Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.07.2005, Az.: 2 A 639/03
Alimentation; Beamter; Mindestversorgung; Pastor; Verwendungseinkommen; Witwengeld
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.07.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 639/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50740
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 21.09.2006 - AZ: BVerwG 2 C 22/05
Rechtsgrundlagen
- § 105 S 2 Nr 5 BeamtVG
- § 53 Abs 5 S 3 BeamtVG
- § 53 Abs 5 S 2 BeamtVG
- Art 14 Abs 1 GG
- Art 3 Abs 1 GG
- Art 33 Abs 5 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
§ 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Der Bezieher von Verwendungseinkommen hat keinen Anspruch darauf, dass ihm daneben ein Mindestbetrag des von seinem verstorbenen Ehegatten erworbenen Versorgungsanspruchs erhalten bleibt.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Der Streitwert wird auf 11.002,70 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der am ... geborene Kläger ist Pastor der evangelischen Kirche und erhält Bezüge nach A 14 PfarrBesG. Er ist Vater zweier am ... und ... geborener Kinder. Am ... verstarb seine Ehefrau, die Beamtin im niedersächsischen Schuldienst mit Bezügen aus der BesGr A 12 BBesO war.
Mit Bescheid vom 19.08.2002 setzte der Beklagte die Bruttoversorgung des Klägers nach seiner verstorbenen Ehefrau in Höhe des Kindergeldes für ein Kind mit 154,- € fest.
Am 13.09.2002 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und führte aus, dass er die 20%-ige Mindestversorgung nicht erhalte, entspreche zwar nach § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG der derzeitigen Gesetzeslage. Die Vorschrift sei aber verfassungswidrig. Die gesamte Lebensführung und die Unterhaltsverpflichtungen seien darauf ausgerichtet, dass es einen mitverdienenden Ehepartner gegeben habe. Insbesondere die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern seien vom bisherigen Lebenszuschnitt einer Doppelverdiener-Beamtenehe geprägt. Durch den Wegfall der Versorgungsbezüge werde er wie ein Alleinverdiener behandelt. Dieses widerspreche dem Grundsatz der angemessenen Alimentation. Der Wegfall der Witwerversorgung stelle auch einen Eingriff in seine Eigentumsrechte dar. Seine verstorbene Ehefrau habe aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst einen Versorgungsanspruch erdient, der aufgrund ihres Todes jedenfalls in Bezug auf seine Person ersatzlos entfallen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2003 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.02.2003 Klage erhoben. Er trägt weiter vor, er sei seit dem Tod seiner Ehefrau den beiden Söhnen allein zum Unterhalt verpflichtet. Zwar erhielten die Kinder Waisengeld. Er sei als Bezieher eines Verwendungseinkommens aber schlechter gestellt als eine Person, die aus einer privatrechtlichen Tätigkeit Einkommen erziele. Wäre er nicht Pastor, erhielte er Witwergeld unabhängig von der Höhe seines Arbeitseinkommens. Die bestehende Gesetzeslage führe dazu, dass ein gutverdienender leitender Angestellter außerhalb des öffentlichen Dienstes die Mindestversorgung ohne Rücksicht darauf erhalte, ob diese zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebenszuschnitts überhaupt erforderlich sei. Für diese Differenzierung gebe es keinen sachlichen Grund. Die Hinterbliebenenversorgung leite sich aus dem Beamtenstatus der Verstorbenen her. Deren erreichtes Amt, die erreichte ruhegehaltsfähige Dienstzeit und deren Lebensalter seien maßgebende Variablen für die Höhe der Hinterbliebenenversorgung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse auch bei einem hohen Erwerbseinkommen ein zusätzliches Witwengeld erhalten bleiben. Ein versorgungsrechtlicher Mindestausgleich sei in jedem Fall zu gewährleisten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Bescheids vom 19.08.2002 und des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2003 zu verpflichten, ihm einen Betrag in Höhe von 20 % seines Versorgungsbezuges nach seiner verstorbenen Ehefrau Petra Brauer