Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.07.2005, Az.: 5 A 3675/04

Verfassungskonforme Auslegung des § 70 Abs. 1 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO); Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Verfahrensbeteiligte; Begriff der "lichttechnischen Einrichtung"; Ausnahmegenehmigung zur Anbringung von beleuchteten Werbeträgern als Ermessensentscheidung; Zweck einer Ausnahmevorschrift; Nachschieben zutreffender Erwägungen im gerichtlichen Verfahren; Normzweck des § 49 a StVZO; Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
20.07.2005
Aktenzeichen
5 A 3675/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32191
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2005:0720.5A3675.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 17.09.2007 - AZ: 12 LA 420/05

Verfahrensgegenstand

Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 5. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Herrmann,
die Richterin am Verwaltungsgericht Schütz,
die Richterin am Verwaltungsgericht Ihl-Hett sowie
die ehrenamtlichen Richter Arnold und Büschking
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Unter dem 19.12.2003 beantragte die von der Klägerin, einem Taxiunternehmen, bevollmächtigte Firma D. bei der Beklagten die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach der StVZO zur Beleuchtung der 35 Dachwerbedisplays E. der Klägerin. Es bestehe ein großes Interesse der Werbetreibenden an einer Beleuchtung der Dachwerbung. Eine Verkehrsgefährdung sei damit nicht verbunden, zumal die Beleuchtung nur zur Seite ausstrahle. Aus einem Gutachten der TU F. ergebe sich, dass z.B. ein LKW durch seitliche, retroreflektierende Konturmarkierungen sehr viel verkehrssicherer sei. Demgemäß könnten auch PKW's mit beleuchtetem Display auf dem Dach von der Seite besser wahrgenommen werden. Im Ausland sei beleuchtete Dachwerbung erlaubt. Die EU-Kommission sehe in der Unzulässigkeit beleuchteter Werbeschilder eine Ausfuhrbeschränkung und habe bereits im Mai 2003 ein Mahnverfahren eingeleitet.

2

Mit Bescheid vom 26.01.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab und folgte damit einer Entscheidung des zuständigen Fachministeriums vom 22.01.2004. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Ausnahmen von den Vorschriften der StVZO gemäß § 70 Abs. 1 StVZO nur genehmigt werden könnten, wenn dies nach Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Antragstellers im öffentlichen Interesse liege oder zur Vermeidung einer unbilligen, vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigten Härte notwendig sei. Beleuchtete Dachwerbeträger an Fahrzeugen seien weder vorgeschrieben noch zulässig. Eine Ausnahmegenehmigung könne vorliegend nicht erteilt werden, weil beleuchtete Dachwerbung aus verkehrsbehördlicher Sicht geeignet sei, die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen. Hinsichtlich des Signalbildes von Fahrzeugen habe der Gesetzgeber großes Gewicht auf ein gleichgeartetes Erscheinungsbild gelegt. Das Beleuchtungssystem an Fahrzeugen sei seit langem vereinheitlicht und stelle ein eindeutiges Schutzsystem dar, welches sich die Verkehrsteilnehmer eingeprägt hätten, woran sie sich orientierten und worauf sie zum Teil unterbewusst reagierten. Abweichungen am Beleuchtungssystem könnten andere Verkehrsteilnehmer ablenken und/oder verwirren. Nach fachlicher Einschätzung der Bundesanstalt für Straßenwesen erzeugten beleuchtete Werbetafeln einen hohen Ablenkungseffekt, insbesondere, wenn eine Reihe von Taxen, die mit beleuchteten Werbetafeln ausgerüstet sei, an einem Taxenstand warte. Auch bei einem fahrenden Taxi sei wegen der Bewegung der Werbetafel mit einer relativ hohen Auffälligkeit zu rechnen, selbst wenn die Werbetafel unbeleuchtet sei. Die Anbringungshöhe der Werbetafeln liege nur geringfügig oberhalb der Augenhöhe von Fahrzeugführern. Die Werbetafeln seien somit geeignet, dass besonders dunkel gekleidete Fußgänger übersehen werden könnten, da die beleuchteten Werbetafeln hinsichtlich ihrer Auffälligkeit in Konkurrenz zu Lichtsignalen und Verkehrszeichen träten. Zweck der beleuchteten Werbetafeln sei es, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf sich zu ziehen. Genau diese Zweckbestimmung sei geeignet, die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.

