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  • ab 02.09.2021 (aktuelle Fassung)

Anhang WEA-Erl - Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen an Land in Niedersachsen (Windenergieerlass)

Bibliographie

Titel
Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen an Land in Niedersachsen (Windenergieerlass)
Redaktionelle Abkürzung
WEA-Erl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
28010
Inhalt
1. Zielsetzung
1.1Energiewende
1.2Bedeutung der Windenergie, Ziel
1.3Nutzungs- und Schutzinteressen
1.4Anwendungsbereich
2. Raumordnung und Bauleitplanung
2.1Privilegierung im Außenbereich
2.2Landes-Raumordnungsprogramm (LROP)
2.3Regionale Raumordnungsprogramme
2.4Flächennutzungs- und Bebauungspläne
2.5Konzentrationsflächenplanung
2.6Harte Tabuzonen
2.7Weiche Tabuzonen
2.8Windenergie substanziell Raum verschaffen
2.9Gebietsschutz im Rahmen der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen
2.9.1Gesetzlich geschützte Biotope, Naturdenkmale, geschützte Landschaftsbestandteile
2.9.2Landschaftsschutzgebiete - Vermeidung von widersprüchlichen Festsetzungen
2.9.3Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete
2.10Repowering
2.11Windenergie im Wald
2.12Gewerbe- und Industriegebiete
2.13Zielvorgabe für die Planung
2.14Regionalisierter Flächenansatz
3. Anlagenzulassung
3.1Allgemeines
3.1.1Bau- und Immissionsschutzrechtliche Einordnung
3.1.2Kleinwindanlagen
3.2Genehmigungserfordernisse nach dem Bauordnungsrecht
3.2.1Keine Verfahrensfreistellung (§ 60 Abs. 1 NBauO)
3.2.2Genehmigungsfreistellung (§ 62 NBauO)
3.2.3Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 63 NBauO)
3.2.4Reguläres Baugenehmigungsverfahren (§ 64 NBauO)
3.3Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren
3.3.1Vereinfachtes/förmliches Genehmigungsverfahren
3.3.2Konzentrationswirkung
3.3.3Vorbescheid/Vorzeitiger Beginn
3.3.4Änderung einer Anlage
3.3.5Überwachung
3.3.6Genehmigungs-Monitoring
3.4Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
3.4.1Windfarmbegriff
3.4.2Standortbezogene und allgemeine Vorprüfung
3.4.3Umweltverträglichkeitsprüfung
3.4.4Änderungsvorhaben/Kein Fall der Kumulationsregelung des § 10 Abs. 4 UVPG
3.4.5Vermeidung von Verfahrensverzögerungen
3.5Materiell-rechtliche Anforderungen
3.5.1Immissionsschutzrechtliche Anforderungen
3.5.2Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
3.5.3Bauordnungsrechtliche Anforderungen
3.5.4Abstandsanforderungen
3.6Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft, Eingriffsregelung
3.6.1Landschaftsschutzgebiete
3.6.2Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete
3.6.3Abstände zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft
3.6.4Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
4. Spezialregelungen
4.1Straßenrecht
4.1.1Bundesfernstraßengesetz (FStrG)
4.1.2Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG)
4.1.3Ausnahmen
4.1.4Verfahren
4.1.5Erschließung
4.2Schienenverkehr
4.3Gewässerschutz, Wasserschutz-, Heilquellenschutz-, Überschwemmungsgebiete, Wasserstraßen, sonstige Regelungen zu Abständen zu Gewässern und Deichen
4.4Bodenschutz
4.5Freileitungen
4.6Luftverkehrsrecht, Flugsicherungseinrichtungen
4.6.1Zustimmungspflichtige Windenergieanlagen
4.6.2Nicht zustimmungspflichtige Windenergieanlagen
4.6.3Flugsicherungseinrichtungen
4.7Belange des Flugbetriebes der Bundeswehr
4.7.1Nachttiefflugsystem und Hubschraubertiefflugstrecken der Bundeswehr
4.8Hinderniskennzeichnung
4.9Windenergieanlagen und Wetterbeobachtung durch den Deutschen Wetterdienst (DWD)
4.10Denkmalschutz
4.11Bergbauliche Anlagen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung, Ferngas- und Mineralölfernleitungen sowie das seismische Ortungsnetzwerk des Bergschadenkundlichen Beweissicherungssystems
4.12Seismische Messsysteme
4.13Einrichtungen zur Waldbrandvorsorge
Anlage 1 Flächenpotenzialanalyse
Tabelle - Flächenpotenzialanalyse
Anlage 2 Überblick zu harten Tabuzonen
Anlage 3 Seismische Stationen
Anlage 4 Übersicht - Veranschaulichung Grenzabstände
Anlage 5 Übersicht - Grafik "Windfarm"

