Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 23.06.2005, Az.: 2 A 144/04

Konzentrationsplanung; Windenergie; Windenergieanlage

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
23.06.2005
Aktenzeichen
2 A 144/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50733
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin beantragte am 13. November 2001 die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung und den Betrieb von 2 Windkraftanlagen vom Typ der 1,5 MW-Klasse in der Gemarkung J., die nordwestlich der Ortschaft im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegen. Der Standort befindet sich etwa 500 m west- südwestlich des FFH-Gebietes Seeburger See. Die Nabenhöhe des Rotors maximal 85 m und der Rotordurchmesser maximal 70 m betragen.

2

Das vom Beklagten beteiligte Niedersächsische Landesamt für Ökologie regte in seiner Stellungnahme vom 8. März 2002 eine Bestandsaufnahme der Brutvogelfauna (Baumfalke, Rotmilan, Wachtel) an. Er bezeichnete den Standort unabhängig davon als problematisch, weil es ein 1996 und 1997 vorhandenes und auch künftig zu erwartendes Brutvorkommen des Schwarzstorches in den Waldgebieten westlich der Rhume gebe. Die Bruthabitate lägen zwar mehrere Kilometer von den geplanten Anlagenstandorten entfernt; es könne aber angenommen werden, dass die Störche dieses Gebiet regelmäßig überflögen, um zu ihren Nahrungshabitaten an Rhume, Oder und Söse zu gelangen. Ein weiteres Problem stellten die Anlagenstandorte für die Graureiher der Kolonie an den Thiershäuser Teichen dar, weil auch diese auf ihren Nahrungsflügen die Standorte frequentierten. Für beide Arten entstünde zumindest bei Starkwind das Risiko, mit den Anlagen zu kollidieren. Gerade für diese Arten mehrten sich die Meldungen über Todfunde, und die räumlichen Beziehungen zwischen Brut- und Nahrungshabitaten müssten eigens untersucht werden.

3

Die beteiligte Naturschutzbehörde des Beklagten machte eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes geltend. Die von der Kläger beabsichtigten Standorte lägen westlich oberhalb der als Vorranggebiet für Erholung ausgewiesenen Rhumeaue und seien von Osten, Nordosten und Südosten weiträumig sichtbar.

4

Die Beigeladene wies darauf hin, dass ihr Rat am 7. März 2002 die Aufstellung der 26. Änderung des Flächennutzungsplanes (im Folgenden: F-plan) beschlossen habe. Darin sei ein Vorrangstandort für die Aufstellung von Windenergieanlagen nördlich des „Höher Berges“ ausgewiesen. Der von der Klägerin vorgesehene Standort sei mit der beabsichtigten Planung nicht vereinbar.

5

Mit Bescheid vom 21. Juni 2002 lehnte daraufhin der Beklagte die Erteilung eines Bauvorbescheides an die Klägerin ab. Der Errichtung der zwei Windkraftanlagen stünden öffentliche Belange entgegen. Im Einzelnen wiederholte der Beklagte die Gründe der eingeholten Stellungnahmen.

6

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2004 zurück. Im Wesentlichen stellte sie auf die dem Vorhaben entgegenstehenden Planungen der Beigeladenen ab.

7

Am 17. März 2004 genehmigte die Bezirkregierung Braunschweig die 26. Änderung des F-planes der Beigeladenen, die sodann im Amtsblatt des Beklagten vom 8. April 2004 veröffentlicht wurde.

8

Durch zeichnerische Darstellung sind darin südlich und südwestlich von J. insgesamt fünf Flächen als “Sonstige Sondergebiete“ Windkraftanlage mit einer maximalen Höhe von 100 m festgelegt. Diese Flächen sind insgesamt etwa 1500 m2 groß. Für das gesamte übrige Gebiet der Samtgemeinde D., die eine Fläche von 10.418 ha hat, wurden Windenergieanlagen raumbedeutsam oder nicht raumbedeutsam ausgeschlossen.