3

Am 18.02.2004 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Antragsablehnung ein. Bei verfassungskonformer Auslegung von § 70 Abs. 1 StVZO bestehe vor allem im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Ein Verbot der beleuchteten Werbung sei unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich. Ein vereinheitlichtes Beleuchtungssystem sei weder Selbstzweck noch ein relevanter Gemeinwohlaspekt. Inzwischen würden zahlreiche Ausnahmen bezüglich der Werbung, der Farben von Taxen usw. zugelassen. Unter Gemeinwohlaspekten könne nur relevant sein, dass die Taxisuchenden die Taxen erkennen und dass keine verkehrsbehindernden oder gefährdenden Ablenkungseffekte verursacht werden. Ein Ablenkungseffekt am Taxenstand bestehe nicht, weil an den Straßen umfangreich auch beleuchtet geworben werde, so dass eine - auch größenmäßig nicht relevante - beleuchtete Taxenwerbung nicht besonders auffalle. Nichts anderes gelte bei einem fahrenden Taxi, zumal unbeleuchtete Werbung in vermehrtem Umfang bereits zugelassen sei, ohne dass nennenswerte Gefahren erkennbar wären. Die Werbetafeln seien auch nicht geeignet, dass besonders dunkel gekleidete Fußgänger übersehen werden könnte, weil sie nicht relevant in Konkurrenz zu Lichtsignalen und Verkehrszeichen träten und nicht besonders auffielen.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2004 wies die Bezirksregierung G. den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Befugnis der Behörden zur Genehmigung von Ausnahmen von den Vorschriften der StVZO gemäß § 70 Abs. 1 StVZO sei nicht unbegrenzt. Die Ermächtigungsnorm solle nicht dazu dienen, Vorschriften zu unterlaufen. Die Einschätzung, dass die beleuchtete Dachwerbung geeignet sei, die Verkehrssicherheit zu gefährden, beruhe auf fachlichen Einschätzungen der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung basiere auf einer bundeseinheitlich beschlossenen Verfahrensweise.

5

Am 23.07.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen führt sie aus, dass eine in Deutschland längst zugelassene, seitlich reflektierende Werbung an LKW's nicht gerade für eine Vereinheitlichung des Beleuchtungssystems spreche. Im Übrigen werde durch eine nicht blendende seitliche Beleuchtung die Verkehrssicherheit sogar erhöht, weil das Fahrzeug besser zu erkennen sei (vgl. Gutachten der TU F.). Eine fachliche Einschätzung der Bundesanstalt für Straßenwesen hinsichtlich beleuchteter Werbung auf PKW's gebe es nach dortiger Auskunft nicht. Mit unbeleuchteten Dachwerbetafeln seien bereits über 2000 Taxen ausgerüstet, ohne dass nennenswerte Gefahren erkennbar wären. Seit Jahrzehnten seien beleuchtete Dachwerbeträger in so stark befahrenen Metropolen wie New York, Sydney, Singapur, aber auch in Europa in Helsinki und seit Anfang 2000 auch die H. Dachwerbeträger in Slowenien (Ljubljana) im Straßenverkehr unterwegs, ohne dass nur eine Verkehrsgefährdung bekannt geworden sei. Inzwischen lägen auch Genehmigungen für die Konkurrenz in Holland (Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht) vor. Es dürfe auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es beleuchtete Verkehrsmittelwerbung (meist Busse) in London, Helsinki, Dublin, Belfast, Amsterdam und Stockholm gebe. Im Vergleich dazu sei die Taxenwerbung ein wesentliches Minus. Auch im Hinblick darauf, dass in Deutschland seit Jahren CityLight-Poster (119 x1 75 cm; beleuchtet an den Bushaltestellen) und CityLightBoards (252 -356 cm; beleuchtete Flächen mit zusätzlich wechselnden Motiven), welche auf den fahrenden Verkehr ausgerichtet seien, erlaubt seien, sei es nicht gerechtfertigt, für die nur 80 x 35 cm großen beleuchteten Dachwerbeträger auf Taxen, welche nur für Fußgänger gedacht seien, eine Verkehrsgefährdung anzunehmen. In Berlin gebe es sogar eine Art "Kinoleinwand" an einer großen zweispurigen Kreuzung mit Licht. Bewegung und Größe hätten keine Auswirkungen auf den Verkehr.

