Sozialgericht Stade
Urt. v. 17.03.2014, Az.: S 21 VE 12/11

Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) wegen Feststellung der besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG)

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
17.03.2014
Aktenzeichen
S 21 VE 12/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 14237
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2014:0317.S21VE12.11.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) wegen Feststellung der besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die im Jahr 1968 gebotene Klägerin durchlief zwischen 1987 und 1991 eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. 1994 qualifizierte sie sich zur Bobath-Therapeutin für Erwachsene. Anschließend begab sie sich in Elternzeit. Ab 1997 machte sie sich in eigener Praxis selbständig. 2001 qualifizierte sich die Klägerin weiter zur Bobath-Therapeutin für Kinder und zur Mukoviszidose-Therapeutin. Die Klägerin war aufgrund ihrer Qualifikation vorrangig mit der Behandlung von Kindern beschäftigt. Am 30. Oktober 2004 wurde ihr im Jahr 1996 geborener Sohn, G., auf dem Heimweg von H. entführt und ermordet. Die Klägerin hatte zwei Monate lang kein Lebenszeichen von ihrem Sohn. Erst als der Täter Anfang 2005 im Rahmen der Ermittlungen zum Mordfall I. gefasst worden war, gestand dieser auch die Tötung von J ... Seit dem 08. November 2004 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ab Weihnachten 2004 begab sie sich in psychiatrische Behandlung. Durch Bescheid vom 24. November 2006 gewährte der Beklagte der Klägerin Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ab Oktober 2004 nach einem GdS von 40. Als Schädigungsfolge wurde eine Funktionsbeeinträchtigung des Gehirns einschließlich der Psyche durch ständig behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei depressivem Prozess anerkannt. Am 14. Februar 2006 gab die Klägerin ihre Physiotherapiepraxis auf. Ab dem 17. August 2007 schulte die Klägerin zur Kauffrau für Spedition- und Logistikdienstleistungen auf Basis eines Bescheides des Beklagten vom 16. August 2007 um. Die Klägerin brach die Ausbildung am 16. November 2010 ab, da aus ihrer Sicht in der Gesellschaft für sie kein Platz mehr sei. Die Gesellschaft ertrage die Klägerin aufgrund ihres Schicksals nicht. Gegen den Täter H. strengte die Klägerin einen Schadensersatzprozess vor dem Landgericht K. (Az: L.) an. Im Rahmen dieses Zivilprozesses wurde ein Gutachten der M. hinsichtlich der Ermittlung des Praxiswertes und des monatlichen Praxisgewinnes beigezogen. Ausweislich dieses Gutachtens habe der Praxisgewinn monatlich 3.223,00 EUR betragen. Durch Urteil des Landgerichts K. vom 22. Dezember 2008 wurde H. verurteilt, 78.300,00 EUR nebst Zinsen als Praxiswert zu erstatten und 148.258,00 EUR nebst Zinsen als Verdienstausfall für den Zeitraum von November 2004 bis einschließlich August 2008 zu zahlen. Die Klägerin verfügte über eine sogenannte Forderungsausfalldeckung durch eine Versicherung, die alle titulierten Forderungen zahlt, wenn der Schuldner nicht zahlen kann. Daher erhielt die Klägerin am 16. April 2009 eine Gutschrift auf ihrem Konto in Höhe von 261.604,03 EUR und eine weitere Gutschrift am 28. Januar 2010 in Höhe von 48.345,00 EUR. Mit psychiatrischem Gutachten vom 30. September 2009 stellte N., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, fest, dass der Abbruch der Umschuldung zur Speditionskauffrau zwar nicht zu erwarten gewesen, aufgrund der von der Klägerin glaubhaft geschilderten besonderen Umstände jedoch nachvollziehbar und nicht vermeidbar gewesen sei. Die Auswirkungen der beschriebenen Gesundheitsstörungen würden dazu führen, dass die Klägerin auch für ein Jurastudium nicht hinreichend belastbar sei, so dass von einer Aufnahme dieses Studiums abgeraten werde. Die Klägerin beantragte am 01. Oktober 2009 und 11. Januar 2010 die Höherbewertung der Schädigungsfolgen wegen der besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG. Mit Bescheid vom 09. November 2010 erkannte der Beklagte die besondere berufliche Betroffenheit mit Abbruch und Abschluss der Leistungen zur beruflichen Teilhabe ab dem 16. November 2010 an, da die Klägerin weder den bisher ausgeübten Beruf der Physiotherapeutin