Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 31.08.2005, Az.: 1 A 272/04
Beamter; Dienstreise; Dienststelle; Ermessensausübung; Ermessensdefizit; Fürsorgepflicht; grobe Fahrlässigkeit; Heimfahrt; Kraftfahrzeug; Rektor; Sachschaden; Sachschadensersatz; Schadensersatz; Selbstbehalt; Sorgfaltspflicht; Straßenverkehrsrecht; Unaufmerksamkeit; Vollkaskoversicherung; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 31.08.2005
- Aktenzeichen
- 1 A 272/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50865
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 96 Abs 1 S 1 BG ND
- § 96 Abs 1 S 2 Nr 2 BG ND
- § 96 Abs 2 BG ND
- § 8 Abs 2 StVO
- § 1 StVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ist ein Beamter aus schwerwiegenden dienstlichen Gründen gezwungen, ein Kraftfahrzeug zu benutzen, so hat er im Falle eines Unfalls grundsätzlich einen Anspruch gegen seinen Dienstherrn auf (Sach-)Schadensersatz.
2. Die Gewährung des Schadensersatzes steht im Ermessen des Dienstherrn, das bei grober Fahrlässigkeit des Beamten dahingehend zu betätigen ist, ob und ggf. in welcher Höhe Ersatz zu leisten ist.
3. Bei der Ermessensentscheidung ist neben dem Gesetzeszweck, dem Gleichbehandlungsgrundsatz (ständige Verwaltungspraxis) und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu prüfen, ob dem Beamten nach Lage der Verhältnisse zuzumuten ist, den Schaden ganz oder teilweise selbst zu tragen, so dass u.U. die Zahlung eines (wenngleich begrenzten) Erstattungsbetrages in Betracht kommen kann.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neubescheidung seines Antrags auf Ersatz eines Sachschadens an seinem Pkw wegen eines Unfalls, der sich am 16. September 2003 ereignete.
Der Kläger ist Rektor der GHS B. (Besoldungsgruppe A 13). Am 16. September 2003 hatte er am Vormittag einen dienstlichen Termin in Scheuen, um 15.30 Uhr einen Termin in C. sowie anschließend um 17.30 Uhr eine Gesamtkonferenz in der GHS D.. Aufgrund der unzureichenden Busverbindungen benutzte der Kläger an diesem Tag seinen privaten Pkw, amtliches Kennzeichen E., damit er diese Termine rechtzeitig wahrnehmen konnte. Um ca. 20.15 Uhr befuhr er auf dem Heimweg von der GHS B. den F. Richtung G.. Auf Höhe der Kreuzung H. übersah er den vorfahrtsberechtigten Querverkehr und es kam zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Kraftfahrzeug. Am Auto des Klägers entstand ein Schaden in Höhe von 5.214,03 EUR. Mit Kfz-Schadensanzeige vom 25. November 2003 beantragte er die Erstattung der Reparaturkosten. Die Benutzung seines Kraftfahrzeugs sei notwendig gewesen, da er sonst die dienstlichen Termine nicht hätte einhalten können. Zum Unfallhergang führte er aus, dass er den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht habe. Er sei weder mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren noch sei er mit einem nicht verkehrstüchtigen Fahrzeug unterwegs gewesen. An der vorfahrtsberechtigten Kreuzung habe er lediglich den zu spät herannahenden Querverkehr bemerkt. Der Bremsweg seines Autos, einem Oldtimer, sei durch die konstruktionsbedingten Einschränkungen zu kurz gewesen, um den Unfall noch vermeiden zu können. Hätte er sein anderes Auto benutzt, wäre der Unfall vermeidbar gewesen. Er sei wegen des vorausgegangenen Dienstgeschehens abgelenkt gewesen.