Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.06.2015, Az.: 8 U 288/14

Umfang der Räum- und Streupflicht auf Fußgängerüberwegen bei winterlichen Witterungsverhältnissen; Umfang der Streupflicht bei fortdauerndem eisbildendem Regen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.06.2015
Aktenzeichen
8 U 288/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 39438
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0618.8U288.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 22.10.2014 - AZ: 5 O 111/14

Fundstelle

  • NordÖR 2016, 283

Amtlicher Leitsatz

1. Zwar gilt an sich der Grundsatz, dass innerhalb der geschlossenen Ortschaften neben den Wegen mit nicht unbedeutendem Verkehr nur die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege gestreut werden müssen. Soweit es aber um die Sicherung von Örtlichkeiten geht, an denen regelmäßig oder zu bestimmten Zeiten starker Fußgängerverkehr herrscht, kann den Pflichtigen eine noch gesteigerte Sicherungspflicht treffen. Das gilt auch für unmittelbar an Schulen grenzende Fußwege sowie die zugänglichen und tatsächlich genutzten Verbindungsflächen zwischen einem Schulgelände und angrenzenden Wegen.

2. Anerkanntermaßen darf zwar etwa bei fortdauerndem eisbildendem Regen ausnahmsweise das (erneute!) Streuen unterbleiben, wenn es bei Einsatz aller vernünftigerweise in Betracht kommenden Mittel wirkungslos wäre. Das bedeutet aber gerade nicht, dass der Pflichtige bei außergewöhnlichen Wetterverhältnissen regelmäßig von der Streupflicht befreit sein würde. Vielmehr erfordern gerade solche Verhältnisse besonders intensive Streumaßnahmen. Es genügt insoweit, dass das Streugut die Gefahr des Ausgleitens wenigstens vermindert. Dem Verkehrssicherungspflichtigen hilft nur noch der von ihm zu erbringende Nachweis der Zwecklosigkeit.

3. Die bloße Behauptung des Streupflichtigen, es seien nicht mehr genügend Streumittel vorhanden gewesen, ist ungenügend. Eine verkehrssicherungspflichtige Kommune muss vortragen, was noch in welcher Menge vorhanden war, welche Bevorratungsmaßnahmen nach welchen Kriterien getroffen worden waren, und warum dessen ungeachtet - im konkreten Fall bereits Anfang Februar - es an ausreichendem Streugut gerade für die in Rede stehende Örtlichkeit gefehlt haben soll.

4. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass bei einem Sturz auf erkennbar nicht geräumtem bzw. gestreutem Untergrund prima facie von mangelnder Aufmerksamkeit auszugehen ist, trifft dies wegen fehlender Typizität nicht zu. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass bei Stürzen infolge von Glatteis stets ein Mitverschulden des Fußgängers anzusetzen ist (vorliegend: 1/3 Mitverschulden wegen Nutzung eines erkennbar vereisten Nebeneingangs, der nicht genutzt werden musste).

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. Oktober 2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.308,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8. August 2014 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, zu 2/3 sämtliche weiteren auf die Klägerin gem. § 52 NBG übergegangenen Schadensersatzansprüche aus dem Schadensereignis vom 5. Februar 2010, bei dem die Bedienstete der Klägerin, Frau S. L., erheblich verletzt wurde, zu erstatten.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Aus übergegangenem Recht macht das klagende Land (Klägerin) Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.

Die 1952 geborene Frau S. L., Lehrerin an der Grundschule S. ..., verließ am 5. Februar 2010 gegen 15:50 Uhr den Schulhof durch ein verschließbares Tor und stürzte dabei infolge Schnee- und Eisglätte (s. Lichtbild Anlage K 1, gesondert geheftet).

Frau L. erlitt durch den Sturz eine distale Radius-Extensionsfraktur, die operativ versorgt wurde. Die Landesschulbehörde hat das Unfallereignis als Dienstunfall anerkannt.

Der Klägerin entstanden für die Fortzahlung der Dienstbezüge während der Arbeitsunfähigkeit und für die Heilbehandlung Kosten in Höhe von 10.063,57 € und 17.398,44 €. Die Summe entspricht dem Zahlungsantrag.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihr insoweit zum Schadensersatz verpflichtet. § 46 BeamtVG schließe den Regressanspruch gegenüber der Beklagten nicht aus.

Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, Frau L. habe sich die Verletzungen während der Teilnahme am allgemeinen Verkehr zugezogen. Verkehrssicherungspflichten seien auch nicht verletzt worden, weil der von Frau L. gewählte Nebeneingang nicht habe gestreut werden müssen; dies sei zur Zeit des Sturzes aufgrund eines Engpasses in der Versorgung mit Streumitteln ohnehin nicht mehr möglich gewesen. Frau L. treffe außerdem ein erhebliches Mitverschulden.

Das Landgericht hat mit am 22. Oktober 2014 verkündetem Urteil des Einzelrichters die Klage abgewiesen.

Der hier anwendbare § 46 Abs. 1 S. 1 BeamtVG beschränke die Ansprüche von Beamten. Abs. 2 der Vorschrift entsperre diese Beschränkung; keiner dieser Ausnahmetatbestände liege aber vor. Für ein vorsätzliches Handeln der Beklagten sei nichts ersichtlich. Wäre der Dienstunfall während der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten, wären mögliche Ansprüche von Frau L. zwar gem. § 52 NBG auf die Klägerin übergegangen; jedoch wäre die Beklagte gem. § 46 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BeamtVG nicht verpflichtet, die Unfallfürsorgeleistungen zu ersetzen. Sollte der Dienstunfall nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten sein, wären Ansprüche von Frau L., die auf das klagende Land hätten übergehen können, von vornherein nicht begründet; es bleibe bei der Sperrwirkung des § 46 Abs. 1 S. 1 BeamtVG. Die Überleitungsvorschrift des § 52 NBG sei nicht anwendbar, wenn eine Beamtin oder ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt werde, für den eine andere inländische juristische Person des öffentlichen Rechts haftungsrechtlich einzustehen habe.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich gestellten Anträge auf Zahlung und Feststellung.

Die Klägerin meint, § 46 Abs. 2 BeamtVG regele für den verletzten Beamten oder die verletzte Beamtin nur die Möglichkeit der Geltendmachung weitergehender Ansprüche. Das habe aber nichts damit zu tun, dass bereits ein Anspruch bei dem/der geschädigten Beamten/Beamtin überhaupt nicht entstehen könne, sodass dieser auch nicht gem. § 52 NBG übergehen könne. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei die Entscheidung BGH, NJW 2013, 2351 [BGH 19.03.2013 - VI ZR 174/12], [BGH 19.03.2013 - VI ZR 174/12] vergleichbar und anwendbar. Eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr liege, da es um einen innerbetrieblichen Vorgang gegangen sei, nicht vor. § 46 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BeamtVG habe das Landgericht verkannt. Die Inbezugnahme erfasse allein die weitergehenden Ansprüche, um die es vorliegend nicht gehe.

Die Klägerin beantragt (Bl. 118),

1. abändernd die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 27.462,01 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. abändernd festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche weiteren auf die Klägerin gem. § 52 NBG übergegangenen Schadensersatzansprüche aus dem Schadensereignis vom 05.02.2010, bei dem die Bedienstete der Klägerin, Frau S. L., erheblich verletzt wurde, zu erstatten.

Die Beklagte beantragt (Bl. 132),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, die beigezogenen Akten 5 O 2/11 Landgericht Hildesheim (L. ./. Stadt Y.), das angefochtene Urteil sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Dem sich daraus ergebenden, durch ein Mitverschulden der gestürzten Lehrerin begrenzten und auf die Klägerin übergegangenen Anspruch steht insbesondere nicht § 46 BeamtVG entgegen.

1. Verkehrssicherungspflichtverletzung

a) Die Beklagte war für die Sturzstelle verkehrssicherungspflichtig. Das nimmt sie selbst nicht in Abrede (Bl. 31 unten).

b) Zum Schutz des Fußgängerverkehrs sind im Grundsatz strenge Anforderungen an die Streupflicht zu stellen (vgl. nur BGH, NJW 1993, 2802, 2803 [BGH 01.07.1993 - III ZR 88/92]). Fußwege müssen gestreut werden, soweit auf ihnen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet.

