Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 14.06.1999, Az.: 1 AR 3/99
Rückzahlung von Provisionsansprüchen und Abschlagszahlungen
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 14.06.1999
- Aktenzeichen
- 1 AR 3/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 19041
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1999:0614.1AR3.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Meppen - 24.03.1999 - AZ: 18 C 1538/98
Fundstellen
- BB 1999, 1926-1927 (Volltext)
- NVersZ 2000, 448
- VersR 2000, 633-634 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
am 14.06.1999
durch
die unterzeichnenden Richter
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Meppen vom 24.03.1999 geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gericht wird für zulässig erklärt.
Gründe
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Provisionsansprüchen und Abschlagszahlungen in Anspruch. Der Beklagte hatte auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses mehr als 2.000,00 DM monatlich an Vergütung einschließlich Provisionen bezogen. Auf den Vertretungsvertrag vom 20.02.1995/02.03.1995 wird Bezug genommen.
Der Beklagte hat behauptet, entgegen der vertraglichen Regelungen sei er angewiesen worden, an welchem Ort und zu welchen Zeitpunkten er seine Tätigkeit auszuüben habe. Auch sei ihm der Umfang der zu vermittelnden Verträge vorgegeben worden.
Das Amtsgericht Meppen hat den Rechtsstreit durch Beschluß vom 24.03.1999 an das Arbeitsgericht Lingen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte sei Arbeitnehmer der Klägerin. Aus dem Vertretungsvertrag ergebe sich, daß er seine Tätigkeit nicht frei habe gestalten können. Er habe sein Tätigkeitsgeld nicht frei wählen können. Er sei verpflichtet gewesen, eine von der Klägerin bestimmte Ausbildung zu machen. Inkasso habe er nur nach den Richtlinien der Klägerin durchführen dürfen. Über andere berufliche Tätigkeiten habe er die Klägerin informieren müssen. Provisionen oder Vergütungen habe er Versicherungsnehmern nicht gewähren dürfen.
Gegen den ihr am 31.03.1998 zugestellten Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 06.04.1999, die am 12.04.1999 beim Amtsgericht Meppen eingegangen ist.
Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und behauptet: Ihm sei deutlich gemacht worden, daß er bestimmte Servicezeiten einzuhalten und bestimmte Produktionsziele zu erreichen habe. Sanktionen seien nicht ausdrücklich ausgesprochen worden. Er habe aber arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten gehabt.
Die zulässige Beschwerde der Klägerin gemäß § 17 a IV 2 GVG hat in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig, da der Beklagte Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB und nicht Arbeitnehmer im Sinne des § 5 ArbGG ist. Da der Beklagte mehr als 2.000,00 DM an Vergütung bezogen hat, gilt er nicht nach § 5 III ArbGG als Arbeitnehmer.
Handelsvertreter gemäß § 84 I 1 HGB ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist gemäß § 84 I 2 HGB, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
Die in Nr. II des Vertretungsvertrages geregelte Rechtsstellung des Beklagten entspricht dem Wortlaut des § 84 I 1 HGB. Zwar genügt dies allein nicht zur Begründung der Selbständigkeit. Jedoch enthalten die Vertragsbeziehungen der Parteien auch durch eine Vielzahl von Regelungen ihr entscheidendes Gepräge, die sämtlich für eine selbständige Stellung des Beklagten sprechen. Eine Verpflichtung des Beklagten, sein Büro an einem bestimmten Ort zu eröffnen oder zu bestimmten Zeiten präsent zusein, enthält der Vertrag ebensowenig wie die Vorgabe einer bestimmten Anzahl zu vermittelnder Verträge. Im Umkehrschluß ist davon auszugehen, daß der Beklagte in dieser Beziehung seine Tätigkeit selbständig und unabhängig durchführen konnte. Sein Vortrag, ihm sei die Einhaltung von Servicezeiten, des Ortes des Büros und der Anzahl von Vertragsabschlüssen deutlich gemacht worden, aknn die Annahme einer abhängigen und unselbständigen Tätigkeit nicht begründen. Eine verbindliche vertragliche Vereinbarung, auf Grund derer die Klägerin arbeitsrechtliche Konsequenzen hätte gerichtlich durchsetzen könne, behauptet der Beklagte nicht. Allein ein Hinweis der Klägerin, daß eine bestimmte Organisation des Büros und eine bestimmte Anzahl von Vertragsabschlüssen anzustreben ist oder gewünscht wird, bedeutet keine Weisungsgebundenheit des Beklagten in diesen Punkten.
Für eine Selbständigkeit spricht ferner, daß der Beklagte seinem eigenen Vortrag zufolge die Betriebsmittel wie die Büroausstattung aus eigenen Mitteln aufzubringen hatte und gemäß Nr. VI des Vertretungsvertrages als Vergütung lediglich Provisionszahlungen ohne festes Entgelt bezog. Der Beklagte selbst war zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer verpflichtet. Urlaub konnte er mangels anderweitiger vertraglicher Regelungen in freier Entscheidung nehmen auch war ihm die Einstellung eigener Mitarbeiter nicht untersagt.
Dies alles spricht für eine Selbständigkeit des Beklagten. Entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen bestehen nicht. Die Verpflichtung in Nr. IV 3 des Vertretungsvertrages, das Inkasso nach den Richtlinien der Klägerin durchzuführen, schränkt die Unabhängigkeit des Beklagten nicht ein und beruht allein auf dem Interesse der Klägerin an einer landesweit einheitlichen Durchführung des Inkassos. Entsprechendes gilt für das in Nr. IV des Vertrages geregelte Wettbewerbsverbot. Aus § 92 a I 1 HGB ergibt sich, daß der Einordnung als selbständiger Handelsvertreter nicht entgegensteht, wenn dieser nicht für weitere Unternehmen tätig werden darf. Darüber hinaus durfte der Beklagte Nebentätigkeiten ausüben, mußte sie lediglich anzeigen. Diese Anzeigepflicht gab der Klägerin die Möglichkeit, die Tätigkeit auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zu überprüfen, ohne die Weisungsfreiheit des Beklagten einzuschränken. Allein die Festlegung des Arbeitsgebiets in Nr. V des Vertretungsvertrages begründet keine örtliche Abhängigkeit, zumal dem Beklagten das Recht eingeräumt wird gelegentlich auch außerhalb seines Geschäftsgebiets tätig zu sein. Daß der Beklagte keine verbindliche Willenserklärungen abgeben konnte, entspricht dem Wesen des Handelsvertretervertrages. Die Telefonanlage und die EDV-Anlage mag von der Klägerin vorgeschlagen worden sein und auch wirtschaftlich sinnvoll gewesen sein. Daß für den Beklagten eine Abnahmepflicht bestand, behauptet er nicht. Auch die in Nr. XVI des Vertrages vorgesehene Schulung spricht nicht zwingend für eine Abhängigkeit des Beklagten, da ihm freigestellt war, die Qualifikation vor Vertragsschluß anderweitig zu erwerben. Unter diesen Umständen bestand keine Verpflichtung, die Schulung durchzuführen.
Nach allem ist der Beklagte selbständiger Handelsvertreter. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig.
Wieseler-Sandbaumhüter Richterin am Landgericht
Dr. Scheer Richterin am Landgericht