Sozialgericht Stade
Urt. v. 17.03.2014, Az.: S 21 VE 9/10

Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
17.03.2014
Aktenzeichen
S 21 VE 9/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 14238
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2014:0317.S21VE9.10.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Die im Jahr 1993 geborene Klägerin wurde am 30. September 2008 von ihrem Kinderarzt Dr. G. mit dem Impfstoff Gardasil gegen HPV (humane Papillomviren) geimpft. Am 10. Oktober 2008 traten erstmals Durchfälle und Erbrechen bei der Klägerin auf, die anhielten und eine stationäre Aufnahme im Elbeklinikum H. am 21. Oktober 2008 erforderlich machten. Im Rahmen dieser stationären Behandlung, die bis zum 12. November 2008 andauerte, wurde erstmals der Verdacht auf ein autoimmunes Geschehen bei der Klägerin geäußert. Die Klägerin wurde ans Universitätsklinikum I. überwiesen, wo sie zunächst ambulant vorstellig und wegen des verschlechterten Zustandes ab dem 21. Januar 2009 stationär aufgenommen war. Am 23. Januar 2009 erfolgte eine Computertomographie der Lunge, durch die der Verdacht auf eine Wegener'sche Granulomatose gestellt worden war. Zur genauen Diagnostik erfolgte am 13. Februar 2009 in der Kinderklinik J. eine Lungenbiopsie, die den Verdacht auf Wegener'sche Granulomatose, einer entzündlichen Gefäßerkrankung, als Diagnose sicherte. Am 12. November 2009 berichtete der behandelnde Kinderarzt Dr. G. gegenüber dem Paul-Ehrlich-Institut über den Verdachtsfall einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, Verdacht auf Impfkomplikation, nach dem IfSG. Die Klägerin beantragte am 26. November 2009 Beschädigtenversorgung nach dem IfSG. Die Autoimmunerkrankung Wegener'sche Granulomatose sei durch die HPV-Impfung ausgelöst worden. Der Beklagte zog einen Befundbericht von Dr. G. vom 11. Dezember 2009 bei, nach welchen bei der Klägerin eine Wegener'sche Granulomatose mit Lungen- und Darmbeteiligung vorliegt. Der Beklagte ließ sich durch K. am 11. Januar 2010 beraten. Sie führte aus, dass nach den Fachinformationen und Studien hinsichtlich der Impfung gegen HPV durch den Impfstoff Gardasil schwere Impfkomplikationen oder bleibende Impfschäden nicht bekannt seien. Die Wegener'sche Granulomatose sei eine Erkrankung des Autoimmunsystems, die in jedem Lebensalter auftreten könne. Ein Zusammenhang zwischen der Impfung der dem Auftreten der Erkrankung bestehe nicht. Die Erkrankung sei zufällig in zeitlicher Nähe zur durchgeführten Impfung aufgetreten. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 13. Januar 2010 ab. Den hiergegen am 11. Februar 2010 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 24. März 2010 zurück. Die Klägerin hat am 21. April 2010 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie stützt sich mit ihrer Klage auf das Gutachten des Herrn. Dr. L. vom 07. Juli 2011.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid des Beklagten vom 13. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 aufzuheben und

  2. 2.

