Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 21.03.2019, Az.: L 11 AS 1334/15

Anspruch auf Übernahme tatsächlich angefallener Wohnkosten nach dem SGB II; Voraussetzungen eines schlüssigen Konzepts; Ausschließliche Einbeziehung von Angebotsmieten

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.03.2019
Aktenzeichen
L 11 AS 1334/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 19926
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - AZ: S 46 AS 966/11

Redaktioneller Leitsatz

1. Für ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft und Heizung fehlt es an der Repräsentativität der Daten, wenn das Konzept ausschließlich Angebotsmieten einbezieht und Bestandsmieten zur Ermittlung des angemessenen qm-Preises unberücksichtigt lässt.

2. Der Senat folgt dabei - insbesondere auch im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung - der Rechtsauffassung des 8. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Mai 2018 - L 8 SO 193/13 - und dem Beschluss des BSG vom 28. Januar 2019 - B 8 SO 41/18 B.

Tenor:

Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Hildesheim vom 5. Dezember 2013 zum Aktenzeichen S 46 AS 966/11 wird wie folgt berichtigt: Der Beklagte wird verurteilt, jedem der Kläger im Leistungszeitraum vom 1. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 18,32 Euro zu erbringen. Im Übrigen bleibt der Tenor unverändert. Der 3. Absatz auf Seite 13 des Urteils vom 5. Dezember 2013 wird wie folgt berichtigt: 663,50 statt 633,50 (7. Zeile) 91,60 statt 61,60 (7. Zeile) 18,32 statt 12,32 (8. Zeile) 439,68 statt 295,68 (9. Zeile). Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 5. Dezember 2013 wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (KdUH) im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Leistungszeitraum Februar bis Juli 2011. Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen seine Verurteilung durch das Sozialgericht (SG) Hildesheim mit Urteil vom 5. Dezember 2013 zur Gewährung weiterer KdUH unter Berücksichtigung der tatsächlich zu entrichtenden Bruttokaltmiete.

Die 1970 geborene Klägerin zu 1. und ihre drei Kinder, die 1993, 1994 und 1995 geborenen Kläger zu 2. bis 4. standen seit dem Jahr 2006 bis zu ihrem Wegzug nach Düsseldorf im Jahr 2013 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Zur Haushaltsgemeinschaft gehörte zudem ein weiteres, 2003 geborenes Kind der Klägerin zu 1., das seinen Bedarf über Einkommen aus Unterhalt, Kindergeld und Wohngeld decken konnte. Die Familie bewohnte seit dem 1. November 2009 eine 105,00 qm große Wohnung in der O. Str. 11 A in P., für die KdUH, auch im hier streitigen Zeitraum, i.H.v. 753,50 Euro insgesamt - Bruttokaltmiete 663,50 Euro einschließlich der Kosten für die Bereitstellung eines Kabelanschlusses (3,50 Euro) zzgl. Heizkosten (90,00 Euro) - zu entrichten waren (vgl. Mietvertrag vom 1. September 2009, Bl. 429 ff. der Verwaltungsakte - VA -). Der Beklagte berücksichtigte die Bruttokaltmiete zunächst in tatsächlicher Höhe (vgl. Widerspruchsbescheid vom 14. April 2010, Bl. 747 ff. VA) und zwar bis einschließlich Oktober 2010. Ab November 2010 berücksichtigte der Beklagte die Bruttokaltmiete nur noch in Höhe des von ihm als angemessen erachteten Betrages von 571,90 Euro (vgl. Bl. 999 VA). Bereits mit Schreiben vom 13. April 2010 hatte der Beklagte auf die nach seiner Auffassung angemessene Bruttokaltmiete (zu diesem Zeitpunkt höchstens 570,00 Euro) für einen 5-Personen-Haushalt unter Zugrundelegung einer maximal angemessenen Wohnfläche von 95,00 qm hingewiesen (Bl. 772 ff. VA).

Mit Bescheid vom 20. Januar 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für den hier streitigen Zeitraum Februar bis Juli 2011 unter Anrechnung von Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. und Kindergeld der Kläger zu 2. bis 4. Leistungen i.H.v. insgesamt 704,44 Euro. Er berücksichtigte dabei KdUH i.H.v. insgesamt 633,46 Euro. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig gem. § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und machten geltend, dass Umfang und Grund der Vorläufigkeit nicht angegeben worden seien; zudem sei nicht ersichtlich, warum die KdUH abgesenkt worden seien (Bl. 24 f. der Gerichtsakte - GA -).

