Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.04.2003, Az.: 3 A 4/02

Anschlussinhaber; Datenschutz; erhebliche Gefahr; Fangschaltung; Fernmeldedaten; Fernmeldedatenaufzeichnung; Fernmeldegeheimnis; Fortsetzungsfeststellungsklage; Gefahrenabwehr; Gewerbebetrieb; Handlungsfreiheit; polizeiliche Maßnahme; Telefon; Verfassungsmäßigkeit; Wiederholungsgefahr

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
16.04.2003
Aktenzeichen
3 A 4/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48006
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein privater Telekommunikationsdienstleister kann sich zur Wahrung der Rechte seiner Kunden nicht auf das Fernmeldegeheimnis berufen und ist insofern nicht Träger des Grundrechts aus Art. 10 GG.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 33 NGefAG.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung der Aufzeichnung von Fernmeldedaten gem. § 33 Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz (NGefAG) durch die Polizeiinspektion Uelzen.

2

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2000 ordnete die Polizeiinspektion Uelzen gegenüber der Klägerin die Aufzeichnung von Fernmeldedaten betreffend den Telefonanschluss von Frau G. O. gestützt auf § 33 NGefAG an. Es sollte eine Fangschaltung mit einer Zählervergleichseinrichtung eingerichtet und die Ergebnisse sollten unverzüglich an die Polizeiinspektion Uelzen per Telefax übersandt werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Anschlussinhaberin ausdrücklich mit der Einrichtung dieser Maßnahme einverstanden sei, zumal sie selber eine Fangschaltung habe einrichten lassen, die aber bei der Aktivierung fehlgeschlagen sei. Der Ehemann der Anschlussinhaberin verbüße eine 12jährige Freiheitsstrafe wegen Totschlags seiner damaligen Freundin im Jahr 1979. Das voraussichtliche Haftende datiere auf den 21. Februar 2002. Er sei jedoch am 2. August 2000 von einem Freigang nicht zurückgekehrt und befinde sich auf der Flucht. Am 7. August 2000 habe die Anschlussinhaberin eine Anzeige wegen Bedrohung erstattet. Ihr Ehemann habe ihr mehrmals telefonisch gedroht, sie selbst, ihren gemeinsamen Sohn sowie ihren neuen Lebensgefährten zu töten, indem er ihnen „eine Kugel in den Kopf jage“. Diese Bedrohung sei äußerst ernst zu nehmen, da der Ehemann der Anschlussinhaberin eine starke kriminelle Energie entwickle und nicht vor Gewalttaten zurückschrecke. Bereits als Jugendlicher habe er sich in einer Jugendstrafanstalt an einer Gefangenenmeuterei mit anschließender Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung beteiligt. Neben diversen weiteren Straftaten habe er auch zwei Polizisten mit einem Messer angegriffen.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass zum einen keine konkrete erhebliche Gefahr, wie sie nach dem Polizeirecht erforderlich sei, vorliege. Die Gefahr sei hier nur abstrakter Natur. Zum anderen stehe mit der Einrichtung einer normalen Fangschaltung auch ein milderes Mittel zur Verfügung.

4

Die Bezirksregierung Lüneburg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2000 mit der Begründung zurück, dass hier eine konkrete Gefahr für Menschenleben gegeben sei, die solange bestehe, wie sich der Ehemann der Anschlussinhaberin noch auf freiem Fuss befinde. Die angeordnete Fangschaltung sei auch effektiver als eine private. Denn sie solle auch eine Zählervergleichseinrichtung enthalten, die dem schnellen und vor allem sicheren Zurückverfolgen diene.

5

Anfang Dezember 2000 rief der Ehemann der Anschlussinhaberin aus Spanien bei ihr an und teilte ihr mit, dass er sich zunächst in Spanien aufhalten wolle, da ihm zur Weihnachtszeit ein Besuch in Deutschland zu gefährlich sei. Er wolle jedoch unbedingt den Kontakt zu seiner Ehefrau halten und das gemeinsame Kind sehen.

6

Die Klägerin hat am 5. Dezember 2000 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, den die 7. Kammer des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 19. Dezember 2000 (7 B 93/00) abgelehnt hat, und gleichzeitig Klage erhoben.