1. Zielsetzung

1.1
Energiewende

Es besteht ein breiter Konsens über die Notwendigkeit einer wirksamen Klimaschutzpolitik. Hierzu bedarf es einer Transformation der Energieversorgung in ein System, das zum Schutz des Klimas künftig nahezu vollständig klimaneutral ist.

Die Bundesregierung beabsichtigt, den Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch deutlich zu erhöhen. Sektorenkopplung und zunehmende Elektrifizierung des Mobilitäts- und Wärmesektors sowie von Industrieprozessen erfordern den Einsatz von mehr Erneuerbaren Energien.

Das Land Niedersachsen ist dem Klimaschutz verpflichtet. Es will seinen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten und seine eigene Energieversorgung auf 100 % erneuerbare Energiequellen umstellen. Mit der Umsetzung der Energiewende als Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels geht zugleich ein Beitrag zum Erhalt des heimischen Natur- und Artenhaushalts einher. Auch Niedersachsen verfolgt das Ziel klimaneutral zu werden. Der landesweite bilanzielle Energiebedarf soll bis spätestens zum Jahr 2040 vollständig durch Erneuerbare Energie abgedeckt werden. Das Erreichen der Klimaziele verlangt u. a. einen schnellstmöglichen Ausbau der Erneuerbaren Energien.

1.2
Bedeutung der Windenergie, Ziel

Die Windenergie als kostengünstige, etablierte und klimafreundliche Technologie bildet ein Kernstück der Energiewende im Stromsektor. Deren weiterer Ausbau ist ein wesentlicher Bestandteil deutscher und niedersächsischer Energie- und Klimapolitik und ist von hohem öffentlichem Interesse. WEA sind in Niedersachsen seit mehr als 25 Jahren regelmäßiger Bestandteil der Kulturlandschaft (Nummer 3.6.4 bleibt unberührt).

Zukünftige Entwicklungen im Bereich der sog. Sektorenkopplung, d. h. der Verbindung der Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie zum Zwecke der Senkung von Kohlenstoffdioxidemissionen, werden zu erhöhtem Strombedarf führen. Dieser kann in Norddeutschland am besten durch die Windenergienutzung gedeckt werden.

Niedersachsen verfügt schon allein aufgrund seiner geografischen Lage und Topografie über hervorragende Potenziale für die Nutzung der Windenergie. Damit kommt Niedersachsen eine besondere Verantwortung beim Ausbau der Windenergie in Deutschland zu, die über die Deckung des niedersächsischen Strombedarfs hinausgeht. Dieser Verantwortung müssen auch die Ausbauziele für die Windenergie in Niedersachsen entsprechen.

Zugleich müssen die Potenziale der Windenergienutzung an Land weiter erschlossen werden. Vertreter der LReg haben sich mit Umweltverbänden, Verbänden und Interessenvertretern der Windenergiebranche sowie Kommunalverbänden in der Abschlusserklärung des "Runden Tisches zur Zukunft der Windenergie in Niedersachsen" vom 3. 3. 2020 (Runder Tisch vom 3. 3. 2020) auf einen beschleunigten Ausbau der Windenergie verständigt: Um die konkrete Verfügbarkeit von hinreichenden Flächen für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land planerisch zu sichern, beabsichtigt die LReg im Rahmen der Novellierung des LROP als Grundsatz der Raumordnung einen Flächenbedarf von 1,4 % bis 2030 sowie 2,1 % ab 2030 für die Windenergie an Land aufzunehmen. Mit Inkrafttreten der LROP-Novellierung wäre dieser Grundsatz der Raumordnung im Rahmen der Fortschreibung der Regionalen Raumordnungsprogramme (RROP) zu berücksichtigen. Bestehende bzw. durch Beschluss in Aufstellung befindliche Regionale Raumordnungsprogramme bleiben nach der Abschlusserklärung des Runden Tisches vom 3. 3. 2020 zunächst unberührt. Windenergie-Standorte sind soweit wie möglich für das Repowering zu erhalten. Die energie- und klimapolitischen Zielsetzungen sprechen dafür, die avisierten Flächenbedarfe bereits vorausschauend in der Planung zu berücksichtigen.