6

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 26.01.2004 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung G. vom 15.07.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO zur Anbringung von beleuchteten Werbeträgern auf Taxen zu erteilen,

  2. 2.

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und in dem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 22.01.2004 und vertieft diese. Die geplante Werbung werde auch nicht durch die Ergebnisse der Studie der Technischen Hochschule F. gestützt. Bei der darin befürworteten Seitenwerbung an LKW's handele es sich um "dezente Werbung" durch reflektierende Farben. Selbstleuchtende Werbedachträger seien damit nicht vergleichbar. Eine Ausnahmegenehmigung könne auch deswegen nicht erteilt werden, weil die Klägerin nicht eine Ausnahme in einem bestimmten Einzelfall anstrebe, sondern es ihr um die grundsätzliche Zulassung beleuchteter Dachwerbeträger gehe. Dass die Klägerin oder die H. GmbH mehr als andere durch die Versagung einer Ausnahmegenehmigung betroffen sein solle, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Interesse an zusätzlichen Werbeeinnahmen dürfte bei allen Taxiunternehmen gleichermaßen vorhanden sein.

9

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

10

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage hat keinen Erfolg.

12

Sie ist zwar zulässig. Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO gegeben. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen, soweit dem nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen. Hat sie in diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie rechtsfähig (BGH, U. v. 29.01.2001, NJW 2001, 1056). Der Klägerin, welche die Ausnahmegenehmigung für 35 Taxen der ihr angehörenden Gesellschaft I. begehrt, fehlt es auch nicht an der Klagebefugnis. Denn es nimmt nicht lediglich letztere am Rechtsverkehr teil, sondern die in der Klageschrift als Klägerin bezeichnete J.. Diese hatte seinerzeit die Firma D. bevollmächtigt. Demgemäß betraf auch der Versagungsbescheid die Klägerin und nicht lediglich die I.. Mithin macht die Klägerin die Verletzung eigener Rechte aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art 19 Abs. 3 GG geltend. Eine Verletzung dieser Rechte ist möglich.

13

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung noch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26.01.2004 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 15.07.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

14

Gemäß § 49 a Abs. 1 Satz 1 StVZO dürfen an Kraftfahrzeugen und deren Anhängern nur die vorgeschriebenen und die für zulässig erklärten lichttechnischen Einrichtungen angebracht sein. Als lichttechnische Einrichtungen gelten auch Leuchtstoffe und rückstrahlende Mittel. Gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO können die zuständigen obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen von allen Vorschriften dieser Verordnung in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller Ausnahmen genehmigen, es sei denn, dass die Auswirkungen sich nicht auf das Gebiet des Landes beschränken und eine einheitliche Entscheidung erforderlich ist.

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Beleuchtete Dachwerbeträger sind lichttechnische Einrichtungen, die weder vorgeschrieben noch für zulässig erklärt sind. Sie dürfen deshalb nur mit Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO angebracht werden. Für die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung ist die Beklagte passivlegitimiert. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 e der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom) vom 14.12.2004 (Nds.GVBl. S. 589) sind nämlich für die Genehmigung von Ausnahmen nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVZO die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig, wobei in den Fällen, in denen - wie hier - die Genehmigungsvoraussetzungen durch das Fachministerium nicht allgemein in Richtlinien näher geregelt sind, nur in Abstimmung mit der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr entschieden werden darf. Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Region Hannover vom 05.06.2001 (Nds. GVBl. S. 348) hat die Beklagte die Rechtsstellung einer kreisfreien Stadt nach Maßgabe des Gesetzes. Es finden die Vorschriften über kreisfreie Städte auf sie Anwendung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Da wegen Fehlens einer allgemeinen Regelung durch Richtlinien die Mitwirkung der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vorliegend erforderlich ist, wurde diese Behörde beigeladen.