Über die Verkehrsbedeutung der Fläche im Bereich des Tores, des Weges bis zum Fußweg und des Fußweges neben der Schule ist Näheres nicht bekannt. Es kommt darauf letztlich auch nicht an. Nach den nicht ganz widerspruchsfreien Feststellungen des Landgerichts stürzte die Lehrerin S. L. unmittelbar nach Verlassen des Schulhofs durch das Tor auf dem entlang des Schulgeländes verlaufenden Fußweg. Der Fußweg schließt allerdings nicht unmittelbar an den Gehweg neben der Schule an. In ihrem eigenen Rechtsstreit hatte die Lehrerin vorgetragen, "unmittelbar beim Öffnen des Schultores" ausgerutscht zu sein.

Zwar gilt an sich der Grundsatz, dass innerhalb der geschlossenen Ortschaften neben den Wegen mit nicht unbedeutendem Verkehr nur die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege gestreut werden müssen. Soweit es aber um die Sicherung von Örtlichkeiten geht, an denen regelmäßig oder zu bestimmten Zeiten starker Fußgängerverkehr herrscht, kann den Pflichtigen eine noch gesteigerte Sicherungspflicht treffen. Das gilt etwa, aber nicht nur, für Bussteige an Omnibusbahnhöfen (vgl. ebenda; OLG Schleswig, MDR 2013, 972 [OLG Schleswig 14.05.2013 - 11 U 51/12]). Auch für unmittelbar an Schulen grenzende Fußwege sowie die zugänglichen und tatsächlich genutzten Verbindungsflächen zwischen einem Schulgelände und angrenzenden Wegen hat dies zu gelten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass es sich um eine Grundschule handelt und der Sturz sich erst am Nachmittag zutrug. Es steht nicht in Rede, dass der pflichtwidrige Zustand bereits seit längerem bestanden hatte und Maßnahmen dessen ungeachtet nicht ergriffen worden waren.

c) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass Anfang Februar 2010 das Wetter von Frost- und Tauwetter gewechselt habe, sodass es vielerorts wiederholt zu Glatteisbildungen gekommen sei und es außerdem zu einem Engpass in der Versorgung mit Streumitteln gekommen sei, sodass sowohl bei der Beklagten als auch bei der Grundschule ... nicht mehr genügend Streumittel vorhanden gewesen seien, um den in Rede stehenden Bereich mit abtauenden Mitteln abzustreuen (Bl. 32).

Anerkanntermaßen darf etwa bei fortdauerndem eisbildendem Regen ausnahmsweise das (erneute!) Streuen unterbleiben, wenn es bei Einsatz aller vernünftigerweise in Betracht kommenden Mittel wirkungslos wäre. Das bedeutet aber gerade nicht, dass der Pflichtige bei außergewöhnlichen Wetterverhältnissen regelmäßig von der Streupflicht befreit sein würde. Vielmehr erfordern gerade solche Verhältnisse besonders intensive Streumaßnahmen (BGH, VersR 1977, 431). Es genügt insoweit, dass das Streugut die Gefahr des Ausgleitens wenigstens vermindert, mag seine abstumpfende Wirkung auch durch weitere Eisbildung oder nachfolgenden Schneefall abgeschwächt werden. Dem Verkehrssicherungspflichtigen hilft nur noch der von ihm zu erbringende Nachweis der Zwecklosigkeit (BGH, NJW 1993, 2802, 2803 [BGH 01.07.1993 - III ZR 88/92]).

Davon kann hier nicht die Rede sein. Eine "extreme Wetterlage" ist mit Substanz nicht behauptet worden. Der pauschale Verweis auf die Situation im Winter 2009/2010 ist ebenso ungenügend wie der Verweis auf anhaltende Schneefälle in den Wochen zuvor (!) und einen sich anschließenden Wechsel von Frost- auf Tauwetter. Zur Situation am Tag des Sturzes ist demgegenüber von der Beklagten nichts vorgetragen worden.