In der Folgezeit erließ der Beklagte für den Streitzeitraum weitere Bescheide: Mit Bescheid vom 26. März 2011 bewilligte er den Klägern vorläufige Leistungen i.H.v. insgesamt 715,44 Euro, mit Bescheid vom 10. Mai 2011 endgültige Leistungen für die Monate Februar und März i.H.v. insgesamt 742,44 Euro, mit Bescheid vom 17. Mai 2011 endgültige Leistungen i.H.v. insgesamt 770,88 Euro (Februar und März) sowie 743,88 Euro (April bis Juli), mit Bescheid vom 18. Mai 2011 vorläufige Leistungen i.H.v. insgesamt 770,88 Euro (Februar und März) sowie 743,88 Euro (April bis Juli), mit Bescheid vom 20. Mai 2011 endgültige Leistungen i.H.v. 770,88 Euro (Mai) sowie mit Bescheiden vom 12. und 21. Juli 2011 endgültige Leistungen i.H.v. 778,53 Euro (Juni und Juli). KdUH berücksichtigte der Beklagte dabei gleichbleibend mit 661,90 Euro (Bruttokaltmiete 571,90 Euro; Heizkosten 90,00 Euro) insgesamt und kopfteilig mit 132,38 Euro. Wegen der Einzelheiten der Leistungsbewilligung wird auf die als Anlage zur Gerichtsakte gereichten Bescheide Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2011 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Januar 2011 nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 18. Mai 2011 zurück. Die vorläufige Leistungsbewilligung sei wegen schwankenden Erwerbseinkommens erfolgt; auf die unangemessenen KdU seien die Kläger bereits mit Schreiben vom 13. April 2010 hingewiesen worden. Warmwasseranteile seien nach der Gesetzesänderung rückwirkend ab Januar 2011 nachbewilligt worden.

Hiergegen haben die Kläger am 7. Juni 2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und beantragt, den Beklagten zur Gewährung von KdUH in gesetzlicher Höhe zu verpflichten. Der Beklagte hat sich zur Bemessung der Bruttokaltmiete auf die gerichtsbekannten Vorgaben des kommunalen Trägers (Landkreis P.) berufen.

Das SG hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 5. Dezember 2013 den Bescheid vom 18. Mai 2011 aufgehoben sowie den Beklagten unter Abänderung der übrigen für den Leistungszeitraum vom 1. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011 ergangenen Bescheide verurteilt, den Klägern jeweils monatliche weitere Kosten der Unterkunft i.H.v. 12,32 Euro (Gesamtbetrag für die Kläger für den Streitzeitraum: 295,68 Euro, vgl. S. 13 des Urteils) auf der Basis der tatsächlich zu entrichtenden Bruttokaltmiete, die das SG zunächst mit 663,50 Euro, in der Berechnung dann mit nur noch 633,50 Euro beziffert hatte, zu gewähren. In der Sache hat das SG ausgeführt: Der Bescheid vom 18. Mai 2011 sei aufzuheben, da bereits mit Bescheid vom 17. Mai 2011 endgültige Leistungen bewilligt worden seien, deren Beseitigung nur auf der Grundlage des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hätte erfolgen können. Die späteren Leistungsbewilligungen hingegen, die zugunsten der Kläger höhere Leistungen auswiesen, hätten auf der Grundlage des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ergehen dürfen. Der Streitgegenstand sei in zulässiger Weise auf die KdUH begrenzt worden. Dabei sei die Höhe der Heizkosten, die der Beklagte in tatsächlicher Höhe übernommen habe, nicht streitig. Der Beklagte habe allerdings keine ausreichenden Ermittlungen zur Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft angestellt. Das Konzept des Beklagten sei nicht schlüssig im Sinne der Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG). Eine Datenerhebung sei zwar über den gesamten Vergleichsraum im hier streitgegenständlichen Zeitraum in tatsächlicher Hinsicht erfolgt; es handle sich aber nicht um eine gezielte Datenerhebung, weshalb keine ausreichende Durchmischung der Mieten innerhalb des Vergleichsraums vorliege (S. 7 und 8 des Urteils); die Daten seien zudem nicht repräsentativ (im Einzelnen dazu: S. 8 und 9 des Urteils); zudem fehle es an einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (im Einzelnen dazu: S. 10 und 11 des Urteils); dies führe zugleich zu einer fehlenden Validität der Daten (im Einzelnen dazu: S. 11 des Urteils); in Ermangelung einer Definition des einfachen Standards lasse sich nicht überprüfen, ob die vom Beklagten festgesetzten Werte angemessen seien (im Einzelnen dazu: S. 12 des Urteils). Das Gericht treffe keine Nachermittlungspflicht, da eine Nachbesserung nicht möglich sei. Daher sei bei der Bemessung der angemessenen KdU auf die rechte Spalte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen. Bei einem 5-Personen-Haushalt und der maßgeblichen Mietstufe 3 ergebe sich ein maximal berücksichtigungsfähiger Betrag von 638,00 Euro zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 10 % (63,80 Euro). Da die KdU der Kläger unter diesem Betrag liegen, hätten sie Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Aufwendungen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. Dezember 2013 zugestellte Urteil am 17. Januar 2014 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der erkennende Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 2. September 2015 zugelassen, weil das Urteil ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, obwohl der Beklagte einer solchen Entscheidung ausdrücklich widersprochen hatte.