Als energiepolitisches Ziel sollen mindestens 20 Gigawatt Windenergieleistung bis 2030 in Niedersachsen errichtet werden können. Ab 2030 sollen 2,1 % der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie an Land zur Verfügung stehen.

Die Bewältigung des energie- und klimapolitisch notwendigen Umbaus der Energieversorgung ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, das Möglichste zur Zielerreichung beizutragen.

Darüber hinaus kommt der Windenergie auch eine wirtschafts-, struktur- und arbeitsmarktpolitisch bedeutsame Rolle und Chance für Niedersachsen zu. Neben den großen Anlagenbauern und den universitären und außeruniversitären Windenergieforschungszentren sind viele vorwiegend mittelständische Komponentenhersteller, Zulieferer, Serviceunternehmen und Projektentwickler in der Windkraftbranche tätig. Die Windenergie schafft Arbeitsplätze sowie regionale Wertschöpfung, von der auch Kommunen und Bürger an den Anlagenstandorten profitieren. Besonders spürbar sind die positiven Effekte in ehemals strukturschwachen Gebieten im ländlichen und im küstennahen Raum.

1.3
Nutzungs- und Schutzinteressen

Windenergieanlagen (WEA) können gleichwohl nachteilige Auswirkungen auf den Menschen, die Kulturlandschaft, den Naturhaushalt und bestimmte Arten haben. Deshalb sind für die Planung und Genehmigung von WEA insbesondere die Immissionsschutz-, die bau- und planungsrechtlichen sowie die natur- und artenschutzrechtlichen Belange zu berücksichtigen.

1.4
Anwendungsbereich

Der Gem. RdErl. ist für die Kommunen verbindlich, soweit sie im übertragenen Wirkungskreis als Immissionsschutz- und Bauaufsichtsbehörden, Naturschutzbehörden oder sonstige Fachbehörden bei der Genehmigung und Überwachung von WEA tätig werden.

Soweit die Landkreise, kreisfreien Städte, die Region Hannover und der Regionalverband Großraum Braunschweig sowie die Städte und Gemeinden als Träger der Regionalplanung und der Bauleitplanung im eigenen Wirkungskreis tätig werden, dient der Gem. RdErl. als Orientierungshilfe zur Abwägung.

Für Planer und Investoren gibt er Hinweise zu frühzeitigen Abstimmungsmöglichkeiten mit den zuständigen Behörden und trägt somit zur Planungs- und Investitionssicherheit bei.

2. Raumordnung und Bauleitplanung

2.1
Privilegierung im Außenbereich

Windenergieanlagen gehören bauplanungsrechtlich zu den nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Vorhaben im Außenbereich. Sie sind dort zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Neben dieser Privilegierung hat der Bundesgesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einen Planungsvorbehalt aufgenommen, der es sowohl den Trägern der Regionalplanung als auch den Gemeinden ermöglicht, die Standorte für einzelne WEA und Windparks räumlich zu steuern, um so die Errichtung von WEA an anderer Stelle ausschließen zu können.

2.2
Landes-Raumordnungsprogramm (LROP)

Das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen (LROP) (Anlage 1 der LROP-VO) enthält in Abschnitt 4.2 Nr. 04 Ziele und Grundsätze über die planerische Sicherung raumbedeutsamer Standorte für die Windenergie. Die Ziele des LROP sind durch die Träger der Regionalplanung zu beachten. Die Grundsätze sind als Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen.

2.3
Regionale Raumordnungsprogramme

Die Erstellung der Regionalen Raumordnungsprogramme ist in Niedersachsen gemäß § 20 NROG eine kommunale Planungsaufgabe. Diese wird von den Trägern der Regionalplanung - den Landkreisen, den kreisfreien Städten, dem Regionalverband Großraum Braunschweig und der Region Hannover - im eigenen Wirkungskreis vorgenommen. Die kreisfreien Städte können von der Aufstellung eines Regionalen Raumordnungsprogramms absehen (§ 5 Abs. 2 NROG). Die Planung und Steuerung von Flächennutzungen kann in diesen Fällen über Flächennutzungspläne erfolgen. Die Träger der Regionalplanung besitzen einen großen Gestaltungsspielraum bei der Erstellung der Programme. Dieser wird einerseits durch das LROP, welches als Planungsvorgabe des Landes umzusetzen ist, sowie andererseits durch die verschiedenen zu beachtenden fachrechtlichen Regelungen, beispielsweise das Immissionsschutz-, Bau- und Naturschutzrecht und die dazu ergangene Rechtsprechung begrenzt.

