Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 20.07.2005, Az.: 6 B 3574/05

Verletzung des Rechts auf eine rechtsfehlerfreie Entscheidung über die Rangfolge der Weiterverbreitung eines Fernsehprogramms in den Kabelanlagen im Land Niedersachsen; Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wegen voraussichtlichen Erfolges der Klage in der Hauptsache; Begriff der "gesetzlich bestimmten Programme"; Festlegung einer Rangfolge für einen Kabelkanal; Einbeziehung von Mediendiensten nach dem Saatsvertrag über Mediendienste; Erforderlichkeit der hinreichenden Bestimmtheit eines Bescheides; Umfang des gerichtlichen Beurteilungsspielraums bei der Beurteilung, ob und in welchem Maße ein Fernsehprogramm oder ein Mediendienst zur Vielfalt in der Kabelanlage beiträgt und mit welchem Ergebnis dabei regionale und länderübergreifende Informationsbedürfnisse zu berücksichtigen sind; Auswirkungen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz auf den Umfang der gerichtlichen Überprüfung eines Verwaltungsakts; Notwendigkeit der inhaltlichen Begründung des Verwaltungsakts ; Auswahlverfahren in der Gestalt des sog. "Vorrangmodells"; Ermittlung der Entscheidung über die Kosten; Streitwertfestsetzung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
20.07.2005
Aktenzeichen
6 B 3574/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 32117
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2005:0720.6B3574.05.0A

Fundstelle

  • AfP 2005, 450-451

Verfahrensgegenstand

Rangfolge für die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen in Kabelanlagen - Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 6. Kammer -
am 20. Juli 2005
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2005 wird wieder hergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt 9/10 der Kosten des Verfahrens, die Beigeladene zu 5. trägt 1/10 der Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 175.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin beansprucht vorläufigen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die Festlegung der Rangfolge für die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen und Mediendiensten in Kabelanlagen im Land Niedersachsen (Rangfolgeentscheidung).

2

Die Antragstellerin ist privatrechtliche Veranstalterin des Programms A., eines Spartenprogramms Musik. Die Beigeladenen zu 1., 7. und 8. sind ebenfalls Veranstalterinnen von privaten Spartenprogrammen, die Beigeladenen zu 2. bis 6. sind Veranstalterinnen von Mediendiensten. Der Beigeladene zu 9. veranstaltet im Rahmen des Vollprogramms der ARD das in den frühen Abendstunden in Hamburg verbreitete Landesprogramm "Hamburg Journal".

3

Die Antragsgegnerin hatte zuletzt mit Bescheid vom 19. Mai 2004 eine Rangfolgeentscheidung getroffen, mit welcher der Antragstellerin ein uneingeschränkter Kanalplatz für die Weiterverbreitung ihres Programms zugewiesen worden war. Zuvor hatte der Veranstalter eines über den Kanal S 25 ungeteilt weiterverbreiteten Vollprogramms dessen analoge Verbreitung eingestellt. Die Beigeladene zu 5. als größte Betreiberin des Kabelnetzes in Niedersachsen hatte daraufhin angekündigt, den Kanal S 25 spätestens ab 1. Februar 2006 für die Verbreitung digitaler Programme oder Dienste zu nutzen. Ferner hatte die Beigeladene zu 5. angezeigt, auf diesem Kanalplatz bis zu dessen Umwidmung einen eigenen Mediendienst in Gestalt eines Informationskanals analog verbreiten zu wollen.

4

Die Versammlung der Antragsgegnerin beschloss am 12. Mai 2005 eine Neufestlegung der Rangfolge für die analoge Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen und Mediendiensten in den nunmehr noch insgesamt 32 dafür zur Verfügung stehenden Kanälen der Kabelanlage. Grundlage ihrer Entscheidung war, dass nunmehr neun private Fernsehprogramme in Niedersachsen in digitaler Übertragungstechnik mit terrestrischen Sendeanlagen - DVB-T - verbreitet werden, unter anderem die erstmalig weiterverbreiteten Programme der Beigeladenen zu 7. und 8.. Dabei ging die Versammlung der Antragsgegnerin davon aus, dass die Weiterverbreitung dieser Programme in Kabelanlagen gesetzlich bestimmt ist.

5

Die Rangfolgeentscheidung führte die Antragsgegnerin mit einem Bescheid vom 26. Mai 2005 aus. Hierin wird unter anderem geregelt, dass 20 gesetzlich bestimmte Fernsehprogrammen, darunter alle in Niedersachen in DVB-T verbreiteten Fernsehprogramme, auf einem bestimmten Kanalplatz, in einem Fall als Fensterprogramm, verbreitet werden. Im Rahmen dieser Regelung wird unter anderem bestimmt, dass auf dem von der Antragsgegnerin so bezeichneten Kanalplatz 19 das Bürgerfernsehen in den Städten Salzgitter, Wolfsburg, Hannover und Oldenburg weiterverbreitet wird. Daran anschließend bestimmte die Antragsgegnerin die Rangfolge der nicht gesetzlich bestimmten Programme wie folgt:

6

Im ersten Auswahlschritt der von ihr so bezeichneten ersten Auswahl ordnete die Antragsgegnerin an, dass auf dem Kanalplatz 20 die ortsüblichen Programme, die nur in einem zeitlich geringen Umfang ein unterschiedliches Angebot enthalten, wie die Landesfenster des Vollprogramms der ARD - aufgeteilt auf unterschiedliche Regionalnetze in den Grenzbereichen zu anderen Bundesländern - weiterverbreitet werden. Im zweiten Schritt der ersten Auswahl bestimmte sie solche Fernsehprogramme zur Weiterverbreitung, die das Angebot der gesetzlich bestimmten Programme ergänzen bzw. als Programm der Kategorien fremdsprachige Vollprogramme, regional/ortsübliche Vollprogramme, Spartenprogramme Information, Kinder, Unterhaltung, Musik oder Sport noch nicht im Kabelnetz präsent sind. Innerhalb der Kategorien sah sie die Programme, welche die Eigenschaften der Kategorie erfüllten, als vorrangig an. Daran anschließend traf die Antragsgegnerin eine zweite Auswahl. In dieser Auswahlstufe verglich sie die verbleibenden Programme und Mediendienste untereinander, um insoweit eine Rangfolge zu erstellen.