9

Diese Festsetzung beruht auf einer vom Planungsbüro K. aus L. durchgeführten Standortanalyse, die auch in die Begründung der F-planänderung einfloss. Das Planungsbüro ermittelte zunächst Ausschlussbereiche für Windenergieanlagen und orientierte sich dabei an den Abstandsempfehlungen des Nds. Innenministeriums vom 11. Juli 1996 (Az.: 39.1-32346/8.4). Als Ausschlussgebiete wurden ferner gesetzlich oder nach dem Landesraumordnungsprogramm geschützte Gebiete der Natur und Landschaft angesehen. Dies betrifft insbesondere die Fläche des Landschaftsschutzgebiets „Untereichsfeld“. Danach ergaben sich insgesamt 16 Suchflächen (In der Suchfläche Nr. 2 liegt der geplante Anlagenstandort). Schließlich wurde ein Mindestabstand zwischen einzelnen Vorranggebieten von 5000 m zugrunde gelegt. Diese Abstandsempfehlung findet sich sowohl in den der Planung zugrunde gelegten Empfehlungen von 1996 als auch in den Empfehlungen zur Festlegung von Vorrang- oder Eignungsgebieten für die Windenergienutzung vom 26. Januar 2004 des Nds. Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, die diejenigen von 1996 abgelöst haben. Dabei ging das Planungsbüro davon aus, dass ein Gebiet um den südwestlich von J. gelegenen “Hellen Berg“, das letztlich im F-plan als einziger Vorrangstandort ausgewiesen worden ist, ein Vorrangstandort sei, da hier bereits zwei Windkraftanlagen genehmigt worden seien, die nach den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrücken mittlerweile auch errichtet sind. Im Ergebnis ermittelte das Planungsbüro zwei Vorrangstandorte. Einen am “Hellen Berg“ und einen am “Roter Berg“ südlich von M..

10

Der Rat der Samtgemeinde D. schloss bis auf die ausgewiesenen Flächen die übrigen Flächen als Vorrangstandorte aus. Dabei wurden die Sondergebiete als Einzelflächen dargestellt mit einer maximalen Diagonale von 230 m, um keine größere Anzahl als 5 Windkraftanlagen zu ermöglichen. Den Standort “Roter Berg“ wies er mit der Begründung nicht als Vorrangstandort aus, dass der Abstand zum Wallfahrtsort M. zu gering erscheine. Auch erachtete er den Abstand zum geplanten Vogelschutzgebiet „Unteres Eichsfeld“ und zum Seeburger See als zu gering. Ferner befinde sich im Nahbereich des vom Planungsbüro vorgeschlagenen Vorrangstandortes ein genehmigter Modellflugplatz, der durch Windkraftanlagen gestört werden könne oder sogar verlegt werden müsse. Die Fläche Nr. 2, in der die beiden Windkraftanlagen der Klägerin geplant sind, schloss der Rat aus, weil sie in dem 5.000 Meter-Radius des Standortes „Hellen Berg“ liegt und weil Teilflächen im regionalen Raumordnungsprogramm als Vorsorgegebiet für Erholung dargestellt seien.

11

Die Klägerin hat am 16. April 2004 Klage erhoben.

12

Sie bestreitet die Rechtswirksamkeit der 26. Änderung des F-planes der Beigeladenen. Diese habe keine sachgerechte Standortauswahl getroffen. Es handele sich um eine unzulässige Verhinderungsplanung, die nicht geeignet sei, die grundsätzliche Privilegierung ihrer Anlage zu überwinden. Eine Beeinträchtigung von Natur und Landschaft ginge von den geplanten Windenergieanlagen nicht aus. Die entgegenstehenden Annahmen des Beklagten seien pauschal und eine Gefährdung von Vögeln durch Windenergieanlagen weder grundsätzlich nachweisbar noch im konkreten Fall bei Nahrungsflügen in die Rhumeauen zu befürchten.

13

Die Klägerin beantragt,

14

den Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2002 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 16. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihre Bauvoranfrage vom 13. November 2001 für zwei Windkraftanlagen in bauplanungsrechtlicher Hinsicht positiv zu bescheiden.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er ist der Ansicht, dem Vorhaben der Klägerin stünde der öffentliche Belang eines rechtswirksamen Flächennutzungsplanes entgegen. Dieser ordne Vorrangstandorte für Windenergieanlagen an anderer Stelle an, so dass die Errichtung von Anlagen an abweichenden Standorten unzulässig sei. Eine Verhinderungsplanung liege nicht vor. Vielmehr entspreche der F-plan den Erfordernissen der Raumordnung, wonach eine Bündelung und Gleichartigkeit vorhandener und geplanter Anlagen und eine möglichst schonende Einfügung in das Landschaftsbild zu gewährleisten sind. Gesichtspunkte des Naturschutzes, namentlich des Vogelschutzes stünden, wie sich aus der Stellungnahme des Nds. Landesamtes für Ökologie vom 8. März 2002 ergebe, der Erteilung des begehrten Bauvorbescheides ebenso entgegen wie solche des Landschaftsschutzes, denn die Anlagen seien weithin sichtbar. Der geplante Standort werde fast vollständig von Landschaftsschutzgebieten umgeben.