    den Beklagen zu verurteilen, die bei der Klägerin bestehende Wegener'sche Granulomatose als Impfschaden anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beruft sich zur Begründung seines Antrages auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Bescheide sowie auf das internistisch-rheumatologische Gutachten des Herrn Prof. Dr. M. vom 05. Januar 2011 und das Gutachten des Herrn Prof. Dr. N. vom 16. September 2011. Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhaltes den Internisten und Rheumatologen Prof. Dr. M. mit der Begutachtung der Klägerin, die am 01. November 2010 erfolgt ist, beauftragt. In seinem Gutachten vom 05. Januar 2011 hat der Sachverständige ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der heutigen Erkenntnisse die Erkrankung aller Wahrscheinlichkeit nach schicksalsbedingt sei. Die Ätiologie der Erkrankung sei unbekannt. Als auslösende Faktoren für Autoimmunerkrankungen werden auch Impfungen bzw Impfstoffe mit Adjuvanzien angenommen. Der Impfstoff Gardasil gelte im Allgemeinen als sicher. Bis 2009 wurden mehr als 40 Millionen Dosen Gardasil verabreicht. Ein erhöhtes Auftreten von schweren Impfkomplikationen oder bleibenden Impfschäden sei bislang nicht dokumentiert, was sich aus dem Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Institutes (RKI) ergäbe. Allerdings fehlten bislang Langzeiterfahrungen mit dem Impfstoff, dh Erfahrungen über mehr als zehn Jahre. Auf Antrag der Klägerin hat Dr. Klaus L. am 07. Juli 2011 ein Gutachten über die Klägerin erstellt. Er führte aus, dass, folge man den zeitlichen Angaben hinsichtlich des Auftretens der ersten Beschwerden nach der Gardasil-Impfung, das Zeitintervall für das Vorliegen eines Impfschadens plausibel sei. Die Reaktion einer autoimmunen Vaskulitis, zu der auch die Wegener'sche Granulomatose gehöre, sei nach inaktivierten Impfungen wie der gegen HPV selten, aber durchaus bekannt. Die Gardasil-Impfung sei der einzige bekannte plausible immunologische Auslöser dieser Autoimmunkrankheit bei der Klägerin. Der Beklagte hat sich durch Prof. Dr. N. am 16. September 2011 beraten lassen. Prof. Dr. N. hat sich zunächst mit dem Gutachten des Herrn Dr. L. auseinandergesetzt und ausgeführt, dass Schlussfolgerungen, wie sie von Dr. L. im Gutachten gezogen worden seien, zB dass immer klarer erkennbar sei, dass autoimmune Erkrankungen zum Spektrum der Gardasil-Nebenwirkungen gehören würden, durch die bislang bekannte Datenlage nicht gestützt werde. Der vom Sachverständigen Dr. L. dargestellten Zusammenhangsbeurteilung zwischen der Gardasil-Impfung und der Erkrankung multiple Sklerose (MS) sei damit zu begegnen, dass nach einer Veröffentlichung aus dem Paul-Ehrlich-Institut, der Bundesoberbehörde zu Fragen der Impfstoffsicherheit, nach aktuellem Kenntnisstand keine Evidenz dafür vorläge, dass Impfungen zu einer MS führen oder bei besehender MS einen akuten Schub auslösen könnten. Prof. Dr. N. hat ausgeführt, dass bislang weltweit über 100 Mio. Dosen HPV-Impfstoffe verimpft worden seien. Anhaltspunkte für eine Ursache einer Wegener'schen Granulomatose hätten sich aus den Daten nicht ergeben. Die Ursache der Erkrankung sei nicht bekannt; darüber bestehe im nationalen und internationalen Schrifttum Einigkeit. Es werde angenommen, dass die Erkrankung in den Komplex der Autoimmunerkrankungen einzuordnen sei. Für die Entstehung von Autoimmunkrankheiten seien keine eindeutigen Ursachen bekannt. Schoenfeld habe das Weltschrifttum zur Frage von Impfungen und Autoimmunkrankheiten analysiert und diskutiert. Danach gebe es bislang nur ganz vereinzelt den Nachweis, dass Impfungen das Risiko einer Autoimmunkrankheit beinhalten könnten. Es sei in diesem Zusammenhang auf das bisher einzige Tiermodel verwiesen worden: Nach verschiedenen Impfstoffen hätten Antikörper im Tier nachgewiesen werden können, jedoch in keinem Fall eine Autoimmunerkrankung. Eine Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs sei nicht zu begründen. Das Gutachten des Herrn Prof. Dr. M. spiegele den bisherigen Erkenntnisstand zur HPV-Impfung und der Wegener'schen Granulomatose wider. Dr. L. stelle eine Einzelmeinung dar, der in seinem Gutachten im Übrigen die Mehrzahl der angegebenen Studien nicht korrekt dargestellt habe. Es erstaune - so Prof. Dr. Dittmann - dass bei eindeutiger internationaler Auffassung Dr. Hartmann die Gardasil-Impfung als den einzigen bekannten plausiblen Auslöser dieser Erkrankung bezeichne. Eine Wahrscheinlichkeit im Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze sei nicht gegeben. Das Gericht hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 