Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.08.2005, Az.: 10 A 3807/04

Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises (Ausreiseverbot) und Meldeauflage eines Gewalttäters im Zusammenhang mit Sportereignissen ("Hooligan"); Rechtsgrundlage und Voraussetzungen der Beschränkung des Geltungsbereichs eines Personalausweises und einer Meldeauflage; Anforderungen an ein "berechtigtes Interesse" an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines durch Zeitablauf erledigten Verwaltungsaktes

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.08.2005
Aktenzeichen
10 A 3807/04
Entscheidungsform
Endurteil
Referenz
WKRS 2005, 34509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2005:0815.10A3807.04.0A

Verfahrensgegenstand

Meldeauflage und Personalausweisbeschränkung

Redaktioneller Leitsatz

Das Verhalten von deutschen Hooligans im Ausland ist geeignet das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu beschädigen. Daher sind entsprechende Pass- und Personalausweisbeschränkungen gegenüber Hooligans zulässig.
Bei der Gefarenprognose darf ein früheres strafbares Verhalten als Hooligan, sowie die bestehende Mitgliedschaft bei den Hells Angels berücksichtigt werden.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt die Feststellung, dass die Beschränkung des Geltungsbereichs seines Personalausweises und eine Meldeauflage rechtswidrig waren.

2

Der 1971 geborene Kläger wurde zwischen 1993 und 1997 u.a. wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, Betruges und Urkundenfälschung verurteilt. Während der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich war er maßgeblich an dem brutalen Angriff auf den französischen Polizisten Nivel beteiligt, bei dem dieser so schwere Hirnschädigungen erlitt, dass er für den Rest seines Lebens körperlich und geistig behindert sein wird. Der Kläger wurde deswegen 2001 von einem französischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Im April 2002 wurde er aus der Haft entlassen und nach Deutschland abgeschoben. Im Hinblick auf die Verurteilung in Frankreich wurde der Kläger im Juni 2006 durch das Landeskriminalamt Düsseldorf in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert. Bei dieser Datei handelt es sich um eine gemeinsame Datei der Polizeibehörden der Bundesländer und des Bundes, die dazu dient, Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere Fußballspielen, durch zu diesen Veranstaltungen anreisende Gewalttäter zu verhindern. Die Speicherung des Klägers in der Datei "Gewalttäter Sport" ist bis zum 30.06.2007 vorgesehen. Für den gleichen Zeitraum ist der Kläger mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt.

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In der Zeit vom 12.06.2004 bis zum 04.07 2004 fand in Portugal die Fußballeuropameisterschaft statt. Im Hinblick hierauf ordnete die Beklagte mit Bescheid vom 02.06.2004 an, dass der Personalausweis des Klägers, der zu dieser Zeit keinen Pass besaß, vom 10.06.2004 bis zum 04.07.2004 nicht zum Verlassen des Gebiets des Geltungsbereichs des Grundgesetzesüber eine Auslandsgrenze berechtigt. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag verpflichtete sie den Kläger, in der Zeit vom 12.06.2004 bis einschließlich 04.07.2004 einmal täglich bis 10.00 Uhr beim Polizeikommissariat .........vorzusprechen. Nach Absprache mit dem Polizeikommissariat .......... sollte der Kläger dieser Meldeauflage auch an einem anderen Ort, z.B. dem Ort der Arbeitsstätte, nachkommen können. Für den Fall, dass der Kläger der Meldeauflage nicht nachkommt, wurde ihm für jede unterbliebene Meldung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro angedroht. Zur Begründung dieser Maßnahmen führte die Beklagte u.a. aus, es sei zu befürchten, dass die gewaltbereite deutsche Szene auch die Fußballeuropameisterschaft 2004 zum Anlass nehmen werde, sich erneut an Ausschreitungen zu beteiligen. Sollte es hierzu kommen, würde das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland erheblichen Schaden nehmen. Insbesondere bei Szeneangehörigen mit sehr hohem Gewaltpotenzial und solchen, die einschlägig in diesem Bereich auffällig geworden seien, seien Maßnahmen zur Verhinderung der Ausreise zur Fußballeuropameisterschaft unerlässlich. Der Kläger sei der gewaltbereiten Szene zuzuordnen, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass er beabsichtige, sich anlässlich der Fußballeuropameisterschaft an gewalttätigen Auseinandersetzungen in Portugal zu beteiligen. Nach polizeilichen Erkenntnissen habe er sich nach der Haftentlassung den Hells Angels in Hannover angeschlossen. Nach vorliegenden gesicherten polizeilichen Erkenntnissen verfestige sich eine Verbindung zwischen den hannoverschen Hooligans und den Hells Angels Hannover. Die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises sei daher erforderlich und geeignet, den Kläger an einer Reise nach Portugal zu hindern. Im Hinblick auf den Wegfall bzw. die Einschränkung der Grenzkontrollen durch das Schengener Abkommen sei die Ausreisebeschränkung allein aber nicht ausreichend. Angesichts einer nicht durchführbaren lückenlosen Kontrolle entlang der Grenzen sei es deshalb erforderlich, die ausweisrechtliche Maßnahme mit einer Meldeauflage zu kombinieren.

