Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 10.05.2010, Az.: 13 A 2989/09
Auswahlentscheidung; Beförderung; Beförderung, unterbliebene; Fürsorgepflicht; Fürsorgepflichtsverletzung; Schadenersatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 10.05.2010
- Aktenzeichen
- 13 A 2989/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 41080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2010:0510.13A2989.09.0A
Schadenersatz aus beamtenrechtlicher Fürsorgepflichtverletzung wegen unterbliebener Beförderung
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Betrag zu zahlen, der als Besoldung der Klägerin gewährt worden wäre, wenn die Klägerin im Zeitraum vom 31.10.2008 bis 28.05.2009 statt nach der BesGr A 12 bereits nach der BesGr A 13 besoldet worden wäre zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte und die Klägerin tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz, weil sie meint, dass die Beförderung ihres Konkurrenten rechtswidrig war und eigentlich sie an seiner Stelle hätte befördert werden müssen.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klägerin noch Bauamtsrätin, am 28.05.2009 wurde sie zwischenzeitlich ebenfalls zur Bauoberamtsrätin ernannt.
Der D. wurde im Statusamt eines Bauamtsrates mit Beurteilung vom 04.07.2008/ 26.08.2008 mit "B - übertrifft erheblich die Anforderungen" beurteilt (Regelbeurteilung für den Zeitraum von 01.07.2006 bis 30.06.2008, Beiakte C).
Die Klägerin wurde ebenfalls im Statusamt einer Bauamtsrätin mit einer Regelbeurteilung für den gleichen Zeitraum am 10./16.10.2008 mit "A - Übertrifft in hervorragender Weise die Anforderungen" beurteilt (Beiakte A).
Die Klägerin war in einem Konkurrentenverfahren - 2 B 2237/08 - eines nicht am vorliegenden Klageverfahren beteiligten Antragstellers, indem es seinerzeit um die Besetzung der Stelle des Leiters/der Leiterin der Straßenmeisterei S. ging, als Beigeladene beteiligt. Das Verwaltungsgericht Hannover hatte den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes des dortigen Antragstellers mit Beschluss vom 24.07.2008 abgelehnt, der dortige Antragsteller hatte dagegen jedoch Beschwerde eingelegt. Das OVG Lüneburg bat die Antragsgegnerin - die Beklagte dieses Verfahrens - im August 2008 darum, eine Stellenbesetzung nicht vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens vorzunehmen. Die Beschwerde des dortigen Antragstellers wurde mit Beschluss des OVG Lüneburg vom 23.10.2008 - 5 ME 337/08 - zurückgewiesen. Das Klageverfahren dazu ist noch vor dem Verwaltungsgericht anhängig (2 A 2600/08).
Nach Vortrag der Klägerin hat sie am 30.10.2008 erfahren, dass sie bei der Auswahlentscheidung zur Beförderung zum Bauoberamtsrat einem gewissen D. unterlegen ist.
Unstreitig wurde der D. am 31.10.2008 zum Bauoberamtsrat ernannt.
Mit Schreiben vom 13.11.2008 ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigen legte die Klägerin Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung ein. Die Beklagte entgegnete, ein Widerspruch sei nicht statthaft, im Übrigen seien die Beförderungen der Konkurrenten bereits erfolgt. Die Beförderungsentscheidungen seien rechtmäßig getroffen worden. In einem weiteren Schreiben der Beklagten vom 25.11.2008 wird ausgeführt, das OVG Lüneburg habe die Beklagten am 12.08.2008 aufgefordert, die Beförderung der Klägerin solange auszusetzen, bis das OVG über eine Beschwerde entschieden habe. Die Beförderung des Konkurrenten D. sei erfolgt, bevor der Beschluss des OVG der Beklagten bekanntgegeben worden sei. Die Beurteilung des D. weise eine klare Tendenz zur Rangstufe A auf, zudem sei der von ihm besetzte Dienstposten nach BesGr. A 13 bewertet. Die Klägerin habe erst am 23.06.2008 einen nach BesGr. A 13 bewerteten Dienstposten erhalten. Mit Schreiben vom 19.12.2008 betonte die Beklagte, die Beförderungsentscheidung zugunsten des D. sei ausschließlich anhand der Ergebnisse der aktuell erstellten Regelbeurteilungen getroffen worden.
