Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.03.2019, Az.: L 3 KA 78/16
Höhe eines vertragsärztlichen Honorars; Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen; Halbtags angestellte Ärzte
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.03.2019
- Aktenzeichen
- L 3 KA 78/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 19929
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S 65 KA 532/12
Rechtsgrundlagen
- NVV-Vereinbarung (2011) Teil B § 9
- § 95 Abs. 9 SGB V
- § 95 Abs. 9a SGB V
- § 32b Ärzte-ZV
Redaktioneller Leitsatz
1. Vertragsärztliche Vergütungsbestimmungen sind eng am Wortlaut der jeweiligen vertraglichen Regelung auszulegen.
2. Der Anwendungsbereich der Regelungen des Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 kann nicht durch Auslegung auf angestellte Ärzte ausgedehnt werden; angestellte Ärzte werden in der Norm überhaupt nicht erwähnt.
3. Die Rechtsprechung des Senats im Fall eines angestellten Arztes in einer Berufsausübungsgemeinschaft zur entsprechenden Anwendbarkeit der inhaltsgleichen Vorgängerregelung in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2010 in entsprechender Weise auch für halbtags angestellte Ärzte im Sinne von § 95 Abs. 9 und Abs. 9a SGB V i.V.m. § 32b Ärzte-ZV, wird aufgegeben.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. Juli 2016 aufgehoben und die Honorarbescheide für die Quartale I/2011 und III/2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2012 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale I/2011 und III/2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.091 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe vertragsärztlichen Honorars für die Quartale I und III/2011.
Die Klägerin ist Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in E., das zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. In den streitbefangenen Quartalen beschäftigte sie dort ua eine Fachärztin und einen Facharzt für Kinderchirurgie, wobei mit der Ärztin Dr. F. seit dem 1. Februar 2010 eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden (zuvor: 40 Stunden) vereinbart war.
Für das Quartal I/2011 zahlte die Beklagte der Klägerin zunächst ein Gesamthonorar iHv 87.560,14 Euro aus. Dabei waren auf Dr. F. entfallende Honoraranforderungen iHv 38.818,00 Euro berücksichtigt, die ausweislich des Honorarbescheids um 50,72 vH auf 19.129,68 Euro reduziert worden waren (Anlage "Nachweis zur Begrenzungsberechnung nach § 9 NVV-Vereinbarung"). Grundlage hierfür war eine Anpassung der angeforderten Honorare an den Fachgruppendurchschnitt der aktuellen Abrechnung der Kinderchirurgen, multipliziert mit dem Anpassungsfaktor 0,5. Demgegenüber wurden die Honoraranforderungen des Kinderchirurgen G. in voller Höhe von 15.339,63 Euro berücksichtigt.
Im Quartal III/2011 belief sich das ausgezahlte Gesamthonorar (nach Abzug der im Honorarbescheid ausgewiesenen Jahres-Ausgleichszahlungen für die Quartale III und IV/2010) auf 95.457,71 Euro. Hierbei waren die auf Dr. F. entfallenden Honoraranforderungen iHv 31.967,13 Euro um 17,339 vH auf 26.424,38 Euro reduziert worden. Das entsprach wiederum einer Anpassung der angeforderten Honorare an den Fachgruppendurchschnitt der aktuellen Abrechnung der Kinderchirurgen, multipliziert mit einem Anpassungsfaktor von 0,774. Die auf Herrn G. entfallenden Honoraranforderungen (iHv 24.153,62 Euro) wurden abermals in voller Höhe berücksichtigt.