7

Zur Begründung der Klage führt sie an, dass die angeordnete Aufzeichnung der Fernmeldedaten ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtige. Außerdem werde sie in ihrem Kommunikationsgrundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG betroffen, weil dieses nicht nur den Bürger, sondern auch die Post und mithin auch die Telekom als Nachfolgerin der Verwaltungsbehörde „Post“ schütze. Die Regelung in § 33 NGefAG sei hier nicht einschlägig, weil es sich hier um eine Maßnahme im Bereich der Strafverfolgung handele. Die Strafverfolgungsmaßnahmen seien jedoch abschließend in der Strafprozessordnung geregelt. Soweit § 33 NGefAG in diesem Bereich Regelungen treffe, verstoße die Vorschrift gegen Art. 31 GG, wonach das Bundesrecht das Landesrecht breche. Da § 33 NGefAG im Unterschied zu § 100 a StPO weder eine Höchstgrenze für die Aufzeichnung der Fernmeldedaten noch eine Pflicht zur Information der Betroffenen enthalte, bestünden auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Darüber hinaus seien hier auch die Voraussetzungen des § 33 NGefAG nicht erfüllt, da eine konkrete Gefahr für das Leben der Anschlussinhaberin nicht vorliege.

8

Die Aufzeichnung der Fernmeldedaten durch die Klägerin wurde in Abstimmung mit der Polizeiinspektion Uelzen am 12. Januar 2001 eingestellt.

9

Die Klägerin beantragt,

10

festzustellen, dass der Bescheid der Polizeiinspektion Uelzen vom 12. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 27. November 2000 rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entgegen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage hat keinen Erfolg.

16

I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

17

Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsaktes ergibt sich hier aus einer Wiederholungsgefahr. Ein derartiger Vorgang - wie der vorliegende - kann jederzeit wieder eintreten und wird in der Regel vor einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren wieder beendet sein, so dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran hat, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung gem. § 33 NGefAG klären zu lassen.

18

Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht daran, dass für die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gefehlt hat. Denn durch die angefochtene polizeiliche Maßnahme kann zumindest die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin als Unternehmerin beeinträchtigt gewesen sein.

19

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

20

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und haben die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).

21

1. Eine Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann die Klägerin nicht geltend machen.

22

Ob und inwieweit der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von der Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst wird, kann hier dahinstehen (vgl. hierzu, Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rdnr. 10). Denn der Schutz der Eigentumsgarantie erstreckt sich jedenfalls nur auf den vorhandenen konkreten Bestand an Rechten und Gütern und schützt allenfalls vor Eingriffen in die Substanz dieser Sach- und Rechtsgesamtheit (BVerwG, Urt. v. 22.4.1994 - 8 C 29/92 -, BVerwGE 95, 341 m.w.N.). Hier ist jedoch nichts dafür ersichtlich und auch nicht von der Klägerin vorgetragen worden, dass durch die Inanspruchnahme ihrer Einrichtungen durch die verfahrensgegenständliche Anordnung in ihre Unternehmenssubstanz eingegriffen worden ist. Da nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in dem Eilverfahren 7 B 93/00 (Schriftsatz vom 11.12.2000) alle Verbindungsdaten des überwachten Anschlusses digital an die Polizei übermittelt werden, muss die Klägerin für das Auslesen der Daten auch kein Servicepersonal einsetzen. Eine Beeinträchtigung der Betriebssubstanz und mithin ein Eingriff in Art. 14 GG ist hier daher unter keinem Gesichtspunkt erkennbar. Die Regelung in § 33 NGefAG stellt sich allenfalls als die Nutzung des Eigentums regelnde Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die dem Gesetzgeber anheim gegeben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.4.1994, a.a.O., m.w.N.).

23

Soweit es um die unternehmerische Betätigung geht, wird der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb nicht durch Art. 14 GG, sondern allenfalls durch Art. 12 GG geschützt (vgl. Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 14 Rdnr. 10). Eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Betätigung der Klägerin durch die angefochtene Anordnung ist hier jedoch ebenfalls unter keinem Gesichtspunkt feststellbar.

24

2. Die Klägerin wird auch nicht in dem durch Art. 10 GG geschützten Fernmeldegeheimnis verletzt.

25

Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass Art. 10 Abs. 1 GG nicht nur den Gesprächsinhalt, sondern auch die Kommunikationsumstände - ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist - schützt (BVerfG, Urt. v. 14.7.1999 - 1 BvR 2226/94, 2420/95 und 2437/95 -, NJW 2000, 55, 56 und Urt. v. 12.3.2003 - 1 BvR 330/96 und 348/99 -). Die Klägerin kommt hier jedoch nicht als Grundrechtsträgerin in Betracht.