gemäß § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, er habe mit Bescheid vom 19.08.2002 das Witwergeld des Klägers festgesetzt und ebenfalls am 19.08.2002 einen Bescheid über die Anrechnung von Erwerbseinkommen erlassen. Art. 33 Abs. 5 GG verpflichte den Gesetzgeber zur Beachtung des versorgungsrechtlichen Kernbestandes des Berufsbeamtentums. Hierzu gehöre die amtsangemessene Alimentation. Bei deren Ausgestaltung habe der Gesetzgeber aber einen weiten Gestaltungsspielraum; insbesondere habe der Beamte keinen Anspruch darauf, dass die Versorgungsregelungen, unter denen er in das Berufsbeamtentum eingetreten sei, unverändert erhalten blieben. Eine Verletzung des Kernbereichs der Alimentationspflicht liege nicht vor. Die amtsangemessene Alimentation sei auch nicht mit einer „Lebensstandardgarantie“ im Sinne des § 1578 BGB vergleichbar. Es treffe nicht zu, dass der Kläger seit dem Tod seiner Ehefrau den beiden Söhnen allein zum Unterhalt verpflichtet sei. Soweit die versorgungs- und kindergeldrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, hätten die Kinder einen eigenständigen Waisengeldanspruch. Seit 01.01.1999 sei außerdem auch ein Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes anrechenbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Nach § 53 Abs. 5 BeamtVG hat der Kläger keinen Anspruch auf einen Mindestversorgungsbetrag in Höhe von 20 % des Versorgungsbezuges nach seiner verstorbenen Ehefrau. Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, die auf den vorliegenden Versorgungsfall anzuwenden ist, vgl. § 69 e Abs. 1 und 2 BeamtVG.
Der mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BGBl I S. 3926) zum 01.01.2002 in § 53 Abs. 5 BeamtVG eingefügte zweite Satz schließt den 20 %-igen Mindestbelassungsbetrag nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG für diejenigen Versorgungsberechtigten aus, die Verwendungseinkommen aus mindestens derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Vergütungsgruppe beziehen, aus der sich auch die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge bestimmen. Dies ist nach Wortlaut und Zielsetzung der Regelung nicht zweifelhaft, die lautet: „Satz 1 gilt nicht beim Bezug von Verwendungseinkommen...“. Die Neuregelung soll nach der Begründung des Gesetzgebers eine Doppelalimentation verhindern, weil neben den Dienstbezügen kein Bedarf für ergänzende Versorgungsleistungen bestehe (vgl. BT-Drucks 14/7064, S. 40). Der Zweck der Neuregelung ist dabei, wegen der erheblich gestiegenen Ausgaben für die Beamtenversorgung, die ihre Ursachen in der demografischen Entwicklung, der hohe Zahl von Frühpensionierungen und einem „Versorgungsberg“ haben, eine bei den Rentenversicherungsträgern bereits erzielte Einsparung in vergleichbarer Weise auch bei den öffentlichen Versorgungshaushalten zu erreichen und dabei die Maßnahmen der Rentenreform auf systemgerechte Weise wirkungsgleich in die Beamtenversorgung zu übertragen.
Die Vorraussetzungen des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG liegen beim Kläger vor. Er bezieht ein Verwendungseinkommen mindestens aus derselben Besoldungsgruppe oder einer vergleichbaren Vergütungsgruppe, aus der sich auch die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge bestimmen. Wie sich aus § 53 Abs. 8 Satz 1 BeamtVG ergibt, ist unter Verwendungseinkommen im Sinne des BeamtVG ein Erwerbseinkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst zu verstehen. Der Kläger bezieht auch ein solches Verwendungseinkommen. Zwar sind nach der Definition in § 53 Abs. 8 Satz 2 BeamtVG die Beschäftigten bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften vom öffentlichen Dienst zunächst ausgenommen, zu denen der Kläger als Bediensteter beim evangelisch-lutherischen Landeskirchenamt Hannover gehört. Abweichend von diesem Grundsatz unterliegt ein Verwendungseinkommen aus dem Dienst bei den niedersächsischen evangelischen Landeskirchen und ihren Verbänden aber weiterhin der Ruhensregelung nach § 53 BeamtVG. Der Dienst bei den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen ist aufgrund des Art. 1 Abs. 2 des Kirchenvertrages vom 19.03.1955, der durch das Gesetz vom 18.04.1955 (Nds. GVBl Sb I S. 369) ratifiziert worden ist, dem Beamtenverhältnis nämlich weiterhin gleichgestellt, soweit dies bis zum 31.08.1960 der Fall war. Danach war im Rahmen der bisherigen §§ 179 ff NBG bis zum 31.12.1976 der Dienst bei den niedersächsischen evangelischen Landeskirchen weiterhin als öffentlicher Dienst anzusehen und ein Einkommen aus einer derartigen Verwendung zu regeln, vgl. § 188 Satz 2 NGB i.d.F. vom 01.05.1963 (Nds. GVBl. S. 95). Nach § 105 Satz 2 Nr. 5 BeamtVG bleiben u.a. die nach dem Inkrafttreten des BeamtVG zum 01.01.1977 geltenden Landesgesetze und Verwaltungsvereinbarungen über die Anwendung der Ruhensvorschriften bei Verwendung im Dienst öffentlicher Religionsgesellschaften und ihrer Verbände in Kraft. Aufgrund der Formulierung „Anwendung der Ruhensvorschriften“ und wegen Fehlens einer Regelung, die die seinerzeitige Rechtslage hinsichtlich des Inhalts der Ruhensregelung ausdrücklich festschreibt, sind nach der Regel, dass neues Recht grundsätzlich sofortige Geltung beansprucht, daher die Ruhensvorschriften - des BeamtVG - in ihrer jeweils geltenden Fassung bei den Beschäftigten der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften im Lande Niedersachsen zugrunde zu legen.
Wie sich aus der Mitteilung der Norddeutschen Kirchlichen Gesellschaft für Informationsdienstleistungen mbH vom 08.05.2003 ergibt, liegt das Verwendungseinkommen des Klägers nach dem PfarrBesG auf der Höhe der Bezüge nach der BesGr A 14 BBesO und damit im Sinne des § 53 Abs. 5 Satz 2 BeamtVG über der BesGr A 12, aus der sich die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge bestimmen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Gegen die Regelung des § 53 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 BeamtVG bestehen nach der Überzeugung der Kammer auch keine so schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Vorschrift als verfassungswidrig anzusehen ist.
Soweit der Kläger einen Eingriff in seine Eigentumsrechte in Gestalt des durch eine Doppelverdiener-Beamtenehe geprägten Lebenszuschnitts geltend macht, verletzt die Anrechnungsvorschrift die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Zwar genießt die Rechtsposition eines Versorgungsberechtigten Eigentumsschutz dann, wenn es um eine vermögenswerte Rechtsposition geht, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruht und seiner Existenzsicherung dient (vgl. BVerfG, B. v. 18.02.1998 - 1 BvR 1318/86 - zur Hinterbliebenenversorgung nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung). Der hier streitige Versorgungsanspruch beruht aber weder auf einer dem Kläger zurechenbaren Eigenleistung noch ist er für die Sicherung seiner Existenz notwendig. Soweit vermögensrechtliche Ansprüche betroffen sind, ist Art. 33 Abs. 5 GG lex specialis gegenüber Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfGE 17, 337).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht deshalb gegeben, weil nach § 53 Abs. 5 Satz 2 und 3 BeamtVG zwar Verwendungseinkommen, nicht aber sonstigen gleich hohe oder sogar höhere Einkünfte zum Wegfall des 20 %-igen Mindestbelassungsbetrages führen. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nämlich nur vor, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt. Für die hier streitige Regelung besteht ausweislich der Motive des Gesetzgebers ein nachvollziehbarer sachlicher Grund aber in der Verhinderung einer Doppelalimentation (vgl. zur doppelten Alimentation ausscheidender Abgeordneter: BVerfG, B. v. 04.11.1992 - 2 BvR 699/91 -). Der Kläger kann sich deshalb nicht erfolgreich darauf berufen, dass ihm dann, wenn er aus einer Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes gleich hohe oder sogar höhere Bezüge hätte, daneben 20 % des Versorgungsbezuges nach seiner Ehefrau verblieben. Die Regelung soll nämlich eine mehrfache Sicherung des Lebensunterhalts gerade durch Leistungen aus - ggf. auch verschiedenen - öffentlichen Kassen vermeiden.