Der Beklagte hat mit der Berufung das "Konzept zur Ermittlung der aktuellen örtlichen Wohnraummieten im Landkreis P. - Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel - (Konzeptbeschreibung und Geschäftsanweisung des Kommunalen Trägers zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 - 3 SGB II)" mit den hier maßgeblichen Richtwerten für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. April 2011, die Datensätze, die für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für einen 5-Personen-Haushalt im Stadtgebiet P. ab Juli 2010 bzw. ab Mai 2011 ausgewertet worden waren, sowie ein Gutachten des Institut Wohnen und Umwelt (IWU) zur "Sachverständigen Überprüfung des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels des Landkreises P." zur Gerichtsakte gereicht. Das Vorgehen lässt sich dabei wie folgt zusammenfassen:

Der Landkreis P. erhebt seit 2007 dauerhaft das Mietwohnungsangebot in seinem Zuständigkeitsbereich, ohne von vornherein eine Einschränkung auf ein bestimmtes Wohnungsmarktsegment vorzunehmen. Ausgewertet werden sowohl frei zugängliche Erkenntnisquellen (Zeitungen, Internetanzeigen) als auch Angebote der örtlichen Wohnungsbaugenossenschaften sowie Wohnungsbaugesellschaften und einiger Immobilienbeteiligungsgesellschaften. Dabei werden folgende Informationen erfasst, soweit sie der jeweiligen Informationsquelle zu entnehmen sind: Datum der Veröffentlichung der Anzeige, Fundstelle, Vermieter, Lage des Objekts, Lage der Wohnung im Haus, Anzahl der Zimmer, Größe, Kaltmiete, Nebenkosten, Heizkosten, Höhe der Mietkaution, Höhe einer etwaigen Provision, Baujahr/ Jahr der Sanierung, Ausstattung und etwaige Besonderheiten (Einbauküche, Parkett etc.), Vermietung an Transferleistungsempfänger, behindertengerechter Wohnraum, Fahrstuhl, Infrastruktur sowie Zeitpunkt der Vermietung. Doppelerfassungen sollen über Sortierungen/Filterfunktionen ausgeschlossen sein. Bei gleichen Datensätzen wird der neueste behalten. Die vorhandenen Daten werden sodann nach Regionen differenziert erfasst - Region I: Stadtgebiet P.; Region II: Q., R., S., T., U., V. und W.; Region III: X., Bad Y., Z., AA., AB., AC. und AD. - und einer Wohnungsgrößenklasse nach den Wohnungsbauförderrichtlinien zugeordnet. Für die Region I ermittelte der vom Niedersächsischen Landesamt für Statistik durchgeführte Mikrozensus 35.686 fremd genutzte Wohnungen. Der Auswertung für den hier streitigen Zeitraum soll demnach 6,55 % des Mietwohnungsbestandes der Region I zugrunde liegen. Bei der Auswertung des Datenbestandes wird in einem ersten Schritt ein Mittelwert (M 1) der Kosten sämtlicher erfasster Wohnungen einer Wohnungsgrößenklasse einer Region pro qm erhoben. Um unrealistisch niedrige oder hohe Mieten statistisch zu bereinigen, wird sodann ein gewichteter Mittelwert gebildet. Dabei werden in einem zweiten Schritt von der gebildeten Gesamtmenge diejenigen Wohnungen ausgeschlossen, deren pro qm ermittelter Nettokaltmietwert entweder 35 % unter M 1 oder 10 % über M 1 liegt. Aus sämtlichen innerhalb dieser Teilmenge liegenden Wohnungen wird wiederum ein Mittelwert M 2 pro qm gebildet. Das Produkt aus M 2 und der angemessenen Wohnfläche (entsprechend der Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen) ergibt den nach Auffassung des Beklagten maßgeblichen Angemessenheitswert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Konzeptes wird auf die vom Beklagten zur Gerichtsakte gereichte Konzeptbeschreibung (Anlage zum Schriftsatz vom 30. November 2016, Bl. 199 ff. GA) Bezug genommen.

Für den hier maßgeblichen Zeitraum ab Juli 2010 hat der Landkreis P. für den von ihm zugrunde gelegten 5-Personen-Haushalt für 95 qm einen qm-Preis von 6,02 Euro (Kaltmiete: 4,66 Euro und Nebenkosten: 1,36 Euro) ermittelt (Bruttokaltmiete: 571,90 Euro).

In der Sache führt der Beklagte aus: Die Daten seien repräsentativ, da nahezu eine Vollerhebung durchgeführt worden sei. Auch das Gutachten des IWU bestätige, dass die hier gewählte Datenbasis wissenschaftlichen Standards genüge. Das BSG lege in zahlreichen Entscheidungen Wert auf Aktualität und Marktnähe der Mietpreise; dem werde das vorliegende Konzept gerecht, weil es Angebotsmieten der letzten vier Jahre einbeziehe. Die Erhebung von Bestandsmieten genüge diesen Anforderungen nicht. Die Faktoren Ausstattung, Lage und Bausubstanz bestimmen nach Auffassung des BSG den Mietpreis; genau diese Faktoren bestimmten aber auch die Qualität, weshalb der Mietpreis zur Bestimmung des einfachen Wohnsegments herangezogen werden könne. Dies bestätigen auch die Urteile des erkennenden Senats vom 10. Juni 2016 zu den Az. L 11 AS 1788/15 und L 11 AS 611/15. Das Vorgehen des Beklagten sei von der sog. Methodenfreiheit gedeckt. Das - ähnlich gelagerte - Konzept des Landkreises Osnabrück sei daher auch vom 15. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 16. Dezember 2015 - L 15 AS 159/14 -) bestätigt worden. Würde man allerdings - wie in dem Konzept des Landkreises Osnabrück - ein Perzentil bilden anstelle des gewichteten Mittelwertes, würden die Preise unter den hier angesetzten Werten liegen.