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2004 lehnte die Bezirksregierung I. den Antrag ab. Die Erforderlichkeit der Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs sei nicht belegt. Zudem habe der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, weshalb die Ersatzleistung reduziert oder abgelehnt werden könne. Der Kläger habe gegen § 8 StVO verstoßen, weil er vor Einfahrt in den Kreuzungsbereich unaufmerksam gewesen sei und dadurch den vorfahrtsberechtigten Verkehr zu spät wahrgenommen habe. Zudem habe er sich nicht mit der notwendigen Verringerung der Geschwindigkeit dem Kreuzungsbereich genähert. Auch könne er nicht damit argumentieren, dass der Unfall mit einem anderen Fahrzeug vermeidbar gewesen wäre. Vielmehr hätte er seine Geschwindigkeit entsprechend verringern müssen, so dass ein Halten ohne starkes Bremsen möglich gewesen wäre. Dann wäre der Unfall auch mit dem Unfallfahrzeug vermeidbar gewesen. Der Kläger sei der nach § 8 StVO gebotenen gesteigerten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, weshalb die mangelnde Umsicht bei der Annäherung an die Kreuzung als grob fahrlässig zu bewerten sei. Bei der Entscheidung über die Reduzierung oder Ablehnung der Erstattung sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine Dienstreise, sondern um eine Heimfahrt von der Dienststelle gehandelt habe, so dass die Erstattungsleistung durch die Verwaltungsvorschrift Nr. 7.1 zu § 96 NBG auf höchstens 332,34 EUR beschränkt sei. In Anbetracht des Grades des eigenen Verschuldens und des nur geringen möglichen Erstattungsbetrages entspreche es pflichtgemäßem Ermessen, die Erstattung des Sachschadens vollständig abzulehnen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 20. Februar 2004 Widerspruch ein. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen führte er aus, dass er sich vor Antritt der Heimfahrt auf einer Karte über den Straßenverlauf informiert habe. Auf der von ihm benutzten Karte sei die Kreuzung H. als T-Kreuzung dargestellt. Mit einer durchgehenden Kreuzung, wie sie tatsächlich vorhanden sei und eine Durchfahrt auf dem J. bis zur K. ermögliche, habe er an dieser Stelle nicht gerechnet. Der Göpelweg sei im Kreuzungsbereich nicht verengt, versetzt oder in irgendeiner Weise unterbrochen und habe eine durchgehend gleich geteerte Decke. Der Kreuzungsbereich sei dem Kläger tatsächlich nicht bekannt gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2004 wies die Bezirksregierung I. den Widerspruch zurück. Zwar lägen die Voraussetzungen für eine Benutzung des Pkw aus dienstlichen Gründen vor. Eine Erstattung des Sachschadens sei jedoch nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ganz zu versagen, da ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers zum Unfall beigetragen habe. Die im Ausgangsbescheid enthaltene Einschätzung könne der Kläger nicht entkräften. Auch wenn die gefahrene Strecke für den Kläger neu gewesen sei, hätte er auch aufgrund der von ihm benutzten Karte an der Kreuzung „Göpelweg/Alt Groß Hehlen“ mit einer Einmündung und einer Pflicht zur Vorfahrtgewährung rechnen müssen. Zudem habe er davon ausgehen müssen, an dieser Stelle abbiegen zu müssen, da ihm die Fortführung geradeaus nicht bekannt gewesen sei. Allein deshalb hätte er die Geschwindigkeit bei Annäherung an den Kreuzungsbereich bereits erheblich stärker verringern müssen, um sich orientieren und gegebenenfalls wie geplant abbiegen zu können.