27. Januar 2012 angefordert, ausweislich der dem Bundesministerium keine Erkenntnisse über den möglichen Zusammenhang einer durchgeführten Impfung mit Gardasil und dem Auftreten einer Wegener'sche Granulomatose vorlägen. Auch in den aufgeführten "unerwünschten Arzneimittelwirkungen" sei Morbus Wegener nicht enthalten. Am 24. Januar 2013 hat Herr Dr. L. eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. In dieser äußert sich der Sachverständige erneut zu dem seiner Meinung nach bestehenden autoimmunen Potential von unspezifischen Immunverstärkern (Adjuvanzien), wie sie auch im Impfstoff Gardasil zum Einsatz kommen würden. Das krankmachende Potential dieser Adjuvanzien sei von den Sachverständigen Prof. Dr. M. und Prof. Dr. N. nicht mit der notwendigen Sorgfalt analysiert worden. Hierzu hat Prof. Dr. M. am 06. Mai 2013 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Die Aussage Dr. O., "der einzig bekannte plausible immunologische Auslöser" sei die Gardasil-Impfung, sei irreführend, weil unbewiesen, spekulativ und absolut unzureichend in der Beweisführung der Zusammenhangsfrage. Der konkreten Zusammenhangsfrage sei 2011 in einer großen Studie epidemiologisch nachgegangen worden. Bei 189.629 geimpften Frauen sei im Zeitraum von 180 Tagen nach der Impfung gezielt nach dem Auftreten von 16 verschiedenen Autoimmunerkrankungen gefahndet worden. Einzig die Inzidenzrate für die autoimmune Hashimoto-Schilddrüsenerkrankung sei bei geimpften Frauen etwas höher als bei nichtgeimpften Frauen gewesen. Demgegenüber war die Inzidenzrate für keine der anderen Autoimmunerkrankungen, auch nicht für die generalisierte Form wie die der Wegener'sche Granulomatose, erhöht gewesen. Außer einem zeitlichen Zusammenhang könne ein kausaler Zusammenhang im Fall der Klägerin nicht angenommen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage iSd § 54 Abs 1 i.V.m. § 55 Abs 1 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Januar 2010, der durch den Widerspruchsbescheid vom 23. März 2010 seine endgültige Gestalt erhalten hat, erweist sich als rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihr bestehenden Wegener'schen Granulomatose als Impfschaden bzw Impfkomplikation. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Feststellung der im Februar 2009 diagnostizierten Wegener'schen Granulomatose als Folge einer Impfung ist § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde oder aufgrund des IfSG angeordnet wurde oder gesetzlich vorgeschrieben war oder aufgrund der Verordnungen zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer durch diese Maßnahme eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Gemäß § 2 Nr 11 IfSG ist ein Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung. Unter weiterer Berücksichtigung der im sozialen Entschädigungsrecht und mithin auch im Bereich des IfSG geltenden allgemeinen Grundsätze bedarf es für die von der Klägerin begehrte Feststellung somit der folgenden Voraussetzungen: Es müssen eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschafen, vorliegen (hierzu und zum Folgenden vgl BSG, Urteil vom 07. April 2011 - Az: B 9 VJ 1/10 R - zit nach [...]; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 - Az: L 6 VJ 1702/12 - zit nach [...]). Die Schutzimpfung muss nach der im sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung wesentliche Ursache für den Eintritt der Impfkomplikation und diese wesentliche Ursache für die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, dem Impfschaden, sein. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist. Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikationen in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sogenannten Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus, § 61 Satz 1 IfSG. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSGE 60, 58 ff [BSG 19.03.1986 - 9a RVi 2/84]). Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind. Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten, auch wenn ein bestimmter Vorgang unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden hat (BSG SozR 3-3850 § 52 Nr 1 Seite 3). Bei der jeweils vorzunehmenden Kausalbeurteilung sind im sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den schon seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirats beim zuständigen Bundesministerium erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um sogenannte antizipierte Sachverständigengutachten. Die AHP sind in den Bereichen des sozialen Entschädigungsrechts und im Schwerbehindertenrecht generell anzuwenden und wirken dadurch wie eine Rechtsnorm ("normähnlich"). Die AHP enthalten in allen hier zu betrachtenden Fassungen (2005 bis 2008) unter den Nrn 53 bis 142/143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr 57 Schutzimpfungen im Einzelnen zum Inhalt haben. Nach Nr 57 AHP entwickelt die beim RKI eingerichtete ständige Impfkommission (STIKO) Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Die versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr 11 IfSG und Nr 56 Abs 1 der AHP) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von § 60 f IfSG durchzuführen. Siehe hierzu auch Nr 35 bis 52 der AHP. Die seit dem 01. