten:

    100 DM.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt Feststellung, daß er Erbe ist, hilfsweise den Pflichtteil.

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Der am 22. Januar 1987 verstorbene Vater des Klägers (Erblasser) setzte seine vier Kinder durch notarielles Testament vom 24. März 1986 zu gleichen Teilen als Erben ein. Außerdem setzte er verschiedene Vermächtnisse aus, welche die Beklagte sich, soweit sie begünstigt war, auf den Erbteil anrechnen zu lassen hatte. Ein Teil der Vermächtnisse betraf andere Personen, vor allem die Lebensgefährtin des Erblassers A. welcher er insbesondere eine Eigentumswohnung in . vermachte. Ferner bestimmte der Erblasser, daß Erben, welche mit seiner letztwilligen Verfügung nicht einverstanden seien und gegen seine Anordnungen verstießen, nur den Pflichtteil erhalten sollten. Außerdem ordnete er Testamentsvollstreckung an. Der Kläger, anwaltlich vertreten, widersprach der Erfüllung der Vermächtnisse zugunsten der Beklagten und Frau A. durch den Testamentsvollstrecker, vornehmlich der Übertragung der Eigentumswohnung in . an Frau A.. Zur Begründung führte er an, die Vermächtnisse hätten ihm gegenüber nicht in vollem Umfang Gültigkeit, weil ihm nach deren vollständiger Erfüllung nicht einmal verbliebe, was ihm als Pflichtteil zustände, zumal bei dessen Berechnung ausgleichungs- sowie ergänzungspflichtige Zuwendungen durch den Erblasser an die Beklagte und . zu berücksichtigen seien, über welche der Testamentsvollstrecker erst einmal Auskunft zu erteilen habe. Mit Anwaltsschreiben vom 24. Mai 1988 ließ er diesen wissen, er halte die Erfüllung der Vermächtnisse zugunsten der Beklagten und A. für unvertretbar, weil diese zu kürzen seien. Dementsprechend nahm er den Testamentsvollstrecker durch Klage vom 23. Dezember 1988 auf Auskunft in Anspruch. In dem Rechtsstreit 17 O 264/90 LG Hannover wurde der Testamentsvollstrecker rechtskräftig zur Auflassung der Eigentumswohnung an A. verurteilt. Der Kläger als dessen Streithelfer erstrebte erfolglos Abweisung dieser Klage. Durch Beschluß vom 9. April 1991 (68 VI 1198/88) zog das Amtsgericht Hannover den den Parteien und ihren beiden Brüdern erteilten gemeinschaftlichen Erbschein ein mit der Begründung, die Brüder der Parteien hätten durch ihr nach dem Erbfall an den Tag gelegtes Verhalten ihr Erbe verwirkt. Mit Schreiben vom 21. Mai 1992 beantragte die Beklagte einen Erbschein, der die Parteien als Erben zu gleichen Teilen ausweisen sollte. Hit Schreiben vom 5. Juni 1992 wies das Amtsgericht die Beklagte darauf hin, daß der Kläger sein Erbrecht ebenso wie seine Brüder verwirkt haben durfte. Daraufhin beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 6. Juli 1992 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Am 28. August 1992 erteilte das Amtsgericht der Beklagten einen Erbschein, weicher sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist, hinsichtlich der Erbteile ihrer Brüder als Nacherbin seit dem 24. Mai 1988. Das Vorgehen des Klägers und seiner Brüder gegen diese Beschlüsse des Amtsgerichts blieb im Erbscheinsverfahren in allen Instanzen erfolglos.