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Mit Beschluss vom 17.10.2004 lehnte die Kammer einen gegen diese Maßnahmen gerichteten Eilantrag des Klägers ab (Az.: 10 B 2973/04). Rechtsmittel gegen diesen Beschluss legte der Kläger nicht ein. Der angeordneten Meldeauflage kam der Kläger im Wesentlichen nach. Den vom Kläger gegen die Meldeauflage eingelegten Widerspruch wies der Landkreis Hildesheim mit Bescheid vom 29.06.2004 zurück. Das Widerspruchsverfahren wegen der Ausweisbeschränkung stellte der Landkreis Hildesheim am 09.07.2004 ein, weil sich die Verfügung durch Zeitablauf erledigt habe.

5

In der Folgezeit verfügte die Beklagte auch im Hinblick auf das Fußballländerspiel Österreich - Deutschland am 18.08.2004 in Wien eine Personalausweisbeschränkung sowie eine Meldeauflage. Hiergegen gerichtete Eilanträge blieben bei dem erkennenden Gericht erfolglos (Az.: 10 B 3956/04 und 10 B 3958/04). Die vom Kläger eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 29.09.2004 (Az.: 13 ME 400/04) zurück, weil sie erst am 30.08.2004 und damit zu einem Zeitpunkt erhoben worden sei, zu dem sich die angeordneten Maßnahmen durch Zeitablauf erledigt gehabt hätten.

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Am 30. Juli 2004 hat der Kläger im Hinblick auf die anlässlich der Fußballeuropameisterschaft angeordneten Maßnahmen Klage erhoben, mit der er die Feststellung erstrebt, dass die Verfügungen der Beklagten rechtswidrig waren. Er ist der Auffassung, die Beklagte habe nicht konkret dargetan, dass von ihm ein erhebliches konkretes Gewaltpotenzial ausgehe. Seit seiner Entlassung aus Frankreich sei er nicht mehr straffällig geworden. Er habe auch keinerlei Kontakt zur Hooligan-Szene. Ausreiseverbot und Meldeauflage beschränkten ihn in seinen grundrechtlichen Rechten ohne konkreten erkennbaren Bezug außer der Verurteilung in Frankreich. Die dort verhängte Freiheitsstrafe habe er nahezu vollständig verbüßt. Die Maßnahme der Beklagten stellten eine unzulässige Doppelbestrafung dar.

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Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 02.06.2004 rechtswidrig waren.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung beruft sie sich unter Vertiefung im Einzelnen auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 2973/04, 10 B 3956/04 und 3958/04 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf erledigten Verwaltungsakte, um durch die erstrebte Feststellung einer Wiederholung der Verwaltungsakte vorzubeugen. Ein solches Interesse setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 1989 - BVerwG 7 B 108.89 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211 m.w.N.). Dabei ist nicht der Nachweis erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zu Grunde liegen werden wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts. Denn entscheidend ist die Klärung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zukünftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09. Mai 1989 - BVerwG 1 B 166.88 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 202; Urteil vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 -, Buchholz a.a.O. Nr. 95). Zutreffend kann der Kläger im vorliegenden Fall darauf verweisen, dass er seit der Aufnahme seiner Personalien in die Polizei-Datei "Gewalttäter Sport" auch künftig bei Fußballspielen damit rechnen muss, dass ihm Meldeauflagen erteilt werden und der Geltungsbereich seines Personalausweises beschränkt wird.

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Der während des Klageverfahrens erfolgte Umzug des Klägers nach Hannover und die hierdurch begründete Zuständigkeit einer anderen Ordnungsbehörde ändert hieran nichts. Denn wie die ursprünglich zuständige Stadt Sarstedt ist auch die nunmehr zuständige Landeshauptstadt Hannover gehalten, Vorsorge dafür zu treffen, dass die von gewaltbereiten Personen anlässlich von Fußballspielen drohenden Gefahren sich möglichst nicht realisieren. Dem entsprechend hat sie in der Vergangenheit auch schon Verfügungen erlassen, die den hier zu beurteilenden vergleichbar sind. Die vom Kläger angestrebte gerichtliche Entscheidung ist daher geeignet, das künftige Verhalten der nunmehr zuständigen Ordnungsbehörde zu beeinflussen.

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Das Feststellungsbegehren des Klägers ist nicht begründet. Die Beschränkung seines Personalausweises und die ihm erteilten Meldeauflagen waren rechtmäßig.