Soweit der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 24. Mai 2018 - L 8 SO 193/13 -) das Konzept verworfen habe, weil es keine Daten zu Bestandsmieten enthalte, sei darauf hinzuweisen, dass das Konzept durchaus Daten zu Bestandsmieten enthalte, da davon auszugehen sei, dass die öffentlich angebotenen Wohnungen später tatsächlich vermietet worden seien. Die auf der Basis von Angebotsmieten ermittelten Werte dürften zudem tendenziell höher sein, sodass keine Benachteiligung der Hilfeempfänger entstehe. Das Konzept des Beklagten gewährleiste zudem, dass tatsächlich eine ausreichende Zahl von Wohnungen zur Verfügung stehe.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019 hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, dass das streitbefangene Konzept hinsichtlich der Berücksichtigung von Bestandsmieten nachgebessert werden könne. Der Beklagte verfüge über Daten zu tatsächlich gezahlten Mieten von SGB II-Leistungsempfängern sowie von Wohlgeldempfängern. Aus diesen Daten könne der Beklagte Erkenntnisse über die Bestandsmieten herleiten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019).

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 5. Dezember 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst Anlagen (Ordner mit dem Konzept - Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel -) und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143, 144 SGG zulässige, wegen der Zulassung durch den erkennenden Senat insbesondere auch statthafte Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten zur Gewährung weiterer KdUH an die Kläger unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete verurteilt, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

A.

Das Urteil des SG ist nach Maßgabe des § 138 Abs 1 Satz 1 SGG zunächst zu berichtigen. Hiernach sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnlich offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen (vgl. zur Berichtigung eines vorinstanzlichen Urteils durch das Rechtsmittelgericht mit der Entscheidung über das Rechtsmittel: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 138, Rn 4). Soweit das SG auf Seite 13 des Urteils (3. Absatz) anstelle der zuvor richtig bezifferten Bruttokaltmiete von 663,50 Euro in die Rechnung 633,50 Euro eingestellt hat, handelt es sich dabei um einen Schreibfehler, da das SG nach dem Inhalt seiner Entscheidung ohne jeden Zweifel die tatsächlich zu entrichtende Bruttokaltmiete (= 663,50 Euro) berücksichtigen wollte. In der Folge hat das SG einen weiteren Leistungsanspruch von kopfteilig lediglich 12,32 Euro monatlich statt - ohne diesen Schreibfehler - richtigerweise 18,32 berechnet und dem Urteilstenor zugrunde gelegt (wobei es sich, weil die Rechnung selbst korrekt ist, nicht um einen Rechenfehler handelt: vgl. Keller, aaO, Rn 3). Die aus dem Schreibfehler resultierenden Beträge sind sowohl im Tenor als auch in den Entscheidungsgründen des Urteils des SG vom 5. Dezember 2013 mit dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Inhalt zu berichtigen.

B.

Die Beteiligten haben den Streitgegenstand zulässig auf die KdUH gem. § 22 SGB II beschränkt; es handelt sich insoweit um eine abtrennbare Verfügung (st. Rspr. des BSG, vgl. etwa Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -, BSGE 104, 192-199, SozR 4-4200 § 22 Nr 30; vgl. zur Antragsbeschränkung im vorliegenden Verfahren: Erklärung der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2019).

Streitgegenständliche Bescheide sind nach §§ 86, 96 SGG nur noch die Bescheide vom 17. Mai 2011 (Februar bis April), 20. Mai 2011 (Mai), 12. Juli 2011 (Juni) sowie 21. Juli 2011 (Juli) (vgl. zur Einbeziehung endgültiger Bescheide nach diesen Vorschriften, auch soweit zunächst nur ein vorläufiger Bescheid Gegenstand des Verfahrens war: BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 13/14 R -, BSGE 119, 265-271, SozR 4-4200 § 22 Nr 86, Rn 16). Die vorläufigen Bescheide vom 20. Januar 2011 und vom 26. März 2011 sind nach Erlass der endgültigen Bescheide gegenstandslos geworden (vgl. § 328 Abs 3 SGB III). Die endgültigen Bescheide vom 10. Mai 2011 und vom 17. Mai 2011 (letzterer nur hinsichtlich der Monate Mai bis Juli) haben sich wegen der nachfolgenden Bewilligung höherer Leistungen nach § 39 Abs 2 SGB X auf sonstige Art erledigt.