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Der Kläger hat mit am 30. November 1993 bei Gericht eingegangener Klage Teilzahlung von 133.653,61 DM nebst Zinsen auf den Pflichtteil, weitere Auskunft über den Bestand des Nachlasses sowie über ergänzungs- und ausgleichungspflichtige Schenkungen, danach Zahlung eines Achtels des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages begehrt. Ausgehend von dem Teilungsplan des Testamentsvollstreckers hat er einen Aktivnachlaß von 1.109.228,93 DM behauptet und als Nachlaßverbindlichkeit lediglich Testamentsvollstreckerkosten in Höhe von 40. 000 DM. -; Die Beklagte hat Klagabweisung erstrebt und die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat gemeint, die Verjährung habe ungeachtet der Tatsache, daß der Kläger anfangs Miterbe gewesen sei, mit dessen Kenntnis von dem Erbfall und dem Testament des Erblassers, insbesondere der in diesem enthaltenen Verwirkungsklausel begonnen; auch das Schreiben vom 24. Mai 1988, in welchem spätestens der Verstoß des Klägers gegen das Testament zu sehen sei, liege länger als drei Jahre vor der Klageinreichung.

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Das Landgericht ist der Argumentation der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wendet der Kläger sich mit der Berufung, begehrt jetzt hauptsächlich Feststellung, daß er Erbe des Erblassers zu einem Viertel geblieben ist, und verfolgt seine ursprünglichen Anträge hilfsweise weiter. Er meint vornehmlich, die Verwirkungsklausel in dem Testament sei unwirksam; jedenfalls habe ihm die Kenntnis von seiner Enterbung bis zur Einziehung des ihn als Miterben ausweisenden Erbscheins gefehlt, weil er die Verwirkungsklausel aus rechtlich vertretbaren Gründen als unwirksam erachtet habe. -; Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

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Die Berufung ist nur geringfügig begründet.

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I.

Der Feststellungsantrag ist nicht gerechtfertigt. Durch das Anwaltsschreiben vom 24. Mai 1988 (Anlage zur Klagerwiderung -; Bl. 32 f. d.A.) ist die auflösende Bedingung (§ 2075 BGB), unter welcher die Erbeinsetzung des Klägers aufgrund der Verwirkungsklausel in dem notariellen Testament des Erblassers vom 24. März 1986 (dessen Seite 6, in der Anlage zu vorbezeichneter Klagerwiderung -; Bl. 26 d.A.) stand, eingetreten.

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1. Die vorbezeichnete Bedingung (für den Erben, der sich gegen das Testament wendet, nur den Pflichtteil) ist nicht -; wegen Gesetzesumgehung (§§ 134, 138 Abs. 1 BGB) -; unwirksam. Sie läuft nicht darauf hinaus, daß der Einsetzung eines Nacherben (§ 2104 Satz 1 BGB), die kraft Gesetzes (§ 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB) als nicht angeordnet gilt, zur Wirksamkeit verholfen wird oder der Erbe sich gegen den Willen des Gesetzgebers (§ 2305 BGB) womöglich mit weniger als dem Pflichtteil begnügen muß. Die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB, von deren Vorliegen der Bundesgerichtshof in der von dem Kläger angeführten Entscheidung (NJW 1993, 1005 ff. = LM § 2306 BGB Nr. 11) aus revisionsrechtlichen Gründen ausgegangen ist, sind nicht erfüllt. Der dem Kläger hinterlassene Erbteil von einem Viertel übersteigt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der nämlich nur ein Achtel ausmacht. Der Vergleich der Erbteile ist abstrakt nach den Quoten, nicht anhand der im Einzelfall sich ergebenden Beträge anzustellen (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2306 Rdnrn. 3 und 5). Das von dem Kläger behauptete Vorhandensein auszugleichender Vorempfänge der Beklagten sowie ergänzungspflichtiger Zuwendungen an diese, ihre Abkömmlinge sowie Frau A. und deren Sohn und Ehemann ändert an dieser Sichtweise nichts. Nur wenn der Erbe höchstens mit einer seinem Pflichtteil entsprechenden Quote bedacht und selbst zur Anrechnung (§ 2315 BGB) oder Ausgleichung (§ 2316 BGB) verpflichtet ist, kommt es für die Frage, ob er deswegen nicht in Wahrheit auf mehr als den Pflichtteil eingesetzt ist, auf die Wertverhältnisse des konkreten Falles an (s. RGZ 93, 3/5-;9). Anrechnungs- und Ausgleichungspflichten anderer als des Erben, um dessen Beschwerung es geht, sowie Ergänzungen dessen Pflichtteils sind für den Vergleich von Pflicht- und Erbteil, wie er bei sachgerechter Anwendung des § 2306 BGB, der eine irreparable Schmälerung des Pflichtteils verhindern will, geboten ist, bedeutungslos. Die Ergänzung des Pflichtteils bleibt dem beschwerten Erben in jedem Falle erhalten (§ 2326 BGB). Ebenso geht dem beschwerten Erben die Erhöhung seines Pflichtteils aufgrund von Ausgleichungspflichten seiner Miterben keinesfalls verloren (§ 2316 Abs. 2 BGB, vgl. auch:

