Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.03.2019, Az.: L 13 AS 234/17

Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen nach dem SGB II; Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens; Kein Erlass eines Verwaltungsaktes zur Durchsetzung einer Insolvenzforderung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.03.2019
Aktenzeichen
L 13 AS 234/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 16669
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - AZ: S 32 AS 1492/14

Fundstellen

  • NZI 2019, 798-799
  • ZInsO 2019, 1215
  • ZfSH/SGB 2019, 348-352
  • info also 2019, 238

Redaktioneller Leitsatz

1. § 87 InsO regelt die Verfolgung von Insolvenzforderungen generell dahingehend, dass die von ihr erfassten Forderungen unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme des Gläubigers am Insolvenzverfahren nur nach den Maßgaben der InsO verfolgt werden können, d.h. sie sind nach den §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden.

2. Ein Leistungsträger ist nicht berechtigt, zur Durchsetzung einer Insolvenzforderung einen Verwaltungsakt zu erlassen, mit dem eine Forderung festgestellt oder eine Erstattung verlangt wird.

Tenor:

Die Berufungen werden zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die endgültige Festsetzung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012.

Die 1982 geborene Klägerin bezog gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter bei dem Beklagten als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29. Dezember 2011, 11. Januar 2012, 27. Januar 2012 und 16. April 2012 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den streitigen Zeitraum. Die Bewilligung der Leistungen erfolgte im Hinblick auf das noch nicht abschließend bestimmbare Einkommen der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit vorläufig nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Klägerin gewährte der Beklagte Leistungen i. H. v. monatlich 509,76 EUR (Dezember 2011), 489,22 EUR (Januar bis April 2012) und 482,92 EUR (Mai 2012).

Mit Schreiben vom 16. Mai 2012 forderte der Beklagte die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin dazu auf, die Anlage "Abschließende Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit" für den Bewilligungszeitraum bis zum 31. Mai 2012 ausgefüllt zu übersenden und Belege für die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vorzulegen.

Am 9. Oktober 2013 wurde durch das Amtsgericht K. das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet.

Mit Schreiben vom 20. November 2012 und 20. Februar 2013 forderte der Beklagte die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin erneut dazu auf, die abschließenden Angaben zum Einkommen im streitigen Zeitraum vorzulegen. Im März 2013 übersandte die Klägerin die geforderten Unterlagen. Der Beklagte hörte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 18. November 2013 wegen der beabsichtigten abschließenden Leistungsfestsetzung und Leistungsrückforderung an. Am 22. Mai 2014 erfolgte eine persönliche Vorsprache der Klägerin und ihres Ehemannes bei dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten. In diesem Rahmen informierte die Klägerin den Beklagten erstmals über die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2014 stellte der Beklagte fest, dass für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 ein geringerer Leistungsanspruch der Klägerin bestand, und forderte von ihr Leistungen i. H. v. insgesamt 369,40 EUR zurück. Den Bescheiden beigefügt waren Berechnungsbögen, aus denen die Zusammensetzung der Leistungen der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin für die einzelnen Monate hervorgeht. Danach wurden für die Klägerin Leistungen i. H. v. monatlich 448,88 EUR (Dezember 2011), 427,50 EUR (Januar 2012 bis April 2012) und 421,27 EUR (Mai 2012) berücksichtigt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Klägerin seien zunächst vorläufige Leistungen bewilligt worden. Über den Leistungsanspruch sei nun endgültig entschieden worden. Es sei festgestellt worden, dass die Klägerin einen geringeren Leistungsanspruch habe. Die Berechnung der tatsächlich zustehenden Leistungen sei dem beigefügten Berechnungsbogen zu entnehmen. Die danach zu viel erhaltenen Leistungen seien nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Abs. 3 SGB III zu erstatten.

Die Leistungen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft setzte der Beklagte gesondert neu fest (Bescheid vom 22. Mai 2014).