Den (gemäß Bl. 48 oben bestrittenen) Vortrag der Beklagten dazu, es seien nicht mehr genügend Streumittel vorhanden gewesen, hält der Senat, wie bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, für unbeachtlich. Zum einen stellt sich im Hinblick auf den eingeräumten Wechsel von Frost- und Tauwetter die Frage, warum nach dem Auftauen des Eises dieses nicht schlicht mit einer Schaufel oder in ähnlicher Weise entfernt wurde. Die bloße Behauptung, es seien nicht mehr genügend Streumittel vorhanden gewesen, ist ohne ausreichende Substanz. Es hätte vorgetragen werden müssen, was noch in welcher Menge vorhanden war. Außerdem hätte dazu vorgetragen werden müssen, welche Bevorratungsmaßnahmen nach welchen Kriterien getroffen worden waren, und warum dessen ungeachtet im konkreten Fall bereits Anfang Februar 2010 es an ausreichendem Streugut gerade für die hier in Rede stehende Örtlichkeit gefehlt haben soll. Eine weitergehende Aufklärung insoweit hat sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erzielen lassen.

Darüber hinaus verkennt der Vortrag der Beklagten, es hätten wegen der Knappheit von Streumitteln nur die Hauptverkehrsflächen abgestreut werden können (Bl. 32), dass der intensiv genutzte Bereich um eine Schule nach den obigen Ausführungen eine solche Hauptverkehrsfläche darstellt.

d) Es ist allerdings von einem Mitverschulden der Lehrerin S. L. auszugehen. Nach der Anlage K 1 (Anlagenband) stand dem Ort des Sturzes die Gefährlichkeit ins Gesicht geschrieben. Es war seit längerer Zeit kein Winterdienst durchgeführt worden, weil offenbar seit langem unklar war, wer auf Seiten der Beklagten zuständig war.

Teilweise wird davon ausgegangen, dass prima facie bei einem Sturz auf erkennbar nicht geräumtem bzw. gestreutem Untergrund von mangelnder Aufmerksamkeit auszugehen ist (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 254 Rdnr. 27, m. w. N.; OLG Hamm, NJW 2013, 1375 [BGH 18.10.2012 - I ZR 137/11]; in der Tendenz auch OLG Oldenburg, 1 U 77/13, Urteil vom 13. Februar 2014, zit. nach juris; dagegen mit zutreffendem Hinweis auf fehlende Typizität OLG Dresden, VersR 2001, 868 [OLG Dresden 19.04.2000 - 6 U 3690/99]). Es besteht aber jedenfalls kein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass bei Stürzen infolge von Glatteis stets ein Mitverschulden des Fußgängers anzusetzen ist (vgl. OLG Celle, 8 U 14/12, Beschluss vom 26. März 2012; 8 U 56/13, Urteil vom 8. August 2013 und öfters; LG Hannover, 18 O 166/14, Urteil vom 17. Februar 2015, zit. nach juris; OLG München, 1 U 4314/07, Urteil vom 13. März 2008, zit. nach juris; so letztlich auch OLG Oldenburg, aaO.). Wenn jemand auf glattem Boden ausrutscht, so kann es dazu auch gekommen sein, obwohl er die gehörige, verkehrsüblich von einem durchschnittlichen Wegebenutzer geübte Sorgfalt beachtet hat. Es ist deshalb zu untersuchen, aus welchen besonderen Umständen des Falles das Mitverschulden hergeleitet werden soll (vgl. OLG Celle, OLGR Celle 1997, 227).

Dabei kann der Verkehrssicherungspflichtige Verkehrsteilnehmern grundsätzlich nicht entgegenhalten, sie hätten gefährliche Stellen meiden müssen. Damit würde er die ihn treffende Verantwortung unzulässig auf den Verkehrsteilnehmer abwälzen. Es ist vielmehr Aufgabe des Verkehrssicherungspflichtigen, ihm als solche erkennbare Gefahrenstellen - soweit zumutbar - rechtzeitig entweder zu beseitigen oder wenigstens zu entschärfen (vgl. BGH, NJW 1980, 2194 [BGH 10.07.1980 - III ZR 58/79], [BGH 10.07.1980 - III ZR 58/79] unter II. 3. d) bb).