Die Träger der Regionalplanung haben gemäß einem Ziel der Raumordnung im LROP für die Nutzung von Windenergie geeignete raumbedeutsame Standorte zu sichern und unter Berücksichtigung der Repowering-Möglichkeiten in den Regionalen Raumordnungsprogrammen als Vorranggebiete oder Eignungsgebiete Windenergienutzung festzulegen (LROP Abschnitt 4.2 Nr. 04 Satz 1). Dabei können sie die Entwicklung der Windenergienutzung in ihrem Planungsraum durch gebietsbezogene Festlegungen in Form von

  • Vorranggebieten Windenergienutzung ohne Ausschlusswirkung,

  • Vorranggebieten Windenergienutzung mit Ausschlusswirkung (Vorranggebiete mit der gleichzeitigen Wirkung von Eignungsgebieten gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ROG) oder

  • Eignungsgebieten in Kombination mit Vorranggebieten steuern.

Aus Gründen der Planungsbeschleunigung und zur Erhöhung der Rechtssicherheit kann sich eine Beschränkung auf die Festlegung von Vorranggebieten Windenergienutzung ohne Ausschlusswirkung anbieten. Die Ausweisung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung leistet hingegen einen Beitrag zur Sicherung der Raumverträglichkeit des Ausbaus der Windenergie.

Neben der Umsetzung des im LROP formulierten Planungsauftrags zur Festlegung von Gebieten für die Windenergienutzung sind Festlegungen zur Windenergienutzung auch durch textliche Zielfestlegungen zulässig (z. B. Bestimmung miteinander verträglicher oder unverträglicher Nutzungen). Für eine Zielfestlegung ist es zwingend erforderlich, dass das jeweilige Ziel der Raumordnung räumlich und sachlich bestimmt, zumindest aber bestimmbar ist.

2.4
Flächennutzungs- und Bebauungspläne

Die Bauleitplanung in Form der Aufstellung und Änderung von Flächennutzungsplänen und ggf. konkretisierenden Bebauungsplänen obliegt nach Artikel 28 GG i. V. m. § 2 BauGB der Planungshoheit der Städte und Gemeinden. Bauleitpläne sind in eigener Verantwortung der Städte und Gemeinden aufzustellen. Sie sind den Zielen des LROP und den Zielen der Regionalen Raumordnungsprogramme anzupassen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind in die Abwägung einzustellen.

Zum Verhältnis von Flächennutzungsplänen und Regionalen Raumordnungsprogrammen im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vgl. Nummer 3.5.2.2.

2.5
Konzentrationsflächenplanung

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren zahlreiche Kriterien und Anforderungen an die Ausweisung von Flächen zur Windenergienutzung in der Regional- und Bauleitplanung formuliert und konkretisiert. Dabei standen Fragestellungen rund um die Regionalplanung oder Flächennutzungsplanung mit Konzentrationswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB (sog. Konzentrationsflächenplanung), die zugleich mit dem Ausschluss von Windenergieanlagen außerhalb der zugewiesenen Flächen im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) verbunden ist, im Mittelpunkt.

Das BVerwG hat mit seinen Urteilen vom 13. 12. 2012 (4 CN 1/11, 4 CN 2/11) und vom 11. 4. 2013 (4 CN 2/12) die Anforderungen an eine wirksame Konzentrationsflächenplanung weitgehend präzisiert. Der Planungsträger hat demnach im Rahmen eines schlüssigen, den gesamten Planungsraum betrachtenden Konzepts der Windenergie substanziell Raum zu verschaffen.

Dabei muss sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts in folgenden Arbeitsschritten vollziehen: In einem ersten Arbeitsschritt sind die harten Tabuzonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von WEA aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen sind, zu ermitteln. Rechtliche Gründe, die gegen eine Eignung sprechen, können sich insbesondere aus den in Nummer 4 genannten Gründen und Vorschriften ergeben. In einem zweiten Arbeitsschritt sind die weichen Tabuzonen, in denen WEA zwar möglich, aber nach den planerischen Vorstellungen (auf Basis einheitlicher, detailliert begründeter und nachvollziehbarer Kriterien für den gesamten Planungsraum) nicht errichtet werden sollen, zu ermitteln. Danach (dritter Arbeitsschritt) sind diejenigen Belange abzuwägen, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Die letztlich ausgewiesenen Gebiete müssen aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen für die Errichtung und den Betrieb von WEA geeignet sein. Daher ist in einem vierten Arbeitsschritt zu prüfen, ob der Windenergie substanziell Raum verschafft wurde.