18

Die Beigeladene streitet auf der Seite des Beklagten, stellt aber keinen Antrag.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Samtgemeinde D. verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Bauvorbescheides liegen nicht vor.

21

Gemäß § 74 Abs. 1 NBauO ist für eine Baumaßnahme auf Antrag über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Nach Satz 2 der Bestimmung gilt dies auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist, worauf sich das Klagebegehren hier beschränkt. Gemäß § 74 Abs. 2 NBauO gilt u.a. § 75 NBauO sinngemäß. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist eine Baugenehmigung - sinngemäß ein Bauvorbescheid - zu erteilen, wenn die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht. Gemäß § 2 Abs. 10 NBauO gehören zum öffentlichen Baurecht u.a. die Vorschriften des städtebaulichen Planungsrechts. Die Errichtung von zwei Windenergieanlagen an dem geplanten Standort widerspricht diesem Recht.

22

Zwar handelt es sich um ein gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiertes Vorhaben. Ihm steht jedoch der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, weil die Beigeladene durch die 26. Änderung ihres F-planes eine Ausweisung von Flächen für Windenergie an anderer Stelle vorgenommen hat. Dieser F-plan ist seit seiner Veröffentlichung im Amtsblatt des Beklagten am 8. April 2004 wirksam und deshalb vom Gericht zu beachten. Der Standort der geplanten zwei Anlagen liegt außerhalb des durch den F-plan festgelegten Vorrangstandortes und ist danach für die Errichtung von Windenergieanlagen ausgeschlossen. Formelle Rechtmäßigkeitsbedenken gegen den F-plan sind nicht erhoben und für das Gericht auch nicht ersichtlich.

23

Der Plan ist auch materiell rechtmäßig.

24

Er ist erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, da nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die als Vorrangstandorte ausgewiesenen Flächen für die Nutzung der Windkraft geeignet sind. Es gibt kein Gebot, nur solche Flächen als Vorrangflächen auszuweisen, die eine bestmögliche Ausnutzung der Windkraft gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 -4 C 15.01-, BVerwGE 117, 287).

25

Der 26. F-plan-Änderung der Beigeladenen liegt entgegen der Ansicht der Klägerin auch ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde. Zu diesem Rechtmäßigkeitserfordernis hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:

26

§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegungen rechtliche Ausschlusswirkung gegenüber dem Bauantragsteller mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationszonen unzulässig sind. In diesem Sinne bedingen die negative und die positive Komponente einander. Der Ausschluss von Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicher stellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu Grunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Dagegen ist es einer Gemeinde verwehrt, den F-plan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Mit einer bloßen „Feigenblatt“-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum schaffen. Die gemeindliche Entscheidung muss nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen frei zu halten. Die Ausweisung an bestimmter Stelle muss Hand in Hand mit der Prüfung gehen, ob und inwieweit die übrigen Gemeindegebietsteile als Standort ausscheiden. Auskunft darüber, welche Gesichtpunkte aus städtebaulicher Sicht einen Ausschluss rechtfertigen, geben §§ 1 Abs. 5, 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB. (Urteile vom 17.12.2002, a.a.O.; vom 13.3.2003 -4 C 4.02-, BVerwGE 118, 33; vom 21.10.2004 -4 C 2.04-, NVwZ 2005, 211).“

27

Nicht abwägungsfehlerhaft ist es, wenn die Gemeinde, wie hier die Beigeladene, zunächst alle Flächen kartieren lässt, auf denen nach ihrer Einschätzung aus Gründen des Naturschutzes, des Immissionsschutzes und aus Sicherheitsgründen die Errichtung von Windenergieanlagen von vornherein ausgeschlossen werden soll. Auch ist das Bilden von Schutzabständen zu diesen Flächen planungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerwG, Urteil vom 21.10.2004, a.a.O., insoweit die Vorentscheidung des OVG Lüneburg, Urteil vom 28.1.2004 -9 LB 10/02-, Nds.VBl. 2004, 234 bestätigend).