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, die indes anders als die AHP keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern enthält, sodass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP (2008) zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten genutzt werden müssen (BSG, Urteil vom 07. April 2011 - Az: B 9 VJ 1/10 R - zit nach [...]). Für die Kammer steht unstreitig fest, dass die Klägerin an einer Wegener'schen Granulomatose erkrankt ist. Anzeichen dieser Erkrankung traten erstmals am 10. Oktober 2008 auf und im Rahmen der Behandlung am UKE Hamburg wurde der bestehende Verdacht durch weitere diagnostische Maßnahmen am 13. Februar 2010 zur Gewissheit. Nach Überzeugung der Kammer ist diese Erkrankung nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Impfung mit Gardasil am 30. September 2008 zurückzuführen. Ein derartiger Zusammenhang ist nach der von den Sachverständigen ausgewerteten medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht - wie für die Gewährung von Entschädigung notwendig - wahrscheinlich. Zu diesem Ergebnis gelangt das erkennende Gericht unter Berücksichtigung der Gutachten des Herrn Prof. Dr. M. vom 05. Januar 2011, dessen Stellungnahme vom 06. Mai 2013 und des Herr Prof. Dr. N. vom 16. September 2011. Diese Gutachten stellen den Stand der aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Forschung dar, wonach ein Zusammenhang zwischen einer Impfung gegen HPV und einer Autoimmunerkrankung nicht besteht. Nach keiner dem Gericht bekannten medizinischen Studie wird ein direkter Zusammenhang (generell) zwischen Autoimmunerkrankungen und im Besonderen zwischen einer Wegener'schen Granulomatose und der Impfung gegen HPV belegt. Im Rahmen einer in Dänemark und Schweden von Oktober 2006 bis Dezember 2010 durchgeführten register-basierten Kohortenstudie ist untersucht worden, ob die Impfung gegen HPV mit einem erhöhten Risiko für Autoimmunerkrankungen sowie neurologischen und thromboembolischen unerwünschten Ereignissen assoziiert ist. An der Studie nahmen 997.585 Mädchen und junge Frauen im Alter von 10 bis 17 Jahren teil, von denen 296.826 gegen HPV geimpft waren. Die Autoren fanden keinen signifikanten Unterschied zwischen der geimpften und der nichtgeimpften Gruppe (Arnheim-Dahlström L et al: Autoimmune, neurological, and venous thromboembolic adverse events after immunisation of adolescent girls with quadrivalent human papillomavirus vaccine in Denmark and Sweden: cohort study. BMJ. 2013 Oct 9;347:f5906.doi:10.1136/bmj.f5906). An einer US-amerikanischen Beobachtungsstudie, die von Prof. Dr. Gross in seiner Stellungnahme vom 06. Mai 2013 dargestellt worden ist, nahmen 189.629 Mädchen und junge Frauen teil, die zwischen August 2006 und März 2008 mindestens eine Dosis HPV-Impfstoff erhalten hatten. Es traten nicht mehr Neuerkrankungen auf, als aufgrund der Inzidenz der 16 untersuchten Autoimmunerkrankungen in der nichtgeimpften weiblichen Population der gleichen Altersgruppe zu erwarten war. So war beispielsweise die Inzidenz für MS in der geimpften Kohorte nicht signifikant höher als in der ungeimpften Kohorte (Chao C et al: Surveillance of autoimmune conditions following routine use auf quadrovalent human papilloma virus vaccine. J Internal Med. 2012; 271:193-203). In einer gepoolten Analyse der Daten von elf klinischen Studien mit fast 30.000 Teilnehmerinnen über zehn Jahre, von denen 16.142 mindestens eine Dosis des Impfstoffes Cervarix und 13.811 Placebo erhielten, wurde kein erhöhtes Risiko für das Neuauftreten von Autoimmunerkrankungen nach Gabe von Cervarix im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt (Descamps D et al: Safety of human papillomavirus (HPV)-16/18 AS04-adjuvanted vaccine for cervical cancer prevention: a pooled analysis of 11 clinic trials., Human Vaccin. 