noch einen sozialgleichwertigen Beruf ausüben könne. Infolgedessen erhöhte der Beklagte den GdS von 40 auf 50 vH. Die Klägerin erhob am 03. Dezember 2010 Widerspruch mit dem Vortrag, es läge bei ihr eine außergewöhnliche besondere berufliche Betroffenheit vor, die eine Erhöhung von mindestens 20 vH rechtfertige. Sie sei mit 42 Jahren nicht mehr in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, da kein Arbeitgeber sie mit ihrer Schicksalsgeschichte beschäftigen würde. Sie habe erhebliche wirtschaftliche Einbußen durch die Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit hinnehmen müssen. Das Tatgeschehen allein führe zu einer dramatischen sozialen Isolierung und zu massiven Belästigungen, die sie wahrnehme. Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 16. März 2011 zurück. Die geltend gemachte soziale Isolation könne bei der besonderen beruflichen Betroffenheit nicht berücksichtigt werden, da sie sich bereits bei der GdS-Bewertung gemäß § 30 Abs 1 BVG niederschlage. Im Übrigen könne ein Einkommensverlust nicht berücksichtigt werden, da sich für die Zukunft keine sichere Hochrechnung ermitteln ließe. Die Klägerin hat am 30. März 2011 Klage erhoben. Aus ihrem Lebenslauf ergebe sich, dass sie in besonders hohem Maße besonders beruflich betroffen sei. Die selbständige berufliche Tätigkeit und überhaupt eine berufliche Tätigkeit habe einen besonders hohen Stellenwert bei der Klägerin gehabt. Die besondere Ausrichtung der Physiotherapiepraxis sei wesentlich für den Erfolg ihrer Praxis gewesen. Die Klägerin habe für diese Arbeit gelebt und habe sich über Arbeit definiert. Die Umschulung zur Speditionskauffrau sei misslungen. Aus ihrer Sicht bestehe kein Nutzen der Gesellschaft mehr durch die Klägerin und dieser soziale Abstieg sei für die Klägerin nicht zu ertragen.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid des Beklagten vom 09. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 abzuändern und

  2. 2.

    den Beklagen zu verurteilen, die besondere berufliche Betroffenheit der Klägerin gemäß § 30 Abs 2 BVG mit einem GdS von mindestens 20 zu bewerten und den GdS der Klägerin ab 01. November 2010 um mindestens 20, auf mindestens 60 zu erhöhen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beruft sich zur Begründung seines Antrags auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Bescheide. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 i.V.m. Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 09. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2011 erweist sich als rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Erhöhung des Grades der Schädigungsfolgen wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG, da eine außergewöhnliche berufliche Betroffenheit nach Überzeugung der Kammer nicht vorliegt. Gemäß § 30 Abs 2 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn 1. aufgrund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte, noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, 2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlichen höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder 3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid anerkannt, dass bei der Klägerin eine besondere berufliche Betroffenheit iSd § 30 Abs 2 BVG vorliegt. Der Beklagte hat den GdS gemäß § 30 Abs 1 BVG von 40 wegen der Feststellung der besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG um 10 auf 50 erhöht. Streitig ist einzig der Maßstab, nach dem eine Erhöhung stattzufinden hat. Das Gesetz enthält keine eindeutige Regelung, um welchen Prozentsatz der GdS im Einzelfall höher zu bewerten ist. Ebenso wenig bestehen allgemeine Hinweise oder Richtlinien, wie sie in der Verwaltungsvorschrift (VV) Nr 4 zu § 30 Abs. 1 BVG und in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" - bzw in den heutigen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen - niedergelegt sind, um eine möglichst einheitliche Bewertung von Gesundheitsschäden zu ermöglichen (vgl BSG, Urteil vom 14. März 1975 - Az: 10 RV 189/74). Die Feststellung des Grades der Erhöhung bedarf daher der Schätzung, die in erster Linie der Versorgungsbehörde obliegt. Diese Schätzung kann von den Sozialgerichten nur in einem eingeschränkten Rahmen des § 54 Abs 2 Satz 2 SGG überprüft werden. Es ist insbesondere zu prüfen, ob die Versorgungsbehörden von zutreffenden rechtlichen Erwägungen bei der Höherbewertung des GdS ausgegangen sind. Eine rein schematische Höherbewertung des GdS um 10 vH im Rahmen des § 30 Abs 2 BVG ist nicht zulässig. Wenn der Gesetzgeber eine derartige Rechtsfolge beabsichtigt hätte, dann hätte dies im Gesetz eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müssen. Allerdings führt auch nicht jede berufliche Einschränkung oder Benachteiligung zu einer Erhöhung des GdS. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt eine Erhöhung nur dann in Betracht, wenn der Beschädigte in seinem Beruf "besonders" betroffen ist, dh wenn er "erheblich größere Nachteile" als im allgemeinen Erwerbsleben hinnehmen muss (vgl BSGE 29, 139 [BSG 19.02.1969 - 10 RV 561/66] f). Erfordert aber die Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs 2 BVG um 10 bereits "besondere" berufliche Nachteile, dann kann ein Zuschlag um mehr als 10 nur in Betracht kommen, wenn die berufliche Schädigung "außergewöhnlich groß" ist (vgl BSG, Urteil vom 22. Oktober 1970 - Az: 9 RV 736/69). Um das Ausmaß einer Schädigung einzuschätzen, sind die beruflichen oder sonstigen Nachteile des Beschädigten in Betracht zu ziehen. Dabei sind neben dem Alter und den persönlichen und beruflichen Verhältnissen insbesondere seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 1975 - Az: 10 RV 189/74). Hinweise zur Bewertung, in welchem Grad die besondere berufliche Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG zu berücksichtigen ist, können auch der Entscheidung des BSG vom 19. März 1996 - Az: B 2 U 254/95 - zur gleichgelagerten Problematik in der gesetzlichen Unfallversicherung entnommen werden. Die Erhöhung ist anhand des Alters, Dauer der Ausbildung und Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und der günstigen Stellung im Erwerbsleben aufgrund der bisher verrichteten Tätigkeit vorzunehmen. Ein Rangverhältnis zwischen den Kriterien besteht nicht (Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, Kommentar, Stand Juli 2013, § 30 Nr 3 c). § 30 Abs 2 BVG ist eine Härtefallregelung, bei der analog zur gesetzlichen Unfallversicherung nur ausnahmsweise individuelle berufliche Belastungen zur Erhöhung des Grades der Schädigung führen. Hierfür muss eine unbillige Härte vorliegen (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 - Az: 9 RV 18/94 mit Verweis auf das Urteil des BSG vom 04. Dezember 1991 - Az: 2 RU 47/90). Nach der Rechtsprechung des BSG sind - obgleich ein Rangverhältnis zwischen den Kriterien nicht besteht - gleichwohl insbesondere die Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 1975 - Az: 10 RV 189/74). Diese rechtlichen Maßstäbe vorangestellt und berücksichtigt, liegt nach Überzeugung der Kammer bei der Klägerin keine außergewöhnlich große berufliche Betroffenheit im Sinne der Rechtsprechung vor. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Kriterien. Im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse bzw. die wirtschaftliche Lage der Klägerin zum Zeitpunkt des Antrages auf Feststellung der besonderen beruflichen Betroffenheit im Oktober 2009 ist auszuführen, dass die Klägerin von der Nürnberger Lebensversicherung eine Berufsunfähigkeitsrente bezieht, die zuletzt seit Februar 2012 in Höhe von monatlich 2.422,33 EUR ausgezahlt wird. Zudem erhielt die Klägerin Zahlungen aus der Forderungsausfalldeckungsversicherung in Höhe von 48.345,00 EUR und 261.604,03 EUR. Dies ist aus Sicht der Kammer eine solide wirtschaftliche Stellung der Klägerin. Auch die Einkommensverhältnisse in Form der Berufsunfähigkeitsversicherung - das Einkommen der Klägerin aus der Grundrente gemäß § 30 Abs 1 BVG bleibt unberücksichtigt - entsprechen einem mehr als durchschnittlichen monatlichen Einkommen. Im Hinblick auf die beruflichen Verhältnisse (Dauer der Ausbildung, Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit), ist zunächst darzustellen, dass die Klägerin eine vierjährige Ausbildung zur Physiotherapeutin durchlaufen hat. Insgesamt war die Klägerin 13 Jahre als Physiotherapeutin tätig, sieben Jahre davon selbständig und drei Jahre davon als qualifizierte Physiotherapeutin in