Zu Recht hat das SG den (vorläufigen) Bescheid vom 18. Mai 2011 aufgehoben, weil die Aufhebung des zuvor ergangenen Bescheides vom 17. Mai 2011, mit dem endgültige Leistungen bewilligt worden waren, nur nach §§ 45, 48 SGB X erfolgen konnte, deren Voraussetzungen hinsichtlich der Abänderung der endgültigen in eine vorläufige Leistungsgewährung nicht vorlagen.

C.

Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs 2 SGG, soweit KdUH lediglich i.H.v. 661,90 Euro bewilligt worden sind. Die Kläger haben gem. § 19 Abs 1 Satz 3, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlich entstandenen Aufwendungen, wobei die Bruttokaltmiete mit einem Betrag von 663,50 Euro und die Heizkosten mit einem Betrag von 90,00 Euro zu berücksichtigen sind.

I.

Die Kläger sind leistungsberechtigt im Sinne der §§ 7 i.V.m. 19 ff. SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen KdUH. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger vorliegend nicht leistungsberechtigt im vorgenannten Sinne sind, weil sie etwa über den Bedarf übersteigendes Einkommen verfügen, sind nicht erkennbar.

II.

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessenen sind.

1.

Der Beklagten hat den Klägern Heizkosten in tatsächlicher entstandener Höhe erbracht, sodass hierfür keine höheren Ansprüche geltend gemacht werden können.

2.

Die Kläger haben nicht bereits nach Maßgabe des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen KdUH. Denn nach erfolgter Aufforderung mit Schreiben vom 13. April 2010, die Unterkunftskosten zu senken, ist der Übergangszeitraum für die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft jedenfalls ab November 2010 abgelaufen. Unschädlich ist insoweit, dass der Beklagte in seinem Hinweisschreiben auf die zum damaligen Zeitpunkt gültige Angemessenheitsgrenze (570,00 Euro) hingewiesen und auf der Grundlage aktualisierter Werte im hier streitigen Zeitraum einen Betrag von 571,90 Euro zugrunde gelegt hat. Das Hinweisschreiben zur Kostensenkung verliert bei einem um 1,90 Euro (zugunsten) der Kläger abweichenden Wert seinen Charakter als "Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion", das den Klägern lediglich ermöglichen soll, geeignete Kostensenkungsmaßnahmen zu treffen, nicht (vgl. dazu aus jüngerer Zeit: BSG, Urteil vom 15. Juni 2916 - B 4 AS 36/15 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 90, Rn 15 ff.; so auch bei objektiv fehlerhaften Angaben zur Referenzmiete, die nicht zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung führen: BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R -, BSGE 102, 263-274, SozR 4-4200 § 22 Nr 19, Rn 40).

3.

Streitig ist allein die Höhe der zu berücksichtigenden Bruttokaltmiete.

a)

Insoweit haben die Kläger bereits nach Maßgabe des Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft des Beklagten einen höheren Leistungsanspruch gem. § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II und zwar in Höhe von 13,12 Euro bzw. 12,70 Euro monatlich je Kläger für den Zeitraum Februar bis April 2011 bzw. Mai bis Juli 2011. Denn der Beklagte hat nicht beachtet, dass die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft anhand der Werte für einen 4-Personen-Haushalt zu ermitteln ist. Abzustellen ist nämlich allein auf die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (hier: 4), nicht hingegen der Haushaltsgemeinschaft (hier: 5; so ausdrücklich: BSG, Urteil vom 25. April 2018 - B 14 AS 14/17 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 96). Die vom Beklagten für einen 4-Personen-Haushalt ermittelten Höchstwerte für die Bruttokaltmiete lagen in der Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. April 2011 bei 510,00 Euro und in der Zeit ab dem 1. Mai 2011 bei 508,30 Euro (vgl. Anlage 1 zur Geschäftsanweisung des Kommunalen Trägers für die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II, Stand: 1. Juli 2011, hier in der Anlage zur GA: Konzept - Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel - ). Diese Werte zugrunde gelegt, ergibt sich eine kopfteilig zu gewährende Bruttokaltmiete von 127,50 Euro bzw. 127,08 Euro. Unter Berücksichtigung der kopfteilig zu gewährenden Heizkosten (18,00 Euro pro Person) ergibt sich ein monatlicher Leistungsanspruch auf KdUH in Höhe von 145,50 Euro bzw. 145,08 Euro je Kläger. Aus der Differenz zu den bereits gewährten KdUH (132,38 Euro) errechnet sich der bereits nach dem Konzept des Beklagten zu gewährende weitere Leistungsbetrag von 13,12 Euro bzw. 12,70 Euro.

b)