Mit ihren Widersprüchen gegen die Honorarbescheide wandte sich die Klägerin insbesondere gegen die Reduzierung der Leistungsanforderung von Dr. F ... Es sei nicht ersichtlich, ob die Arztgruppe der Chirurgen oder der Kinderchirurgen als Vergleichsgruppe herangezogen worden ist. Gegenüber der Fachgruppe der Allgemeinchirurgen liege aber ein völlig anderes Leistungsspektrum vor. Im Quartal I/2011 sei das Gesamthonorar der beiden Kinderchirurgen bereits bei 34.469,31 Euro gekappt worden, obwohl das Vergleichshonorar eines Arztes bei 38.259,36 Euro liege. Mit einer derartigen Abstaffelung könnten ambulant-operative Leistungen nicht mehr erbracht werden. Die Reduzierung der Honoraranforderungen verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Grundgesetz (GG), weil in Einzelpraxis niedergelassene Ärzte nicht auf das Durchschnittshonorar der Fachgruppe begrenzt würden. Außerdem würden Praxisbesonderheiten wie eine hier vorhandene Sicherstellungssituation völlig unbeachtet bleiben. Als hochspezialisiertes MVZ mit den Fachrichtungen Kinderchirurgie und Kinderheilkunde mit Schwerpunkt Kinderendokrinologie, Kinderkardiologie und Neuropädiatrie halte die Klägerin für die Stadt E. und einen weiten Einzugsbereich ein einmaliges Leistungsspektrum mit hoher Sicherstellungsrelevanz vor. Für das Fachgebiet Kinderchirurgie gebe es im Einzugsbereich nur noch einen weiteren Kollegen; zugleich würden sich Allgemeinchirurgen oft weigern, insbesondere kleinere Kinder ambulant zu operieren. Schließlich benachteilige die Begrenzung des abzurechnenden Leistungsvolumens Ärzte mit aufwändigem Leistungsspektrum und hohem Kostenanteil, zB im Rahmen von ambulanten Operationen.
Mit Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2012 (zur Post aufgegeben am 27. Juli 2012) hob die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal I/2011 insoweit auf, als sie den im Bescheid zugrunde gelegten Anpassungsfaktor von 0,5 durch den im Widerspruchsbescheid aufgeführten Anpassungsfaktor von 0,797 ersetzte. Hierdurch verminderte sich die Honorarreduzierung für die Leistungsanforderungen von Dr. F. auf einen Betrag von 8.325,29 Euro; daraus resultierte eine Nachvergütung iHv 11.363,03 Euro. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Honorarbescheide für die Quartale I und III/2011 zurück. Die Begrenzung der Leistungserbringung sei gemäß § 101 Abs 1 S 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und dem 10. Abschnitt der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) erfolgt; danach seien die in einem MVZ angestellten Ärzte entsprechend ihrer Arbeitszeit anteilig zu berücksichtigen. Teilzeitbeschäftigte Ärzte seien nach Maßgabe des konkreten Beschäftigungsumfangs zu berücksichtigen, wobei bei einer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von über 10 bis 20 Stunden pro Woche der Anrechnungsfaktor 0,5 gelte. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht ersichtlich. Ziel der Leistungsbeschränkung sei es, dass Ärzte mit hälftiger Zulassung nicht unbegrenzt tätig werden und die entsprechende Zulassungsbeschränkung so umgehen können. Sofern sich die Klägerin gegen die Heranziehung der Fachgruppe Allgemeinchirurgie zur Ermittlung des Anpassungsfaktors wende, werde auf das persönliche Gespräch vom 13. Juli 2011 verwiesen. Hierin sei gemeinsam versucht worden, eine Lösung dafür zu finden, dass die Fachgruppe der Kinderchirurgen lediglich aus fünf Ärzten besteht. Ein Konsens habe dahingehend gefunden werden können, dass für die Berechnung des Anpassungsfaktors der Fachgruppendurchschnitt der Fachgruppe Chirurgen zugrunde gelegt werde. Bei der Begrenzungsberechnung werde dieser neue Faktor auf den Fachgruppendurchschnitt der Fachgruppe Kinderchirurgie angewendet; die sich daraus ergebenden Faktoren seien der Klägerin mit Bescheid vom 6. September 2011 mitgeteilt worden. Es sei mithin bereits eine Besserstellung des MVZ durch Kulanz der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Niedersachsen erfolgt; eine darüberhinausgehende Begünstigung sei weder erforderlich noch möglich.