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Rechtsgrundlage für die von der Beklagten ausgesprochene Beschränkung des Gültigkeitsbereichs des Personalausweises ist § 2 Abs. 2 des Gesetzes über Personalausweise in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 des Passgesetzes. Danach kann angeordnet werden, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen des Bundesgebietes berechtigt, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sind.

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Die Beklagte ging bei Erlass der vom Kläger beanstandeten Maßnahme zu Recht davon aus, dass als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland auch Handlungen gewertet werden konnten, die geeignet waren, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden, und dass das Auftreten deutscher Hooligans in Portugal während der Fußballeuropameisterschaft das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen würde. Bei den sog. Hooligans handelt es sich um Personen, die in Gruppen Fußballspiele zum Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen nehmen und dabei auch schwere Straftaten (z.B. Landfriedensbruch, Delikte gegen Leben, Gesundheit und Eigentum) begehen. Dass derartige Handlungen bei einer internationalen Sportveranstaltung dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland erheblichen Schaden zufügen, wenn sie von deutschen Staatsangehörigen begangen werden, liegt auf der Hand (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 14.06.2000 - 1 S 1271/00 -, DVBl 2000, 1630; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 09.06.2000 - 17 L 1254/00 -, zit. nach juris).

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Auf der Grundlage der Erkenntnisse der Polizei war Anfang Juni 2004 auch davon auszugehen, dass deutsche Hooligans beabsichtigten, anlässlich der Fußballeuropameisterschaft nach Portugal zu reisen. In dem zu den Verwaltungsvorgängen der Beklagten gelangten Bericht der Polizeidirektion Hannover vom 05.02.2004 wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Europameisterschaft für Angehörige der Hooliganszene ein herausragendes Schlaglicht bilde. Dies gelte insbesondere für Spiele der deutschen Nationalmannschaft, jedoch bestehe auch ohne deren Beteiligung bzw. ohne deren Erreichen der Finalrunde in der Szene ein hohes Interesse an der Europameisterschaft über die gesamte Meisterschaftsrunde. Es gehöre zur szenetypischen Vorstellung, grundsätzlich bei allen Spielen einer internationalen Meisterschaft gegnerisches Konfliktpotenzial im Umfeld teilnehmender Mannschaften antreffen zu können. Daraus sei zu schließen, dass die Europameisterschaft 2004 im Ganzen als Plattform für szenetypische Auseinandersetzungen angesehen werde.

18

Der Kläger gehörte auch zu dem Personenkreis, von dem bei einem Aufenthalt in Portugal eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland zu befürchten war. Zwischen 1993 und 1997 wurde der Kläger u.a. wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Betruges, Körperverletzung und Urkundenfälschung verurteilt. Während der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich war er maßgeblich an dem brutalen Angriff auf den französischen Polizisten Nivel beteiligt, bei dem dieser so schwere Hirnschädigungen erlitt, dass er für den Rest seines Lebens körperlich und geistig behindert sein wird. Der Kläger wurde deswegen 2001 von einem französischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt; im April 2002 wurde er aus der Haft entlassen und nach Deutschland abgeschoben. Wäre der Antragsteller erneut an gewalttätigen Auseinandersetzungen im Ausland beteiligt, würde dies das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland auf das Schwerste schädigen.

19

Auch die Einschätzung der Beklagten, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, der Kläger werde aus Anlass der Fußballeuropameisterschaft nach Portugal reisen, ist nicht zu beanstanden. Dass der Erklärung des Klägers, er wolle nicht nach Portugal fahren, kein erhebliches Gewicht beizumessen war, liegt auf der Hand. Entgegen seinen Angaben war vielmehr davon auszugehen, dass er nach wie vor Kontakte zur hannoverschen Hooliganszene hat. So war er anwesend, als es am 30.06.2002 auf dem Schützenplatz in Hannover vor dem Festzelt "Herrenhäuser" nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Türstehern und hannoverschen Hooligans kam. Wenn auch das gegen ihn seinerzeit eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, belegte dieser Vorfall doch die Nähe des Klägers zu den hannoverschen Hooligans. Nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen der Polizeidirektion Hannover hatte sich der Kläger den Hells Angels in Hannover angeschlossen. Wie der Kläger durch seine Angabe in der mündlichen Verhandlung, er sei Mitglied der Hells Angeles, bestätigt hat, traf diese Einschätzung zu. Da sich nach Einschätzung der Polizeidirektion Hannover, die in deren Schreiben an die Beklagte vom 13.08.2004 und durch die Ausführungen von Polizeioberrat ........... in der mündlichen Verhandlung überzeugend begründet wurde, eine Verbindung zwischen den hannoverschen Hooligans und den Hells Angels Mitte des Jahres 2004 verfestigte, bestand durchaus eine für die hier zu treffende Gefahrenprognose hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich der Kläger auch künftig anlässlich von Fußballspielen gewalttätig verhalten wird. Dabei berücksichtigt das Gericht durchaus, dass der Kläger in den gut zwei Jahren zwischen seiner Abschiebung nach Deutschland nach seiner Haftentlassung im April 2002 und dem Entscheidungszeitpunkt der Beklagten Anfang Juni 2004 nicht straffällig geworden war. Insbesondere angesichts der Schwere der vom Kläger in Frankreich begangenen Tat kam dieser vergleichsweise kurzen Zeit straffreien Verhaltens für die hier zu treffende Prognose aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bereits früher verurteilt worden war, weil er Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit begangen hatte, und sich eine glaubhafte Abwendung von der gewaltbereiten Hooligan-Szene - wie dargestellt - nicht feststellen ließ.