Allerdings haben die Kläger über diese Beträge hinaus Anspruch auf KdUH in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen und damit auf weitere KdUH in Höhe von jeweils insgesamt 18,32 Euro. Denn der Beklagte hat seine Grenzwerte nicht mit einem sog. schlüssigen Konzept im Sinne der BSG-Rechtsprechung ermittelt. Es fehlt an der Repräsentativität der Daten, weil das Konzept ausschließlich Angebotsmieten einbezieht und Bestandsmieten zur Ermittlung des angemessenen qm-Preises unberücksichtigt lässt. Der Senat folgt dabei - insbesondere auch im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung - der Rechtsauffassung des 8. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 24. Mai 2018 - L 8 SO 193/13 -). Der erkennende Senat sieht sich durch den Beschluss des BSG vom 28. Januar 2019 - B 8 SO 41/18 B -, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Landkreises P. wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen worden ist, bestätigt. Der erkennende Senat sieht auch keine Nachbesserungsmöglichkeiten, weshalb hilfsweise zur Ermittlung des angemessenen Wertes auf die Werte der Tabelle zu § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitsaufschlages von 10 % zurückzugreifen, was im Fall der Kläger zur Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Aufwendungen von 663,50 Euro führt (5 Kopfteile: 132,70 Euro pro Kläger). Diese Aufwendungen liegen noch unterhalb der so für einen 4-Personen-Haushalt (4 Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) ermittelten Höchstgrenze im Stadtgebiet P. (611,60 Euro; anteilig: 152,90 Euro).

Im Einzelnen:

Die Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft begrenzt die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R -, BSGE 104, 192-199, SozR 4-4200 § 22 Nr 30). Es handelt sich bei der "Angemessenheit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist. Ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete erfordert ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum unter Beachtung von mehreren, von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Mindestvoraussetzungen, die auch die Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung betreffen (so aus jüngerer Zeit: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R - Rn 15 m.w.N.).

Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, wenn die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juni 2016 - L 11 AS 1788/15 -):

1. Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

2. nachvollziehbare Definition des Gegenstands der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

3. Angaben über den Beobachtungszeitraum;

4. Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel);

5. Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

6. Validität der Datenerhebung;

7. Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung;

8. Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Der erkennende Senat hat hierzu bereits ausgeführt (Urteile vom 10. Juni 2016 - L 11 AS 1788/15 sowie L 11 AS 611/15 -):

Im Rahmen dieser höchstrichterlichen Vorgaben ist dem Grundsicherungsträger bei der Erstellung eines KdU-Konzepts Methodenfreiheit einzuräumen (BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 9/14 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 81; ebenso: LSG Thüringen, Urteil vom 8. Juli 2015 - L 4 AS 718/14 -). Dies beruht darauf, dass durch die Rechtsprechung des BSG die Bestimmung der Höhe der regionalen Angemessenheitsgrenze in die Hände der Jobcenter gelegt worden ist. Lediglich der methodische Rahmen zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze ist durch die Forderung nach einem schlüssigen Konzept vorgegeben (Knickrehm, Soziale Sicherheit 2015, 287, 289). In diesem Sinne richtet sich die gerichtliche Überprüfung auf diesen dem Grundsicherungsträger eingeräumten Gestaltungsspielraum. Sie lässt sich mit der Faustformel "Kontrollierte Methodenfreiheit bei Methodenvielfalt" (so: Knickrehm in: Soziale Sicherheit 2015, 287 ff.) umschreiben. Die Sozialgerichte sind dagegen weder befugt noch dazu berufen, im Wege der Einbeziehung aller denkbaren Faktoren selbst eine optimale Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu bewirken, sondern ein Konzept auf seine Schlüssigkeit und die Gewährleistung der Existenzsicherung im Bereich Wohnen zu überprüfen (vgl. Knickrehm, a.a.O., S. 289).

Insoweit sind nunmehr nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG bei der Prüfung eines Konzeptes - entsprechend den Ausführungen des BVerfG in dem Beschluss vom 6. Oktober 2017 (- 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15 -) - die vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. April 2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des SGB XII vom 24. März 2011 (BGBl. I 453) eingefügten Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu beachten (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 93, Rn. 17).

Der Senat schließt sich - insbesondere auch im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung - nach eigener Prüfung und Würdigung den nachfolgenden Darlegungen des 8. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen zu dem im Zeitraum von Juli 2010 bis April 2011 sowie von Mai 2011 bis Juni 2012 geltenden Konzept zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen des Beklagten an (Urteil vom 25. Mai 2018 - L 8 SO 193/13 -, Rn 48ff.):

Nach diesen Maßgaben hält das vom Beklagten zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft nach § 29 SGB XII a.F. bzw. § 35 SGB XII im Stadtgebiet P. entwickelte Konzept einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Der Beklagte hat (jedenfalls) in Bezug auf das Stadtgebiet P. (Region I) einen örtlichen Vergleichsraum bestimmt, der den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG entspricht. Eine große selbstständige Stadt dieser Größenordnung (ca. 100.000 Einwohner) stellt einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit, also einen insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich dar (vgl. zu diesen Vorgaben: BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 45/14 R - juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R - juris Rn. 22; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rn. 21).

