Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.03.1995, Az.: 13 U 112/94

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.03.1995
Aktenzeichen
13 U 112/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 33625
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1995:0329.13U112.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 29.06.1994 - AZ: 4 O 48/92

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 1995 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ., des Richters am Oberlandesgericht . und der Richterin am Landgericht . für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Juni 1994 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

    Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner der Klägerin 78.136, 58 DM zu zahlen. Insoweit wird den Beklagten als Erben des am 16. Juni 1990 verstorbenen Ingenieurs . die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß des Erblassers vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung dieses Urteils.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

  2. II.

    Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen. Der Streithelfer hat seine außergerichtlichen Kosten zu tragen.

  3. III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 92.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Sicherheit kann jeweils sein die unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse.

  4. IV.

    Die Beschwer wird für die Klägerin und die Beklagten auf je 78.136,58 DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt Minderung und Schadensersatz aus mehreren Werkverträgen, die sie mit dem am 16. Juni 1990 verstorbenen Ingenieur . geschlossen hat. Die Beklagten sind seine gesetzlichen Erben.

2

Die Klägerin beauftragte den Erblasser, der in . ein Ingenieurbüro betrieb, am 27. November 1987 bzw. am 16. Februar 1988 mit der Erstellung einer Heizungs- und Lüftungsanlage bzw. mit einem Kühlbetrieb und einer Kanal-Leitungs-Dämmung für die Gaststätte . in . Wegen der im einzelnen geschlossenen Vereinbarungen wird Bezug genommen auf die zitierten Aufträge und die in Bezug genommenen Angebote des Erblassers vom 16. Oktober 1986 (Heizungs- und Lüftungsanlage) und vom 26. November 1987 bzw. 9. Februar 1988 (Kühlbetrieb und Kanal-Leitungs-Dämmung).

3

Der Erblasser führte die Arbeiten von 1987 bis 1989 aus. Die Gaststätte . wurde im Juli 1988 in Betrieb genommen. Mit Schreiben vom 29. Juni 1989 beanstandete der von der Klägerin mit der Bauleitung beauftragte Architekt, daß die Lüftung und Kühlung keine ausreichende Leistung erbrächten und setzte einen Termin zur Mängelbeseitigung bis zum 10. August 1989. Nach Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens gegen die Beklagte zu 1 im Oktober 1990 hat die Klägerin unter Berufung auf die im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten Rückerstattung aller von ihr geleisteten Zahlungen sowie Schadensersatz wegen einer insgesamt unbrauchbaren Werkleistung des Erblassers verlangt und beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 78.136,58 DM zu zahlen.

4

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen,

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für den Fall der Verurteilung, den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen, unbefristeten und unbedingten Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder Deutschen Sparkasse zu erbringen.

6

Der Streithelfer, der für das Bauvorhaben der Klägerin . die Berechnung, Planung und Dimensionierung der Heizungsanlage durchgeführt und gemeinsam mit dem Erblasser den Auftrag ausgeführt hat, hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung der Klage stattgegeben und den Anspruch der Klägerin auf Minderung und Schadensersatz gemäß § 13 Nr. 6 S. 2 und Nr. 7 VOB/B gegen die Beklagten zugesprochen, die als Erben gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten des Erblassers nach §§ 1967, 2058 BGB hafteten. Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, die geltend machen, daß der Nachlaß des am 16. Juni 1990 verstorbenen Ingenieurs . völlig überschuldet sei.

8

Sie beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

9

hilfsweise,

10

das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß gemäß § 1990 BGB in Verbindung mit § 780 ZPO festgestellt wird, daß sich die Haftung der Beklagten auf den Nachlaß des am 16. Juni 1990 verstorbenen . beschränkt.

11

Der Streithelfer der Beklagten

12

schließt sich den Anträgen der Beklagten an.

13

Die Klägerin beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen,

14

im Falle der möglichen Revisibilität eines Berufungsurteils außerdem anzuordnen, daß eine zur Ermöglichung oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erforderliche Sicherheit auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen Bürgschaft einer Deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse geleistet werden darf.

15

Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß eine Berufung mit dem Ziel, den Vorbehalt gemäß § 780 ZPO zu erreichen, nicht zulässig sei. Sie meint, daß die mit Schriftsatz vom 24. Februar 1995 vorgenommene Berufungserweiterung nicht durch die Berufungsbegründung vom 14. November 1994 gedeckt sei und bestreitet die von den Beklagten belegte Überschuldung des Nachlasses.

16

Ergänzend wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die im Tatbestand des Urteils zitierten Urkunden nebst Verweisungen.

Gründe

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I.

Auf die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist im Urteil den Beklagten gemäß § 780 ZPO die Beschränkung der Haftung auf den Nachlaß des am 16. Juni 1990 verstorbenen Ingenieurs . vorzubehalten.