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MünchKomm.-Frank, BGB, 2. Aufl., § 2316 Rdnr. 19). Ferner ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß der Erblasser dem Kläger zumutete, sich mit einem Erbe zu begnügen, welches nach Erfüllung der Vermächtnisse womöglich hinter dem ihm zustehenden Pflichtteil zurückblieb, oder die Gelegenheit, mit dem Erbe mehr als den Pflichtteil zu erhalten, auszulassen. Die von dem Erblasser dem Kläger abverlangte Entscheidung entspricht genau derjenigen, welche der Gesetzgeber von dem auf mehr als den Pflichtteil eingesetzten und zugleich beschwerten Erben erwartet (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Erblasser hat somit dem Kläger durch die Erbeinsetzung wirtschaftlich lediglich eine Chance auf mehr als seinen Pflichtteil eingeräumt, während es ihm nach dem Gesetz freigestanden hätte, den Kläger von vornherein zu enterben (§ 1938 BGB).

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2. Durch das Vorgehen, wie es sich spätestens in dem Anwaltsschreiben vom 24. Mai 1988 manifestiert, hat der Kläger sich in vorwerfbarer Weise gegen den Willen des Erblassers aufgelehnt.

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a) Dieses Schreiben ist ihm ebenso zuzurechnen wie seinen Brüdern. Sein Bruder H. hat den Streithelfer in seinem -; des Klägers -; Namen und mit seiner -; des Klägers -; Vollmacht mit der Wahrnehmung seiner -; des Klägers -; Interessen betraut. Die Vollmacht des Klägers an H. vom 7. März 1987 befindet sich Bd. I Bl. 15 d.A. 68 VI 406/91 AG Hannover. Am 24. Mai 1988 hat dementsprechend der Streithelfer an die Beklagte geschrieben, er vertrete in der Nachlaßsache des Vaters ihre drei Brüder, also auch den Kläger (Bd. III Bl. 32 vorbezeichneter Akten).

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b) In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, inwieweit die Vorstellung des Klägers, die Erfüllung des A. ausgesetzten Wohnungsvermächtnisses verkürze seinen Pflichtteil und habe deshalb zu unterbleiben, rechtlich anerkennenswert ist. Durch die Verwirkungsklausel wollte der Erblasser, wie dieses bei solchen testamentarischen Bestimmungen typischerweise der Fall ist, gerade erreichen, daß seine letztwilligen Verfügungen widerspruchslos geachtet und ohne langwieriges Austragen unterschiedlicher Standpunkte zwischen Erben und Vermächtnisnehmern erfüllt würden.

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II.

Der von dem Kläger gegen die Beklagte erhobene Anspruch auf den Pflichtteil ist, soweit bereits beziffert, nicht gerechtfertigt. Die Beklagte ist berechtigt, aufgrund der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung die Leistung zu verweigern (§ 222 Abs. 1 BGB). Die am 30. November 1993 bei Gericht eingereichte Klage, der Beklagten demnächst zugestellt, hat die Verjährung nicht unterbrochen (§ 209 Abs. 1 Fall 1 BGB, § 270 Abs. 3 ZPO).