Das Konzept des Beklagten ist bereits deshalb nicht methodengerecht, weil der Umfang der einbezogenen Daten den (Miet-) Wohnungsmarkt in P. nicht repräsentativ abbildet. Ein schlüssiges Konzept, das sich innerhalb des methodischen Rahmens zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze bewegen soll, kann in der Regel nicht allein auf Daten über Neuvertragsmieten beruhen, sondern muss auch Daten über Bestandsmieten einbeziehen. Normativer Anknüpfungspunkt ist insoweit nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R - juris Rn. 17) die Regelung des § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II (vgl. auch § 35a SGB XII), nach dem in die Datenauswertung für eine Satzung zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen sollen. Diese Vorgabe gilt in entsprechender Weise für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts und entspricht insoweit auch der vor Inkrafttreten des § 22c SGB II zum 1. Januar 2011 geltenden Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R - juris Rn. 22; BSG, Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 91/10 R - juris Rn. 25; für die Zeit nach Inkrafttreten der Regelung vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R - juris Rn. 22). Der Gesetzgeber hat mit Einführung der §§ 22a bis c SGB II die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch das BSG gesetzlich nachvollzogen und damit - bei verbleibenden Entscheidungsspielräumen insbesondere mit Blick auf das schlüssige Konzept - "gesetzlich begrenzt" (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2017 - 1 BvL 2/15 - juris Rn. 17).

Die Einbeziehung sowohl von Neuvertrags- als auch Bestandsmieten, also Mieten bestehender Verträge, ggf. begrenzt auf diejenigen eines Mietspiegels (vgl. § 22c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II; § 35a Satz 1 SGB XII), die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart worden sind (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R - juris Rn. 16), zur Bestimmung der "angemessenen Aufwendungen" i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a.F. bzw. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist auch sachgerecht, weil die Daten von Bestandsmieten geeigneter sind, den Gesamtbestand von preiswertem Wohnraum und damit auch die Nachfragekonkurrenz realitätsnah abzubilden (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 9/14 R - juris Rn. 23). Die Nachfrage nach (preiswertem) Wohnraum ist in besonderer Weise ein angebots- und preisrelevanter Faktor. Das alleinige Abstellen auf das Niveau der Neuvertragsmiete zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft birgt auch die Gefahr, dass sich gegenüber bestehenden Mietverhältnissen Mieterhöhungspotenziale für den Vermieter ergeben und sich die Miethöhe von Neuverträgen für preiswerten Wohnraum der so bestimmten Angemessenheitsgrenze wiederum annähert (vgl. dazu den Forschungsbericht des BMAS "Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)", Januar 2017 im Weiteren Forschungsbericht S. 36 f.; allgemein zur Bewertung von Angebotsmietdatenbanken S. 181-183, und zur zwingenden Einbeziehung von Daten über Neuvertragsmieten S. 204). Durch die Berücksichtigung von Daten von Bestandsmieten werden auch Mietverhältnisse erfasst, die unabhängig von öffentlich zugänglichen Mietwohnungsangeboten zustande kommen (insb. bei attraktiven Objekten durch Mietverträge "unter der Hand" oder im Freundes- und Verwandtenkreis sowie über öffentliche Aushänge) oder mit zunehmender Vertragsdauer Änderungen unterworfen sind (z.B. Staffelmietverträge).

Sog. Angebotsmietenkonzepte sind auch dann nicht zulässig, wenn die auf dieser Grundlage ermittelten Angemessenheitswerte für die betroffenen Leistungsbezieher im Regelfall günstiger sein sollten, weil die Bestandsmieten im Durchschnitt niedriger als die Angebots- und Neuvertragsmieten ausfallen (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Oktober 2017 - L 19 AS 502/16 - juris Rn. 60 ff., 70; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2015 - L 15 AS 159/14 - juris Rn. 39 ff., 41; SG München, Urteil vom 24. Januar 2018 - S 46 AS 1426/15 - juris Rn. 81). Diese Annahme ist im Allgemeinen nicht zwingend, auch wenn sie - insbesondere für den Wohnungsmarkt in Ballungszentren und wahrscheinlich auch im Stadtgebiet P. - bei kontinuierlich steigenden Neuvertragsmieten zutreffen dürfte. Die Datenerhebung bewegt sich nicht innerhalb des aufgezeigten methodischen Rahmens. Durch diese Konzepte wird nicht der Begriff der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a.F. bzw. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII und § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II konkretisiert, sondern ein anderer Wert. Es steht dem zuständigen Träger gerade nicht offen, zur Begrenzung der ihm im Zusammenhang mit der Erstellung eines schlüssigen Konzeptes entstehenden Verwaltungskosten auf aufwändige Ermittlungen der Bestandsmieten zu verzichten (so aber ausdrücklich LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Oktober 2017 - L 19 AS 502/16 - juris Rn. 70). Beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann (allein) der Rückgriff auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG (für Zeiträume ab 1. Januar 2009) zzgl. eines Sicherheitszuschlags die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze deckeln (vgl. dazu statt vieler BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R - juris Rn. 20).