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 3. Juni 2014 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 23. Mai 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid sei nichtig bzw. zumindest rechtswidrig. Der Bescheid basiere auf einem bereits im Juni 2012 abgeschlossenen Lebenssachverhalt. Da nach dem Abschluss dieses Lebenssachverhalts das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden sei, handele es sich bei der Erstattungsforderung um eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 Insolvenzordnung (InsO). Dadurch sei es dem Beklagten nicht mehr möglich, die Forderung gegen sie geltend zu machen. Insolvenzforderungen könnten ausschließlich gegenüber dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder geltend gemacht werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Entscheidung entspreche den gesetzlichen Vorgaben für die abschließende Leistungsfestsetzung. Ihr stehe auch nicht die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens entgegen, da die Regelungen des SGB II den Vorschriften der Insolvenzordnung vorgingen. Dieses werde durch die Vorschrift des § 43 Abs. 1 SGB II bestätigt, welche dem Leistungsträger eine Aufrechnung des unpfändbaren Einkommens (ALG II-Leistungen) ermögliche. Die Verteilung von unpfändbaren Einkünften sei aber nicht Gegenstand des Insolvenzverfahrens. Dadurch verschaffe sich das Jobcenter auch keinen ungerechtfertigten Vorteil, weil die gleichmäßige Verteilung von Insolvenzmasse alleine pfändbare Forderungen betreffe, unpfändbares Vermögen aber nicht Teil der Insolvenzmasse sei.

Die Klägerin hat am 29. September 2014 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben. Zur Begründung hat sie die Ausführungen des Vorverfahrens wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass Behörden, z. B. Finanzämter, regelmäßig Insolvenzforderungen innehätten. Für diese Behörden sei es selbstverständlich, dass Insolvenzforderungen ausschließlich gegenüber dem Insolvenzverwalter anzumelden seien. Insolvenzforderungen könnten gemäß des bis Juli 2014 geltenden § 114 InsO, welcher gegenüber § 43 Abs. 4 SGB II Vorrang habe, nur innerhalb von zwei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgerechnet werden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, dass der Erlass eines Bescheides über die endgültige Leistungsfestsetzung und Erstattung der vorläufig bewilligten Leistungen die Forderung erst entstehen lasse und damit auch für eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle zwingend notwendig sei.

Der im Verbraucherinsolvenzverfahren der Klägerin eingesetzte Treuhänder hat auf Anfrage des SG mit Schreiben vom 9. Februar 2016 mitgeteilt, dass das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 10. September 2015 aufgehoben worden und die Verfügungsbefugnis wieder auf die Schuldnerin übergegangen sei. Bis zum 8. Oktober 2019 laufe das Restschuldbefreiungsverfahren.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 29. Juni 2017 hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Höhe der Überzahlungen für die Monate Dezember 2011 bis April 2012 unstreitig sei. Die Beteiligten haben zudem erklärt, dass für den Monat Mai 2012 entsprechend der Berechnung der Vorsitzenden unstreitig eine Überzahlung i. H. v. 53,96 EUR zugrunde gelegt werde.

Mit Urteil vom 29. Juni 2017 hat das SG Oldenburg den Bescheid vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. August 2014 hinsichtlich der Erstattungsforderung aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die endgültige Leistungsfestsetzung sei entsprechend den Vorgaben des § 328 SGB III erfolgt. Die Höhe der endgültig festgesetzten Leistungen sei nicht mehr streitig, nachdem der Beklagte eine Reduzierung der Erstattungsforderung für Mai 2012 anerkannt habe. Auch stehe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der endgültigen Leistungsfestsetzung nicht entgegen. Zwar müsse der Beklagte Insolvenzforderungen nach § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden. Bei der endgültigen Leistungsfestsetzung handele es sich jedoch um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, der die Erstattungsforderung erst entstehen lasse und diese gerade noch nicht geltend mache. Die endgültige Festsetzung sei zwingende Voraussetzung des Erstattungsverlangens, ohne dieses bereits zu beinhalten. Die Erstattungsforderung sei hingegen rechtswidrig, da es sich um eine Insolvenzforderung handele, welche der Beklagte nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgen könne. Aus der Regelung des § 43 SGB II ergebe sich keine andere Beurteilung, da der Beklagte vorliegend gerade keine Aufrechnung vorgenommen habe, sondern die Erstattung der überzahlten Beträge verlange.