16

Im Zeitpunkt des Erlasses des Versagungsbescheides war die Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 1 Nr. 5 f) der Vorgängerregelung, der AllgZustVO-Kom vom 13.10.1998 (Nds. GvBl. S. 661), ebenfalls gegeben. Danach waren die Landkreise und die kreisfreien Städte zuständig für die Entscheidung über Ausnahmen nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO in den Fällen, in denen die oberste Landesbehörde die Voraussetzungen allgemein durch Richtlinien bestimmt oder durch Einzelentscheidung vorgegeben hat. Letzteres war hier der Fall.

17

Bei der Entscheidung über eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde, die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht lediglich, ob die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Derartige Ermessensfehler hat das Gericht nicht festgestellt.

18

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sind vorliegend gegeben. Entgegen der von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren vertretenen Auffassung geht es der Klägerin nicht um die grundsätzliche Zulassung beleuchteter Werbeträger. Zwar dürfte hierauf letztlich das Interesse der D. gerichtet sein; die Klägerin jedoch begehrt lediglich eine Ausnahmegenehmigung für die von ihr mit Dachträgern versehenen Taxen und damit, wenn nicht nur in einem bestimmten Einzelfall, so doch lediglich allgemein für einen bestimmten Antragsteller. Die Auswirkungen dieser Genehmigung würden auch nicht über das Gebiet eines Landes hinausgehen.

19

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht der Zweck von Ausnahmevorschriften darin, besonderen Ausnahmesituationen Rechnung tragen zu können, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten. Ob ein solcher besonderer Ausnahmefall vorliegt, bemisst sich nach dem Ergebnis eines Vergleichs der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall, welcher dem generellen Verbot zu Grunde liegt. Das so gewonnene Merkmal einer Ausnahmesituation ist sodann unverzichtbarer Bestandteil der einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung (BVerwG, Urteil vom 21.02.2002 - 3 C 33.01 - NZV 2002, S. 426 f. m.w.N.).

20

Hieran gemessen haben die Beklagte und die Bezirksregierung G. ursprünglich zwar einen zu strengen Maßstab angelegt. Ihrer den angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegten Auffassung zufolge können Ausnahmen nämlich nur dann genehmigt werden, wenn dies nach Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Antragstellers im öffentlichen Interesse liegt oder zur Vermeidung einer unbilligen, vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigen Härte notwendig ist. An diese Wertungsvorgabe ist die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO jedoch nicht geknüpft.

21

Gleichwohl ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Denn zum einen hat die Klägerin den fehlerhaften Abwägungsmaßstab im gerichtlichen Verfahren korrigiert. Dort hat sie hinsichtlich der Frage eines Ausnahmefalls gemäß § 114 Satz 2 VwGO nämlich die zutreffende Erwägung nachgeschoben, dass das behauptete Interesse, insbesondere auch im Herbst und Winter zusätzliche Einnahmen durch Werbung zu erzielen, bei allen Taxiunternehmen gleichermaßen vorhanden sein dürfte. Weiterhin hat sie darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, mehr als andere (Taxiunternehmer) durch die Versagung der Ausnahmegenehmigung betroffen zu sein. Hieran hat sie die Wertung geknüpft, dass ein besonders gelagerter Fall, welcher es rechtfertigen könnte, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, nicht gegeben sei. Ob die gleichartigen Werbeinteressen sämtlicher Taxiunternehmen der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung an ein einzelnes Taxenunternehmen entgegenstehen oder nicht, kann vorliegend jedoch offen bleiben. Entscheidend wurde der Versagungsbescheid nämlich auf die Erwägung gestützt, dass § 70 Abs. 1 StVZO nicht dazu dienen soll, die Vorschrift des § 49 a StVZO zu unterlaufen.

22

Bei der Entscheidung über eine Ausnahmegenehmigung hat die Behörde dem mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interesse die besonderen Belange der von dem Verbot Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen. Auch soweit diese Belange grundrechtlichen Schutz genießen, können sie grundsätzlich von einem vorrangigen öffentlichen Interesse verdrängt werden (BVerwG, U. v. 22.12.1993 -11 C 45.92 - Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 9). Vorliegend waren abzuwägen das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs mit den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin. Dies hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise getan.