Das Erfordernis, dass im Rahmen eines schlüssigen Konzeptes zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Aufwendungen auch auf Bestandsmieten abzustellen ist, hat das BSG in jüngerer Zeit nochmals ausdrücklich bestätigt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 93, Rn 17 unter Bezugnahme auf die Regelung des § 22c Abs 1 Satz 3 SGB II). Insoweit sieht auch der 8. Senat des BSG keine klärungsbedürftige Rechtsfrage mehr, weil sie bereits entschieden ist (Beschluss vom 28. Januar 2019 - B 8 SO 41/18 B -, Rn 6). Soweit der Beklagte ausführt, das Konzept beinhalte auch Bestandsmieten, weil davon auszugehen sei, dass Wohnungen, mit den in den vergangenen vier Jahren erhobenen Angebotsmieten (zu diesem Preis) vermietet worden sind, handelt es sich nicht um Bestandsmieten im Sinne dieser Vorgaben. Es ist weder bekannt - weil es nicht im Sinne eines planmäßigen Vorgehens erhoben worden ist - noch plausibel nachzuvollziehen, welche der erhobenen Wohnungen tatsächlich und zu welchen konkreten Konditionen vermietet worden sind. Ebenso wenig können bei der vom Beklagten gewählten Vorgehensweise Erhöhungen der Bestandsmieten durch z.B. Staffelmietverträge oder durch andere Mieterhöhungen angemessen berücksichtigt werden.

c) Der Senat sieht wegen der fehlenden Erhebung von Bestandsmieten keine Nachbesserungsmöglichkeiten. Das gilt auch für die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2019 vom Beklagten vorgetragene Möglichkeit, Erkenntnisse zu Bestandsmieten auch für den Streitzeitraum aus Statistiken über tatsächlich gezahlte Mieten von Empfängern von SGB II-Leistungen und von Wohngeld herleiten zu können. Unabhängig davon, dass der Beklagte nicht konkret dazu vorgetragen hat, mit welcher Methode diese Daten in das vorhandene Konzept einfließen sollen, handelt es sich um keine Nachbesserung des bereits vorhandenen Konzeptes, sondern um eine schon im Ansatz andere Herangehensweise. Denn der Beklagte hat bewusst eine Methode gewählt, die ausschließlich Angebotsmieten berücksichtigt. Wird jedoch ein Konzept auf eine völlig neue Grundlage gestellt, handelt es sich schon im Wortsinn nicht mehr um eine Nachbesserung, die allein auf die Beseitigung konzeptioneller Schwächen angelegt ist (dazu grundlegend: BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R -, Rn 22). Zudem sieht der Senat keine Vergleichbarkeit der bislang ermittelten Werte auf der Basis von Angebotsmieten und der Bestandsmieten aus Daten von Leistungsempfängern. Denn der Beklagte nimmt für sich in Anspruch, Angebotsmieten ohne eine Begrenzung auf ein bestimmtes Wohnungsmarktsegment zu berücksichtigen, wohingegen die Berücksichtigung von Bestandsmieten von Transferleistungsempfängern eine Beschränkung auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe und damit bei lebensnaher Betrachtung eine Beschränkung auf das einfache Wohnungsmarktsegment bedeutet. Sofern der Beklagte darauf verweist, dass es auch nach der Rechtsprechung des BSG methodisch nicht zu beanstanden ist, wenn ein Konzept von vornherein allein auf die Mietdaten von Transferleistungsempfängern abstellt, ist das zwar zutreffend (vgl. aus jüngerer Zeit: BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 85), widerspricht aber gerade der bisherigen Methode des Beklagten.

d) Die Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete erfolgt dementsprechend nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten zu den angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Rechtsprechung des BSG anhand der Tabelle zu § 12 WoGG (hier für die Zeit ab 1. Januar 2011 i.d.F. vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 1885) zzgl. eines Sicherheitsaufschlags in Höhe von 10 % (seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - Rn 23; grundlegend BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R - Rn 26 f. und BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R - Rn 20-22 u.a. zu den Tabellenwerten des ab 1. Januar 2009 geltenden § 12 WoGG).

Für eine vierköpfige Bedarfsgemeinschaft im Stadtgebiet P. (Mietstufe 3) ist dabei im Streitzeitraum ein Wert von 556,00 Euro zzgl. 55,60 Euro (611,60 Euro insgesamt) maßgeblich. Daraus ergibt sich eine kopfteilig maximal zu berücksichtigende Bruttokaltmiete von 152,90 Euro. Die tatsächlichen Kosten der Kläger liegen jeweils bei 132,70 Euro (663,50 Euro: 5 Personen) und damit noch unterhalb dieses Betrages. Damit ergibt sich ein kopfteilig noch zu gewährender Anteil von 18,32 Euro unter Berücksichtigung der Differenz aus den tatsächlichen Aufwendungen je Kläger von 150,70 Euro (einschließlich der Kosten für die Heizung: 18,00 Euro) und den bislang vom Beklagten gewährten Leistungen von 132,38 Euro.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Mit der Entscheidung des BSG (Beschluss vom 28. Januar 2019 - L 8 SO 41/18 B -) sieht der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache. -