Gegen das dem Beklagten am 31. Juli 2017 und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 1. August 2017 zugestellte Urteil haben der Beklagte am 15. August 2017 und die Klägerin am 24. August 2017 Berufung eingelegt.

Der Kläger führt zur Begründung aus, entgegen der Auffassung des SG sei auch die endgültige Festsetzung für einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder zu richten, wenn aus der Festsetzung eine Erstattungsforderung entstehen werde. Grundsatz im Insolvenzverfahren sei, dass mit der Eröffnung die Verfügungsgewalt über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf den Insolvenzverwalter übergehe. Ihm stünden umfangreiche Rechte zu, sowohl die Masse anzureichern als auch die Passiva zu überprüfen, um Rechte Dritter zu sichern. Dazu gehöre, dass selbst laufende Gerichtsverfahren, in welchen der Insolvenzschuldner Passivpartei sei, unterbrochen würden und die Titulierung zunächst über den Feststellungsantrag beim Insolvenzverwalter weiterzulaufen habe. Es sei systemimmanent ausgeschlossen, dass Rechtshandlungen gegenüber dem Insolvenzschuldner noch erfolgen könnten, die für den Insolvenzverwalter bindend seien. Dies sei jedoch der Fall, wenn ein endgültiger Bewilligungsbescheid gegenüber dem Insolvenzschuldner erlassen werde. Denn durch die endgültige Bewilligung werde die Grundlage des Erstattungsbescheides geschaffen, mit der Folge, dass sich der Insolvenzverwalter nicht mehr wirksam gegen die Erstattungsforderung wehren könne.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des SG Oldenburg vom 29. Juni 2017 abzuändern und den Bescheid vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. August 2014 auch hinsichtlich der abschließenden Leistungsfestsetzung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 aufzuheben. 2. 3. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

1. das Urteil des SG vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. 2. 3. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf das erstinstanzliche Vorbringen. Ergänzend führt er aus, dass das Bundessozialgericht (BSG) eine vorläufige Leistungsbewilligung nur als "Zwischenlösung" ansehe, an deren Stelle eine endgültige Entscheidung trete.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten haben keinen Erfolg.

Die Berufungen sind statthaft, da das SG Oldenburg im Urteil vom 29. Juni 2017 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Sie sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Das Urteil des SG Oldenburg vom 29. Juni 2017 ist nicht zu beanstanden.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2014, mit welchem der Beklagte die Leistungen der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 endgültig festgesetzt hat und die vorläufig bewilligten Leistungen i. H. v. 369 EUR zurückfordert, in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Oldenburg abgegebenen Teilanerkenntnisses des Beklagten. Die protokollierten Erklärungen der Beteiligten, dass für den Monat Mai 2012 unstreitig 53,96 EUR für die Klägerin zugrunde gelegt werden, sind dahingehend auszulegen, dass der Beklagte einen um 53,96 EUR höheren Leistungsanspruch der Klägerin für Mai 2012 und eine entsprechende Reduzierung der Erstattungsforderung anerkannt hat und die Klägerin dieses Anerkenntnis angenommen hat (vgl. zur Auslegung von Prozesserklärungen als Abgabe bzw. Annahme eines Anerkenntnisses: B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 101 Rn. 21 f.).

Davon ausgehend hat das SG Oldenburg die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sich die Klägerin gegen die mit Bescheid vom 23. Mai 2014 erfolgte endgültige Festsetzung der Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 wendet.