7

Die Antragsgegnerin berücksichtigte das Programm der Antragstellerin der zweiten Auswahlstufe, indem sie anordnete, dass ihm der Kanalplatz 19 mit der Bemerkung "Kanalteilung mit dem Bürgerfernsehen" zur Weiterverbreitung zugewiesen wurde. An anderer Stelle der Auflistung, in welcher der Kanalplatz 19 zur Weiterverbreitung des Bürgerfernsehens in den Städten Salzgitter, Wolfsburg, Hannover und Oldenburg vorgesehen ist, wird bemerkt "in der sendefreien Zeit: A.". Der Bescheid vom 26. Mai 2005 enthält ferner in seiner auf Kanalplatz 20 bezogenen Regelung über die Einspeisung des Landesfensters des Beigeladenen zu 9. die Fußnotenanmerkung "NDR-Landesfenster in A. eingeschaltet."

8

Abschließend ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung ihres Bescheides vom 26. Mai 2005 im öffentlichen Interesse und im überwiegenden Interesse der bei der Kabelbelegung berücksichtigten Veranstalterinnen und Veranstalter an.

9

Die Antragstellerin hat den Bescheid vom 26. Mai 2005 mit ihrer am 21. Juni 2005 im Hauptsacheverfahren 6 A 3578/05 erhobenen Klage angefochten. Zur Begründung ihres am selben Tag gestellten Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz trägt sie vor:

10

Die aufschiebende Wirkung der Klage müsse wieder hergestellt werden, weil die Kabelbelegungsentscheidung vom 26. Mai 2005 offensichtlich rechtswidrig sei. Die nur in einer Fußnote zu Kanalplatz 20 angeordnete Einspeisung des NDR-Landesfensters in das Programm von A. sei örtlich und zeitlich nicht bestimmt. Insoweit enthalte der Bescheid auch keine Begründung. In Bezug auf den Vorrang des Bürgerfernsehens im Bereich des auf 45 analoge Kanäle ausgebauten Kabelnetzes in Wolfsburg fehle es schon an einer Feststellung der Antragsgegnerin dazu, ob dort nicht mehr Kanäle als im Übrigen Kabelnetz zur Verfügung stehen. Unbestimmt sei der Bescheid auch, soweit in ihm eine Kanalteilung von A. mit dem Bürgerfernsehen angeordnet werde. Insoweit sei unklar, ob dieses nur für die derzeitigen Sendezeiten des Bürgerfernsehens gelte oder ob es den Veranstaltern des Bürgerfernsehens überlassen bleibe, über dem Umfang der Weiterverbreitung von A. zu entscheiden, was gegen § 37 Abs. 2 Satz 2 NMedienG verstieße.

11

Soweit die Antragsgegnerin die erstmalig weiterverbreiteten Programme der Beigeladenen zu 7. und 8. als gesetzlich bestimmte Programme ansehe, beruhe die Zuteilungsentscheidung insoweit nicht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, der wesentliche Vorgaben für die Auswahlentscheidung selbst zu treffen habe. Vielmehr stütze die Antragsgegnerin ihre Entscheidung auf § 5 ihrer Multiplex-Satzung, die vorsehe, dass alle in Niedersachsen im Rahmen des neuen digitalen Fernsehens DVB-T verbreiteten Programme nach § 37 Abs. 1 NMedienG vorrangig seien.

12

Die Antragsgegnerin habe in ihrem Bescheid auffallend viele Mediendienste besser als Fernsehprogramme gestellt, was gegen das Gebot einer angemessenen Berücksichtigung der Mediendienste in § 37 Abs. 2 Satz 2 NMedienG verstoße. Auch habe sie die von ihr aufgestellten Vielfaltskriterien nur auf die Fernsehprogramme und nicht auf die Mediendienste angewandt, und bei den Mediendiensten deren kommerzielle Angebote und Produktpaletten als nennenswerten Vielfaltsbeitrag angesehen, während sie dieses bei den Fernsehprogrammen A. und W. nicht gelten lasse.

13

Offensichtlich rechtswidrig sei die Auswahlentscheidung auch hinsichtlich der Festlegungen für die übrigen Fernsehprogramme. Zwar stelle die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid fest, dass der Gesetzgeber inzwischen die Unterscheidung zwischen ortsüblichen und herangeführten Programmen aufgegeben habe. Dennoch habe die Antragsgegnerin die Ortsüblichkeit von Programmen nicht gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 NMedienG nur berücksichtigt, sondern diese so behandelt, als käme diesen Programmen ein gesetzlicher Vorrang zu. Entsprechendes gelte für die lückenhafte und teilweise inkonsistente Berücksichtigung einzelner Auswahlkriterien, zum Beispiel des Merkmales der Zuschauerakzeptanz. So werde die Zuschauerakzeptanz selektiv bei den Dritten Programmen im positiven Sinne berücksichtigt, ohne dass insoweit konkrete Zahlen genannt würden. Hingegen werde die außergewöhnlich hohe Zuschauerakzeptanz von A. nicht berücksichtigt, indem Spartenprogramme wie X. mit deutlich niedrigerer Akzeptanz vorgezogen würden. Die praktisch vollständige Berücksichtigung landesfremder Dritter Programme werde neben dem pauschalen Verweis auf ein relativ großes Zuschauerinteresse mit Kriterien begründet, welche in dem aufgestellten Katalog der Vielfaltskriterien nicht enthalten seien, sondern sich in einer Feststellung über das betreffende Bundesland sowie einer austauschbaren Begründungsformel erschöpften.