Am 27. August 2012 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass die Vorschriften zur Leistungsbegrenzung in Teil B § 9 der zwischen der Beklagten, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen getroffenen Vereinbarung zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2011 (NVV-Vereinbarung 2011) auf angestellte Ärzte eines MVZ nicht anwendbar seien. Aufgrund des Verweises auf § 95 Abs 3 S 1 SGB V sei der Anwendungsbereich der Regelungen vielmehr auf Vertragsärzte mit eigener Zulassung beschränkt. Die Klägerin selbst habe nicht nur einen zeitlich hälftigen, sondern einen vollen Versorgungsauftrag, der lediglich auf zwei hälftig angestellte Fachärzte verteilt worden sei. Sie sei daher nicht anders zu beurteilen als ein Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag. Nach alledem bestehe schon keine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Honorarreduzierung. Jedenfalls aber sei Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig (Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Honorarverteilungsgerechtigkeit; Einbeziehung besonders förderungswürdiger unbudgetierter Leistungen in die Begrenzungsregelung; insgesamt übermäßige Begrenzung der in das Regelleistungsvolumen (RLV) und die Qualifikationsbezogenen Zusatzvolumina (QZV) fallenden und bereits hierdurch wesentlich reduzierten Leistungen; unzureichende Berücksichtigung der besonderen Umstände der Fachgruppe der Kinderchirurgen; fehlender Ausgleich von Über- und Unterschreitungen der Leistungsgrenzen mehrerer in Teilzeit angestellter Ärzte derselben Fachgruppe; fehlende Kalkulationssicherheit).
Mit Urteil vom 6. Juli 2016 hat das SG Hannover die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Vorgaben in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 zutreffend angewandt. Die Vorschrift stehe mit höherrangigem Recht im Einklang. Gemäß § 85 Abs 4 S 6 SGB V habe der Verteilungsmaßstab Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag vorzusehen; dabei ergebe sich aus dem Verweis auf § 95 Abs 3 S 1 SGB V, dass entsprechende Regelungen auch im Hinblick auf Zulassungen zugunsten eines MVZ gewollt seien. Die Regelung sei ferner von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gedeckt. Danach sei eine übermäßige Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit nicht allein arztindividuell unter Qualitätssicherungsgesichtspunkten, sondern auch fachgruppenbezogen zu betrachten; dabei müsse eine übermäßige Ausdehnung des vergütungsrelevanten Leistungsumfangs durch eine Facharztgruppe zu Lasten anderer Arztgruppen verhindert werden. Außerdem bestehe schon nach der Gesetzesbegründung die Notwendigkeit, dass Vertragsärzte mit nur hälftigem Versorgungsauftrag nicht über diesen Auftrag hinaus tätig werden und abrechnen dürfen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Schaffung des § 9 NVV-Vereinbarung eine interne Verrechnung zwischen mehreren zeitanteilig tätigen Ärzten vorzusehen. Zudem liege auch weder eine Verletzung von Grundrechten der Klägerin aus Art 3 GG noch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vor, weil die abstrakte Gefahr einer übermäßigen Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit bei nur anteilig berechtigten Leistungserbringern deutlich erhöht sei. Das werde durch die Höhe der Leistungsanforderung von Dr. F. augenscheinlich, die über der durchschnittlichen Anforderung eines vollzeittätigen Kinderchirurgen gelegen habe. Auch im Hinblick auf die dem RLV/QZV unterliegenden Leistungen bestehe ein berechtigtes Interesse an der Schaffung weiterer Mechanismen zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung; nichts anderes könne für die freien Leistungen gelten, bei denen die Gefahr einer Leistungsausweitung über den tatsächlichen Versorgungsauftrag um ein Vielfaches höher sei.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 13. Juli 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. August 2016 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und ergänzt ihr bisheriges Vorbringen und rügt, dass sich das SG hiermit nur unzureichend auseinandergesetzt habe.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. Juli 2016 aufzuheben, 2. 3. die Honorarbescheide für die Quartale I/2011 und III/2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2012 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale I/2011 und III/2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Vorschrift in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung sei ausnahmslos auf teilzeittätige Ärzte anwendbar, mithin auch auf in einem MVZ angestellte Ärzte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und be t. Das SG Hannover hat ihre Klage zu Unrecht abgewiesen.
1. Gegenstand des Verfahrens sind die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I und III/2011. Dabei hat die Klägerin die Klage auf die Anfechtung der Reduzierung der Leistungsanforderungen von Dr. F. aufgrund der Regelungen in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 beschränkt.