Die Klage gegen die endgültige Leistungsfestsetzung ist als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft und im Übrigen zulässig. Zwar fehlt für eine isolierte Anfechtung eines abschließenden Leistungsbescheides regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagte die eingeleitete abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs für den streitbefangenen Zeitraum durch Verwaltungsakt abzuschließen hat und daher die Aufhebung der endgültigen Leistungsfestsetzung allein den Rechtsstreit nicht dauerhaft beenden könnte (BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 4 AS 39/17 R - juris Rn. 10). Die Klägerin macht jedoch nach der Annahme des Teilanerkenntnisses in der Sache keine Einwände gegen die Höhe der endgültig festgesetzten Leistungen mehr geltend, sondern stützt ihr Begehren alleine auf eine fehlende Ermächtigung des Beklagten zur Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nach Beginn des Insolvenzverfahrens. Der Klägerin geht es also nicht um eine Neufestsetzung der endgültig gewährten Leistungen, sondern nur darum, die endgültige Leistungsfestsetzung als Grundlage des Erstattungsanspruchs zu beseitigen. Für eine hierauf gerichtete Anfechtungsklage stand der Klägerin auch während des Insolvenzverfahrens die Prozessführungsbefugnis zu (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 31. Januar 2012 - I S 15/11).

Die Klage gegen die endgültige Leistungsfestsetzung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der Bescheid vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2014 und in der Fassung des Anerkenntnisses vom 29. Juni 2017 erweist sich insoweit als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Beklagte war nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 1 u. Satz 2, 1. Halbs. SGB III ermächtigt, die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 endgültig festzusetzten. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die endgültige Leistungsfestsetzung lagen, dies ist mittlerweile unstreitig, vor. Der Bescheid ist auch hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]), da ihm hinreichend deutlich entnommen werden kann, dass der getroffenen Entscheidung über den Leistungsanspruch endgültige Bindungswirkung zukommen soll. Einwände gegen die Höhe der endgültig festgesetzten Leistungen sind weder vorgebracht worden noch anderweitig ersichtlich. Auch in formeller Hinsicht stößt der Bescheid auf keine Bedenken.

Der Rechtmäßigkeit der endgültigen Leistungsfestsetzung steht auch nicht entgegen, dass über das Vermögen der Klägerin am 9. Oktober 2013 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Beklagte war durch § 87 InsO nicht daran gehindert, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine endgültige Entscheidung über die zuvor nur vorläufig bewilligten Leistungen nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2, 1. Halbs. SGB III zu treffen.

Nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Insolvenzforderungen sind nach Maßgabe der §§ 174 ff InsO zur Insolvenztabelle anzumelden.

Zwar handelt es sich bei den aus der endgültigen Leistungsfestsetzung resultierenden Erstattungsansprüchen um Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Eine Insolvenzforderung liegt vor, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein begründeter Vermögensanspruch gegen den Schuldner bestand. Dies ist der Fall, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen worden war (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 129/03 - juris Rn. 15). Begründet im Sinne des § 38 InsO ist ein Anspruch, wenn der Rechtsgrund für sein Entstehen bereits vor Insolvenzeröffnung gelegt war, mag die Forderung auch erst nach Insolvenzeröffnung entstehen (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 32/00 R - juris Rn. 21; BGH a. a. O. Rn. 15; BFH, Urteil vom 8. März 2012 - V R 24/11 - juris Rn. 27). Maßgeblich für die Abgrenzung von Insolvenzforderungen gegenüber Masseverbindlichkeiten ist daher, dass die den Anspruch materiell begründenden Umstände bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eingetreten waren (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 8.14 - juris Rn. 16). Ein Erstattungsanspruch aufgrund von § 328 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbs. SGB III ist danach als Insolvenzforderung zu qualifizieren, wenn der maßgebliche Leistungszeitraum - wie hier - vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.