14

Erhebliche Beurteilungsfehler lägen auch hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Spartenprogramme Musik vor. Nicht berücksichtigt worden sei, dass durch die zukünftige Umwandlung von Y. in das Kinderspartenprogramm Z. nur noch drei Spartenprogramme Musik übrig blieben. Unsachlich sei die Ausgangserwägung, dass alle verbleibenden Programme der Sparte Musik zu demselben Konzern gehörten, eine Tatsache, die sich im Übrigen durch eine klarere Abgrenzung der Programme vielfaltsteigernd auswirke. Auch hinsichtlich der Zielgruppen der Musikprogramme seien die Feststellungen falsch. Sachfremd und damit unzulässig sei es ferner, dass die Antragsgegnerin maßgeblich auf die Inhalte der bei A. gesendeten Werbung abstelle.

15

Abschließend macht die Antragstellerin geltend, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides nicht vorlägen. Insoweit hätte es besonderer Darlegung bedurft, warum die Interessen der durch die Anordnung des Sofortvollzugs begünstigten Betreiber von Mediendiensten an der sofortigen Umsetzung des Bescheides den Interessen der davon negativ betroffenen Fernsehprogrammveranstalter vorgehen sollten. Auch die Interessen der Antragstellerin, die bei der sofortigen Durchsetzung der erstmalig angeordneten Kanalteilung auf ihre Kosten an allen Kopfstationen der betroffenen Kabelnetze technische Schalteinrichtungen anbringen lassen müsse, hätten insoweit berücksichtigt werden müssen.

16

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2005 wiederherzustellen.

17

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

18

Sie macht geltend, der Bescheid vom 26. Mai 2005 sei weder hinsichtlich der Einspeisung des Landesfensters des Beigeladenen zu 9. in das Programm A. noch in Bezug auf die Kanalteilung mit dem Bürgerfernsehen zu unbestimmt. Aus der Begründung auf Seite 14 des Bescheides ergebe sich eindeutig, zu welchen Tageszeiten das "Hamburg Journal" ausgestrahlt werde. Der Begründung auf Seite 15 des Bescheides lasse sich entnehmen, dass die Einspeisung in den von A. genutzten Kanal nur in den Regionen des Umlandes von Hamburg erfolge, in denen das NDR-Landesfenster ein ortsübliches Programm in Niedersachsen darstelle, was nur im Bereich der Kabelnetze Lüneburg 3, Rosengarten und Hemmoor der Fall sei.

19

Soweit in dem Bescheid ein Vorrang des Bürgerfernsehens im Kabelnetz Wolfsburg vorgesehen sei, beruhe der Bescheid auf einem Büroversehen. Im Kabelnetz Wolfsburg verbleibe es bei der Weiterverbreitung des Vollprogramms der Antragstellerin. Dieses sei der Netzbetreiberin mit einer E-Mail vom 5. Juli 2005 mitgeteilt worden. Hinsichtlich der Sendezeiten der übrigen Bürgerfernsehprogramme sei der Bescheid ebenfalls nicht zu unbestimmt. Diese Programme seien nach § 37 Abs. 1 NMedienG gesetzlich bestimmt. Daraus folge, dass allein den Veranstaltern die Entscheidung über Inhalt, Form und Zeiten dieser Programme obliege und nicht der Landesmedienanstalt.

20

Die Beigeladenen zu 7. und 8. besäßen bestandskräftige Zulassungen zur terrestrischen digitalen Verbreitung ihrer Programme über DVB-T in Niedersachsen. Dass ihre Programme gesetzlich bestimmt seien, folge unmittelbar aus § 37 Abs. 1 NMedienG. Die Multiplex-Satzung der Antragsgegnerin sie insoweit in dem Bescheid vom 26. Mai 2005 nur ergänzend erwähnt worden.

21

Es treffe nicht zu, dass sie auffallend viele Mediendienste mit ihrem Bescheid privilegiert habe, im Übrigen könnten die Angebote von Mediendienste im Rahmen der Auswahlentscheidung nicht unmittelbar mit Fernsehprogrammen verglichen werden, vielmehr sei insoweit eine gesonderte Auswahlentscheidung zu treffen. Schließlich habe sich die Antragsgegnerin bezogen auf das Gesamtangebot in der Kabelanlage dafür entschieden, die Antragstellerin weniger zu belasten als andere Fernsehprogramme der zweiten Auswahl und für sie deshalb nur in drei der insgesamt 18 größeren Netze eine Partagierung vorgesehen. Im Rahmen der Bewertung der Vielfaltskriterien und der Zuschauerakzeptanz habe sie, die Antragsgegnerin, einen Beurteilungsspielraum. Im Rahmen dieser Beurteilung habe sie nicht auf Werbeinhalte von A. abgestellt, sondern diese nur bei der Programmbeschreibung wiedergegeben.