26

Träger des Grundrechts aus Art. 10 GG ist jedermann, der als Absender eines Briefs oder als Teilnehmer in einer Fernmelde- oder Postkommunikation auftritt. Die die Kommunikation übermittelnde Einrichtung ist kein Grundrechtsträger (Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 10 Rdnr. 8). Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht - im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes - den Schutz des Fernmeldegeheimnisses nicht nur auf den Einzelnen gegenüber der Deutschen Bundespost, sondern auch auf Bürger und Post gegenüber allen anderen staatlichen Stellen erstreckt (BVerfG, Beschl. v. 20.6.1984 -1 BvR 1494/78-, BVerfGE 67, 157, 172). Für die Annahme einer solchen Rechtstreuhänderschaft besteht aber bei der Nachfolgerin der Deutschen Bundespost der privaten Deutschen Telekom keine Legitimation mehr. Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis des Kunden stellen sich für die Post- und Telekommunikationsdienstleister unter Umständen als Beschränkungen ihrer Freiheitsrechte aus Art. 12 Abs. 1 oder aus Art. 2 Abs. 1 GG, nicht hingegen aus Art. 10 GG dar (von Münch/Kunig, Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 5. Aufl. 2000, Art. 10 Rdnr. 20 m.w.N.). Auf Art. 10 GG kann sich das betreffende Unternehmen nur berufen, wenn der Staat in die Privatheit seiner internen Kommunikation eindringen will (von Münch/Kunig, a.a.O., Art. 10 Rdnr. 10).

27

Da hier die eigene unternehmensinterne Kommunikation der Klägerin nicht betroffen ist, kann sie sich auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG nicht berufen.

28

3. Auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann die Klägerin sich ebenfalls nicht berufen, da - wie oben ausgeführt - ihre eigene Kommunikation durch die angeordnete Aufzeichnung von Fernmeldedaten nicht betroffen ist.

29

4. Durch die Inanspruchnahme der Einrichtungen der Klägerin ist jedoch die allgemeine, ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der Klägerin beeinträchtigt.

30

Hierin läge jedoch nur dann eine Rechtsverletzung, wenn die Ermächtigungsgrundlage für die hier verfahrensgegenständliche polizeiliche Maßnahme - § 33 NGefAG - verfassungswidrig wäre (a) und/oder die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage im vorliegenden Einzelfall nicht erfüllt wären (b).

31

a) Es bestehen jedoch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 33 NGefAG

32

aa) Eigene Rechte der Klägerin werden durch diese gesetzliche Regelung nicht verletzt. Soweit die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin als Unternehmerin und im Einzelfall eventuell auch das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen sind, treten diese in jedem Falle geringfügigen Beeinträchtigungen des Betriebes der Klägerin gegenüber den durch § 33 NGefAG geschützten Rechtsgütern - nach dieser Vorschrift muss zumindest eine erhebliche Gefahr, d. h. eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut wie z. B. Leben oder Gesundheit (vgl. § 2 Nr. 1 c) NGefAG) vorliegen - zurück.

33

bb) Auf die Beeinträchtigung der Grundrechte Dritter kann sich die Klägerin zur Begründung der behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 33 NGefAG nicht berufen, da eine derart erweiterte Prüfung letztlich zu einer Popularklage führen würde. Denn der sehr weite Schutzbereich der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit ist in einer Vielzahl von Fällen berührt. Dementsprechend häufig wäre eine allgemeine Verfassungsmäßigkeitsprüfung von Vorschriften vorzunehmen, ohne dass die betreffende Vorschrift die eigenen Rechte des Rechtsmittelführers unverhältnismäßig beeinträchtigt. Eine solche Popularklage ist der Verwaltungsgerichtsordnung jedoch fremd. Sie verlangt im Falle der hier verfahrensgegenständlichen Anfechtungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage vielmehr eine konkrete Verletzung der Rechte des Klägers (vgl. § 42 Abs. 2 und § 113 VwGO), die hier nach dem oben Gesagten nicht vorliegt.

34

cc) Doch selbst wenn hier die Grundrechte Dritter zu berücksichtigen wären, wäre eine Verfassungswidrigkeit der verfahrensgegenständlichen Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich.