23

Die Regelungen der StVZOüber die Beschaffenheit, die Ausrüstung, die Prüfung und die Kennzeichnung der Fahrzeuge dienen ausweislich der Verordnungsermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 a) StVG unter anderem der Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen. Normzweck des § 49 a StVZO ist es, bei Dunkelheit ein eindeutiges Signalbild von Fahrzeugen zu schaffen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage, § 49 a Rdnr. 4). Hieran fehlt es, wenn beleuchtete Dachwerbeträger zugelassen werden. Mit dieser formalen Begründung für die Versagung hat die Beklagte es jedoch nicht bewenden lassen. Vielmehr hat sie ausgeführt, dass Abweichungen am Beleuchtungssystem andere Verkehrsteilnehmer ablenken und verwirren können und sich insbesondere auf eine dies bestätigende Einschätzung der Bundesanstalt für Straßenwesen gestützt. Wenngleich diese Einschätzung dem Gericht nicht vorgelegt werden konnte, sind die im Versagungsbescheid referierten Ausführungen der Bundesanstalt für Straßenwesen zu dem Ablenkungseffekt ohne weiteres nachvollziehbar. Es besteht auch kein Zweifel an der Zweckbestimmung der beleuchteten Werbetafeln, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf sich zu ziehen. Nach alledem ist die Wertung der Beklagten, dass durch die Erteilung einer Ausnahme die Schutzvorschrift des § 49 a StVZO unterlaufen würde, weil die Zweckbestimmung der beleuchteten Werbetafeln geeignet sei, die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen, nicht zu beanstanden. Zwar hat die Beklagte im Ausgangsbescheid das wirtschaftliche Interesse der Klägerin nicht in ihre Erwägungen eingestellt. Im Widerspruchsbescheid hat die Bezirksregierung G. jedoch auf die mit dem Widerspruch vorgetragenen Argumente der Klägerin Bezug genommen und hat unter deren Berücksichtigung gleichwohl die Versagung der Ausnahmegenehmigung als verhältnismäßig angesehen. Im gerichtlichen Verfahren hat die Beklagte ihre bisherigen Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO ausdrücklich noch dahingehend ergänzt, das dem von der Klägerin geltend gemachten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG, welcher dadurch entstehen solle, dass mangels Beleuchtung während der Herbst- und Wintermonate geringere Einnahmen aus Werbung auf Dachträgern der Taxen erzielt würden, wegen der durch die beleuchteten Dachträger zu befürchtenden Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs kein ausschlaggebendes Gewicht zukomme.

24

Die Beklagte hat mithin in ermessensfehlerfreier Weise alles abgewogen, was abzuwägen war. Insbesondere ist der Versagungsbescheid nicht wegen unzulässigen Eingriffs in das Grundrecht der Freiheit der Berufsausübung der Klägerin gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG rechtswidrig. Allerdings liegt ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung vor. Zu dieser gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die - wie berufliche Werbung - mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Es ist daher allgemein anerkannt, dass staatliche Maßnahmen, die geschäftliche oder berufliche Werbung beschränken, Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind (vgl. BVerfG, B. v. 22.05.1996, BVerfGE 94, 372, 388 m.w.N.). Vorliegend würde die von der Klägerin beabsichtigte Beleuchtung von Fremdwerbung in den Dachwerbeträgern zu ihrer Berufsausübung gehören. Gemäß § 26 Abs. 4 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr vom 21.06.1975 (BGBl. I S. 1573), zuletzt geändert am 22.01.2004 (BGBl. I. S. 117) ist Fremdwerbung an Taxen und Mietwagen auf den seitlichen Fahrzeugtüren zulässig. Durch Allgemeinverfügung (Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 27.11.2003, Nds. MBl. S. 764) wurde für Taxen und Mietwagenunternehmen im Regierungsbezirk G. eine Ausnahmegenehmigung für Werbung mittels Trägervorrichtung auf dem Heck-Kofferraumdeckel und auf dem Dach der Fahrzeuge erteilt. Hieraus wird deutlich, dass bei Taxen- und Mietwagenunternehmen mittlerweile zur Berufsausübung nicht lediglich die Personenbeförderung gehört, sondern auch die Vermietung der Werbeflächen auf den Fahrzeugen. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes vorgenommen werden und muss durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein (BVerfG in st. Rspr. seit dem Urteil vom 11.06.1958, BVerfGE 7, 377). Wie oben ausgeführt, wird die Versagung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO aufgrund der Erwägungen der Beklagten diesen Anforderungen gerecht. Deshalb ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich darüber hinaus bei ihrer Ermessensausübung an der vom Bund-Länder Fachausschuss Technisches Kraftfahrwesen im März 1999 beschlossenen bundeseinheitlichen Verfahrensweise orientiert, für beleuchtete Werbeträger keine Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