Die Klage ist als (Teil-)Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Sonderform einer Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs 1, 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (zur Sachgerechtigkeit einer solchen Antragstellung in vertragsärztlichen Honorarstreitigkeiten vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 45/07 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 5 mwN) und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Klage ist auch begründet. Die Honorarbescheide für die Quartale I und III/2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Für die Reduzierung der Honoraranforderungen der angestellten Ärztin Dr. F. im Hinblick auf deren Teilzeitbeschäftigung fehlt es schon an einer Rechtsgrundlage. Die dazu von der Beklagten angeführten Regelungen in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 finden auf in Teilzeit angestellte Ärzte keine Anwendung.
a) Die genannte Vorschrift sieht in den ersten drei Absätzen vor:
"(1) Ärzte mit zeitlich hälftigem Versorgungsauftrag gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V unterliegen einer Leistungsbegrenzung nach Maßgabe der Absätze (2) bis (4).
(2) Bei Reduzierung eines zeitlich vollen in einen hälftigen Versorgungsauftrag eines Arztes, reduziert sich das abrechenbare Leistungsvolumen dieses Arztes auf 50 v.H. des im selben Quartal vor Reduzierung des Versorgungsauftrags (Basiszeitraum) abgerechneten Leistungsvolumens (Leistungsgrenze), jedoch nicht auf weniger als 50 v.H. des Fachgruppendurchschnitts. Für Ärzte mit zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen wird die Leistungsgrenze auf 50 % der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze festgelegt.
(3) Liegen entsprechende Daten für den Basiszeitraum nicht vor, wird als Leistungsgrenze 50 v.H. des durchschnittlichen Leistungsvolumens je Arzt der jeweiligen Fachgruppe im Basiszeitraum zugrunde gelegt. Für Ärzte mit zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen wird die Leistungsgrenze auf 50 % der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze festgelegt."
Vom Anwendungsbereich der Vorschrift werden ausdrücklich nur "Ärzte mit zeitlich hälftigem Versorgungsauftrag" erfasst. Demgegenüber ergibt sich eine Anwendung der Regelungen auf angestellte Ärzte in einem MVZ aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Diese Ärzte haben keinen eigenen - und damit auch keinen zeitlich hälftigen - Versorgungsauftrag inne; Inhaber des Versorgungsauftrags ist vielmehr das MVZ (vgl dazu nur die Regelungen in § 95 Abs 1 S 1, 2 und 7; Abs 3 S 2 SGB V idFd Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) vom 28. Mai 2008, BGBl I S 874). Danach kann Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 im Hinblick auf die Teilzeittätigkeit von Dr. F. von vornherein nicht angewandt werden.
Darüber hinaus macht die Klägerin zu Recht geltend, dass der Anwendungsbereich der Norm auch in Bezug auf das MVZ als solches gleich in zweifacher Hinsicht nicht eröffnet ist. Zum einen hat das MVZ nicht lediglich einen hälftigen, sondern einen vollen Versorgungsauftrag für das Fachgebiet Kinderchirurgie; zum anderen ergibt sich dieser Versorgungsauftrag nicht aus der in Teil B § 9 Abs 1 NVV-Vereinbarung 2011 in Bezug genommenen Vorschrift des § 95 Abs 3 S 1 SGB V, sondern aus § 95 Abs 3 S 2 SGB V, auf den die Vorschrift gerade nicht verweist.
b) Es ist auch nicht möglich, den Anwendungsbereich der Regelungen des Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 durch Auslegung auf angestellte Ärzte (hier: in einem MVZ) auszudehnen.
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG und der des erkennenden Senats in erster Linie auf den Wortlaut der jeweiligen vertraglichen Regelung abzustellen (vgl Senatsurteil vom 9. August 2017 - L 3 KA 76/16). Hintergrund ist, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe der Normgeber ist, ggf auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Die primäre Bindung an den Wortlaut folgt aber auch aus dem Gesamtkonzept des vertraglichen Regelwerks als eine abschließende Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung etwa durch einen Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse durch eine analoge Anwendung zulässt. Systematische Interpretation und entstehungsgeschichtliche Auslegung kommen nur bei solchen Regelungen in Betracht, deren Wortlaut unklar oder mehrdeutig ist (vgl zur Auslegungspraxis beim Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM): BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 23/09 R, SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1; Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 34/11 R, SozR 4-5540 § 44 Nr 1).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe können die Regelungen in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 keine Anwendung auf angestellte Ärzte finden. Angestellte Ärzte werden in der Norm überhaupt nicht erwähnt; erfasst werden wie oben dargelegt lediglich Ärzte mit hälftigem Versorgungsauftrag gemäß § 95 Abs 3 S 1 SGB V. In dieser Hinsicht ist der Wortlaut der Vorschrift klar und eindeutig, sodass er keiner Auslegung unter Heranziehung systematischer oder gesetzestechnischer Gesichtspunkte zugänglich ist.