Mit seiner am 12. Juli 2004 erhobenen Klage wiederholt der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und betont, dass der vorliegende Unfall durch eine leichteste Unaufmerksamkeit des Klägers und eine Fehleinschätzung der Verkehrssituation des ihm unbekannten Weges verursacht worden sei. Grobe Fahrlässigkeit liege nur vor, wenn der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Vorsicht in einem besonders schwerwiegenden Maße außer Acht lasse. Dies sei hier nicht gegeben. Der Nachweis des über das übliche Maß hinausgehenden Verschuldens könne nicht gelingen. Einer Anwendung der Verwaltungsvorschrift Nr. 7.1 zu § 96 NBG, wonach eine mögliche Erstattungsleistung auf höchstens 332,00 EUR beschränkt sei, sei in den Fällen, in denen die Benutzung eines privaten Pkw durch den Beamten aus dienstlichen Gründen geboten sei, nicht gerechtfertigt. Hierdurch würde ein Anspruch dem Grunde nach zunichte gemacht, da die Begrenzung kein weiteres Differenzierungskriterium enthalte.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 25. November 2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte, die als Rechtsnachfolgerin der mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgelösten Bezirksregierung L. in diesen Verwaltungsrechtsstreit eingetreten ist, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht sich das bisherige Vorbringen der Bezirksregierung I. im Klageverfahren zu eigen: Hiernach habe der Kläger aufgrund seiner eigenen Schilderung bei Herannahen an den Kreuzungsbereich sowohl gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 StVO als auch gegen die in § 8 StVO normierte besondere Sorgfaltspflicht, die einem Wartepflichtigen auf einer Straße an einer Kreuzung mit einer vorfahrtsberechtigten Straße obliege, verstoßen. Er habe insbesondere die Vermutung nicht entkräften können, dass er aufgrund seiner Unaufmerksamkeit gerade nicht seine Fahrweise der besonderen Verkehrssituation angepasst habe und daher auch nicht mit der von ihm geforderten mäßigen Geschwindigkeit gefahren sei. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger am Unfalltag seinen Oldtimer benutzt habe und ihm dessen etwas längerer Bremsweg bekannt gewesen sei. In Anbetracht dieser Umstände könne nicht mehr von einer nur leichten Fahrlässigkeit gesprochen werden. Zur Anwendung der Verwaltungsvorschrift Nr. 7.1 zu § 96 NBG sei ergänzend anzumerken, dass auch bei Vorliegen der Voraussetzung des § 96 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NBG zu berücksichtigen sei, dass eine Erstattung von Sachschäden auf dem Heimweg des Beamten nur in Ausnahmefällen in Betracht komme. Diesem Umstand trage die Verwaltungsvorschrift Rechnung, die den Erstattungsbetrag auf maximal 332,00 EUR begrenze, wobei sich dieser Wert aus der Vollkaskoversicherung herleite.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Kläger hat unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide einen Anspruch, dass die Beklagte seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet. Die Beklagte ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Ersatz des Sachschadens dem Grunde nach vorliegen und dessen Gewährung wegen grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers teilweise oder ganz versagt werden kann. Sie hat jedoch bei ihrer Entscheidung über die teilweise oder vollständige Versagung der Gewährung des Schadensersatzes das ihr zustehende Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt.