Die endgültige Leistungsfestsetzung nach § 328 Abs. 3 SGB III ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der den daraus folgenden Erstattungsanspruch erst entstehen lässt. Es handelt sich damit nicht um eine Entscheidung, mit welcher eine Insolvenzforderung außerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgt wird. Die endgültige Leistungsfestsetzung ist vielmehr Bedingung dafür, dass eine ggf. im Insolvenzverfahren durch Anmeldung zur Tabelle gegenüber der Insolvenzmasse geltend zu machende Erstattungsforderung entsteht (vgl. zur Aufhebung einer Leistungsbewilligung nach § 48 SGB X während des Insolvenzverfahrens: Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2014 - L 5 AS 673/13 - juris Rn. 41 ff. m. w. N.). Bis zur endgültigen Leistungsfestsetzung bleibt die Entscheidung über die vorläufige Leistungsfestsetzung wirksam und stellt den Rechtsgrund der Leistungen dar. Die endgültige Leistungsfestsetzung ist damit zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer im Insolvenzverfahren berücksichtigungsfähigen Forderung und wird daher durch die Vorschriften der InsO nicht ausgeschlossen (vgl. LSG a. a. O.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die endgültige Leistungsfestsetzung auch nicht gegenüber dem Treuhänder geltend zu machen. Zwar geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter bzw. - nach dem hier maßgeblichen Recht - bei einer Verbraucherinsolvenz auf den Treuhänder über (§ 80 Abs. 1 InsO, § 313 InsO a. F.). Auch umfasst die Insolvenzmasse das Gesamtvermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs. 1 InsO), und damit grundsätzlich auch Forderungen gegen den Leistungsträger nach dem SGB II aus einem Bescheid über die vorläufige oder endgültige Leistungsfestsetzung. Dies gilt jedoch nicht für Einkommen des Insolvenzschuldners, welches nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung unterliegt und daher nach § 36 InsO nicht Teil der Insolvenzmasse wird (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2012 - B 14 AS 188/11 R - juris Rn. 19). Hierzu zählen auch die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, soweit sie - wie im vorliegenden Fall - nach § 54 Abs. 4 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), § 850 c Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) unpfändbar sind, weil sie die dort genannten Pfändungsgrenzen nicht übersteigt (BSG a. a. O.). Soweit Interessen des Treuhänders bzw. Insolvenzverwalters durch den Ausgang des Verfahrens der endgültigen Festsetzung beführt werden könnten, weil aus der Entscheidung in diesem Verfahren evtl. eine Erstattungsforderung resultiert, kann diesen Interessen durch eine Hinzuziehung nach § 12 Abs. 2 SGB X Rechnung getragen werden.

Das SG Oldenburg hat den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2014 hingegen zu Recht aufgehoben, soweit der Beklagte die vorläufig bewilligten Leistungen zurückfordert. Die Klage ist insoweit zulässig und begründet. Der Bescheid vom 23. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2014 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 29. Juni 2017 ist hinsichtlich der Erstattungsforderung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Zwar sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. SGB III infolge der endgültigen Leistungsfestsetzung unstreitig erfüllt. Der Beklagte war jedoch nicht berechtigt, während des laufenden Insolvenzverfahrens einen Erstattungsbescheid zu erlassen.