22

Die Beigeladene zu 3. macht geltend, dass ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 26. Mai 2005 bestehe, zumal die Weiterverbreitung ihres Mediendienstes in analoger Nutzung des Kanals S 25 nur noch bis zum 31. Januar 2006 befristet möglich sei. Hätte hingegen die Klage der Antragstellerin aufschiebende Wirkung, ließe sich die rechtmäßige Zuweisung eines Kanalplatzes für den Mediendienst der Beigeladenen zu 3. aus zeitlichen Gründen nicht mehr vollziehen.

23

Die Beigeladenen zu 4. und 8. machen geltend, dass sich der Vorrang der über DVB-T verbreiteten Programme nicht aus der Multiplex-Satzung der Antragsgegnerin ableite, sondern aus § 37 Abs. 1 NMedienG ergebe. Darin habe der Gesetzgeber mit der Wortwahl der terrestrischen Verbreitung einen Begriff gewählt, der ohne Beschränkung auf die Übertragungsform allein auf den Übertragungsweg abstelle.

24

Die Beigeladene zu 4. trägt ferner vor, welchen Umfang eine angemessene Berücksichtigung von Mediendienste einnehme, unterliege dem Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin. Dessen Grenzen habe die Antragsgegnerin nicht überschritten, zumal der zeitliche Anteil der Verbreitung von Mediendiensten im Kabelnetz mit 13,75% nur einen Bruchteil der 32 Kabelplätze in Anspruch nehme. Soweit die Antragstellerin die Unbestimmtheit des Bescheides rüge, könne dieser Fehler durch einen Ergänzungsbescheid geheilt werden. Völlig unverhältnismäßig wäre es, wenn ein solches formelles Defizit des Bescheides dazu führte, dass die Kabelbelegungsentscheidung insgesamt nicht umgesetzt werden könnte. Insoweit reichte eine Begrenzung des Suspensiveffekts auf den betroffenen Teilbereich der Entscheidung aus.

25

Die Beigeladene zu 5. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

26

Sie vertritt die Auffassung, dass im Anschluss an die Antragserwiderung der Antragsgegnerin ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides bestehe und dass sie ein überwiegendes Interesse am Sofortvollzug habe. Wegen der begrenzten Zeit der analogen Restnutzung des Sonderkanals S 25 sei dessen Übertragungskapazität nur noch eingeschränkt wirtschaftlich zu nutzen, was eine sofortige Umsetzung der Kabelbelegungsentscheidung erforderlich mache. Das gelte auch für den auf diesem Kanal noch partagiert verbreiteten Mediendienst des Beigeladenen zu 3.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verweist die Kammer ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (Beiakte A zum Verfahren 6 B 3519/05).

28

II.

Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO zulässige Antrag ist begründet.

29

Im Verfahren nach den § 80 Abs. 5, 80 a Abs. 2 VwGO trifft das Gericht eine Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, vorläufig von den Wirkungen des Vollzuges des angefochtenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aufschubinteresse), und dem öffentlichen Interesse oder überwiegenden Interesse eines Dritten an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (Sofortvollzugsinteresse). Dabei sind die Erfolgsaussichten des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen, soweit diese bei summarischer Prüfung mit Verbindlichkeit für die Entscheidung über den Eilantrag absehbar sind. Bestehen bereits bei dieser summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, ist dem Antrag stattzugeben, da weder ein besonderes öffentliches Interesse noch ein überwiegendes privates Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen kann.

30

Diesem Grundsatz folgend ist im vorliegenden Verfahren die aufschiebende Wirkung der im Hauptsacheverfahren 6 A 3578/05 erhobenen Klage der Antragstellerin wiederherzustellen, denn die Klage wird voraussichtlich Erfolg haben, weil der Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2005 rechtswidrig ist und dadurch die Antragstellerin in ihrem Recht auf eine rechtsfehlerfreie Entscheidung über die Rangfolge der Weiterverbreitung ihres Fernsehprogramms in den Kabelanlagen im Land Niedersachsen verletzt.

31

Rechtsgrundlage einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die Belegung der Kanäle von Kabelanlagen für analog zu empfangende Fernsehprogramme und Mediendienste ist § 37 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 des niedersächsischen Mediengesetzes (NMe-dienG) vom 1. November 2001 (Nds. GVBl. S. 680). Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 NMedienG sind die Kabelanlagen, über die Fernsehprogramme analog empfangen werden sollen, so einzurichten, dass zumindest die Fernsehprogramme empfangen werden können, die nach diesem Gesetz zur terrestrischen Verbreitung oder zur Verbreitung in Kabelanlagen zugelassen worden sind oder nach einem anderen niedersächsischen Gesetz für Niedersachsen veranstaltet werden (sog. gesetzlich bestimmte Programme). Stehen für weitere Fernsehprogramme Kabelkanäle nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung, so legt die Landesmedienanstalt die Rangfolge fest, nach der die nicht nach Absatz 1 berücksichtigten Fernsehprogramme einen Kabelkanal erhalten, § 37 Abs. 2 Satz 1 NMedienG. Dabei bezieht sie gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 NMedienG auch Mediendienste nach dem Staatsvertrag über Mediendienste angemessen ein.