Bobath- und Mukoviszidose-Therapien insbesondere bei Kindern. Dies entspricht nach Auffassung der Kammer einem relativ kurzen Zeitraum der beruflichen Tätigkeit in Anbetracht der Tatsache, dass die Regelaltersgrenze (im Fall der Klägerin) erst mit 67 Jahren erreicht sein wird. Insoweit hätten weitere 26 Berufsjahre vor der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung gelegen. Insoweit kann bezüglich dieses Kriteriums keine außergewöhnliche hohe berufliche Betroffenheit erkannt werden. In diese Bewertung fließt mit ein, dass die Klägerin im Übrigen nicht voll erwerbsgemindert iSd § 43 Abs 2 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist. Dies ist nach den bisherigen Gutachten nicht belegt und wurde auch von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. Es steht nur fest, dass die Klägerin nicht mehr als Physiotherapeutin mit Kindern tätig sein kann, der Abbruch der Ausbildung zur Speditionskauffrau schädigungsbedingt nicht abzuwenden war und die Klägerin einem Jurastudium nicht gewachsen ist. Die Klägerin hat gegenüber dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Haselbeck lediglich ausgeführt, sie habe panische Angst davor, wieder einer entgeltlichen Beschäftigung nachzugehen und den Kollegen ausgesetzt zu sein. Die Tatsache, dass die Klägerin - wie sie in der mündlichen Verhandlung bekundete - tatsächlich arbeiten möchte und aus ihrer Sicht nur keine Anstellung findet, weil die Arbeitgeber sie wegen ihres persönlichen Schicksals nicht einstellen würden, spricht gegen ein aufgehobenes Leistungsvermögen iSd § 43 Abs 2 SGB VI. Die Klägerin hat erklärt, sechs bis sieben Bewerbungen geschrieben zu haben. Sie wolle und könne auch arbeiten. Das ebenfalls zu berücksichtigende Kriterium des Alters der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung betrug 41 Jahre. Damit hätte sie noch 26 Jahre bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem SGB VI. In diesem Zeitraum wäre die Klägerin eigentlich immer noch flexibel genug für eine berufliche Neuorientierung, was gegen die Annahme einer außergewöhnlich großen beruflichen Betroffenheit spricht. Zwar hatte die Klägerin als selbständige Physiotherapeutin über ein Einkommen in Höhe von 3.223,00 EUR monatlich verfügt, was aus dem Gutachten der M. hervorging. Davon hat die Klägerin als Selbständige Steuern, Abgaben und Vorsorgeaufwendungen abzuziehen, sodass als Nettoeinkommen ein nach Auffassung der Kammer normales Einkommen erzielt worden war. Hieraus ergibt sich keine gesondert günstige Stellung im Erwerbsleben aufgrund der bisher verrichteten Tätigkeit, die nicht zu vergleichen ist, mit dem Fall, so wie er vom Bundessozialgericht am 04. Dezember 1991 (Az: 2 RU 47/90) zu entscheiden war. Im Übrigen spricht die Höhe des GdS gemäß § 30 Abs 1 BVG mit 40 vH nicht dafür, eine außergewöhnliche Betroffenheit anzunehmen, da sich die Höhe des GdS im unteren Mittelfeld bewegt und damit nicht außergewöhnlich hoch ist. Insgesamt sprechen sämtliche Kriterien dafür, die besondere berufliche Betroffenheit mit 10 zu berücksichtigen, sodass der Grad der Schädigungsfolgen zutreffend von 40 auf 50 angehoben wurde. Soweit die Klägerin meint, sie könne nie wieder irgendeiner beruflichen Tätigkeit nachgehen, da sie von den Arbeitgebern aufgrund ihres persönliches Schicksals abgelehnt werde, überzeugt dies die Kammer nicht. Aus den - wie von der Klägerin vorgetragenen - sechs bis sieben bisher abgesandten Bewerbungen, die sich gesamt auf den Wohnort der Klägerin und den angrenzenden Bereich beschränkten, kann das Gericht keine Indizwirkung entnehmen, dass im Großraum Bremen keine Anstellung für die Klägerin zu finden sein soll. Im Übrigen kann sich das Gericht des Eindrucks nicht erwehren, dass der Blickwinkel bzw die Einstellung der Klägerin in Bezug auf eine nicht zu erhaltene Anstellung Auswuchs der bereits gemäß § 30 Abs 1 BVG anerkannten Schädigungsfolgen und damit Teil der psychischen Erkrankung der Klägerin ist. Diese sehr persönliche Sichtweise hat jedoch keinen Einfluss auf die Frage, ob eine außergewöhnlich hohe berufliche Betroffenheit vorliegt. Diese ist allein nach rechtlichen Kriterien, wie sie zuvor ausgeführt worden sind, zu beurteilen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.