Die Klägerin hat am 24.02.2009 Klage erhoben.
Sie trägt vor, nicht der D., sondern sie, die Klägerin, hätte am 31.10.2008 rechtmäßigerweise befördert werden müssen. Aufgrund des Verfahrens 2 B 2237/08 habe keine Beförderungssperre bestanden
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die am 31.10.2008 durchgeführte Beförderung des Herrn E. rechtswidrig war und die Klägerin ihrerseits zur Bauoberamtsrätin (A 13 BBesO) hätte befördert werden müssen.
Mit dem am 30.12.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums beantragt die Klägerin nunmehr zusätzlich hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, die Differenz zwischen der Besoldungsgruppe A 12 BBesO zu der Besoldungsgruppe A 13 BBesO für den Zeitraum vom 31.10.2008 bis zum 28.05.2009 abzurechnen/auszuzahlen nebst fünfprozentiger Verzinsung über dem Basiszinssatz jeweils zum Ende des Monats der Fälligkeit, hilfsweise nebst fünfprozentiger Verzinsung über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie tritt der Klage entgegen. Hinsichtlich der Feststellungsklage hält sie die Klage für unzulässig. Im Übrigen habe die Klägerin aufgrund der Beförderungssperre (Bl. 39 GA) nicht befördert werden dürfen. Das OVG Lüneburg habe die Beklagte aufgefordert, anlässlich eines anderen Konkurrentenverfahrens von einer Beförderung der dortigen Beigeladenen, der Klägerin dieses Verfahrens, bis zu einer Entscheidung des OVG's abzusehen. Auch in der Sache sei ihre Entscheidung nicht zu beanstanden. Die Klägerin und der D. seien als im wesentlich gleich beurteilt zu bewerten. Die Beurteilung des D. weise eine klare Tendenz zu "A" auf. Der D. nehme aber bereits seit dem 01.07.2004 die Position des Leiters der Straßenmeisterei Löningen wahr, der nach BesGr. A 13 bewertet worden sei. Der bis zum 22.06.2008 - und damit für die überwiegende Zeit des Beurteilungszeitraumes - von der Klägerin besetzte Dienstposten sei dagegen nur nach BesGr. A 12 bewertet gewesen.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, die Beförderung des D. sei rechtswidrig gewesen und sie hätte statt seiner befördert werden müssen, ist die Klage unzulässig.
Gem. § 43 VwGO kann zwar die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann indes nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
Der Klägerin steht kein Feststellungsinteresse zur Seite. Eine Wiederholungsgefahr bestand nicht; auch ist eine Feststellungsklage (anders als eine Fortsetzungsfeststellungsklage), die allein zur Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses erhoben wird, unstatthaft (vgl. Kopp, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 43 Rdnr. 24). Zudem konnte die Klägerin ihre Rechte im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage auf Folgenbeseitigung bzw. - wie hier am 30.12.2009 hilfsweise geschehen - auf Schadenersatz wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht geltend machen.
Um eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO handelt es sich bei der vorliegenden Klage nicht. Denn die Klage wurde sogleich als Feststellungsklage nach erfolgter Beförderung des D. erhoben. Der Hinweis in der Verfügung vom 24.02.2009 noch zum Az. 2 A 874/09ist deshalb nicht zutreffend.
Der Hilfsantrag der Kläger ist jedoch zulässig und zum überwiegenden Teil (bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen) begründet.
Die Klägerin macht in ihrem Hilfsantrag Schadenersatz aus Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht geltend.
Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und er es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsgrundlage dieses Schadensersatzanspruchs ist das Beamtenverhältnis ( BVerwG vom 25.8.1988 - 2 C 51.86, BVerwGE 80, 123; vom 28.5.1998 - 2 C 29.97, BVerwGE 107, 29; vom 1.4.2004 - 2 C 26.03, Buchholz 237.8 § 10 RhPLBG Nr. 1 und vom 17.8.2005 - 2 C 36/04; BayVGH vom 18.7.2005 - 3 ZB 04.1095; s.a. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30.06.2006 - 1 L 4/06 - sowie VG Ansbach, Urt. v. 07.03.2006 - AN 1 K 00811).