28

Daher ist es sachgerecht, zunächst die Landschaftsschutzgebietsflächen aus dem Kreis der Potenzialflächen auszuschließen, wie es die Beigeladene, der Standortanalyse des Planungsbüros K. folgend gemacht hat. Denn gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Untereichsfeld“ (Amtsblatt des Beklagten vom 22.12.1999, Seite 858) stehen Bauten aller Art unter Erlaubnisvorbehalt. Nach Abs. 2 der Vorschrift wird eine Erlaubnis nur erteilt, wenn der Charakter des Landschaftsschutzgebietes und der besondere Schutzzweck nicht beeinträchtigt werden. Die Erlaubnisvoraussetzungen liegen für Windkraftanlagen nicht vor, weil der Charakter des Gebietes geprägt wird u.a. durch die landwirtschaftlich geprägten Senken- und Hügellandschaft der Goldenen Mark und unverbaute Flussniederungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 der Verordnung) und dieser Charakter durch die Errichtung weithin sichtbarer Windkraftanlagen beeinträchtigt würde.

29

Weiterhin ist es zu akzeptieren und abwägungsfehlerfrei, dass die Gebietsausweisung, auch insoweit der Projektierung folgend, die Abstandsempfehlungen des Runderlasses des MI vom 11. Juli 1996 berücksichtigt und dort vorgeschlagene Abstände zu Wohnbebauung, Bachläufen, Straßen und Versorgungsleitungen beachtet, so dass dort keine Vorrangflächen vorgesehen werden (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 24.6.2004 -1 LC 185/03-, Nds.Rpfl. 2004, 254). Dabei spielt es keine Rolle, dass dieser Erlass nach demjenigen vom 26. Januar 2004 keine Anwendung mehr findet, denn auch darin sind Abstandsempfehlungen enthalten, die sogar noch einen größeren Abstand vorsehen. Maßgeblich ist, dass die Abwägung insoweit auf sachgerechten Erwägungen beruht.

30

Schließlich begegnet es rechtlichen Bedenken nicht, dass die Beigeladene, ebenfalls orientiert an den zitierten Erlassen, einen Umkreis von 5.000 m um einen Vorrangstandort von weiteren Vorrangstandorten frei hält. Zwar hat das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 2.10.2003 (-1 LA 28/03-, BauR 2004, 458) ausgeführt, dass dieser Abstand nicht starr zu handhaben sei und deshalb je nach Landschaftsbild variieren könne, jedenfalls aber in der Küstenregion einen Orientierungsrahmen biete. Hieraus ist jedoch entgegen der vom Beklagten im Planaufstellungsverfahren vertretenen Ansicht nicht zu folgern, dass in dem von der Samtgemeinde D. überplanten Gebiet, das anders als die Küstenregion nicht weithin einsehbar ist, ein Umkreis von weniger als 5.000 m angezeigt wäre. Denn das OVG hat seinen Rechtsstandpunkt mit Urteil vom 28.10.2004 (-1 KN 155/03-, zitiert nach juris) präzisiert und wie folgt ausgeführt:

31

„Die Begründung zum 5 km-Mindestabstand ist noch ausreichend, wenn auch nicht sehr aufschlussreich. Eine substanzielle Begründung für die Wahl gerade dieses Abstandes und für die Wahl eines einheitlichen Abstandes im gesamten Kreisgebiet wäre wünschenswert, gerade weil das Kreisgebiet an der Schwelle des Mittelgebirges zur Norddeutschen Tiefebene topografisch unterschiedlich gestaltet ist....Es ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats früher offen gelassen worden, ob der Schutz des Landschaftsbildes auch außerhalb der flachen Küstenregionen einen 5 km Mindestabstand erfordert. Was insoweit erforderlich ist, steht allerdings im weiten Planungsermessen des Antragsgegners. Der Plangeber muss nicht bis an die Gefahrengrenze gehen, sondern darf Vorsorgewerte für die berücksichtigten Schutzgüter festsetzen. Die Bestimmung eines Abstandswertes ist angesichts des bestehenden planerischen Ermessens erst dann fehlerhaft, wenn er nicht mehr begründbar ist.... Die Festlegung des Mindestabstandes ist nach ihrem Wortlaut nicht von konkreten Sichtbeziehungen zwischen Standorten abhängig. Auch dies ist bedenkenfrei. Die pauschale Festlegung ist praktikabel und sorgt dafür, dass die Landschaft auch unabhängig von Sichtachsen nur maßvoll mit WEA besetzt wird.“

32

In Anwendung dieser überzeugenden Ausführungen ist die Beigeladene in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von einem 5.000 m Radius um einen Vorrangstandort ausgegangen. Dieser Abstand ist wegen der gerichtsbekannten offenen Hügellandschaft und der möglichen Sichtbeziehungen zwischen verschiedenen potenziellen Standorten, wie sie die Kammer im Ortstermin bestätigt gefunden hat, durchaus begründbar.