35

Durch die Aufzeichnung der Kommunikationsdaten (Zeitpunkte der Anrufe und beteiligte Fernmeldeanschlüsse) ist zwar - wie oben ausgeführt - der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 GG betroffen. Im Unterschied zu § 100 a StPO wird bei einer Aufzeichnung nach § 33 NGefAG jedoch nicht der Inhalt, sondern werden lediglich die „äußeren“ Umstände der Kommunikation und diese auch nur mit Einwilligung des Anschlussinhabers zum Schutz erheblicher Rechtsgüter (des Anschlussinhabers selbst) aufgezeichnet. Aus diesen Gründen ist der ursprünglich in § 33 NGefAG vorgesehene Richtervorbehalt zu Recht abgeschafft worden (Saipa, NGefAG, Kommentar, Stand: März 2002, § 33 Rdnr. 1).

36

Soweit die Klägerin die fehlende Verpflichtung zur Information der Betroffenen rügt, geht diese Rüge ins Leere, soweit sie sich auf den Anschlussinhaber selbst bezieht, da dieser nach § 33 Abs. 1 Satz 1 NGefAG seine Einwilligung zu der Aufzeichnung der Fernmeldedaten erteilen muss. Nach § 101 StPO ist allerdings nicht nur der Beschuldigte, sondern sind auch diejenigen Personen nachträglich über die Aufzeichnung der Telekommunikation zu unterrichten, mit denen der Beschuldigte sich in dem überwachten Fernmeldeverkehr unterhalten hat. Im Falle des § 33 NGefAG geht es im Unterschied zu § 100 a StPO jedoch nicht um die Aufzeichnung des Kommunikationsinhalts. Auch lässt sich durch die Aufzeichnung einzelner Verbindungsdaten dieser „Drittbetroffenen“ (im Unterschied zum Anschlussinhaber) kein vollständiges Bild über deren Telekommunikation gewinnen. Auch unter Berücksichtigung des durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Fernmeldegeheimnisses erscheint es daher unbedenklich, wenn die unbestimmte Vielzahl „Drittbetroffener“, deren Fernmeldedaten nach § 33 NGefAG aufgezeichnet werden, nicht benachrichtigt wird.

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Soweit die Klägerin ferner die fehlende zeitliche Begrenzung der Aufzeichnung der Fernmeldedaten rügt, ist diese Rüge nicht verständlich, da - wie ausgeführt - die Aufzeichnung von Fernmeldedaten nach § 33 NGefAG das ausdrückliche Einverständnis des Anschlussinhabers voraussetzt und sich dadurch maßgeblich von der Regelung in § 100 a StPO unterscheidet. Im Übrigen ergibt sich die „Höchstgrenze“ der Dauer der Aufzeichnung der Fernmeldedaten aus der Fortdauer der in § 33 Abs. 1 Satz 1 beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen. Die Löschung der auf diese Weise gewonnen Daten richtet sich nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (Saipa, a.a.O., § 33 Rdnr. 4).

38

Soweit die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2003 (a.a.O.) hingewiesen hat, in der das Bundesverfassungsgericht Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis - auch soweit es dabei „nur“ um die Erhebung der Verbindungsdaten geht - nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich sind, liegt dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zu Grunde. In den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen ging es um Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis auf der Grundlage der §§ 100 a, 100 b StPO, § 12 FAG ohne Wissen der Anschlussinhaber (Fernsehreporter und Journalistin). In den Fällen des § 33 NGefAG ist jedoch nach dem oben Gesagten die Einwilligung des Anschlussinhabers, bei dem gerade die Gefahr besteht, dass schon durch die (vollständige) Aufzeichnung der Verbindungsdaten ein detailliertes Bild über dessen Telekommunikation gewonnen wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 12.3.2003, a.a.O., unter C.II.2.b), unerlässliche Tatbestandsvoraussetzung.

39

Im übrigen ging es im vorliegenden Fall um die Verhinderung einer Straftat von erheblicher Bedeutung (siehe hierzu unten unter b), so dass selbst bei einer Anwendung der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf den vorliegenden Sachverhalt und einer entsprechenden verfassungskonformen Auslegung des § 33 NGefAG (Anwendung nur in den Fällen, in denen es um die Abwendung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder ähnlich gewichtiger Gefahren geht), eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses hier unter keinem Gesichtspunkt festzustellen wäre.