2009;5(5): 332-340). Auch dem BMG ist ausweislich der Stellungnahme vom 27. Januar keine Studie mit anderslautendem Ergebnis bekannt. Ein Zusammenhang kann daher seitens des Gerichts nicht gesehen werden. Ausweislich des Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts 32/2009, Seite 325, gilt der Impfstoff Gardasil als sicher. Es wurden - zum Zeitpunkt 2009 - weltweit mehr als 40 Millionen Impfdosen verabreicht. Ein erhöhtes Auftreten von schweren Impfkomplikationen oder bleibenden Impfschäden konnte danach nicht dokumentiert werden. Einzig Dr. L. hält einen Zusammenhang allein aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten von ersten Symptomen der Erkrankung und der Impfung mit Gardasil für gegeben. Dies reicht allein für die Beurteilung der Zusammenhangsfrage nach den Beweisgrundsätzen im Sozialen Entschädigungsrecht allerdings nicht aus. Dr. L. beschreibt zwar diverse Studien, die einen Zusammenhang belegen sollen, die aber nicht konkret auf die Erkrankung der Klägerin abstellen. Sein Gutachten setzt sich lediglich allgemein mit Wirkungen von den den Impfstoffen beigefügten Adjuvantien auseinander, wobei auch hier die Ausführungen nicht zur Überzeugung der Kammer führen, da derartige Bestandteile in nahezu allen Impfstoffen enthalten sind. Dr. L. selbst führt in seinem Gutachten aus, "die Adjuvantien wurden jahrzehntelang als das "dirty little secret" der Immunologen bezeichnet, da ihre genaue Wirkungsweise nicht geklärt werden konnte." Mithin kann auch hier kein Kausalzusammenhang gesehen werden, wenn nicht einmal die Wirkung von Adjuvantien mittels fundierter medizinischer Studien geklärt ist. Hätten diese Bestandteile grundsätzlich die Wirkung, autoimmune Erkrankungen auszulösen, dann müsste - da nahezu sämtliche Impfstoffe derartige Adjuvanzien enthalten - ein sehr hoher Prozentsatz aller weltweit geimpften Menschen an Autoimmunkrankheiten leiden. Dies trifft allgemeinbekannt nicht zu. Vor diesem Hintergrund hält das Gericht die Ausführungen des - im Übrigen als Impfkritiker bekannten - Dr. L. nicht für überzeugend. Ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der Erkrankung als Folge einer Impfung kommt auch nicht im Wege der sogenannten Kann-Versorgung in Betracht. Auch diese Voraussetzungen nach § 61 Satz 2 IfSG liegen im Falle der Klägerin zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Nach § 61 Satz 2 IfSG kann, wenn die nach § 61 Satz 1 IfSG erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden. Diese Regelung entspricht der des § 1 Abs 3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG), sodass die dafür entwickelten Grundsätze auf für § 61 Satz 2 IfSG gelten (Meßling in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 61 IfSG Rdnr 21). Die wesentlichen rechtlichen Maßstäbe zur richtigen Anwendung der Kann-Bestimmung ergeben sich seit dem 1. Januar 2009 aus Teil C Nr. 4b der Anlage zu § 2 VersMedV (siehe oben). Danach ist eine Kann-Versorgung zu prüfen, wenn über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist die Kann-Versorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird (Teil C Nr. 4b bb). Dabei reicht die allein theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Denn die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen. Es genügt nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupten. Vielmehr ist es erforderlich, dass diese Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, in der Regel statistische Erhebungen, untermauert ist. Die Fakten müssen - in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung - zwar (noch) nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kann-Versorgung ist daher bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeugt ("Mindermeinung"). In seiner ständigen Rechtsprechung hat das BSG diesen Maßstab auf die "gute Möglichkeit" eingeschränkt (vgl BSG, Urteil vom 10. November 1993 - Az: 9/9a RV 41/92 - SozR 3-3200 § 81 Nr 9 mwN; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - Az: 9 RV 17/94 - SozR 3-3200 § 81 Nr 13; Urteil vom 17. Juli 2008 - Az: B 9/9a VS 5/06 R - SozR 4-3200 § 81 Nr 5). Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da in der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung national wie international unstreitig ist, dass die Ätiologie der Erkrankung der Klägerin nicht geklärt ist. Dies beschreiben sowohl Prof. Dr. M. und Prof Dr. N. und sogar Dr. L., indem er ausführt, die Ursache von Vaskulitiden im Allgemeinen, zu denen die Wegener'sche Granulomatose gehört, sei unklar. Es besteht nicht einmal eine - ernstzunehmende - Mindermeinung, dass die Wegener'sche Granulomatose durch ein bestimmtes Geschehen - von einer Impfung ganz abgesehen - hervorgerufen werden kann. Die Kostenentscheidung ergeht auf Grundlage des § 193 SGG.