18

1. Die Berufung, mit der die Beklagten das Ziel verfolgen, eine vorbehaltene Beschränkung der Haftung gemäß § 780 ZPO zu erreichen, ist zulässig. Allein Stöber (Zöller(-Stöber), ZPO, 19. Auflage, § 780 Rn. 10) vertritt, soweit ersichtlich, die Ansicht, daß eine Berufung lediglich zur Nachholung der Einrede gemäß § 780 ZPO nicht zulässig sei. Dies wird nicht weiter begründet. Mit der ganz herrschenden Meinung (s. etwa Münchener Kommentar zur ZPO (-; Karsten/Schmidt, § 780, Rn. 19; Stein/Jonas (-;Münzberg z. B.), 20. Aufl. § 780 Rn. 5; wohl auch Wieczorek/Schütze, ZPO, 2. Auflage, § 780 Anm. B I b und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Auflage, § 780, Rn. 4; s. auch BGH NJW 1983, 2378, 2379) sieht der Senat die Berufung als zulässig an. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 54, 204 ff.) hat lediglich in einem Fall, in dem auf einen Revisionsantrag hin das Berufungsurteil um den Vorbehalt ergänzt werden sollte und dies auf neuen Sachvortrag gestützt worden war, die Revision als unzulässig angesehen, weil die Revision nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend begründet worden sei. Insoweit ging es aber ausschließlich darum, daß der Bundesgerichtshof nicht als Tatsacheninstanz entscheiden kann.

19

Wenn aber der Vorbehalt gemäß § 780 ZPO als materiell-rechtliche Haftungsbeschränkung zu verstehen ist (s. BGH NJW 1983, 2378, 2379 [BGH 09.03.1983 - IVa ZR 211/81]) und der Einredecharakter eine Geltendmachung im Erkenntnisverfahren wie beim Zurückbehaltungsrecht erfordert, muß es den Erben auch noch im Berufungsverfahren möglich sein, die Haftungsbeschränkung, geltend zu machen. Einschränkungen können sich allein aus den hier nicht einschlägigen Verspätungsvorschriften gemäß § 528 ZPO ergeben. Nicht zweifelhaft ist auch, daß die Erben durch ein Urteil beschwert sind, das den Vorbehalt nicht enthält.

20

2. Der Vorbehalt ist wie aus dem Tenor ersichtlich zu formulieren.

21

Über den in erster Linie von der Erbengemeinschaft aus § 1990 Abs. 1 BGB und aus dem vorliegenden Beschluß, mit dem die Eröffnung des Nachlaßkonkurses abgelehnt worden ist, hergeleiteten Klageabweisungsantrag muß der Senat nicht sachlich entscheiden. Ob der Nachlaß zur Befriedigung der Klägerin ausreicht oder nicht, ist offen. Unter diesen Umständen ist es gerechtfertigt, es bei dem Ausspruch des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung zu belassen, und die sachliche Klärung dem dafür vorgesehenen Verfahren gemäß § 785 ZPO zu überlassen (siehe auch BGH NJW 1983, 2378, 2379 [BGH 09.03.1983 - IVa ZR 211/81]).

22

b) Der Vorbehalt kann aber nur die eigentliche Klageforderung betreffen. Für die Prozeßkosten kann der Vorbehalt nicht erfolgen, da es sich nicht um Nachlaßverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB handelt. Kosten eigener Prozeßführung hat der Erbe als Prozeßpartei selbst zu tragen. Dies entspricht, soweit ersichtlich, auch allgemeiner Ansicht (s. nur Zöller (-;Stöber), a.a.O., Rn. 7).

23

II.

1. Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß den §§ 91, 97 Abs. 2, 100 Abs. 4 ZPO insgesamt zu tragen. Dementsprechend hat der Streithelfer seine außergerichtlichen Kosten zu tragen, §§ 74 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

24

a) Für das Berufungsverfahren ist maßgeblich, daß die Beklagten jedenfalls in der Lage gewesen wären, sich schon im erstinstanzlichen Verfahren auf die beschränkte Erbenhaftung gemäß § 780 ZPO zu berufen. Dies ist auch nicht deshalb anders zu sehen, weil nach dem überreichten Beschluß vom 2. November 1994 der Antrag auf Eröffnung des Nachlaßkonkurses erst nach Einlegung der Berufung und vor deren Begründung abgelehnt worden ist. Der Vorbehalt nach § 780 ZPO hätte hiervon unabhängig geltend gemacht werden können.

25

b) Soweit es das erstinstanzliche Verfahren angeht, haben die Beklagten die Kosten des Verfahrens zu tragen. Mit der Aufnahme des Vorbehalts liegt kein Teilunterliegen der Klägerin im Sinne von § 92 Abs. 1 ZPO vor. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob im Falle der Aufnahme des Vorbehalts generell ein Teilunterliegen ausscheidet (so Wieczorek, ZPO, 2. Auflage, § 92 Anm. A I a 2). Ein Teilunterliegen im Sinne von § 92 ZPO kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die klagende Partei nicht die Möglichkeit hatte, sich in ihrer Prozeßführung auf den die Haftung beschränkenden Antrag einzurichten, und wenn die Parteien nicht über die Berechtigung der Einrede gestritten haben (so auch OLG Hamburg, MDR 1960, 150; Stein/Jonas (-;Bork), Komm. z. ZPO, 21. Auflage, Rn. 1 a). Nichts anderes kann aber gelten, wenn wie hier der Vorbehalt erstmals mit der Berufung geltend gemacht wird und die klagende Partei sich darauf beschränkt, die Zulässigkeit der hierauf gestützten Berufung anzuzweifeln.

26

2. Jedenfalls wegen § 781 ZPO bedarf es eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gemäß den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; denn nach § 781 ZPO bleibt die Beschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis aufgrund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von den Erben Einwendungen erhöben werden.