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1. Deren dreijährige Frist (§ 2332 Abs. 1 Hs. 1 BGB) begann bereits, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend angenommen hat, mit Kenntnis des Klägers von dem Eintritt des Erbfalls und der beeinträchtigenden Verfügung (hier von der Verwirkungsklausel) spätestens Anfang März 1987 (Schreiben des Klägers vom 2. März 1987 -; Bl. 8 Bd. I d.A. 68 VI 406/91 AG Hannover), auch wenn nach deren Inhalt der Pflichtteilsanspruch, da durch den Verstoß gegen diese Klausel aufschiebend bedingt, überhaupt erst nach diesem Zeitpunkt entstand. Von dem Grundsatz, daß die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs, im Falle aufschiebender Bedingung nicht vor deren Eintritt (s. BGHZ 47, 388/390) beginnt (§ 198 Satz 1 BGB), ist hier nach dem Rechtsgedanken des § 2332 Abs. 3 BGB eine Ausnahme zu machen. Die Verwirkungsklausel in dem Testament stellte den Kläger vor keine andere Entscheidung als die durch § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgegebene, ob er ein womöglich hinter seinem Pflichtteil zurückbleibendes Erbe in Kauf nehmen oder statt dessen den Pflichtteil verlangen wollte, durch welche nach dem Willen des Gesetzgebers ungeachtet der Schwierigkeiten des Pflichtteilsberechtigten, alsbald Klarheit zu haben, was für ihn günstiger ist, der Lauf der Verjährung nicht abhängen soll. Schon nach dem Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Motive V S. 426) sollte die Unkenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Bestand des Nachlasses in der Frage der Verjährung keinen besonderen Schutz verdienen, was die Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. RGZ 104, 195/197; 135, 231/233-;236). -; Selbst wenn man hiervon abweichend den Eintritt der Bedingung für den Beginn der Verjährung als maßgeblich erachtet, ändert dies, wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Ergebnis nichts. Spätestens durch das Schreiben vom 24. Mai 1988 hat der Kläger gegen die Anordnungen des Erblassers in dessen Testament verstoßen.

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2. Die vorbezeichnete Kenntnis des Klägers war nicht, solange nicht das Amtsgericht durch Einziehung des mit zu seinen Gunsten erteilten Erbscheins die Verwirkungsklausel in dem Testament zu seinem Nachteil angewandt hatte, infolge beachtlichen Rechtsirrtums ausgeschlossen. Sein Streithelfer, auf dessen Erkenntnisfähigkeit es (entsprechend § 166 Abs. 1 BGB) ankommt, hielt die Verwirkungsklausel aus Gründen für unwirksam, die von vornherein von der Hand zu weisen waren (s. dazu: RGZ 140, 75/76 f.; BGH NJW 1984, 2936; OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 1224). Weder durfte er die Werttheorie für maßgeblich und auf ihrer Grundlage für berechtigt halten, die Vermächtnisse vorerst nicht zu erfüllen, noch gab es selbst bei ihrer Anwendung tatsächliche Anhaltspunkte, daß der Kläger bei Erfüllung der Vermächtnisse weniger als seinen Pflichtteil bekäme.