Allerdings ergeben sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 11.10.1977 - 2 BvR 407/76 - ; Beschl. v. 04.11.1992 - 2 BvR 699/91 - ; Beschl. v. 28.02.1996 - 1 BvR 1039/94 - ) durchaus Anhaltspunkte für Zweifel daran, ob die vom Gesetzgeber getroffene Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang steht. Die Beschlüsse vom 11.10.1977 und 28.02.1996 deuten nämlich darauf hin, dass es nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts einen aus dem Gleichbehandlungsgebot hergeleiteten Anspruch des Beamten geben könnte, dass wenigstens ein Rest des von seinem verstorbenen Ehegatten erworbenen Versorgungsanspruches erhalten bleibt. Aus den zitierten Entscheidungen lässt sich indes nicht entnehmen, dass das Bundesverfassungsgericht dies auf alle beamtenversorgungsrechtlichen Konstellationen als Grundsatz erstrecken wollte. Erhebliche Zweifel hieran ergeben sich insbesondere aus dem Beschluss vom 11.10.1977 (E 46, 97, 107 ff). In dem entschiedenen Ausgangsfall wurde der betroffenen Beamtin in die nach ihrem verstorbenen Ehemann bezogene Witwenrente erst gekürzt, nachdem sie selbst in den Ruhestand trat und eine selbst erdiente Versorgung bezog. Im Rahmen der Begründung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Dem Pensionisten mit den schmäleren Bezügen wird eine erheblich niedriger bemessene Höchstgrenze als dem aktiven Beamten mit den vollen Dienstbezügen zugemutet. Der Eintritt in den Ruhestand führt nicht nur zur Kürzung der selbsterdienten Bezüge, sondern auch noch zur drastischen Beschneidung des von dem verstorbenen Ehemann erdienten Witwengeldes“. Dieses Begründungselement bietet Raum für ein Verständnis dahin, dass nur dann, wenn der hinterbliebene Beamte selbst Bezieher von - gegenüber den Bezügen als aktiver Beamter reduzierten - Versorgungsleistungen ist, er nicht auch noch zusätzlich dadurch belastet werden soll, dass der Witwengeldanspruch in voller Höhe ruht, wie dies nach der dem entschiedenen Fall zugrundeliegenden hamburgischen Regelung vorgesehen war. Nach der betroffenen Vorschrift sollte der Witwengeldanspruch in voller Höhe ruhen, sobald der überlebende im Beamtenverhältnis stehende Ehepartner in den Ruhestand tritt. Diese Ungleichbehandlung gegenüber aktiven Beamten hat das Bundesverfassungsgericht als mit der Gerechtigkeitsidee nicht vereinbar angesehen. Die zugrunde liegende Situation lässt sich auf die des vorliegenden Verfahrens indes nicht unmittelbar übertragen.
Die Garantie eines Mindestgehaltes einer Versorgung nach dem verstorbenen Ehegatten bei Bezug eigenen Verwendungseinkommens zählt auch deshalb nicht zu den hergebrachten Grundsätzen der Alimentation, weil die entsprechende gesetzliche Regelung erst durch Art. 6 des Versorgungsreformgesetzes vom 29.06.1998 (BGBl I S. 1666, 1674) mit Wirkung vom 01.01.1999 in § 53 Abs. 5 BeamtVG (als dessen einziger Satz) aufgenommen worden ist. Hat die Regelung der uneingeschränkten Belassung von mindestens 20 v. H. des Versorgungsbezuges nur drei Jahre lang Bestand gehabt, kann sie nicht an den hergebrachten Grundsätzen teilhaben.
Zwar kennt die dem § 53 Abs. 5 BeamtVG entsprechende Regelung des § 54 Abs. 3 BeamtVG Fälle eines Ausschlusses eines 20 %igen Mindestbelassungsbetrages nicht, weil insoweit der Gesetzgeber Konsequenzen aus der Entscheidung des BVerfG vom 11.10.1977 (E 46, 97, 107 ff) gezogen hat, nämlich durch Art. V § 1 Nr. 6 des 7. Bundesbesoldungserhöhungsgesetzes (BGBl I 1998, 357) mit Wirkung vom 01.11.1997. Seine Erkenntnis, dem Versorgungsberechtigten müsse (neben dem eigenen Versorgungsanspruch) wenigstens ein Rest des vom Ehegatten erdienten Versorgungsanspruchs erhalten bleiben, beschränkt sich aber auf den Fall des Zusammentreffens zweier Versorgungsbezüge in der Person eines Versorgungsberechtigten.