32

Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren kann es die Kammer offen lassen, ob der Bescheid der Antragsgegnerin im Sinne von § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt ist, soweit er die Rangfolge der Verbreitung des Fernsehprogramms der Antragstellerin regelt. Zwar fehlt dem Bescheid offensichtlich eine nähere Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Fußnotenanmerkung "NDR-Landesfenster in A. eingeschaltet", die nach dem erkennbaren Willen der Antragsgegnerin als Rechtsfolgenanordnung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG verstanden werden soll. Auch lässt sich dem Bescheid in diesem Punkt nicht entnehmen, wie sich die auf den A. zugeteilten Kanalplatz 19 abzielende Fußnotenanmerkung zu der Zuweisung des Kanalplatzes 20 an den das Landesfenster für Hamburg veranstaltenden Beigeladenen zu 9. verhält. Auch hat die Antragsgegnerin eingeräumt, dass der Bescheid fehlerhaft ist, soweit für das Kabelnetz Wolfsburg auf dem Kanalplatz 19 ein Vorrang des Bürgerfernsehens gegenüber dem Fernsehprogramm der Antragstellerin angeordnet worden ist. Ob dieses allein aber im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtfertigen könnte, nachdem aufgrund der Ausführungen in der schriftsätzlichen Antragserwiderung davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin gegenüber der Kabelnetzbetreiberin die Einschaltung des NDR-Landesfensters Hamburg in das Programm von A. nur in den Kabelnetzen Rosengarten, Hemmoor und Lüneburg 3 sowie die Beibehaltung der uneingeschränkten Weiterverbreitung im Kabelnetz Wolfsburg verfügt hat, lässt die Kammer dahingestellt.

33

Auch teilt die Kammer im vorliegenden Eilverfahren die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen zu 4. und 8. zum Anspruch der über den Standard DVB-T ausgestrahlten Fernsehprogramme auf Weiterverbreitung in den Kabelanlagen in Niedersachsen. Dieser Anspruch ergibt sich nicht aus § 5 der Multiplex-Satzung der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2003, sondern folgt unmittelbar aus § 37 Abs. 1 Satz 1 Medien, der darauf abstellt, ob ein Programm zur terrestrischen Verbreitung oder zur Verbreitung in Kabelanlagen zugelassen worden ist, was bei den Programmen der Beigeladenen zu 7. und 8. unstreitig der Fall ist. Mit dem Tatbestandsmerkmal der terrestrischen Verbreitung wird insoweit sprachlich und sinngebend zweifelsfrei ausgedrückt, dass es allein auf den Übertragungsweg der Verbreitung, nicht aber auf die Beschaffenheit der von dem erdgestützten Sender zum unmittelbaren Empfang übertragenen Funksignale ankommt.

34

Entscheidend für den Ausgang der Interessenabwägung ist vielmehr, dass sich die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2005 nicht in dem von § 37 Abs. 2 NMe-dienG gesetzten rechtlichen Rahmen hält. Dieser Rahmen wird in § 37 Abs. 2 Satz 3 NMedienG dadurch gesteckt, dass für die Festlegung der Rangfolge ausschließlich der Beitrag des jeweiligen Programms oder Dienstes zur Vielfalt des Angebots in der Kabelanlage maßgeblich ist, wobei regionale und länderübergreifende Informationsbedürfnisse berücksichtigt werden müssen. Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, wonach der Antragsgegnerin bei der Beurteilung, ob und in welchem Maße ein Fernsehprogramm oder ein Mediendienst zur Vielfalt in der Kabelanlage beiträgt und mit welchem Ergebnis dabei regionale und länderübergreifende Informationsbedürfnisse zu berücksichtigen sind, ein gerichtlich nur eingeschränkter Beurteilungsspielraum zusteht. In diesen darf das Verwaltungsgericht nicht eindringen, indem es eigene Bewertungskriterien aufstellt oder aufgrund der Bewertungskriterien der Landesmedienanstalt eine eigene Bewertung des jeweiligen Beitrages vornimmt. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht nur zu prüfen, ob die Landesmedienanstalt bei der Entscheidung über die Rangfolge der Weiterverbreitung im Kabelnetz die anzuwendenden Rechtsvorschriften außer Acht gelassen oder fehlerhaft angewandt hat, von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe verstoßen hat. Insoweit hat sich dadurch, dass die Vorläuferregelung des § 52 Abs. 4 Satz 2 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes (vom 9.11.1993, Nds. GVBl. S. 523 - LRG -) durch die Regelungen des am 10. November 2001 in Kraft getretenen NMedienG ersetzt worden sind, nichts geändert.

35

Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt, dass die Gerichte angefochtene Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachprüfen. Das gilt im Grundsatz auch für die Überprüfung von Verwaltungsakten, die eine Entscheidung beinhalten, die in Ausschöpfung eines fachspezifischen Beurteilungsspielraumes ergangen ist. Insoweit müssen die Verwaltungsgerichte effektiv und wirkungsvoll die Einhaltung der oben dargestellten rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraumes überprüfen können (vgl. BVerfGE 84, 34, 46 ff. = NJW 1991 S. 2005 ff.; BVerfGE 84, 59, 72 ff.), um die in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle zu leisten. Das setzt notwendigerweise eine inhaltliche Begründung des Verwaltungsakts voraus, die so beschaffen ist, dass ein effektiver Rechtsschutz tatsächlich möglich ist, indem gezielte Einwendungen gegen das Beurteilungsergebnis erhoben werden können. Dafür ist es zwingend notwendig, dass seitens der Behörde nachvollziehbar dargelegt wird, welche Bewertungsmaßstäbe in Ausfüllung des Beurteilungsspielraumes angelegt worden sind und wie die einzelnen Bewertungskriterien in Anwendung des jeweiligen Maßstabes den zu beurteilenden Beiträgen zugeordnet worden sind (vgl. BVerwGE 91, 262, 266 ff. [BVerwG 09.12.1992 - 6 C 3/92], DVBI. 1992 S. 503 ff., zum Prüfungsrecht).

