Landgericht Osnabrück
Urt. v. 29.01.1999, Az.: 15 O 118/98

Unterlassunganspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bei unzulässiger Werbung ; Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem einschlägigen Markt bei Verletzung einer Bestimmung zum Schutze der Gesundheit der Verbraucher

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
29.01.1999
Aktenzeichen
15 O 118/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19621
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:1999:0129.15O118.98.0A

Fundstelle

  • WRP 1999, 972

Prozessgegner

Frau Angelika N.

In dem Rechtsstreit
hat die 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 08. Jan. 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Puppe,
die Handelsrichterin Mutsaers und
den Handelsrichter Schulze
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungsanzeigen oder sonstig werblich für die von ihr angebotenen Gewichtsreduktionsmethoden mit Fotos zu werben, die Personen einmal vor und einmal nach der Behandlung zeigen und dabei auf eine Gewichtsabnahme wie "24 Pfund schlanker in 4 Wochen" oder "18 Pfund Fettabbau in 4 Wochen" hinzuweisen.

  2. 2.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

  3. 3.

    Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 486,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.06.1998 zu zahlen.

  4. 4.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  5. 5.

    Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 54.200,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Vereinigung, die gemäß § 2 ihrer Satzung bezweckt, durch Aufklärung und Beratung zur Förderung des lauteren Wettbewerbs beizutragen und unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

2

Die Beklagte betreibt unter der Bezeichnung "... Therapiezentrum" ein Institut zur Abnahme von Körpergewicht.

3

Die Beklagte ließ in Zeitungen zwei Werbeanzeigen für ihr Institut veröffentlichen. In beiden Anzeigen sind jeweils zwei Fotos einer weiblichen Person abgebildet, wobei das eine Foto mit dem Text "vor der Therapie" und das andere Foto mit dem Text "nach 4 Wochen" versehen war. Die Anzeige in der ... Zeitung vom 25. ... enthielt in hervorgehobenem Druck den Hinweis "18 Pfund Fettabbau in 4 Wochen!" Weiter heißt es "... (Name) hatte ernährungsbedingtes Übergewicht!" In der Anzeige vom 17. ... in der ... Zeitung heißt es u.a.: "24 Pfund schlanker in 4 Wochen!" Weiter heißt es: "... Therapie erzielte pro Jahr bereits über 20.000 verblüffende Erfolge bei ernährungsbedingt übergewichtigen Damen und Herren jeden Alters."

4

Die Klägerin hält diese Anzeigen für wettbewerbswidrig nach § 1 UWG, weil die Werbung nach ihrer Ansicht gegen § 11 Nr. 5 b Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßt. Danach dürfe außerhalb der Fachkreise u.a. nicht für Verfahren, Behandlungen oder andere Mittel geworben werden mit der bildlichen Darstellung der Wirkung eines Verfahrens, einer Behandlung oder anderer Mittel durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor oder nach der Anwendung.

5

Neben dem Unterlassungsanspruch macht die Klägerin Ersatz vorprozessualen Aufwandes in Hohe von insgesamt 486,85 DM wegen einer voraufgegangenen Abmahnung und eines vergeblichen Abschlußschreibens nach Erlaß einer entsprechenden Unterlassungsverfügung des Landgerichts Osnabrück im Verfahren 3 HO 56/98 geltend.

6

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Beklagte wendet ein, die Anzeige enthalte keine bildliche Darstellung der Wirkung eines Arzneimittels. Ein solches werde gar nicht erwähnt.

9

In der beanstandeten Werbung sei kein Bezug auf einen körperlichen Zustand mit Krankheitswert genommen. Es sei nur die Rede von ernährungsbedingtem Übergewicht, welches keineswegs von vornherein als Krankheit angesehen werden könne. Ohne begleitende Anomalien habe Fettleibigkeit für sich allein noch keinen Krankheitswert, auch wenn sie einen Risikofaktor für eine Reihe von Krankheiten darstelle.