Anhaltspunkte dafür, dass der Fall eines noch im aktiven Dienst stehenden Beamten, der daneben Versorgungsbezüge erhält, anders zu beurteilen sein könnte, ergeben sich aus dem Beschluss vom 04.11.1992. Darin ging es um einen Beamten, der neben seinen aktiven Bezügen ein Übergangsgeld als ausgeschiedener Landtagsabgeordneter erhielt. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht nämlich unter anderem ausgeführt, eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liege nicht vor. Der sachliche Grund für die gesetzliche Differenzierung sei darin zu sehen, dass eine doppelte Alimentation ausscheidender Abgeordneter aus öffentlichen Kassen verhindert werde. Zwar beinhalte das Alimentationsprinzip den Grundsatz, dass der Lebensunterhalt des Einkommensbeziehers und seiner Familie unabhängig davon zu sichern sei, ob und inwieweit er in der Lage sei, diesen Lebensunterhalt aus privatrechtlichen Ansprüchen oder privatem Vermögen zu bestreiten. Es bestehe jedoch kein Anspruch des Einkommensbeziehers auf mehrfache Sicherung des Lebensunterhalts durch - eventuell verschiedene - öffentliche Kassen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Kammer somit jedenfalls die Verfassungswidrigkeit des § 53 Abs. 5 Satz 2 und 3 BeamtVG nicht feststellen.
Auch ein Verstoß gegen die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte amtsangemessene Alimentation dürfte nicht vorliegen. Art. 33 Abs. 5 GG bindet den Gesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung des Beamtenrechts an die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Die Vorschrift schützt aber nur den Kernbestand der Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend während eines längeren traditionsbildenden Zeitraums als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind. Dabei ist unter Alimentation die gesetzlich festzulegende staatliche Gegenleistung des Dienstherrn in Gestalt amtsangemessener Besoldung und Versorgung des Beamten und seiner Familie für die in dem auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis grundsätzlich unter Einsatz der vollen Arbeitskraft im Lebensberuf erbrachten Dienste zu verstehen. Daher müssen die Bezüge so bemessen sein, dass dem Beamten ein Nettoeinkommen verbleibt, das eine Lebensführung ermöglicht, die unter Berücksichtigung des allgemeinen Lebensstandards Dienstrang, Bedeutung und Verantwortung des Amtes entspricht. Dabei wirkt es sich auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Dienstleistung und Alimentation auch aus, wenn eine hohe Anzahl von Beamten vorzeitig in den Ruhestand tritt, wie dies aufgrund neuerer Regelungen in der jüngeren Vergangenheit unabhängig von einer individuell festgestellten Dienstunfähigkeit möglich wurde. Mit zunehmender Häufigkeit und Dauer des Bezugs von Versorgungsleistungen verändert sich nämlich die Balance von Leistung und Gegenleistung. Soweit die Amtsangemessenheit gewahrt bleibt, darf der Gesetzgeber die Bezüge und Versorgungsleistungen mit Wirkung für die Zukunft aber kürzen, wenn dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheint. Er darf auf tatsächliche Entwicklungen reagieren, diese durch Änderungen beeinflussen und dabei verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen. Dabei ist die Alimentation grundsätzlich ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit der Beamte seinen Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen. Der Dienstherr schuldet die Alimentation als Gegenleistung dafür, dass sich der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und die übertragenen Aufgaben nach Kräften erfüllt. Demzufolge bedürfen gesetzliche Anrechnungs- und Ruhensregelungen, durch die ein Vorteilsausgleich etwa bei Freistellung vom Dienst herbeigeführt wird, grundsätzlich keiner weiteren Rechtfertigung. Allerdings müssen die für Ruhestandsbeamte geltenden Anrechnungsregelungen sicherstellen, dass die geleistete Dienstzeit im Hinblick auf die Versorgungsbezüge nicht völlig entwertet wird. Dem trägt zunächst § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG Rechnung, nach dem ein Anspruch auf Zahlung von 20 % erhalten bleibt (vgl. BVerwG, U. v. 27.01.2005 - 2 C 39.03 -; BVerwG, U. v. 19.02.2004 - 2 C 20/03 -; BVerwG, U. v. 30.01.1997 - 2 C 36/95 -; BVerfG, B. v. 11.10.1977 - 2 BvR 407/76 -).
