Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.03.2006, Az.: 12 ME 53/06
Berücksichtigung der Fahrerlaubnisklasse E bei der Festsetzung des Streitwertes für eine Rechtsstreitigkeit um die Entziehung der Fahrerlaubnis; Erfordernis des Nachweises einer dauerhaften Abstinenz als Voraussetzung der Wiedererlangung der Fahreignung nach dem Konsum von harten Drogen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.03.2006
- Aktenzeichen
- 12 ME 53/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 31791
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:0308.12ME53.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 31.01.2006 - AZ: 5 B 375/06
Rechtsgrundlagen
- § 3 StVG
- § 46 FeV
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstellen
- Blutalkohol 2006, 513-514
- SVR 2006, 313-314
Amtlicher Leitsatz
Zur Berücksichtigung der Fahrerlaubnisklasse E bei der Festsetzung des Streitwertes für eine Rechtsstreitigkeit um die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit einer Anordnung des Sofortvollzuges versehene Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Antragsgegners vom 11. November 2005 abgelehnt worden ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die von dem Antragsgegner auf der Grundlage der §§ 3 StVG, 46 FeV verfügte Fahrerlaubnisentziehung als rechtmäßig erachtet und es dementsprechend abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der gegen die Entziehungsverfügung anhängig gemachten Anfechtungsklage (Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts: 5 A 8198/05) nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen seines angefochtenen Beschlusses ausgeführt, der Antragsteller sei nach § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zu dieser Verordnung ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, weil bereits der einmalige Konsum einer sog. harten Droge die Fahreignung regelmäßig ausschließe und der Antragsteller in seiner polizeilichen Vernehmung vom 19. Juli 2005 eingeräumt habe, seit dem Herbst des Jahres 2004 zehnmal Kokain konsumiert zu haben. Besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass der Antragsteller trotz dieses Drogenkonsums (wieder) zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, seien nicht ersichtlich. Denn auch in den Fällen, in denen eine Drogenabhängigkeit im medizinischen Sinne nicht bestanden habe, könne die entfallene Eignung erst wieder angenommen werden, wenn nach einer längeren Phase der Abstinenz hinreichend gewiss sei, dass auch künftig auf die Einnahme harter Drogen verzichtet werde. Eine Drogenabstinenz und einen stabilen Einstellungswandel habe der Antragsteller aber weder behauptet noch nachgewiesen. Seine Einlassung, niemals unter dem Einfluss von Drogen am Straßenverkehr teilgenommen zu haben, genüge insoweit nicht. Der Verweis des Antragstellers auf im einzelnen benannte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes führe zu keiner anderen Bewertung, weil diese Entscheidungen den Besitz bzw. den Konsum von Cannabis, nicht jedoch den Konsum sog. harter Drogen beträfen. Die Ungleichbehandlung des gelegentlichen Konsums von Alkohol und Betäubungsmitteln (außer Cannabis) sei aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen sachlich begründet und verstoße nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Antragsteller macht hiergegen in der Begründung seiner Beschwerde geltend, dass er nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, da er zu keinem Zeitpunkt unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln am Straßenverkehr teilgenommen habe und mithin von ihm keine Gefahr ausgehe, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Cannabiskonsum auch auf den gelegentlichen Konsum sog. harter Drogen anwendbar sei und dass Gelegenheitskonsumenten von Betäubungsmitteln im Vergleich zu Alkoholkonsumenten nicht schlechter gestellt werden dürften. Hierzu nimmt der Antragsteller jeweils auf sein entsprechendes Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht Bezug.
Wegen dieses pauschalen Verweises auf sein erstinstanzliches Vorbringen genügt der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung nach der mit der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre (vgl. nur: Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner , VwGO, Loseblattsammlung, Stand: Oktober 2005, § 146 Rn. 13 c; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 146, Rn. 41 jew. m.w.N.) in Übereinstimmung stehenden ständigen Rechtsprechung des Senats bereits nicht dem in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO enthaltenen Erfordernis, die Gründe darzulegen, aus denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben sei, und sich mit dieser auseinander zu setzen.
Unabhängig hiervon hat das Verwaltungsgericht in seiner sorgfältig begründeten Entscheidung die Maßstäbe der ständigen Rechtsprechung des Senats zum regelmäßigen Ausschluss der Kraftfahreignung bereits beim einmaligen Konsum von sog#. harten Drogen (vgl. nur: Beschlüsse vom 16.6.2003 - 12 ME 172/03 -, DAR 2003, 432 [OVG Niedersachsen 16.06.2003 - 12 ME 172/03] f = VKBl. 2003, 415 f. und vom 19.11.2004 - 12 ME 404/04 -, VKBl. 2005, 425 f), zu dem in diesen Fällen bestehenden Erfordernis des Nachweises einer dauerhaften Abstinenz für die Annahme einer Wiedererlangung der Fahreignung (zuletzt: Beschluss vom 28.2.2006 - 12 ME 21/06 -) und zur Unanwendbarkeit der den Konsum von Cannabis betreffenden bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die Einnahme sog. harter Drogen (Beschlüsse des Senats vom 7.3.2005 - 12 ME 70/05 - und vom 24.6.2005 - 12 ME 121/05 -) in nicht zu beanstandender Weise auf den Fall des Antragstellers angewandt. Auch trifft zur Überzeugung des Senats die von dem Verwaltungsgericht unter Verweis auf einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 22.11.2004 - 10 S 2182/04 -, zfs. 2005, 158 f.) vertretene Auffassung zu, dass der Konsum von sog. harten Drogen bereits deshalb anders zu behandeln ist als der Konsum von Alkohol, weil die Stoffe eine nicht vergleichbare Wirkungsweise haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 3 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 46.5 und 46.8 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525). Nach der neueren Streitwertpraxis des Senats (zusammenfassend: Beschluss des Senats vom 7.6.2005 - 12 OA 81/05 -, VKBl. 2005, 624) ist zunächst der nach dem Streitwertkatalog einschlägige Wert für die höchste der in Streit befindlichen Fahrerlaubnisklassen in Ansatz zu bringen. Dies sind hier 7.500,--EUR für die Klasse C. Hinzu kommen im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts 2.500,--EUR für die Klasse E, da diese Klasse nicht isoliert erworben werden kann, jedoch in dem Streitwertkatalog gleichwohl mit einem eigenständigen Wert in der genannten Höhe aufgeführt ist. Obwohl der Senat die Bedenken gegen eine Streitwerterhöhung für die Klasse E, die in dem von dem Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen (vom 22.11.2005 - 1 B 241/05 -) enthalten sind, gut nachvollziehen kann, hält er an seiner insoweit abweichenden Streitwertpraxis, für die gleichfalls gute, in dem Beschluss des Senats vom 7. Juni 2005 benannte Gründe sprechen, fest (so bereits in Auseinandersetzung mit der abweichenden Ansicht des VG Göttingen: Beschluss des Senats vom 17.1.2006 - 12 ME 534/05 -, S. 5 BA). Der Senat berücksichtigt in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Streitwertbemessung im Fahrerlaubnisrecht wegen der Vielzahl der auf diesem Gebiet zu entscheidenden Streitverfahren durch Stetigkeit und Vorhersehbarkeit auszeichnen muss, so dass Änderungen einer eingeübten Praxis nur wegen zwingender Einwände, die hier letztlich nicht gegeben sind, erfolgen sollten. Der Gesamtbetrag von 10.000,--EUR, der sich nach alledem ergibt, ist im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des gerichtlichen Eilverfahrens zu halbieren.