33

Nicht zu beanstanden ist es darüber hinaus, dass die Samtgemeinde Flächen rund um den “Hellen Berg“ als Vorrangstandort quasi vorausgesetzt hat, weil dort bereits zwei Windkraftanlagen genehmigt waren - und mittlerweile errichtet sind -. Dies trägt dem Bedürfnis nach planerischer Konzentration, wie es auch in Abschnitt D 3.5 05 des Regionalen Raumordnungsprogramms des Beklagten zum Ausdruck kommt (Amtsblatt vom 4.12.2000, S. 707, insoweit unberührt gelassen durch die Änderung vom 30.10.2003, Amtsblatt vom 30.10.2003, S. 517), Rechnung. Die planende Gemeinde ist, wie oben schon dargelegt, nicht gehalten, voraussetzungslos den für die Windenergiegewinnung wirtschaftlichsten Standort zu ermitteln und diesen als Vorrangstandort auszuweisen. Vielmehr hat sie von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen des zu überplanenden Gebiets auszugehen. Sind diese, wie hier aufgrund eines gerichtlich angeregten Vergleichs, so, dass an einer Stelle, hier dem “Hellen Berg“, bereits Windkraftanlagen genehmigt sind, ist es nicht abwägungsfehlerhaft, wenn die Gemeinde diesen Standort zu einem Vorrangstandort für Windenergieanlagen weiter entwickelt.

34

Im Ergebnis verblieben nach der Standortanalyse des Planungsbüros K. danach zwei Flächen als Vorrangstandorte für Windkraftanlagen. Diejenige um den “Hellen Berg“ und diejenige um den “Roter Berg“, südlich von M..

35

Es ist schließlich abwägungsfehlerfrei, dass die Beigeladene den Standort “Roter Berg“ nicht als Vorrangstandort ausgewiesen, sondern ihn weggewogen hat. Dieser Abwägungsvorgang ist rechtserheblich, auch wenn die Klägerin an ihm die Anlagen nicht zu errichten gedenkt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, ist die Konzentrationsplanung von Windenergieanlagen in einem Flächennutzungsplan insgesamt nichtig, wenn dem Plan mangels ausreichender („substanzieller“) Darstellung von Positivflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu Grunde liegt. Stehen die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte nicht in einem gesamträumlich ausgewogenen Verhältnis zueinander, kann die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB angeordnete Ausschlusswirkung auf den Flächen, welche die Gemeinde von Windenergieanlagen freihalten will, nicht einsetzen (Urteil vom 21.10.2004, a.a.O., der Vorentscheidung des OVG Lüneburg insoweit entgegen tretend). Der Klägerin könnte folglich nicht entgegengehalten werden, dass der in Aussicht genommene Standort kein Vorrangstandort nach dem F-plan ist.

36

Die Erwägungen, die die Beigeladene angestellt hat, um den Standort “Roter Berg“ nicht als Vorrangstandort auszuweisen, sind sachlich begründet und durch das ihr eingeräumte Planungsermessen gedeckt.

37

Allerdings könnte für einen Abwägungsfehler zunächst die geringe Fläche des ausgewiesenen Vorranggebietes am “Hellen Berg“ im Verhältnis zum gesamten überplanten Gebiet sprechen. Die ausgewiesene Fläche beträgt lediglich 0,012 0/00 der gesamten Fläche der Samtgemeinde D. und ermöglicht lediglich die Errichtung von insgesamt fünf Windkraftanlagen. In diese Richtung führt die vom Bundesverwaltungsgericht geteilte Begründung des Nds. OVG in seinem Urteil vom 28.1.2004 (a.a.O. Seite 236). Allerdings hat das BVerwG auch ausgeführt, dass weder die Ausweisung nur einer Konzentrationszone noch die Größe der ausgewiesenen Fläche isoliert als Indiz für einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung herangezogen werden können. Eigne sich nur ein geringer Teil des Gemeindegebiets für eine Windenergienutzung, so lasse sich eine im Vergleich zur Gesamtgröße kleine Konzentrationszone schon aus diesem Grund nicht als Indikator für eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz werten (Urteil vom 17.12.2002, a.a.O.). Dem folgt im Ansatzpunkt auch das OVG, das im entschiedenen Fall allerdings „besondere örtliche Gegebenheiten“, die eine entsprechend kleine Vorranggebietsausweisung rechtfertigen könnten, nicht festzustellen vermochte. Derartige örtliche Besonderheiten hat die Beigeladene hier indes in ihre Abwägungsentscheidung einfließen lassen, so dass ihre Entscheidung, nur den “Hellen Berg“ als Vorranggebiet für Windenergie auszuweisen, gemessen an §§ 1 Abs. 5, 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB rechtlich nicht zu beanstanden ist.