36

In diesem Sinne ist die Begründung der Rangfolgeentscheidung der Antragsgegnerin bezüglich der Beurteilung des Beitrages der nicht gesetzlich bestimmten Fernsehprogramme für die Vielfalt in der Kabelanlage nicht nachvollziehbar, soweit in dem Bescheid vom 26. Mai 2005 auf den Seiten 14 ff. den ortsüblichen Programmen ein Vorrang eingeräumt worden ist. Mit Verbindlichkeit für die Entscheidung im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz gilt das zumindest für den von der Antragsgegnerin angenommen Vorrang des Vollprogramms Bayern Fernsehen (BR). Bei diesem Programm handelt es sich nicht um ein bundesweit empfangbares Fernsehprogramm. Es ist daher nicht nach § 52 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) in Niedersachsen weiterzuverbreiten und erfüllt auch nicht die Voraussetzungen eines gesetzlich bestimmten Programms nach § 37 Abs. 1 NMedienG, so dass es in die für die Beurteilung seines Beitrags für die Vielfalt in der Kabelanlage notwendige Abwägung der Beiträge aller übrigen nicht gesetzlich bestimmten Programme mit einzubeziehen ist.

37

Die Antragsgegnerin hat, wie die Darstellung der Auswahlschritte im Verfahren der Rangfolgeentscheidung zeigt, das Verfahren angewandt, welches während der zeitlichen Geltung des LRG für die Festlegung einer Rangfolge unter den ortsüblichen und herangeführten Programmen anzuwenden war. Das folgt ausdrücklich aus der Begründung ihres Bescheides auf Seite 13 des Bescheides, in der es heißt, dass zunächst die Entscheidung über die Einspeisung von ortsüblichen Programmen, die nur in einem zeitlich geringen Umfang ein unterschiedliches Angebot enthalten, zu treffen war. Dieses entspricht wörtlich der (seinerzeitigen) Vorrangregelung in § 52 Abs. 3 Satz 1 LRG, der für diese Programme eine Rangfolgeregelung in einem ersten Auswahlschritt vorsah, bevor in einem zweiten Auswahlschritt ("Können auch nach einer Entscheidung gemäß Absatz 3 ...nicht alle Programme ....) über die Belegung der (eventuell) verbleibenden Kabelnetzkapazitäten mit den nach § 52 Abs. 4 Satz 1 LRG noch übrig bleibenden anderen ortsüblichen und herangeführten Programmen entschieden werden konnte.

38

Damit hat die Antragsgegnerin ein Auswahlverfahren in der Gestalt des sog. Vorrangmodells (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, § 52 Rdnr. 26 ff.) angewandt, welches der Landesgesetzgeber mit dem am 10. November 2001 in Kraft getretenen NMedienG aufgegeben hat. Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass § 37 NMedienG im Unterschied zu § 52 Abs. 1 LRG nicht mehr zwischen ortsüblichen und herangeführten Programmen unterscheidet und deshalb auch keine dem § 52 Abs. 3 Satz 1 LRG vergleichbare Vorrangregelung zu Gunsten von ortsüblichen Programmen, die nur in einem zeitlich geringen Umfang ein unterschiedliches Angebot enthalten, mehr vorsieht. Anderes lässt sich auch nicht den bei Novellierung des Medienrechts verfolgten Absichten des Landesgesetzgebers entnehmen. Zwar heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 8. Mai 2001 (LT-Drs. 14/2470) einleitend zu den §§ 35 bis 37 (LT-Drs. 14/2470 S.) allgemein:

"Im Übrigen entsprechen die Vorschriften den §§ 50 bis 52 der bisherigen Fassung. Sie sind gegenüber der bisherigen Fassung präzisiert und zum Teil neu strukturiert."

39

Das bedeutet aber nicht, dass im Ergebnis der Inhalt der alten Rangfolgeregelungen des § 52 LRG weitergelten soll. Vielmehr ergibt sich das Gegenteil aus der grundlegenden Neufassung des Absatzes 1 von § 37 NMedienG, der die in den Absätzen 1 und 3 des § 52 LRG noch vorhandene gesetzliche Rangfolge im Sinne eines Vorrangmodells nicht mehr enthält. Dessen war sich der Landesgesetzgeber auch bewusst, denn in der Begründung des Gesetzentwurfs wird zu § 37 Abs. 1 wörtlich ausgeführt:

"Die Regelungen in den Absätzen 1 und 2 führen zu einer weit gehenden Deregulierung und zur Liberalisierung der Kanalbelegung."

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Diese Deregulierung hat nach dem insoweit eindeutigen und einer abweichenden Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut der Absätze 1 und 2 des § 37 NMedienG zur Folge, dass die Landesmedienanstalt unter angemessener Berücksichtigung der Mediendienste eine komplexe Abwägungsentscheidung zur Bestimmung der Rangfolge aller Programme, die nicht unter Absatz 1 fallen, zu treffen hat und dass dabei keiner der im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Programmkategorien kraft Gesetzes ein Vorrang zukommt.