Die Voraussetzungen für den Ersatz des Sachschadens gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 2 des Niedersächsischen Landesbeamtengesetzes (i. d. F. der Bekanntmachung vom 19. Februar 2001 - Nds. GVBl. 2001, S. 33 - nachfolgend NBG) liegen dem Grunde nach vor. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 NBG kann dem Beamten dafür Ersatz geleistet werden, wenn bei Ausübung des Dienstes, ohne dass ein Dienstunfall eingetreten ist, Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die üblicherweise bei Wahrnehmung des Dienstes mitgeführt werden, beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen sind. Der Weg von und nach der Dienststelle gehört nicht zum Dienst im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 NBG, es sei denn, dass - so nach § 96 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NBG - ein Beamter aus schwerwiegenden dienstlichen oder persönlichen Gründen, die vom Dienstherrn allgemein oder im Einzelfall anerkannt worden sind, gezwungen ist, sich auf dem Weg von und nach der Dienststelle erhöhten Gefahren auszusetzen. So verhält es sich hier. Ein Dienstunfall (im Sinne von § 31 BeamtVG) ist nicht gegeben, da der Kläger keinen Körperschaden erlitten hat. Ihm ist vielmehr bei dem Unfall am 16. September 2003 ein Sachschaden in Höhe von 5.214,03 € an einem sonstigen Gegenstand im Sinne von § 96 Abs. 1 Satz 1 NBG entstanden. Hierunter fällt nach Ziffer 3.4 der Verwaltungsvorschriften zu § 96 NBG (v. 25.11.1992 - Nds. MBl. 1993, S. 93 - nachfolgend: VV zu § 96 NBG) auch das Kraftfahrzeug eines Beamten. Dieser Sachschaden ist auch „bei Ausübung des Dienstes“ eingetreten, denn der Kläger war am Unfalltag zur Benutzung des Kraftfahrzeugs aus schwerwiegenden dienstlichen Gründen gezwungen. Schwerwiegende dienstliche Gründe liegen u. a. dann vor, wenn wegen der Eigenart des Dienstes wie z. B. an mehreren Dienstorten die Benutzung des Kraftfahrzeugs erforderlich gewesen ist (vgl. Ziffer 7.1 Satz 2 lit. a der VV zu § 96 NBG). Diese Voraussetzungen waren am Unfalltag gegeben, denn der Kläger hatte an diesem Tag an verschiedenen Orten (L., M. und N.) verschiedene Termine wahrzunehmen. Die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel kam für den Kläger nicht in Betracht, da es keine unmittelbaren Busverbindungen zwischen den Dienstorten gab, sondern der Kläger immer am Schlossplatz in O. hätte umsteigen müssen. Hierdurch wäre es dem Kläger bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich gewesen, jedenfalls die Termine in M. um 15.30 Uhr und in der GHS B. um 17.30 Uhr rechtzeitig wahrzunehmen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat diese Gründe - wenn auch erst im Widerspruchsbescheid - anerkannt. Auch war der Kläger aus diesen Gründen gezwungen, sich auf dem Weg von und nach der Dienststelle erhöhten Gefahren auszusetzen, da die Benutzung eines Kraftfahrzeugs gegenüber der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels höhere Gefahren birgt (vgl. auch Ziffer 7.1 Satz 3 der VV zu § 96 NBG).
Die Gewährung des Schadensersatzes steht nach § 96 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 2 NBG im Ermessen des Dienstherrn und ist nach § 96 Abs. 2, 1. HS. NBG ausgeschlossen, wenn der Beamte den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat, bzw. kann gemäß § 96 Abs. 2, 2. HS. NBG nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Behörde ganz oder teilweise versagt werden, wenn ein grob fahrlässiges Verhalten des Beamten zur Entstehung des Schadens beigetragen hat. Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss oder wer die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.2.1972 - BVerwG VI C 22.68 - Buchholz 232 § 78 BBG Nr. 18, S. 43 <45 f.>; Urt. v. 17.9.1964 - BVerwG II C 147.61 - BVerwGE 19, 243). Die Beurteilung des Verhaltens des Beamten als grob fahrlässig erfordert in objektiver und subjektiver Hinsicht eine vollständige Feststellung und Würdigung aller als erheblich in Betracht kommenden Umstände des Falles unter Heranziehung etwa einschlägiger Rechts- oder Sicherheitsvorschriften (vgl. auch zu § 78 BBG: BVerwG, Urt. v. 19.3.1998 - BVerwG 2 C 6.97 - BVerwGE 106, 272). Letzteres sind für die Beurteilung des Verhaltens eines Beamten bei der Teilnahme im Straßenverkehr insbesondere die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung.