Vorliegend reichte es daher zur Annahme eines Mitverschuldens noch nicht aus, dass die Fläche, die die Lehrerin beging, offenkundig glatt war, und davon ausgegangen werden kann, dass Frau L. vor Schadenseintritt die bestehende Gefahrenlage erkannt hatte (vgl. BGH, MDR 2013, 970 [BGH 20.06.2013 - III ZR 326/12]; MDR 1997, 738). Zu der Erkennbarkeit kommt vorliegend aber hinzu, dass dieser Ausgang nicht genutzt werden musste. Den Akten lässt sich dazu entnehmen, dass es einen weiteren Eingang gab, der offenbar zudem der Haupteingang war (s. Anlage K 4, gesondert geheftet, sowie Bl. 33). Das hat die Klägerin letztlich auch nicht bestritten (Bl. 49). Hinsichtlich dieses Einganges ist auch nicht behauptet worden, dass auch insoweit - ebenfalls wegen eines Kompetenzstreites oder aus anderem Grund - anhaltend der Winterdienst unterlassen worden wäre.

In Anbetracht der als hartnäckig zu bezeichnenden Verweigerung des Winterdienstes an der Sturzstelle kommt es aber nicht in Betracht anzunehmen, dass das Mitverschulden von Frau L. dasjenige der Beklagten überwiegt oder sogar ausschließt. Der wesentliche Ursachenbeitrag besteht auf Seiten der Beklagten.

Entsprechend den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung geht der Senat von einem Mitverschulden von 1/3 aus (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2000, 63 [OLG Düsseldorf 20.03.1998 - 22 U 154/97]; OLG Hamm, VersR 2006, 134 [OLG Hamm 15.10.2004 - 9 U 116/04]; OLG Saarbücken, 4 U 644/03, Urteil vom 20. Juli 2004; OLG Köln, 19 U 36/13, Urteil vom 16. Mai 2013, je zit. nach juris). Besondere Umstände, die eine gegenüber der Senatspraxis abweichende Festsetzung rechtfertigten, liegen nicht vor (s. a. OLG Saarbrücken, OLGR 2004, 623; OLG München, OLGR 1993, 38; OLG Hamm, OLGR 1999, 87 (1/4); OLG Oldenburg, 1 U 77/13, Urteil vom 13. Februar 2014, zit. nach juris; OLG München, VersR 2003, 518 [OLG München 30.01.2003 - 19 U 4246/02]; s. a. OLG Brandenburg, MDR 2010, 809 (2/5); OLG Celle, NJW-RR 1989, 1419).

Auf den Ansatz eines Mitverschuldens ganz zu verzichten, erscheint dem Senat aber fernliegend vor dem Hintergrund, dass die gestürzte Lehrerin den Weg durch das Tor nicht nehmen musste und ihr ein zumutbarer und jedenfalls weniger gefährlicher Alternativweg zur Verfügung stand.

2. Beschränkung der Ansprüche durch § 46 BeamtVG

a) Nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil ist der Glatteissturz von Frau L. als Dienstunfall (§ 31 BeamtVG) anerkannt worden. Diese behördliche Feststellung bindet die Zivilgerichte, die über Schadensersatzansprüche aus Anlass des Unfalls zu entscheiden haben (BGH, NJW 1993, 1643). Damit findet § 46 BeamtVG Anwendung (ein Nds. Beamtenversorgungsgesetz gibt es demgegenüber erst seit 2011; § 97 NBG a. F. verwies in seinem § 97 auf das Beamtenversorgungsgesetz des Bundes).