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Wenn § 37 Abs. 2 NMedienG danach abweichend von den früher geltenden Vorrangvorgaben in § 52 LRG der Landesmedienanstalt keine Einschränkungen mehr hinsichtlich der Kategorisierung nicht gesetzlich bestimmter Programmen auferlegt, öffnet sich ein weiter Beurteilungsspielraum der Anstalt für die Bewertung der Beiträge zur Vielfalt in der Kabelanlage. Das dürfte auch die Entwicklung eines Beurteilungsmaßstabes beinhalten, welcher für bestimmte Programmkategorien aus Gründen der Vielfalt in der Kabelanlage einen Vorrang vorsieht. Dass die Ausführungen in dem Bescheid vom 26. Mai 2005 im Sinne eines solchen - selbst entwickelten - Vorrangkatalogs (vgl. Hartstein u.a., a.a.O., § 52 Rdnr. 25a) zu verstehen wären, ist jedoch zweifelhaft. Die Begründung des Bescheides orientiert sich nicht nur sprachlich und bei der Darstellung der Schritte des Auswahlverfahrens offensichtlich an der bis zum 10. November 2001 geltenden gesetzlichen Rangfolge des § 52 Abs. 1 und 3 LRG orientiert, sondern geht auf Seite 14 auch davon aus, dass mit dem In-Kraft-Treten des NMedienG eine inhaltliche Veränderung der gesetzlichen Rangfolgebestimmungen nicht eingetreten ist. Das ist jedoch, wie bereits ausgeführt, unzutreffend. Insoweit spricht vieles dafür, dass die Antragsgegnerin für die Inhalte der unter Kanalplatz 20 berücksichtigten ortsüblichen Programme, die nur in einem zeitlich geringen Umfang ein unterschiedliches Angebot enthalten, keinen Beurteilungsmaßstab entwickelt und diese demzufolge auch nicht mit den Vielfaltsbeiträgen der sonstigen Programme abgewogen hat. Schon an dieser Stelle der Rangfolgeentscheidung sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid vom 26. Mai 2005 von einem in § 37 NMedienG nicht vorgesehenen Abwägungsdefizit gekennzeichnet ist.

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Die Kammer hat jedoch zu Gunsten der Antragsgegnerin - abweichend vom Wortlaut der Ausführungen auf Seite 14 des angefochtenen Bescheides - geprüft, ob ihre Erwägungen zum Vorrang von ortsüblichen Programmen, und zwar auch der übrigen regionalen und ortsüblichen Vollprogramme (S. 19, 20 des angefochtenen Bescheides) vor den Auswahlkriterien des § 37 Abs. 2 NMedienG Stand halten und Ausdruck eines Beurteilungssystems sein können, in welchem dieser Programmkategorie wegen der vorgegebenen Verhältnisse in den niedersächsischen Kabelanlagen ein Vorrang gegenüber den sonstigen Programmen und den Mediendiensten zukommt. Ein solches Beurteilungssystem wäre, wie bereits oben ausgeführt, nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn sich dafür aus Gesichtspunkten der Vielfalt in der Kabelanlage nachvollziehbare Gründe finden ließen. Insoweit findet in § 37 Abs. 2 Satz 3 NMedienG Anklang, dass regionalen und länderübergreifenden Informationsbedürfnissen nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin eine Bedeutung für die Beurteilung des Vielfaltsbeitrags zukommt.

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Diese nachvollziehbaren Gründe lassen sich jedoch dem Bescheid vom 26. Mai 2005 nicht entnehmen. Sie lassen sich im Hinblick auf die in § 37 Abs. 2 Satz 3 NMedienG vorgeschriebene Berücksichtigung regionaler und länderübergreifender Informationsbedürfnisse möglicherweise noch in Bezug auf die Weiterverbreitung der regionalen Landesfenster und der Dritten Programme WDR, MDR, HR sowie des in Hamburg verbreiteten Umlandprogramms AA. finden, da es sich hierbei um Programme handelt, die einerseits auf ein regionales Informationsbedürfnis in den Bereichen der örtlichen Kabelnetze in Niedersachsen stoßen, die an die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg angrenzen, dort zugleich ortsübliche Programme sind und andererseits auch das landerübergreifende Informationsbedürfnis für Vorgänge in den benachbarten Bundesländern wecken. Hierauf könnten auch die Ausführungen auf Seite 20 des Bescheides hindeuten, ohne dass allerdings - angesichts des Fehlens eines transparenten Beurteilungsmaßstabes für die Gewichtung der Programmkategorien - erkennbar wird, mit welchem Gewicht dieser regionale Bezug der Programme aus den Nachbarländern gegen die Vielfaltsbeiträge der sonstigen Programme abgewogen worden ist.

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Für die vorrangige und uneingeschränkte Berücksichtigung des öffentlich-rechtlichen Vollprogramms Bayern Fernsehen (BR) gegenüber den sonstigen Programmen versagen diese Versuche, die Begründung der Kabelbelegungsentscheidung nachzuvollziehen, aber. Dieses Programm wird von der Antragsgegnerin zwar in der Auflistung der Fernsehprogramme auf Seite 11 des Bescheides noch bei den sonstigen inländischen und ausländischen Fernsehprogrammen aufgezählt, im Zuge der Begründung der Auswahlentscheidung (Seiten 14 ff.) dann aber als "regionales/ortsübliches Vollprogramm" kategorisiert (S. 16) und sodann unter dieser Kategorie auf Seite 19 des Bescheides in die Vorrangstellung der regionalen/ortsüblichen Vollprogramme eingereiht, ohne dass dafür ein nachvollziehbarer Grund genannt würde. Die Begründung erschöpft sich vielmehr in der Feststellung, dass dieses Programm über ein Bundesland informiert und nach Auffassung der Versammlung der Landesmedienanstalt einen interessanten Einblick in dessen kulturelles und politisches Leben bietet. Eine Begründung für die regionale bzw. ortsübliche Bedeutung des Beitrags dieses Programms in Niedersachsen lässt sich daraus nicht entnehmen. Demzufolge findet auch keine Abwägung der regionalen bzw. ortsüblichen Bedeutung des Beitrags von Bayern Fernsehen (BR) mit den Beiträgen der sonstigen, erst in der zweiten Auswahl berücksichtigten Programme statt. In ihrer schriftsätzlichen Stellungnahme vom 19. Juli 2005 hat die Antragsgegnerin zwar den Zuschaueranteil dieses Programms beziffert und diesen mit dem des Programms der Antragstellerin verglichen. Ferner hat sie die besonderen Beiträge dieses Programms für die Information und politische Diskussion dargestellt. Diese nachgeschobene Begründung steht aber in keinem inneren Begründungszusammenhang mit der von der Versammlung der Antragsgegnerin angenommenen Vorrangstellung des Programms aufgrund seiner Kategorisierung als "regionales/ortsübliches Vollprogramm". Sie kann deshalb die Vorrangstellung nicht rechtfertigen. Denn regionale und länderübergreifende Informationsbedürfnisse im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 3 NMedienG können für die von der Versammlung der Antragsgegnerin gebildete und als vorrangig angesehene Programmkategorie "regional/ortsüblich" nur solche Bedürfnisse sein, die in Niedersachsen bestehen. Folglich kann diese Programmkategorie auch nur solche länderübergreifenden Informationsbedürfnisse befriedigen, die ihren Ursprung in den kulturellen und politischen Gemeinsamkeiten Niedersachsens mit den benachbarten Länder haben.