40

Schließlich ist hier auch dem Zitiergebot bei Grundrechtseinschränkungen nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Genüge getan, da § 10 NGefAG unter den durch das NGefAG eingeschränkten Grundrechten Art. 10 Abs. 1 GG aufführt.

41

dd) Auch im Übrigen sind Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit des § 33 NGefAG nicht ersichtlich:

42

(1) Die Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 33 NGefAG sind hinreichend bestimmt.

43

Die Polizei kann zum einen in den Fällen des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 NGefAG eine solche Aufzeichnung vornehmen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist eine polizeiliche Maßnahme nur zulässig zur Beobachtung von Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, und wenn die Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise nicht möglich erscheint. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NGefAG ist die polizeiliche Maßnahme nur zulässig zur Beobachtung von Kontakt- oder Begleitpersonen der in Nr. 2 genannten Personen, wenn dies zur Vorsorge für die Verfolgung oder zur Verhütung einer Straftat nach Nr. 2 unerlässlich ist. Mit diesen Tatbeständen werden die Voraussetzungen für eine Aufzeichnung von Fernmeldedaten zur Verhinderung von Straftaten genau beschrieben und klar abgegrenzt von den Strafverfolgungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung.

44

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 NGefAG können Fernmeldedaten ferner dann aufgezeichnet werden, wenn dies erforderlich ist, um eine erhebliche Gefahr abzuwehren. Der Begriff der erheblichen Gefahr ist in § 2 Nr. 1 c NGefAG definiert. Danach ist eine erhebliche Gefahr eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, nicht unwesentliche Vermögenswerte sowie andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter. Auch anhand dieser Definition lässt sich hinreichend genau bestimmen, in welchen konkreten Fällen eine Aufzeichnung von Fernmeldedaten in Betracht kommt.

45

(2) Mit der Regelung in § 33 NGefAG hat der Landesgesetzgeber auch nicht unzulässigerweise in die (konkurrierende) Gesetzgebungszuständigkeit des Bundesgesetzgebers nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG eingegriffen. Wie aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 NGefAG und der Gefahrendefinition in § 2 Nr. 1 c NGefAG klar ersichtlich ist, dient die Aufzeichnung von Fernmeldedaten nach § 33 NGefAG allein der Verhinderung von Straftaten oder der Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung dieser Straftaten oder der Abwehr einer erheblichen (polizeirechtlichen) Gefahr. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist damit klar unterschieden von den Maßnahmen der Strafverfolgung nach der Strafprozessordnung. Eine Kollision zwischen Bundes- und Landesrecht (Art. 31 GG) ist demnach nicht ersichtlich.

46

b) Die Vorschrift des § 33 NGefAG ist im vorliegenden Fall auch rechtsfehlerfrei angewandt worden.

47

aa) Es hat sich hier nicht um eine Maßnahme der Strafverfolgung gehandelt, die allein nach § 100 a StPO zu beurteilen und für die die Beklagte zudem - als Widerspruchsbehörde - nicht zuständig gewesen wäre.

48

Zur Unterscheidung zwischen polizeilichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und solchen zur Strafverfolgung ist nach Maßgabe einer funktionalen Betrachtungsweise im Einzelfall zu prüfen, in welchem der beiden Bereiche die Polizei jeweils tätig wird (Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 116).

49

Hier ist die Aufzeichnung der Fernmeldedaten auf den ausdrücklichen Wunsch der Ehefrau des flüchtigen Häftlings angeordnet worden. Konkreter Anlass war, dass dieser sie angerufen und bedroht hatte. Es ging bei der hier verfahrensgegenständlichen polizeilichen Maßnahme daher um die Abwehr einer Gefahr für Leben und Gesundheit der Anschlussinhaberin, auf deren Bitte hin die Polizei überhaupt erst tätig geworden ist, und der ihr nahe stehenden Personen, mithin um eine polizeiliche Maßnahme der Gefahrenabwehr und nicht um eine bloße Strafverfolgungsmaßnahme.

50

bb) Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 NGefAG haben vorgelegen:

51

Das Vorbringen der Klägerin, hier habe nur eine abstrakte Gefahr bestanden, ist nicht nachvollziehbar.