10

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klagebefugnis der Klägerin folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Bei der Klägerin handelt es sich, wie gerichtsbekannt ist, um einen Verband, der sich u.a. die Förderung des lauteren Wettbewerbs und die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zum Ziel gesetzt hat. Der Klägerin gehört eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die gewerbliche Leistungen gleicher Art oder verwandter Art auf dem selben Markt wie die Beklagte vertreiben. Es reicht aus, daß diese Gewerbetreibenden nicht der Klägerin unmittelbar sondern mittelbar über ihre Zugehörigkeit zu einer Industrie- und Handelskammer oder einer Handwerkskammer angehören. Mitglieder der Klägerin sind unstreitig die deutsche Industrie- und Handelskammern sowie eine größere Anzahl von Handwerkskammern. Der Klägerin gehört somit mittelbar eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden an, die gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf dem selben Markt wie die Beklagte vertreiben.

12

Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG i.V.m. § 11 Nr. 5 b HWG zu. Die Werbung der Beklagten ist nämlich unzulässig, weil diese Werbung auch als eine solche für eine Heilbehandlung bei krankhaftem Übergewicht verstanden werden kann. Gemäß § 11 Nr. 5 b HWG darf nämlich außerhalb der Fachkreise nicht für Verfahren, Behandlungen oder andere Mittel mit bildlicher Darstellung du Wirkung eines Verfahrens, einer Behandlung oder eines anderen Mittels durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor oder nach der Anwendung geworben werden. Gemeint sind dabei nach § 1 Abs. 1 Ziffer 2 HWG Mittel, Verfahren oder Behandlungen, soweit sich die darauf bezogene Werbeaussage u.a. auf die Beseitigung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht.

13

Es kann dahinstehen, ab wann von einem bloßen Übergewicht und ab wann medizinisch von einem krankhaften Übergewicht, sei es endogen oder exogen, gesprochen werden muß oder kann. Bei einem in Aussicht gestellten möglichen Gewichtsverlust von 24 Pfund in 4 Wochen, das sind durchschnittlich 6 Pfund in der Woche, wird jedenfalls nach Auffassung der Kammer durch die Werbung bei dem angesprochenen Publikum ein erhebliches Übergewicht vorausgesetzt (so auch Doepner, HWG, Anm. 34 zu § 1 HWG). Dieses Übergewicht kann im Einzelfall auch eine Krankheit als Ursache haben. Der Hinweis auf "ernährungsbedingtes" Übergewicht schließt eine Krankheit als Ursache des zum Gegenstand der Werbung gemachten erheblichen Übergewichts nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit aus; denn auch eine falsche oder übermäßige Ernährung kann im Zusammenhang mit Krankheitseinflüssen Mitursache für ein erhebliches Übergewicht sein. In seiner Unscheinbarkeit ist der Hinweis auf "ernährungsbedingtes Übergewicht" von seiner Aufmachung her auch nicht geeignet, das angesprochene Publikum unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß die Behandlung kein wie auch immer krankheitsbedingtes Übergewicht betreffen soll. Ohne eine äußerlich und inhaltlich unmißverständliche Differenzierung nach Art und Ursache des Übergewichts ist deshalb die Werbeaussage der Beklagten objektiv geeignet, den Eindruck zu erwecken, die beworbene Behandlung könne auch in Fällen krankheitsbedingten Übergewichts helfen. Die Verwendung des Begriffs "Therapie-Zentrum" unterstützt dabei noch die Vorstellung einer "Heilbehandlung", nämlich Therapie in der Wortbedeutung als Behandlung von Krankheiten. Nur wenn sich die Werbeaussage vernünftigerweise nicht auch auf krankheitsbedingtes Übergewicht beziehen läßt, wäre die vorgenommene Gegenüberstellung von Personen vor und nach der Behandlung nicht einschlägig im Sinne von § 11 Nr. 5 b HWG.

14

Die Verletzung einer Bestimmung zum Schutze der Gesundheit der Verbraucher, wozu auch § 11 Ziffer 5 b HWG zu zählen ist, stellt grundsätzlich eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem einschlägigen Markt dar (Baumbach-Hefermehl, 18. Aufl., Anm. 18 b zu § 13 UWG). Mithin ist dem sog. Wesentlichkeitserfordernis des § 13 Abs. 2 Ziffer 2, letzter Halbsatz UWG genüge getan.

15

Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten der Abmahnung und des vergeblichen Abschlußschreibens folgt aus §§ 670, 683 BGB. Gegen die Höhe der von der Kammer für angemessen erachteten Pauschalbeträge hat auch die Beklagte keine Einwände erhoben.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung aus § 709 ZPO.

Puppe
Mutsaers
Schulze