2.6
Harte Tabuzonen

Harte Tabuzonen sind sowohl für die Erarbeitung eines nachvollziehbaren, schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts mit Konzentrations- und Ausschlusswirkung als auch im Rahmen einer bloßen Positivplanung (Vorranggebiete) zu beachten 1) Sie sind einer Abwägung nicht zugänglich. Als Hilfestellung zur Ermittlung der harten Tabuzonen wird auf die Anlage 2 verwiesen.

2.7
Weiche Tabuzonen

Weiche Tabuzonen sind Flächen, die einer Abwägung zugänglich sind. Da der Plangeber einen Bewertungsspielraum bei der Festlegung der weichen Tabuzonen hat, muss er darlegen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet und die Gründe für seine Wertung darlegen.

Weiche Tabuzonen können bei geeigneter Ausgestaltung durch ihre Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten eine effiziente Nutzung der Windenergie bei gleichzeitig bestmöglicher Erfüllung der verschiedenen natur-, arten- und immissionsschutzrechtlichen sowie sonstigen Schutzzwecke unterstützen. Da der Windenergie substanziell Raum zu geben ist, dürfen sie jedoch nicht zur Verhinderung der Windenergie eingesetzt werden. Weiche Tabuzonen im Rahmen der Planung bedürfen daher einer sensiblen, sorgfältigen Prüfung im Hinblick auf den konkreten Planungsraum. Eine ungeprüfte, unbegründete Übernahme pauschaler Mindestabstände aus anderen Plänen, Arbeitshilfen oder anderen Quellen ist nicht zulässig. Vielmehr muss eine Pauschalierung i. S. der Rechtsprechung aus den Erfordernissen/Gegebenheiten des jeweiligen Planungsraumes abgeleitet werden.

2.8
Windenergie substanziell Raum verschaffen

Im Ergebnis des Planungsprozesses muss eine ausreichend große Fläche (in substanzieller Weise) für die Windenergienutzung verbleiben. Die Bewertung, ob eine Konzentrationsflächenplanung der Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum schafft, ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung (BVerwG, Beschluss vom 12. 5. 2016 - 4 BN 49/15; OVG Lüneburg, Urteil vom 17. 6. 2013 - 12 KN 80/12).

Entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung lässt sich die Grenze, wann der Windenergie substanziell Raum verschafft wurde bzw. wann eine Verhinderungsplanung vorliegt, nicht abstrakt bestimmen. Sie muss anhand der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall festgestellt werden. Jedenfalls muss die Summe der Vorranggebiete oder der Konzentrationsflächen für die Windkraft mit Ausschlusswirkung für andere Nutzungen in einem solchen Verhältnis zum gesamten Planungsraum abzüglich der Flächen für harte Tabuzonen stehen, dass der vom Bundesgesetzgeber gewollten Privilegierung der Windkraftnutzung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB hinreichend Rechnung getragen wird (vgl. OVG Münster, Urteil vom 20. 1. 2020 - 2 D 100/17.NE).

Erkennt der Plangeber, dass er mit den beabsichtigten Vorranggebieten oder Konzentrationsflächen der Windenergienutzung nicht substanziell Raum verschafft, muss er die weichen Tabuzonen und die flächenbezogene Abwägung nochmals überprüfen und ggf. abändern bis der Windenergie substanziell Raum verschafft wird.

Ein Planungsträger darf mehr Flächen ausweisen als für die Schaffung von "substanziellem Raum" notwendig ist.

2.9
Gebietsschutz im Rahmen der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen

Festgelegte Schutzgebiete sind hinsichtlich ihres Schutzzwecks, ihrer Schutzziele und den Nutzungseinschränkungen bezogen auf ihre Eignung für die Windenergienutzung differenziert zu betrachten. Daher ist auch im Rahmen der planerischen Steuerung der Windenergienutzung bei diesen Gebieten ein differenziertes Vorgehen notwendig.