Anhand dieses Maßstabes hat der Kläger grob fahrlässig gehandelt, denn er hat mit seinem Verhalten gegen die einfachste, jedermann bekannte und ohne weiteres einleuchtende Regel des Straßenverkehrsrechts verstoßen, dass ein Wartepflichtiger im Kreuzungsbereich den Vorfahrtsberechtigten weder gefährden noch wesentlich behindern darf (vgl. dazu Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2003, § 8 StVO, Rn. 57) und er sein Verhalten im Kreuzungsbereich entsprechend anpassen muss. Diese Regel folgt aus § 8 Abs. 2 StVO, wonach - soweit er vorliegend von Bedeutung ist - derjenige, der die Vorfahrt zu beachten hat, rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen muss, dass er warten wird (Satz 1), und er nur weiterfahren darf, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert (Satz 2). Diese Vorschrift konkretisiert für den Bereich der Vorfahrtsbeachtung des Wartepflichtigen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern die allgemeine Regelung des § 1 StVO, wonach die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordert (Abs. 1), und jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird (Abs. 2). Die Regelungen sind jedem Verkehrsteilnehmer wegen ihrer besonderen Bedeutung einleuchtend und ihre Beachtung selbstverständlich. Ihre Einhaltung erfordert gerade im Straßenkreuzungsbereich vom Wartepflichtigen eine ganz besondere Aufmerksamkeit, weil jede Nichtbeachtung in derartigen Verkehrssituationen zu schweren Unfällen führen kann. Verstößt ein Verkehrsteilnehmer unter Außerachtlassung der gebotenen besonderen Aufmerksamkeit im Kreuzungsbereich gegen die Wartepflicht, obwohl er sich ohne weiteres verkehrsgerecht hätte verhalten können, ist dies eine grobe Nachlässigkeit (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 17.7.1963 - BVerwG VI C 173.61 - Buchholz 237.7 § 84 LBG Nordrhein-Westfalen Nr. 1, S. 1 <2 f.> sowie zur groben Fahrlässigkeit bei einem Rotlichtverstoß BVerwG, Urt. v. 29.4.2004 - BVerwG 2 C 2.03 - BVerwGE 120, 370).
In diesem Sinne hat der Kläger in der konkreten Verkehrssituation grob fahrlässig gehandelt, denn er hat die von ihm geforderte ganz besondere Aufmerksamkeit außer Acht gelassen, obgleich er sich ohne weiteres verkehrsgerecht hätte verhalten können.
Der Kläger hat in seinem Antrag vom 25. November 2003 die Schuldfrage als „klar“ bezeichnet und eine Unaufmerksamkeit wegen des vorangegangenen Dienstgeschehens sowie die volle Verantwortung für den Verkehrsunfall eingeräumt. Umstände, die eine Qualifizierung des klägerischen Verhaltens als lediglich leicht fahrlässige Nichtbeachtung seiner Wartepflicht rechtfertigen, sind demgegenüber nicht anzuerkennen. Dies gilt zunächst für seinen Einwand, dass das vom Kläger benutzte Kraftfahrzeug als Oldtimer konstruktionsbedingt einen längeren Bremsweg habe und es daher nicht rechtzeitig zum Stehen habe gebracht werden können. Da dem Kläger der längere Bremsweg seines Autos nach eigenen Angaben bekannt war, hätte er seine Geschwindigkeit, auch wenn sie sich im Rahmen der auf dem J. zulässigen Höchstgeschwindigkeit gehalten hat, entsprechend weiter reduzieren müssen und können, um so der ihm obliegenden ganz besonderen Sorgfaltspflicht nachzukommen. Auch die Einwände des Klägers, er habe an der Kreuzung P. /N.“ nach der ihm vorliegenden Karte an Stelle einer durchgehenden Kreuzung mit einer T-Kreuzung gerechnet und der Straßenverlauf sei ihm unbekannt gewesen, vermögen eine Bewertung seines Verhaltens als nur leicht fahrlässig ebenfalls nicht zu begründen. Denn gerade die Unkenntnis des Klägers vom Straßenverlauf hätte ihn zu einer erhöhten Aufmerksamkeit veranlassen müssen, so dass ihm die fehlerhafte Darstellung des Straßenverlaufs in der von ihm benutzten Karte hätte auffallen können und müssen mit der Folge, dass für ihn der Unfall ohne weiteres durch verkehrsgerechtes Verhalten vermeidbar gewesen wäre. Dass der „Göpelweg“ nach Angaben des Klägers im Kreuzungsbereich weder verengt oder versetzt noch in irgendeiner Weise unterbrochen ist und eine durchgehend gleich geteerte Decke hat, führt ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung des klägerischen Verhaltens, denn ein wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer ist nicht von seiner Pflicht zu einer ganz besonderen Aufmerksamkeit in einem Kreuzungsbereich entbunden, wenn dieser keine baulichen Besonderheiten aufweist, die auf eine durchgehende Kreuzung aufmerksam machen. Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vorträgt, dass die in seiner Fahrtrichtung bestehende Verkehrsbeschilderung an der Kreuzung P. /Q. wegen eines Baumes erst kurz vor dem Kreuzungsbereich eingesehen werden konnte, kann dieser Umstand sein Verhalten ebenfalls nicht in einem milderen Licht erscheinen lassen. Denn aufgrund seiner Unkenntnis vom Straßenverlauf hätte er bei Anstrengung der von ihm geforderten gesteigerten Sorgfaltspflicht den Kreuzungsbereich und damit seine Wartepflicht erkennen können und müssen.