Die Vorschrift des § 87 InsO, welche Insolvenzgläubiger auf die Vorschriften über das Insolvenzverfahren verweist, regelt die Verfolgung von Insolvenzforderungen generell. Die von ihr erfassten Forderungen können unabhängig von der tatsächlichen Teilnahme des Gläubigers am Insolvenzverfahren nur nach den Maßgaben der InsO verfolgt werden, d. h. sie sind nach den §§ 174 ff InsO zur Insolvenztabelle anzumelden (vgl. Kuleisa in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 7. Aufl. 2019, § 87 Rn. 1; Loose/Pieperjohanns, ZfSH 2018, S. 79, 86). Diese Vorschriften enthalten nicht nur ein Vollstreckungsverbot, sondern sie hindert die Insolvenzgläubiger schon daran, sich außerhalb des Insolvenzverfahrens einen Titel wegen einer Insolvenzforderung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21/02 - juris Rn. 17). Ein Leistungsträger hat deshalb keine Befugnis, zur Durchsetzung einer Insolvenzforderung einen Verwaltungsakt zu erlassen, mit dem eine Forderung festgestellt oder eine Erstattung verlangt wird (vgl. BVerwG, a. a. O. Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 8.14 - juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 32/00 R - juris Rn. 14; LSG Sachsen-Anhalt a. a. O. Rn. 48 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. März 2003 - 1 M 268/02 - juris Rn. 17, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 L 184/11 - juris Rn. 9, BFH, Urteil vom 11. April 2018 - X R 39/16 - juris Rn. 34 a.E.). Eines solchen Verwaltungsaktes bedarf es entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht, um die Erstattungsforderung im Insolvenzverfahren geltend machen zu können (vgl. BSG a. a. O.; LSG Sachsen-Anhalt a. a. O.). Der Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. SGB III ist zwingende Folge der endgültigen Leistungsfestsetzung und kann ohne vorherigen Verwaltungsakt zur Insolvenztabelle angemeldet werden.

Der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass der Leistungsträger nach dem SGB II aufgrund eines Vorranges der Regelungen des SGB II gegenüber den Vorschriften der InsO Rückforderungsansprüche unabhängig von den Maßgaben des Insolvenzrechts durchsetzen kann. Das Insolvenzverfahren erfasst neben privatrechtlichen Ansprüchen auch Steuerforderungen, öffentliche Abgaben und sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen, wie sich etwa aus § 55 Abs. 4 und § 185 InsO ableiten lässt und daraus folgt, dass der Gesetzgeber für diese Ansprüche jenseits der Insolvenzordnung keine insolvenzrechtlichen Sondervorschriften getroffen hat (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 8.14 - juris Rn. 11). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in § 43 Abs. 1 SGB II vorgesehenen Möglichkeit der Aufrechnung von Erstattungsansprüchen gegen die - regelmäßig unpfändbaren - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zwar ist eine Aufrechnung von Insolvenzforderungen gegen Leistungsansprüche nach dem SGB II nicht grundsätzlich ausgeschlossen und kann ggf. auch trotz Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle durchgeführt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. März 2018 - L 19 AS 1286/17 - juris Rn. 45). Die Aufrechnungsregelung des § 43 Abs. 1 SGB II lässt aber nicht den Schluss zu, dass die Normen der InsO für die Durchsetzung von Forderungen nach dem SGB II nicht einschlägig sind. § 89 InsO sieht selbst für Insolvenzforderungen, die noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens tituliert worden sind, ein umfassendes Vollstreckungsverbot vor. Danach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Die Norm regelt ein Vollstreckungsverbot für die Dauer des Insolvenzverfahrens, welches sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen nach der ZPO und dem Verwaltungsvollstreckungsrecht erfasst (vgl. Kuleisa a. a. O., § 89 Rn. 3) und sich auch auf das insolvenzfreie Vermögen erstreckt (Kuleisa a. a. O., § 89 Rn. 9). Auch der Leistungsträger nach dem SGB II ist daher grundsätzlich daran gehindert, Forderungen außerhalb eines laufenden Insolvenzverfahrens im Wege der Zwangsvollstreckung zu verfolgen. Für die Aufrechnung einer Insolvenzforderung gegen eine Forderung des Insolvenzschuldners, hier die Leistungsansprüche nach dem SGB II, gelten die Sondervorschriften der §§ 94 bis 96 InsO, welche für eine Aufrechnung während des Insolvenzverfahren voraussetzen, dass die als Gegenforderung aufzurechnende Insolvenzforderung - anders als im vorliegenden Fall - bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits fällig (§ 94 InsO) bzw. zumindest bereits entstanden (§ 95 InsO) war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.