In Bezug auf die Reichweite des Verweises auf § 95 Abs 3 S 1 SGB V beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf die Regelung in § 72 Abs 1 S 2 SGB V. Zwar gelten hiernach die sich auf Ärzte beziehenden Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V ua entsprechend für MVZen, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Im Hinblick auf den Regelungsgehalt des § 95 Abs 3 S 1 SGB V ist für MVZen aber gerade Abweichendes in S 2 der Vorschrift bestimmt. Danach bewirkt die Zulassung des MVZ, dass die im Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen KÄV sind und dass das zugelassene MVZ insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Hinsichtlich des Umfangs der Rechte und Pflichten eines MVZ kann danach § 95 Abs 3 S 1 SGB V keine Anwendung finden; ebenso wenig kann der Verweis in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2011 als auch auf MVZen bezogen verstanden werden. Überdies änderte selbst ein Verweis auf § 95 Abs 3 S 2 SGB V nichts daran, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf "Ärzte mit zeitlich hälftigem Versorgungsauftrag" beschränkt ist und angestellte Ärzte, die von vornherein nicht Inhaber eines solchen Versorgungsauftrags sein können, nicht genannt werden.
Soweit der Senat für den Fall eines angestellten Arztes in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) die Auffassung vertreten hat, dass die inhaltsgleiche Vorgängerregelung in Teil B § 9 NVV-Vereinbarung 2010 in entsprechender Weise auch für halbtags angestellte Ärzte iSv § 95 Abs 9 und Abs 9a SGB V iVm § 32b Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gelte (Urteil vom 26. Oktober 2016 - L 3 KA 1/14, juris), hält er an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Hintergrund dieser Entscheidung war eine systematische Interpretation der Vorschriften der NVV-Vereinbarung 2010, nach dessen Teil B § 1 Abs 1 S 3 Ärzte mit angestellten Ärzten iSv § 95 Abs 9 und 9a SGB V abrechnungstechnisch MVZen gleichgestellt werden. Eine derartige Auslegung der Regelungen scheidet aus den vorgenannten Gründen aber aus. Hinzu kommt, dass § 9 Abs 1 NVV-Vereinbarung 2011 von vornherein nur eine Regelung für einen hälftigen Versorgungsauftrag enthält (wie er gemäß § 19a Abs 2 Ärzte-ZV von zugelassenen Vertragsärzten gewählt werden kann), nicht aber für Anstellungen, die zB auf ¼ oder ¾ einer vollzeitigen Tätigkeit beschränkt sind und gerade bei MVZen häufig vorkommen. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf halbtags angestellte Ärzte würde deshalb eine erhebliche Zahl von Anstellungen ungeregelt lassen, was auch in Hinblick auf Art 3 GG problematisch wäre. Aus alledem folgt, dass angestellte Ärzte generell und unabhängig davon, ob sie bei einem Vertragsarzt, einer BAG oder einem MVZ angestellt sind, nicht von der Vorschrift zur Leistungsbegrenzung erfasst werden.
An alledem vermag es nichts zu ändern, dass die Regelung einer Leistungsbegrenzung auch für in Teilzeit angestellte Ärzte sachgerecht gewesen wäre. Zwar sieht § 85 Abs 4 S 6 SGB V (hier anwendbar idFd Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) vom 22. Dezember 2006, BGBl I, S 3439) - an dessen Wortlaut sich die Vertragspartner bei Schaffung der Regelung in Teil B § 9 Abs 1 NVV-Vereinbarung 2011 bzw der entsprechenden Vorgängerregelungen ersichtlich orientiert haben - ausdrücklich nur im Hinblick auf die Tätigkeit eines Vertragsarztes vor, dass der Verteilungsmaßstab Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Abs 3 S 1 vorzusehen hat. Daran hatte sich im hier streitigen Zeitraum auch nichts dadurch geändert, dass die Regelung wesentlicher Punkte der Honorarverteilung vorübergehend dem Bewertungsausschuss (BewA) übertragen worden war (vgl dazu näher Senatsurteil aaO). Zum 1. Januar 2012 hat der Gesetzgeber die Regelung angepasst und in § 87b Abs 2 S 1 SGB V (idFd Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG vom 22. Dezember 2011, BGBl I, S 2983) vorgegeben, dass der Verteilungsmaßstab Regelungen vorzusehen hat, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs 3 oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird. Es sind allerdings keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, derartige Regelungen zur Leistungsbegrenzung nicht auch auf die Tätigkeit in Teilzeit angestellter Ärzte zu erstrecken. Die KÄV wäre nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 14/04 R, SozR 4-5520 § 32 Nr 2) auch berechtigt, im Rahmen ihrer Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung Honorare zu kürzen, die auf einem übergroßen Praxisumfang beruhen, der mit den zulassungsrechtlich festgelegten Bedingungen der Leistungserbringung nicht übereinstimmt. Bereits deshalb kann ihr das Recht nicht abgesprochen werden, derartige Abrechnungskorrekturen schon im Rahmen von Regelungen zur Honorarverteilung vorzusehen (Senatsurteil aaO).