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Ist jedoch keine nachvollziehbare Einordnung des Programms Bayern Fernsehen (BR) in einen bestimmten Beurteilungsmaßstab erkennbar, leidet die Rangfolgeentscheidung insgesamt unter diesem Rechtsfehler, solange nicht allen Veranstaltern der gemäß § 35 Abs. 3 NMedienG angezeigten Fernsehprogramme und Mediendienste ein uneingeschränkter Kanalplatz gewiesen werden kann. Insoweit kann die Rangfolgeentscheidung nach Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschluss vom 25.1.2002 - 6 B 5101/01 -, AfP 2002 S. 267) den in die Auswahlentscheidung Einbezogenen gegenüber nur einheitlich ergehen. Demzufolge scheidet eine nur auf den Vollzug der Partagierung des Kanalplatzes 19 beschränkte gerichtliche Aussetzungsanordnung aus. Die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 26. Mai 2005 im Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin hat zwangsläufig zur Folge, dass für die Weiterverbreitung entweder des Programms der Antragstellerin auf der Grundlage der Rangfolgeentscheidung vom 19. Mai 2004 oder der gesetzlich bestimmten Programme des Bürgerfernsehens ein anderer Kanalplatz gefunden werden müsste, was nur zu Lasten mindestens eines dritten Veranstalters möglich wäre. In welcher Form dieses zu geschehen hätte, kann wiederum das Gericht nicht anordnen, sondern obliegt allein der Beurteilung der Antragsgegnerin nach § 37 Abs. 2 NMedienG.

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Soweit der Antragsgegnerin im Rahmen der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung 9/10 der Kosten aufgegeben werden, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Es entspricht der Billigkeit, den übrigen Kostenanteil von 1/10 nach § 162 Abs. 3 VwGO der Beigeladenen zu 5. aufzuerlegen und die eigenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 5. für nicht erstattungsfähig zu erklären. Sie hat mit Schriftsatz vom 12. Juli 2005 erfolglos einen eigenen Sachantrag gestellt und kann deshalb gemäß § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten des Verfahrens beteiligt werden, und der Anteil von 1/10 entspricht ihrer Beteiligung an dem Verfahren auf der Seite der Antragsgegnerin und der durch den angefochtenen Bescheid begünstigten Beigeladenen. Da die weiteren Beigeladenen keine eigenen Sachanträge gestellt haben und somit nicht das Risiko eingegangen sind, an den übrigen Kosten des Verfahrens beteiligt zu werden (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), ist es billig, ihre außergerichtlichen Kosten ebenfalls nicht für erstattungsfähig zu erklären.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes orientiert sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG mangels anderweitiger Anhaltspunkte für die Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache an der Empfehlung in Nr. 37.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2004 - (NVwZ 2004 S. 1327 ff.), wonach für ein Klageverfahren, welches die Kanalbelegung im Kabelnetz zum Streitgegenstand hat, in der Regel ein Streitwert in Höhe von 350.000,00 Euro vorgeschlagen wird. Das vorliegende Verfahren bietet keinen Anlass, von dieser Empfehlung abzuweichen. Die Tatsache, dass die Antragstellerin ihre bisher aufgrund der Rangfolgeentscheidung vom 19. Mai 2004 begründete Rechtsposition mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 2005 nicht vollständig verloren, sondern jetzt einen Kanalplatz in drei großen Bereichen der Kabelanlage nur in Teilung mit anderen Programm Veranstaltern erhalten hat und in anderen Bereichen die stundenweise Einspeisung eines anderen Programms zu dulden hat, wirkt sich nicht streitwertmindernd aus. Denn die pauschalen Ansätze des Streitwertkatalogs dienen gerade dazu, die nicht näher zu ermittelnden Unterschiede im wirtschaftlichen Interesse der konkurrierenden Programmveranstalterinnen und Mediendienste zu nivellieren. Ziel ist es, die Streitwertfestsetzung unter Außerachtlassung einzelfallbezogener unternehmerischer Aspekte in generalisierender Weise zu vereinheitlichen und damit zugleich das Kostenrisiko für Verfahren dieser Art vorhersehbar zu machen. Allerdings ist der für ein Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert von 350.000,00 Euro wegen der nur vorübergehenden Wirkung des vorliegend beantragten vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80b Abs. 1 VwGO) zu halbieren.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 175.000,00 Euro festgesetzt.

Littmann
Heidmann
Wagstyl