20

Die Beschränkung des Gültigkeitsbereiches des Personalausweises verletzte auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie war geeignet und erforderlich, um die von dem Kläger ausgehende Gefahr, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen, abzuwehren. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger nicht zumutbar war, sich während der Dauer der Fußballeuropameisterschaft ausschließlich im Bundesgebiet aufzuhalten, sind nicht ersichtlich und werden von ihm auch nicht vorgetragen. Da nach der überzeugenden polizeilichen Einschätzung auch ohne Beteiligung der deutschen Nationalmannschaft ein hohes Interesse der Hooliganszene an der gesamten Meisterschaftsrunde bestand, war es auch erforderlich, das Ausreiseverbot auf die gesamte Dauer der Europameisterschaft zu erstrecken und nicht etwa auf den Zeitpunkt des Ausscheidens der deutschen Mannschaft zu befristen.

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Schließlich bedeutete die von der Beklagten verfügte Maßnahme auch keine unzulässige Doppelbestrafung. Denn sie diente allein der Gefahrenabwehr und zielte nicht auf eine Bestrafung des Klägers. Dass dieser sie möglicherweise als "Strafe" empfunden hat, ändert hieran nichts.

22

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten verfügte Auflage, in der Zeit vom 12.06.2004 bis 04.07.2004 einmal täglich bis 10.00 Uhr beim Polizeikommissariat ........ persönlich vorzusprechen, ist § 11 Nds. SOG. Danach kann die Verwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

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Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel ist nicht durch die bundesrechtlichen Regelungen über Pass- und Personalausweisbeschränkungen ausgeschlossen. Diese begegneten der von dem Kläger ausgehenden Gefahr, dass er das internationale Ansehen Deutschlands schädigt, dadurch, dass ihm die - legale - Ausreise aus dem Bundesgebiet unmöglich gemacht wird. Die hier vor dem Hintergrund weitgehend aufgehobener Grenzkontrollen anzunehmende Gefahr, dass der Kläger das Bundesgebiet gleichwohl verließ, konnte durch die in den bundesrechtlichen Regelungen vorgesehenen Maßnahmen dagegen nicht abgewehrt werden. Dass der Bundesgesetzgeber die polizeilichen Maßnahmen zur Abwehr der in § 7 Abs. 1 PassG genannten Gefahren abschließend regeln wollte, ist nicht ersichtlich, zumal für Maßnahmen außerhalb des Passwesens eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nicht gegeben ist.

24

Die Meldeauflage war - insbesondere im Hinblick auf das dem Kläger für jede unterbliebene Meldung angedrohte Zwangsgeld, gegen dessen Rechtmäßigkeit Bedenken nicht bestehen - auch geeignet, um zu verhindern, dass der Kläger ohne gültigen Personalausweis nach Portugal reist. Sie war auch erforderlich, da angesichts der weitgehend aufgehobenen Grenzkontrollen die Beschränkung der Gültigkeit des Personalausweises allein nicht ausreichte, um zu verhindern, dass der Kläger das Bundesgebiet verließ. Da - wie schon oben festgestellt - nach der polizeilichen Einschätzung auch ohne Beteiligung der deutschen Nationalmannschaft ein hohes Interesse der Hooliganszene an der gesamten Meisterschaftsrunde bestand, war es auch erforderlich, dass sich der Kläger während der gesamten Dauer der Europameisterschaft und nicht nur an den Spieltagen der deutschen Mannschaft bzw. nicht nur bis zu deren Ausscheiden bei der Polizei meldete. Nach dem Inhalt der Verfügung konnte der Kläger nach Absprache mit dem Polizeikommissariat Sarstedt der Meldeauflage auch an einem anderen Ort (z.B. dem Ort der Arbeitsstätte) nachkommen, so dass die Wohnsitzauflage schließlich auch nicht unverhältnismäßig war.

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Als Unterlegener hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGo-in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO), liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG.

Reccius