38

Städtebaulich nicht tragfähig dürfte indes die Begründung sein, auf die Ausweisung des Standortes “Roter Berg“ wegen eines zu geringen Abstandes zum Wallfahrtsort M. zu verzichten. Dieser Abstand beträgt zwischen 0,7 und 1,2 km. Derartigen kulturell-religiösen Belangen dürfte städtebauplanungsrechtliche Bedeutung nicht zukommen. Diese Erwägung allein wäre deshalb nicht geeignet, die in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB vorgesehene Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich außer Kraft zu setzen.

39

Tragfähig und abwägungserheblich ist allerdings die weitere Erwägung, auf die Ausweisung als Vorrangstandort deshalb zu verzichten, weil zu geringe Abstände zum geplanten Vogelschutzgebiet „Unteres Eichsfeld“ und zum Naturschutzgebiet Seeburger See gegeben sind. Belange des Naturschutzes sind sowohl nach § 1 Abs. 5 als auch nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beachtlich. Der Anlagenstandort “Roter Berg“ befindet sich nunmehr tatsächlich in unmittelbarer Nähe zu dem unter der EU-Meldenummer 4426-302 erfassten FFH-Gebiet “Seeburger See“ und liegt etwa 5 km vom Vogelschutzgebiet “Unteres Eichsfeld“ entfernt, das von der EU unter der Meldenummer 4426-401 erfasst ist.

40

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass mit Hilfe der Bauleitplanung schädliche Umwelteinwirkungen bereits im Vorfeld gesteuert und verhindert werden dürfen. Abwägungsfehlerhaft ist eine solche am Vorsorgegrundsatz orientierte Planung im Rahmen des Darstellungsprivilegs des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erst dann, wenn sie auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber der Gemeinde zubilligt, städtebaulich nicht mehr begründbar ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 17.12.2002, a.a.O., Seite 369 zum Vorsorgegrundsatz aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImschG).

41

Ein derartiger Vorsorgegrundsatz ergibt sich hinsichtlich des hier in Rede stehenden Vogelschutzes aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979 zur Erhaltung wildlebender Vogelarten -Vogelschutzrichtlinie- (ABl. EG Nr. L 103 vom 25.4.1979). Danach treffen die Mitgliedsstaaten geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzung dieses Artikels erheblich auswirken, in den in Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Nach Satz 2 der Bestimmung bemühen sich die Mitgliedsstaaten ferner, auch außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden.

42

Hinsichtlich des FFH-Gebiets Seeburger See folgt Entsprechendes aus Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen -Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie- (ABl. EG Nr. L 206 vom 22.7.1992). Nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken können. Gemäß Abs. 3 der Regelung besteht eine Pflicht zur Verträglichkeitsprüfung für solche Pläne und Projekte, die ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen können. Die Behörden dürfen einem solchen Projekt nur zustimmen, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird.

43

Es erscheint in Anbetracht dieser Regelungen sachgerecht und städtebaulich gut begründbar, dass die Beigeladene, um Konflikte zwischen Windenergienutzung und den Schutzgütern der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie von vornherein zu vermeiden, den Standort “Roter Berg“ nicht als Vorrangstandort für Windenergienutzung ausgewiesen hat. Da es insoweit um Vorsorge geht, kommt es nicht darauf an, dass die Beigeladene konkrete Beeinträchtigungsmöglichkeiten nicht aufgezeigt hat. Insbesondere eine Beeinträchtigung der Schutzgüter der FFH-Richtlinie ist wegen der geringen räumlichen Entfernung zwischen “Roter Berg“ und FFH-Gebiet “Seeburger See“ nicht von der Hand zu weisen.

44

Darauf, ob der Gesichtpunkt eines in der Nähe befindlichen Modellflugplatzes zusätzlich abwägungsrelevant ist, kommt es dann nicht mehr an.

45

Da sich die Klägerin somit schon den ihrem Vorhaben entgegenstehenden öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorhalten lassen muss, kommt es nicht mehr darauf an, ob diesem auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegenstehen.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es nicht der Billigkeit, ihr Kosten zu erstatten.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.