52

Der auf der Flucht befindliche Ehemann der Anschlussinhaberin hatte diese mehrmals angerufen und damit gedroht, sie selbst, ihren gemeinsamen Sohn sowie ihren neuen Lebensgefährten zu töten. Diese Bedrohung haben die Polizeibeamten zu Recht angesichts der schweren Gewalttaten des Ehemannes der Anschlussinhaberin ernst genommen. Diese Gefahr war mit seiner Flucht nach Spanien keinesfalls entfallen, da dieser sich von dort erneut telefonisch bei der Anschlussinhaberin gemeldet und angekündigt hatte, sie und das gemeinsame Kind zu besuchen. Auch wenn es bei dem Telefongespräch Anfang Dezember 2000 nicht zu einer erneuten Drohung gegenüber der Anschlussinhaberin gekommen sein sollte, lässt sich daraus nicht schließen, dass der Ehemann der Anschlussinhaberin „harmlos und sanftmütig“ geworden war. Angesichts der bisherigen Straftaten des Ehemannes der Anschlussinhaberin, wie sie in dem Bescheid der Polizeiinspektion Uelzen vom 12. Oktober 2000 im Einzelnen beschrieben sind, erscheint dieser in hohem Maße unberechenbar, so dass bei einem - jederzeit möglichen - Besuch der Anschlussinhaberin durchaus mit Gewalttaten gegenüber ihrer Person, ihrem Sohn und/oder ihrem Lebensgefährten zu rechnen gewesen ist.

53

Eine erhebliche konkrete Gefahr für Gesundheit und Leben der Anschlussinhaberin, ihres Sohnes und ihres Lebengefährten hat damit vorgelegen.

54

cc) Die angeordnete Fangschaltung mit Zählervergleichseinrichtung genügte auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot:

55

Sie war ein zum Schutz der Anschlussinhaberin taugliches und erforderliches Mittel. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten in dem Eilverfahren 7 B 93/00 (Schriftsatz 11.12.2000) treten bei einer durch eine Privatperson bei der Telekom beantragten Fangschaltung erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Mitteilung und Aufklärung der Daten ein, da der Anschlussinhaber erst nach Abschluss eines Schaltungszeitraumes eine Auflistung der Anrufe erhält. Bei der Zählervergleichseinrichtung mit „S-Record-Schaltung“ können Verbindungsdaten hingegen digital ohne Zeitverzögerung an die Polizei übermittelt werden. Dadurch können Anrufe schneller zurückverfolgt und der Aufenthaltsort des Anrufers ermittelt werden. Mit dieser hier angeordneten Maßnahme konnte daher zumindest dazu beigetragen werden, den flüchtigen Ehemann der Anschlussinhaberin zu verhaften, um damit - wie oben beschrieben - auch künftige Straftaten gegenüber der Anschlussinhaberin und den ihr nahe stehenden Personen zu verhindern. Ferner hätte die Anschlussinhaberin, wenn der Anruf beispielsweise aus ihrer Nähe getätigt geworden und sie hiervon von der Polizei benachrichtigt worden wäre, durch ein Verlassen ihrer Wohnung auch selbst zu einer Verminderung der Gefahr beitragen können. Im Übrigen stellt die Einrichtung einer privaten Fangschaltung ohnehin kein milderes Mittel dar, auf das die Polizeibeamten der Beklagten hätten verwiesen werden können, da eine solche Fangschaltung nur von der Anschlussinhaberin selbst auf ihre Kosten und nicht durch die Polizei hätte eingerichtet werden können.

56

Schließlich ist die angeordnete Aufzeichnung der Fernmeldedaten für die Klägerin auch ohne weiteres zumutbar gewesen. Angesichts der erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben der Anschlussinhaberin und der ihr nahe stehenden Personen treten die geringfügigen Beeinträchtigungen des Betriebes der Klägerin zurück. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang noch darauf hinweist, dass die Maßnahme zeitlich nicht eingegrenzt gewesen sei, ergibt sich dies daraus, dass zum Zeitpunkt der Anordnung durch Bescheid vom 12. Oktober 2000 und auch noch zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2000 eine zeitliche Eingrenzung nicht möglich gewesen ist, da nicht absehbar gewesen ist, wie lange der Ehemann der Anschlussinhaberin sich noch auf freiem Fuß befinden würde. Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Rechte der Klägerin ist damit aber keineswegs verbunden gewesen.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.