Aus den Vorgaben des Naturschutzrechts kann sich ergeben, dass die Errichtung und der Betrieb von WEA in Gebieten einer Schutzgebietskategorie unzulässig ist. Solche Gebiete stellen regelmäßig harte Tabuzonen dar. Schutzgebiete, die keine harten Tabuzonen sind, können unter Vorsorgegesichtspunkten und bei Vorliegen einer schlüssigen Begründung als weiche Tabuzonen von der Windenergienutzung planerisch ausgeschlossen werden.

2.9.1
Gesetzlich geschützte Biotope, Naturdenkmale, geschützte Landschaftsbestandteile

In gesetzlich geschützten Biotopen (§ 30 BNatSchG, § 24 NAGBNatSchG), Naturdenkmalen (§ 28 BNatSchG, § 21 NAGBNatSchG) und geschützten Landschaftsbestandteilen (§ 29 BNatSchG, § 22 NAGBNatSchG) sind WEA aufgrund der gesetzlichen Verbote der Zerstörung oder erheblichen Beeinträchtigung in der Regel ausgeschlossen. Sie schließen jedoch eine Überplanung dieser kleinflächigen Bereiche durch ein Vorrang-/Eignungsgebiet oder eine Konzentrationszone nicht aus. Die Vereinbarkeit mit den geschützten Bereichen ist dann im Wege der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung über eine entsprechende Standortwahl, Ausgleichsmaßnahmen etc. sicherzustellen. Auf die gesetzlich geschützten Biotope, Naturdenkmale und geschützten Landschaftsbestandteile ist bereits in der Begründung zur Regional- und Bauleitplanung geeignet hinzuweisen.

2.9.2
Landschaftsschutzgebiete - Vermeidung von widersprüchlichen Festsetzungen

Es kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von den ggf. einschlägigen Verboten einer Landschaftsschutzgebietsverordnung erteilt werden (vgl. § 67 BNatSchG).

Außerdem besteht die Möglichkeit, die jeweilige Schutzgebietsverordnung anzupassen oder ggf. teilweise oder ganz aufzuheben.

Bei großflächiger Betroffenheit oder der (teilweisen) Funktionslosigkeit eines Landschaftsschutzgebietes (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 14. 1. 2003 - 1 N 01.2072) durch die Realisierung der Planung ist eine Änderung der Schutzgebietsverordnung erforderlich, bevor ein Flächennutzungsplan beschlossen oder eine Festlegung durch das Regionale Raumordnungsprogramm getroffen wird. Die Änderung der Verordnung kann in einer teilweisen oder vollständigen Aufhebung bestehen.

Eine Änderung der Verordnung kann ferner dadurch erfolgen, dass das Schutzgebiet in Zonen mit einem entsprechend dem jeweiligen Schutzzweck abgestuften Schutz gegliedert wird (§ 22 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Die Zonierung ermöglicht z. B. die Freigabe von Teilflächen für die Windenergienutzung, sofern keine oder weniger starke Interessenkonflikte zwischen der Windenergie und dem Schutzzweck der Verordnung bestehen, ohne die Teilfläche aus dem Schutzgebiet herauszunehmen.

2.9.3
Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete

Im Rahmen der Regionalplanung sind die Vorschriften des Naturschutzrechts, insbesondere § 34 BNatSchG, anzuwenden (§ 7 Abs. 6 ROG). Entsprechendes gilt gemäß § 1 a Abs. 4 BauGB für die Darstellung von Flächen für die Windenergienutzung in Bauleitplänen. In diesen Fällen ist somit die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG in das Planungsverfahren zu integrieren. Lässt diese eine erhebliche Beeinträchtigung nicht erwarten, so kommt eine Windenergienutzung in Betracht. Wird eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung eines FFH- und/oder Vogelschutzgebietes, ggf. unter Berücksichtigung eventueller Kumulationswirkungen mit anderen Plänen und Projekten, festgestellt, ist das Projekt nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig. Sodann ist zu prüfen, ob Ausnahmen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG möglich sind, ob § 34 Abs. 4 BNatSchG einschlägig ist und welche Kohärenzmaßnahmen erforderlich würden (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26. 2. 2020 - 12 KN 182/17, Rn. 121). Hierzu wird auf die "Mitteilung der Kommission - Leitfaden zu Windkraftprojekten und den Naturschutzvorschriften der EU" vom 18. 11. 2020 verwiesen 2).

