Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 01.08.2005, Az.: 4 B 31/05
Abschiebung; Abschiebungsandrohung; Altfälle; Anzeigepflicht; Asylantrag; Asylverfahren; ernstliche Zweifel; Hauptsacheverfahren; Kind; Montenegro; Serbien; Wille des Gesetzgebers; Übergangsregelung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 01.08.2005
- Aktenzeichen
- 4 B 31/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50753
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 60 AufenthG
- § 14a Abs 2 AsylVfG
- § 34 AsylVfG
- § 36 Abs 4 AsylVfG
Gründe
Der im Jahr 1997 geborene Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juni 2005 anzuordnen. Hiermit hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für den Antragsteller den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG nicht vorliegen. Es hat weiter dem Antragsteller die Abschiebung nach Serbien und Montenegro angedroht.
Der Antrag hat Erfolg. Es bestehen im Sinne des § 36 Abs. 4 AsylVfG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juni 2005 enthaltenen Abschiebungsandrohung. Diese erlässt nach § 34 AsylVfG das Bundesamt, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keinen Aufenthaltstitel besitzt. Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden (§ 34 Abs. 2 AsylVfG). Hier ist bereits ernstlich zweifelhaft, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Recht für den Antragsteller ein Asylverfahren durchgeführt hat. Der Antragsteller selbst hat keinen Asylantrag gestellt. Vielmehr hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach der Anzeige des Landkreises C. für den Antragsteller auf der Grundlage des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 14a Abs. 2 AsylVfG ein Asylverfahren eingeleitet. Reist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung in das Bundesgebiet ein oder wird es hier geboren, so ist dies nach der genannten Vorschrift dem Bundesamt u.a. dann unverzüglich anzuzeigen, wenn sich ein Elternteil nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält (§ 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG). Die Anzeigepflicht obliegt neben dem Vertreter des Kindes auch der Ausländerbehörde (§ 14a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Mit dem Zugang der Anzeige bei dem Bundesamt gilt ein Asylantrag für das Kind als gestellt (§ 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG). Es ist zweifelhaft, ob § 14a Abs. 2 AsylVfG im Falle des Antragstellers anwendbar ist. Zwar haben seine Eltern hier bereits in der Vergangenheit ein Asylverfahren betrieben und verfügen gegenwärtig nicht über einen Aufenthaltstitel. Der Antragsteller ist aber weder nach dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereist, noch wurde er nach diesem Zeitpunkt in dem Bundesgebiet geboren. Der Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG deutet darauf hin, dass die Vorschrift nicht auf die vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geborenen minderjährigen ledigen Kinder von ehemaligen Asylbewerbern anzuwenden ist (vgl.: VG Göttingen, Beschl. v. 17.3.2005 - 3 B 272/05 -; VG Oldenburg, Beschl. v. 22.6.2005 - 11 B 2465/05 -). § 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG begründet seit dem 1. Januar 2005 eine Anzeigepflicht, wenn ein unter 16 Jahres altes Kind im Bundesgebiet geboren „wird“ und stellt nicht darauf ab, dass es hier geboren „worden ist“. Es existiert auch keine Übergangsregelung, die klarstellte, ob § 14a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geborene Kinder anzuwenden ist. Andererseits stellt sich die Frage, ob Sinn und Zweck der Regelung zu verhindern, dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland entstehen, auf den Willen des Gesetzgebers schließen lassen, auch die sog. „Altfälle“ zu erfassen. Zu erwägen ist weiter, ob die das Verfahren betreffende Vorschrift des § 14a Abs. 2 AsylVfG für den Antragsteller überhaupt eine Belastung darstellt und inwieweit sein Vertrauen auf das Beibehalten der alten Rechtslage schutzbedürftig ist. Die abschließende Klärung dieser Rechtsfragen ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.