b) Nach § 46 Abs. 1 BeamtVG haben verletzte Beamte wie die Lehrerin Frau L. aus Anlass eines Dienstunfalls gegen den Dienstherrn - hier die Klägerin - nur die in den §§ 30 bis 43a BeamtVG geregelten Ansprüche. Weitergehende Ansprüche aufgrund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften können gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Bundesgebiet oder gegen die in seinem Dienst stehenden Personen nur ausnahmsweise, nämlich nach § 46 Abs. 2 BeamtVG nur dann geltend gemacht werden, wenn der Dienstunfall entweder (Nr. 1) durch eine vorsätzlich unerlaubte Handlung verursacht worden oder (Nr. 2) bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Nur für diesen Fall der Nr. 2 trifft § 46 Abs. 2 S. 2 BeamtVG eine weitergehende Regelung dahingehend, dass der Dienstherr, der Leistungen nach dem BeamtVG gewährt, keinen Anspruch auf Ersatz dieser Leistungen gegen einen anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Bundesgebiet hat. Diese Regelung fand sich bis zur Neuregelung des Beamtenversorgungsgesetzes im Gesetz über die erweiterte Zulassung von Schadensersatzansprüchen bei Dienst- und Arbeitsunfällen vom 7. Dezember 1943. Die Übernahme dieser Regelung in § 46 Abs. 2 BeamtVG hat in der Sache keine Änderung gebracht (BGH, NJW 2013, 2351 [BGH 19.03.2013 - VI ZR 174/12]). Weitergehende Ansprüche i. S. d. § 46 Abs. 2 BeamtVG meinen nicht der Höhe nach, also betragsmäßig über § 46 Abs. 1 BeamtVG hinausgehende Ansprüche, sondern andere (Schadensersatz-) Ansprüche (so offenbar auch BGH, NJW 1997, 2883 [BGH 17.06.1997 - VI ZR 288/96]).

Auf § 46 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG kommt es hier aber nicht an. § 46 Abs. 2 Satz 2 2. Hs. BeamtVG bestimmt: Im Fall der Nummer 2 - Dienstunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr - sind Leistungen, die dem Beamten und seinen Hinterbliebenen nach diesem Gesetz gewährt werden, auf die weitergehenden Ansprüche anzurechnen; der Dienstherr, der Leistungen nach diesem Gesetz gewährt, hat keinen Anspruch auf Ersatz dieser Leistungen gegen einen anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Bundesgebiet.

Leistungen nach diesem Gesetz sind die Behandlungskosten (§ 33 Abs. 1, 2 BeamtVG). Die Dienstbezüge werden zwar im Beamtenversorgungsgesetz nur mittelbar erwähnt (§§ 5, 35 BeamtVG); der erkennbaren Intention des Gesetzes aber liefe es zuwider, zwischen den Behandlungskosten und den Dienstbezügen, die aus Anlass des Dienstunfalls weitergezahlt werden müssen, zu unterscheiden.

Es liegt der Ausnahmetatbestand der Teilnahme am allgemeinen Verkehr aber nicht vor. Dazu heißt es in BGH, VersR 2004, 473 [BGH 27.11.2003 - III ZR 54/03]:

"Wie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, geklärt ist, ist für die Beurteilung, ob ein Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist, maßgeblich das Verhältnis zu dem in Anspruch genommenen Schädiger in den Blick zu nehmen (vgl. Senatsurteile BGHZ 17, 65, 66 f; 33, 339, 349 f; 64, 201, 203; BGH, Urteil vom 21. November 1958 - VI ZR 255/57 - VersR 1959, 52, 53), wobei es unerheblich ist, ob der für den Dienstunfall verantwortliche Dienstherr derjenige des verletzten Beamten ist oder eine andere "öffentliche Verwaltung" im Sinne des § 1 Abs. 1 ErwZulG, mag sie demselben oder einem anderen Dienstherrn unterstehen. Dabei lassen sich die Fälle, in denen ein Beamter während einer Dienstfahrt für seine eigene Verwaltung im öffentlichen Straßenverkehr einen Unfall erleidet, den eine andere Verwaltung verursacht hat, meist ohne weiteres als Teilnahme am allgemeinen Verkehr verstehen (vgl. etwa Urteile vom 21. November 1958 aaO.; BGHZ 64, 201; vom 2. November 1989 - III ZR 133/88 - NJW-RR 1990, 461, 462). In anderen Fällen hat die Rechtsprechung zusätzlich in Erwägung gezogen, ob sich der Unfall in einem Gefahrenkreis ereignet hat, für den die Zugehörigkeit zum Organisationsbereich des verantwortlichen Dienstherrn im Vordergrund steht, oder ob den Unfall nur ein loser äußerlicher Zusammenhang mit dem dienstlichen Organisationsbereich verbindet, der Bedienstete also "wie ein normaler Verkehrsteilnehmer" verunglückt ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 17, 65, 67; 33, 339, 352; 121, 131, 136; BGH, Urteil vom 13. Januar 1976 - VI ZR 58/74 - NJW 1976, 673, 674; Senatsurteil vom 19. Oktober 1978 - III ZR 59/77 - VersR 1979, 32 f; Senatsbeschlüsse vom 22. Februar 1989 - III ZR 234/88 - VersR 1990, 404; vom 26. März 1992 - III ZR 81/91 - VersR 1992, 1514; Senatsurteil vom 9. Februar 1995 - III ZR 164/94 - VersR 1995, 561). Bei der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen hat der Bundesgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, ob sich ein Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignet habe, sei nach der besonderen Lage des Einzelfalls zu entscheiden, was in erster Linie tatrichterlicher Würdigung unterliege (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 1992, aaO.; Senatsurteil BGHZ 121, 131, 136)."