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a) Die von dem Streithelfer angeführten Kommentarstellen (v. Staudinger-Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2306 Rdnrn. 48-;50; MünchKomm. a.a.O. § 2306 Rdnr. 3) enthalten keine klare Aussage, wann die Werttheorie außer bei anrechnungs- oder ausgleichungspflichtigen Vorempfängen an den Beschwerten selbst anzuwenden sein soll, geschweige denn eine Begründung hierfür, während die gesetzliche Systematik des Pflichtteilsrechts, ohne daß es des Rückgriffs auf Erläuterungen zu dieser bedarf, dafür spricht, daß für die Werttheorie, von der vorerwähnten Ausnahme abgesehen, kein Bedürfnis besteht. Dazu wird auf die Ausführungen unter Ziff. I Nummer 1 und ergänzend darauf verwiesen, daß es, wie der Streithelfer wissen mußte, keine gesetzliche Handhabe gibt, Vermächtnisse im Hinblick auf mögliche den Pflichtteil sichernde, aber noch nicht berechenbare Ansprüche nicht zu erfüllen. Der Kläger war nach dem Willen des Gesetzgebers wegen seines Pflichtteils nur dadurch geschützt, daß dem Nachlaß, falls die Vermächtnisse den Pflichtteil beeinträchtigten, durch deren Erfüllung dem Nachlaß ein Anspruch auf Rückgewähr (in Form einer Ausgleichszahlung) zur Befriedigung des Pflichtteils erwuchs (§ 813 Abs. 1 Satz 1, § 2318 Abs. 1 Satz 1, § 2041 Satz 1 BGB), an welchem der Kläger sich selbst bei Haftungsbeschränkung der Beklagten auf den, Nachlaß durch Pfändung gegenüber der Vermächtnisnehmerin A. schadlos halten konnte (s. auch: KG FamRZ 1977, 269).

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b) Ausweislich der eigenen Berechnung des Streithelfers in seinem Schreiben an den Testamentsvollstrecker vom 15. August 1988 (Anlage zur Klagerwiderung -; Bl. 34-;38 R d.A.) verblieb dem Kläger mit 164.745,92 DM nach Erfüllung der Vermächtnisse wertmäßig ein größerer Erbteil als mit 139.481,40 DM (1/8 von 1.115.851,19 DM/Seite 6 des genannten Schreibens) der Pflichtteil ohne Berücksichtigung der Vermächtnisse. Der Erbteil machte nämlich ein Drittel des nach Berechnung des Streithelfers nach Abzug der Vermächtnisse verbleibenden Aktivnachlasses von 494.237,76 DM aus. Die Beklagte hatte sich (Ziffer IV Satz 2 des Testamentes vom 24. März 1986, Anlage zur Klagerwiderung -; Bl. 23-;26 R d.A.) die ihr ausgesetzten Vermächtnisse auf ihren Erbteil anrechnen zu lassen und nach Berechnung des Streithelfers mehr an Vermächtnissen erhalten, als auf ihren Erbteil entfiel.

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III.

Der von dem Kläger erhobene Auskunftsanspruch (§ 2057 Satz 1, § 2316 Abs. 1, § 2314 Abs. 1 BGB) ist nur insoweit gerechtfertigt, als die Beklagte Auskunft zu erteilen hat über Schenkungen seitens des Erblassers während der letzten zehn Jahre vor seinem Tode und in ihrem Besitz befindliche Unterlagen, aus welchen der Wert der Zuwendungen hervorgeht, vorlegen muß.

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1. Der Anspruch ist entstanden, als der Kläger seine Erbenstellung verloren hat.

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a) Hinsichtlich des Nachlaßbestandes selbst ist er durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Dieses ergibt sich aus der von dem Testamentsvollstrecker vorgenommenen Aufstellung der Nachlaßwerte (Anlage zur Klagerwiderung -; Bl. 39 bis 40 d.A.). Der Kläger hat nicht darzutun vermocht, daß diese Aufstellung unvollständig ist, insbesondere nicht, daß in ihr ganze Vermögensgruppen fehlen.

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b) Für eine Auskunft über Zuwendungen an Abkömmlinge der Beklagten ohne zeitliche Begrenzung ist kein Raum. Sie hat nur Bedeutung für die Berücksichtigung von Ausgleichungspflichten im Rahmen des Pflichtteils des Klägers im Falle der gesetzlichen Erbfolge, an welcher die Abkömmlinge der Beklagten nicht teilgenommen hätten. Sie wären durch die Beklagte, ihre Mutter, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen gewesen (§ 1924 Abs. 2 BGB).