Derartige Regelungen zur Begrenzung der Leistungsanforderungen von angestellten Ärzten im Hinblick auf den Umfang des Versorgungsauftrags des anstellenden Arztes bzw MVZ haben die Vertragspartner aber wie dargelegt nicht getroffen. Die Beklagte hat auch kein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durchgeführt - wozu eine Prüfung der Einhaltung der zeitlichen Grenzen der Anstellungsgenehmigung erforderlich wäre -, sondern eine Honorarreduzierung aufgrund einer nicht anwendbaren Rechtsgrundlage vorgenommen. Da eine andere Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich ist - die im Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2012 zitierten Regelungen in § 101 Abs 1 S 7 SGB V iVm § 38 Abs 1 S 1 BedarfsplaRL haben unmittelbar nur einen bedarfsplanungsrechtlichen Inhalt und können daher lediglich zur Auslegung der vom hierfür zuständigen Normgeber getroffenen Regelungen zur Honorarverteilung herangezogen werden (vgl dazu Senatsurteil vom 12. Dezember 2018 - L 3 KA 21/16, juris), diese aber nicht ersetzen -, durfte die Honoraranforderung für Dr. F. nicht im Hinblick auf ihre Teilzeittätigkeit begrenzt werden. Dementsprechend wird die Beklagte das der Klägerin zustehende Honorar neu festzusetzen haben.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die insoweit inhaltsgleichen Regelungen in den NVV-Vereinbarungen 2009, 2010 und 2012 sowie im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten vom 18. April 2012 (in der bis zum Quartal IV/2012 geltenden Fassung) aus den vorgenannten Gründen keine Anwendung auf angestellte Ärzte finden dürften. Anders ist die Rechtslage seit Inkrafttreten des 3. Nachtrags zu dem genannten HVM (ab dem Quartal I/2013) zu beurteilen. Dort ist nunmehr in Teil B § 9 Abs 1 eine Leistungsbegrenzung nicht nur bei hälftigem Versorgungsauftrag gemäß § 95 Abs 3 S 1 SGB V, sondern auch bei viertel-, halb- oder dreivierteltägiger Anstellung vorgesehen. Diese Regelung ist in den späteren Fassungen des HVM fortgeschrieben worden; sie findet auch auf in Teilzeit in einem MVZ angestellte Ärzte Anwendung und verstößt nach der Rechtsprechung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht (vgl dazu näher Senatsurteil vom 12. Dezember 2018 aaO und Senatsurteil vom heutigen Tag - L 3 KA 29/16 (jeweils zu der im Quartal II/2013 geltenden Fassung des HVM)).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 und Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei ist für das Quartal I/2011 die nach dem Abhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2012 noch verbleibende Honorarreduzierung iHv 8.325,29 Euro maßgebend. Für das Quartal III/2011 ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin auf der Grundlage von Teil B § 9 Abs 5 NVV-Vereinbarung 2011 eine Nachvergütung (Jahresausgleichszahlung) iHv 4.777,08 Euro gewährt worden ist. Nach Abzug dieser im Quartal II/2012 ausgezahlten Nachvergütung von der Honorarreduzierung iHv 5.542,75 Euro kann sich nur noch ein weiterer Honoraranspruch der Klägerin iHv 765,67 Euro ergeben, aus dem sich die Bedeutung der Sache ergibt.