Ist - wie hier - das Verhalten des Beamten als grob fahrlässig zu bewerten, kann die nunmehr zuständige Beklagte den Anspruch auf Ersatz des Sachschadens nach § 96 Abs. 2, 2. HS. NBG ganz oder teilweise versagen. Im Rahmen der Ermessensausübung hat sie den Zweck des Gesetzes, den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie eine Bindung der Ermessensausübung durch Verwaltungsvorschriften im Sinne einer ständigen Verwaltungspraxis und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Nach Ziff. 9 der VV zu § 96 NBG ist bei grober Fahrlässigkeit zu prüfen, ob dem Beamten nach Lage der Verhältnisse zugemutet werden kann, den Schaden ganz oder teilweise selbst zu tragen. Diesen Anforderungen genügt die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht. Die Bezirksregierung I. hat zwar in den angefochtenen Bescheiden in zulässiger Weise berücksichtigt, dass ausschließlich das grob fahrlässige Verhalten des Klägers den Schaden herbeigeführt hat. Auch hat sie dem Zweck des Gesetzes entsprechend in ihre Ermessensentscheidung einstellen dürfen, dass gemäß Ziff. 7.1 Satz 4 der VV zu § 96 NBG der Ersatz des entstandenen Sachschadens auf maximal 332,34 EUR in den Fällen der hier vorliegenden Art beschränkt ist, weil der Unfall sich auf der Heimfahrt von der Dienststelle ereignet hat, ohne dass dieser Heimfahrt eine zuvor vom Dienstherrn genehmigte Dienstreise bzw. genehmigter Dienstgang mittels eigenem PKW vorausgegangen war. Rechtliche Bedenken gegen die Anwendung dieser Beschränkung in diesem Fall aus Gründen der Fürsorgepflicht, zu deren Konkretisierung § 96 NBG erlassen worden ist, bestehen nicht, da sich die Begrenzung an dem bei Vollkaskoversicherungen üblichen Wert des Selbstbehalts orientiert und die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch den Kläger zu Erledigung der Dienstgeschäfte nicht - wie es auch Ziffer 7.2 i. V. m. Ziffer 6.1 der VV zu § 96 NBG fordern - vor Antritt der Dienstgeschäfte, die eine Benutzung des Fahrzeugs erforderlich gemacht haben, vom Dienstherr anerkannt worden ist (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22.9.1988 - BVerwG 2 C 2.87, DÖD 1989, 240). Bei der Ermessensausübung ist jedoch nicht die Höhe des Schadens eingestellt und geprüft worden, ob es angesichts einer Schadenshöhe von 5.214,03 EUR dem Kläger nach Lage der Verhältnisse zugemutet werden kann, den Schaden in voller Höhe selbst zu tragen, oder es mit Blick auf die schweren dienstlichen Gründe gerechtfertigt ist, dem Kläger jedenfalls den maximalen Erstattungsbetrag oder einen Teil hiervon als Schadensersatz zu leisten (vgl. zur Ausübung des Ermessens auch Nds. OVG, B. v. 14.2.2005 - 2 LA 827/04 -). Diesbezüglich sind weder in den angefochtenen Bescheiden überhaupt Ausführungen enthalten noch hat die Beklagte die Ermessenserwägungen in zulässiger Weise im Klageverfahren ergänzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.