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c) Die Wertangabe, welche der Kläger begehrt, beschränkt sich auf die Vorlage von Unterlagen über den Wert, soweit vorhanden. Anders als bei der Auskunft über den Nachlaßbestand ist der Erbe im Rahmen der Auskunft über ergänzungspflichtige Schenkungen zur Ermittlung der Werte nicht verpflichtet (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2314 Rdnr. 7). -; Pflicht- und Anstands Schenkungen sind von der Auskunft über Schenkungen allgemein bereits miterfaßt.

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2. Der Anspruch ist nur, soweit der Kläger weitere Auskunft über den Nachlaßbestand sowie Auskunft über Schenkungen an die Beklagte ohne zeitliche Grenze begehrt, nach Treu und Glauben wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) ausgeschlossen, weil Verjährung eingetreten ist.

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a) Ansonsten besteht das Informationsbedürfnis des Klägers weiterhin. Soweit ergänzungspflichtige Schenkungen in Betracht kommen, hat die Verjährung bis heute nicht zu laufen begonnen. Beeinträchtigende Verfügung im Sinne des § 2332 Abs. 1 BGB ist in diesem Falle nicht nur die Verwirkungsklausel in dem Testament, sondern jede einzelne der unentgeltlichen Zuwendungen seitens des Erblassers, über welche der Kläger sich mit der Auskunft erst Kenntnis verschaffen will. All diese Zuwendungen haben nämlich dazu geführt, daß die mit ihnen weggegebenen Gegenstände nicht mehr in den Nachlaß gefallen sind und daher bei der Berechnung des reinen Pflichtteils ohne die Ergänzung nicht mehr mitzählen können (s. BGHZ 103, 333/335-;337).

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b) Dieser Gedanke läßt sich nach Auffassung des Senats grundsätzlich auf ausgleichungspflichtige Vorempfänge nicht übertragen. Sie stellen nur Rechnungsposten bei der Ermittlung des Pflichtteils dar, und zwar so, als befänden sie sich in dem Nachlaß. Den Pflichtteil beeinträchtigende Verfügungen sind ausgleichungspflichtige Zuwendungen nur ausnahmsweise, wenn sie im Werte über demjenigen des Nachlasses liegen, weil dann dasjenige, was der Ausgleichungspflichtige als Vorempfang schon mehr erhalten hat, als ihm bei gesetzlicher Erbfolge aus dem Nachlaß einschließlich des Vorempfangs zugefallen wäre, dem Pflichtteil nicht zugute kommt (§§ 2056, 2316 Abs. 1 BGB). Für eine solche Ausnahme hat indessen der Kläger keine Anhaltspunkte aufzeigen können.

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IV.

Wegen der nach Auskunft sich womöglich ergebenden Ergänzung des Pflichtteils war die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (entsprechend § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Insoweit kann über den Zahlungsanspruch erst nach Erledigung der Auskunft, mit welcher er in einer Stufenklage verbunden ist, entschieden werden.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, § 546 Abs. 2 ZPO. Eine Kostenentscheidung konnte der Senat nicht treffen, weil der Verteilungsmaßstab vom Ausgang des Rechtsstreits hinsichtlich der Stufenklage abhängt (vgl. Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl., S. 256). -; Bei der Beschwer des Klägers hinsichtlich der Auskunft und Vorlage von Unterlagen wegen Schenkungen hat der Senat 10 % des für die Auskunft und die Wertangabe veranschlagten Wertes angenommen. Für die Beschwer der Beklagten hält er nach wie vor deren Interesse, Auskunft nicht erteilen zu müssen, wie auch der Bundesgerichtshof (NJW-RR 1994, 1271 [BGH 13.07.1994 - VIII ZB 27/94]) für maßgeblich, solange nicht der Große Senat des Bundesgerichtshofs eine anderweitige Entscheidung getroffen hat (NJW-RR 1994, 1145 [BGH 11.07.1994 - II ZB 13/93]).