25

Die Argumente, mit welchen die Klägerin den Ablenkungseffekt durch die Werbung in Abrede stellt, sind nicht stichhaltig. Insbesondere widerlegt der Umstand, dass bereits zahlreiche Taxen mit unbeleuchteten Werbetafeln ausgestattet sind, nicht die Verkehrsgefährdung durch beleuchtete Dachträger. Denn bei Dunkelheit ist die Teilnahme am Straßenverkehr mit deutlich größeren Gefahren verbunden als am Tage. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse werden Gefahrensituationen erst relativ spät erkannt, und jede Ablenkung bedeutet demgemäß ein erhöhtes Unfallrisiko. Bei Dunkelheit fällt zugleich die beleuchtete Werbung mehr ins Auge als die unbeleuchtete Werbung am Tage und bewirkt dadurch eine größere Ablenkung. Zwar strahlen die Werbedachträger das Licht nur zur Seite ab, so dass sowohl die den Taxen vorausfahrenden als auch die ihnen nachfolgenden Fahrzeuge hierdurch nicht abgelenkt werden. Allerdings findet Straßenverkehr nicht nur "im Gänsemarsch" statt. Sowohl bei entgegenkommenden Taxen als auch im Kreuzungsbereich, auf mehrspurigen Fahrbahnen, beim Abbiegen und vor Taxenständen würden die beleuchteten Dachträger anderen Verkehrsteilnehmern ins Auge fallen und diese ablenken. Der Umstand, dass beleuchtete Werbung durch beleuchtete Schaufenster, CityLightPoster und CityLightBoards bereits zum Straßenbild gehört, führt zu keiner anderen Wertung. Zwar sind die Dachträger kleiner als die vorgenannten Lichtquellen. Besondere Aufmerksamkeit erregen sie jedoch dadurch, dass sie auf der Straße umherfahren. Sie sind auch nicht mit der Werbung an LKW's mit retroreflektierenden Materialien auf den Seitenflächen der Fahrzeuge in Verbindung mit einer Konturmarkierung zu vergleichen, welche gemäß § 53 Abs. 10 StVZO zulässig ist und der Verkehrssicherheit dient. Es ist nämlich nicht nachgewiesen, dass es auch bei PKW's der Verbesserung der Sichtbarkeit über die bisherigen Regelungen hinaus bedarf. Außerdem betrifft die von der Klägerin begehrte Ausnahmegenehmigung nicht lediglich retroreflektierende Materialen innerhalb der Konturen eines PKW, sondern die Beleuchtung eines aufgesetzten Dachträgers. Soweit die Klägerin abstellt auf die Situation im Ausland, bedeutet der Umstand, dass beleuchtete Fahrzeugwerbung in einigen Ländern zugelassen ist, nicht, dass es an einer Verkehrsgefährdung fehlt. Entsprechende Untersuchungen hat die Klägerin jedoch nicht vorgelegt.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO) sind nicht erstattungsfähig, denn sie - die Beigeladene - hat keinen Sachantrag gestellt (vgl. dazu Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 13. Aufl., § 162 Rdnr. 23). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist zwar nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zulässig. Er ist aber nicht begründet, denn es liegt keine für die Klägerin günstige Kostenentscheidung nach § 154 Abs. 1 VwGO vor, wie aus dem vorstehenden Urteil ersichtlich ist (vgl. hierzu Nds. OVG, B. v. 08.09.1980 - 10 OVG B 854/80 -).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an den beleuchteten Werbetafeln.

Dr. Herrmann
Schütz
Ri'inVG Ihl-Hett ist wegen Urlaubs verhindert, das Urteil zu unterschreiben Dr. Herrmann