Der Klägerin ist ein Schaden entstanden, indem sie nicht schon zum 31.10.2008 anstelle des D., sondern erst am 28.05.2009 zur Bauoberamtsrätin ernannt worden ist. Für den Zeitraum dazwischen hat sie sich mit Amtsbezügen nach BesGr. A 12 zufrieden geben müssen. Der Schaden liegt in der Differenz zu den Amtsbezügen der BesGr A 13. Die Frage, ob die Klägerin auch einen versorgungsrechtlichen Nachteil erlitten hat und ob dieser ggf. auszugleichen ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann vom Gericht nicht entschieden werden. Das Gericht darf über die Klagenträge nicht hinausgehen, § 88 VwGO.
Der Schaden lässt sich weiterhin kausal auf die - rechtsfehlerhafte - Entscheidung der Beklagten, den Konkurrenten D. auszuwählen und zu befördern, zurückführen.
Die von der Beklagten getroffene Auswahlentscheidung erweist sich als rechtswidrig.
Sowohl die Klägerin als auch der D. wurden im Statusamt eines Bauamtsrats beurteilt, die Klägerin mit "A", der D. mit "B". Die Klägerin hat damit die eindeutig bessere Beurteilung erhalten. Der Umstand, dass der Dienstposten, den der D. während des Beurteilungszeitraumes innegehabt und ausgefüllt hat, nach BesGr A 13 bewertet worden war, führt nicht dazu, dass das "B" des Mitbewerbers besser ist als das "A" der Klägerin oder zumindest gleichwertig. Denn beide, Klägerin und der D. wurden in ihrem Statusamt beurteilt. Natürlich kann bei einer Beurteilung berücksichtigt werden, dass ein Beamter einen höherwertigen Dienstposten ausfüllt, etwa dadurch, dass deshalb die Leistungen besser beurteilt werden. Ob dies hier schon geschehen ist und der D. deshalb ein "B" erreicht hat oder ob der Beurteiler dies unberücksichtigt gelassen hat, bedarf hier keiner Klärung. Denn die Beurteilung des Mitbewerbers wurde durch diesen nicht angefochten und ist vom Gericht nach alledem so als gegeben zu Grunde zu legen. Lediglich in Konkurrenz mit einem Bauoberamtsrat, der auf einen Dienstposten A 13 mit "B" bewertet wurde, kann die Beurteilung eines Bauamtsrats mit "A" gleichgestellt werden.
Dafür, dass bei einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung gleichwohl nicht die Klägerin zum Zuge gekommen wäre (sondern möglicherweise ein weiterer dritter Bewerber) liegen keinerlei Anhaltspunkte vor und dies wurde auch von der Beklagten selbst nicht vorgetragen.
Die Klägerin konnte die Ernennung des D. durch Rechtsmittel letztendlich nicht selbst verhindern. Er wurde bereits einem Tag nach der Information der Klägerin (die im Übrigen nur informell durch eMail geschah) ernannt. Jedes Rechtsmittel wäre insoweit zu spät gekommen.
Nicht ganz nachvollziehen ist das Argument der Beklagten, es habe eine "Beförderungssperre" für die Klägerin aufgrund einer Anordnung des OVG Lüneburgs gegeben. Die Bitte, die Klägerin nicht vor Abschluss des Verfahrens 2 B 2237/08 bzw. 5 ME 337/08 - zu befördern, bezog sich nur auf das Konkurrentenstreitverfahren des F.. Nur hinsichtlich der von F. angestrebten Stelle sollte verhindert werden, dass durch eine Ernennung der Klägerin vollendete Tatsachen geschaffen werden. Für ein anderes Stellenbesetzungsverfahren, in dem nicht die Klägerin zu F., sondern zu D. in Konkurrenz stand, galt dies nicht.
Die zugesprochene Zinsforderung rechtfertigt sich aus § 291 BGB (Prozesszinsen). Ein weitergehender Zinsanspruch könnte sich nur aus einem entsprechenden Schaden ergeben. Dass die Klägerin aber einen derartigen Zinsschaden erlitten hat, wurde weder dargelegt noch liegen dafür Anhaltspunkte vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahrens war nicht gem. § 162 Abs. 2 VwGO für notwendig zu erklären. Denn der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegte Widerspruch war nach § 192 Abs. 4 NBG a.F. unstatthaft.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.