Diese Ausführungen sprechen vorliegend gegen einen Dienstunfall bei Teilnahme am allgemeinen Verkehr. Die geschädigte Lehrerin hatte in ihrem Rechtsstreit gegen die Beklagte vorgetragen, "unmittelbar beim Öffnen des Schultores" gestürzt zu sein. Bei wertender Betrachtung besteht damit noch ein deutlicher Zusammenhang mit der Tätigkeit auf dem Schulgelände. Das Landgericht hat vorliegend festgestellt, die Lehrerin sei unmittelbar nach Verlassen des Schulhofes gestürzt. Allerdings fängt ausweislich der Anlage K 1 der Fußweg noch nicht unmittelbar hinter dem Tor an. Nach dem Vortrag der Klägerin in vorliegender Sache stürzte die Geschädigte sogleich, nachdem sie das Tor durchschritten hatte (Bl. 5). Eine gleichartige Situation - Sturz beim oder unmittelbar nach dem Durchschreiten des Tores zum Schulhof - konnte sich für einen beliebigen Dritten von vornherein nicht ergeben.

Haftet somit mangels Anwendbarkeit von § 46 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG die Beklagte, lässt sich dagegen auch nicht einwenden, es gebe eine Art "Vermögenseinheit der öffentlichen Hand". Zwar lässt sich - eher auf der rechtspolitischen Ebene - die Frage aufwerfen, ob es sinnvoll ist, teure Rechtsstreitigkeiten zu führen, wenn ohnehin die öffentliche Hand einstandspflichtig ist. Die Fassung des § 46 Abs. 2 Satz 2 2. Hs. BeamtVG zeigt auf, dass es einen allgemeingültigen Grundsatz dieser Art gerade nicht gibt und, da es "die" öffentliche Hand nicht gibt, wohl auch nicht geben kann (s. a. OLG Hamm, DVBl 2012, 722, aber auch LG Frankenthal, NVwZ-RR 2011, 950 [LG Frankenthal 20.04.2011 - 3 O 134/10]).

c) Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat in Fortsetzung der Erörterungen aus der mündlichen Verhandlung, wie sie teilweise ihren Niederschlag im Protokoll der mündlichen Verhandlung gefunden haben, noch darauf hin, dass eine vorsätzliche unerlaubte Handlung nicht angenommen werden kann. Zwar war dem Hausmeister bekannt, dass er - offenbar seit vielen Jahren - nicht streute. Er meinte, dazu aufgrund unklarer Zuständigkeitsregelung nicht verpflichtet zu sein. Dies sei an der Unfallstelle Sache des städtischen Bauhofs gewesen. Eine auch nur halbwegs klare Regelung bestand offenbar nicht. Das war für sich genommen nachlässig. Die Ausnahmeregelung für Vorsatz hat aber ersichtlich andere Fälle im Auge. Ohnehin muss der Vorsatz auch den Verletzungserfolg umfassen (vgl. BGH, NJW 2003, 1605 [BGH 11.02.2003 - VI ZR 34/02]), woran es hier offenkundig fehlt.

3. Die Höhe der von der Klägerin erbrachten Leistungen und der hier geltend gemachten Ansprüche ist unstreitig.

4. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291 BGB i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.