Zu einer „völligen Entwertung“ führt allerdings die Anrechnungsvorschrift des § 53 Abs. 5 Satz 2 und 3 BeamtVG. Dies verletzt den Anspruch auf amtsgemäße Alimentation nach Auffassung der Kammer indes anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27.01.2005 entschiedene Fall nicht, der die Anrechnung von Gehalt als angestellter Diplom-Ingenieur auf die Versorgungsbezüge betraf, mithin von Einkünften, die nicht ein Verwendungseinkommen im Sinne des § 53 Abs. 5 Satz 2 und 3 BeamtVG darstellen. Der wesentliche, die verschiedene Behandlung rechtfertigende Unterschied zu den in der Vorschrift genannten (Verwendungs-) Einkünften besteht nämlich darin, dass diese selbst Ausdruck des Anspruchs des Betroffenen auf Alimentation sind. Im Rahmen von § 53 BeamtVG werden die öffentlichen Haushalte insoweit unabhängig davon als Einheit angesehen, ob die Alimentierung aus der Kasse des jeweiligen Dienstherrn oder aus einer anderen Kasse der öffentlichen Hand kommt. Da das Verwendungseinkommen mindestens aus derselben Besoldungs- oder Vergütungsgruppe erzielt werden muss, ist zudem der Grundsatz der Amtsangemessenheit gewahrt, nach dem die Bezüge aus einem höherwertigen Amt - auch im Ruhestand - bei sonst gleichgelagerten Voraussetzungen ein höheres Niveau erreichen müssen als die Bezüge aus einem niedrigeren Amt. Da von § 53 Abs. 5 Satz 2 und 3 BeamtVG alle Bezieher von Verwendungseinkommen in gleicher Weise betroffen sind, wirkt sich die Regelung auch nicht nur auf Versorgungsbezüge für Angehörige bestimmter Ämter aus.
Die Regelung verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, der im Bereich des Beamtenversorgungsrechts durch Art. 33 Abs. 5 GG seine besondere Ausprägung erfahren hat. Dieser garantiert nämlich nicht das Fortbestehen der Rechtslage, die der Betroffene beim Eintritt in das Beamtenverhältnis vorgefunden hat. Änderungen der bestehenden Rechtslage waren und sind nicht nur zu Gunsten sondern auch zu Lasten der Beamten vielmehr zulässig. Sie müssen deshalb auch damit rechnen, dass sich ihre Gesamtversorgung ändern/verschlechtern kann.
Im Ergebnis liegen damit ausreichende Anhaltspunkte dafür nicht vor, dass § 53 Abs. 5 Satz 2 und 3 BeamtVG im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage der öffentlichen Hand und das deshalb sachlich gerechtfertigte Ziel der Vermeidung von Doppelalimentationen den weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers überschreitet. Es gibt auch keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, das beim Zusammentreffen von Verwendungseinkommen und Versorgungsbezügen neben den ungekürzten Bezügen aus der aktiven Tätigkeit stets ein Teil der Versorgungsbezüge belassen werden müsste (so auch VG Mainz, U. v. 10.03.2004 - 7 K 438/03.MZ -).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht nach § 72 Nr. 1 GKG auf § 17 Abs. 3 und 4 GKG in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung. Danach war als Streitwert für die wiederkehrenden Leistungen der 3-Jahres-Betrag von 20 v.H. der Versorgungsbezüge von 1.170,52 € (234,10 € x 39 Monate = 9.129,90 €) zuzüglich der bei Klageerhebung am 13.02.2003 fälligen Beträge (234,10 € x 8 Monate = 1.872,80 €) festzusetzen.
Die Berufung ist gemäß §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die Sprungrevision ist gemäß §§ 134 Abs. 1 und Abs. 2, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Kläger und Beklagter haben der Einlegung der Sprungrevision durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung zudem zugestimmt.