WEA, die außerhalb eines Europäischen Vogelschutzgebietes errichtet werden sollen, beeinträchtigen Gebietsbestandteile, die für dessen Erhaltungsziele und Schutzzweck maßgebend sind, allerdings in der Regel nicht mittels der von ihnen ausgehenden Emissionen, erheblich. Durch die Errichtung der WEA kann aber ein Funktionsverlust des Schutzgebietes zu besorgen sein, etwa wenn sie die Gefahr einer möglichen Verriegelung des Gebietes mit sich bringen, oder wenn sie eine Barrierewirkung dergestalt entfalten, dass die Vögel daran gehindert werden, das Schutzgebiet zu erreichen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt [Magdeburg], Urteil vom 20. 1. 2016 - 2 L 153/13).

2.10
Repowering

Repowering bedeutet den Ersatz von alten Anlagen gegen in der Regel neue, leistungsstärkere Anlagen. Dabei wird planerisch zwischen standorterhaltendem Repowering und standortverlagerndem Repowering unterschieden.

Standorterhaltendes Repowering beschreibt die Konstellation, dass Bestandsflächen weiterhin planerisch für die Errichtung neuer Windenergieanlagen offengehalten werden, selbst wenn die Fläche die inzwischen vom Planungsträger formulierten Anforderungen an beispielsweise weiche Tabuzonen nicht erfüllen. Planungsträger sollen Potentiale des standorterhaltenden Repowerings nutzen. Hierfür stehen insbesondere folgende Instrumente zur Verfügung:

  • Festlegung sog. weicher Tabu-Kriterien in einer Weise, dass sie Bestands-WEA berücksichtigen 3),

  • in der Regionalplanung können für Bereiche mit Bestands-WEA oder für im Flächennutzungsplan entsprechend dargestellte Gebiete Ausnahmen i. S. des § 6 Abs. 1 ROG aufgenommen werden 4),

  • es können Standorte bestehender Anlagen als Vorbehaltsgebiete nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ROG festgelegt werden oder

  • Planungsträger können die Bereiche, in denen schon WEA errichtet sind, als bloße "weiße Fläche", d. h. unbeplante Fläche ohne weitere Festlegung im Raumordnungsplan, behandeln 5).

In Entwicklungszonen der gesetzlich festgesetzten Biosphärenreservate, in festgesetzten, ausgewiesenen oder einstweilig sichergestellten Naturdenkmalen und geschützten Landschaftsbestandteilen, gesetzlich geschützten Biotopen gemäß § 30 BNatSchG sowie § 24 NAGBNatSchG sowie Landschaftsschutzgebieten ist das Repowering von in den Gebieten liegenden Altanlagen möglich, wenn die Einrichtung und der Betrieb nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen und deren Zweck dies zulässt.

Neben dem standorterhaltenden Repowering kann ein standortverlagerndes Repowering insbesondere zur Verbesserung des Landschaftsbildes möglich sein. Diese Form von Repowering beschreibt die Konstellation, dass in der Regel vereinzelt stehende Anlagen "eingesammelt" werden und stattdessen an einem neuen, raumverträglicheren Standort neue WEA (einschließlich einer Leistungssteigerung) errichtet werden. Bei der Überplanung bisher der Windenergie zugewiesener Flächen sind die Interessen der (potenziell) betroffenen Bauherrn und Vorhabenträger in den Blick zu nehmen (OVG Lüneburg, Urteil vom 7. 2. 2020 - 12 KN 75/18). Ist der "allgemeinen" Windenergienutzung substanziell Raum verschafft, kann der Träger der Regionalplanung (oder entsprechend der Träger der Bauleitplanung, vgl. § 249 Abs. 2 BauGB) zusätzliche Flächen ausweisen, die ausschließlich solchen WEA vorbehalten sind, die Altanlagen an planerisch ungewollten Standorten ersetzen. Der Neubau solcher Anlagen muss sachlich und rechtlich mit dem Abbau von Altanlagen verknüpft werden.

2.11
Windenergie im Wald

Die Inanspruchnahme von Wald für Windenergieanlagen soll sich insbesondere auf mit technischen Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen ausrichten (siehe LROP-VO vom 26. 9. 2017 [Nds. GVBl. S. 378]).

Vorbelastungen dieser Art finden sich - gemäß Begründung zur LROP-VO - regelmäßig im Bereich von

  • Industrie- und Gewerbeflächen und -brachen,

  • Bergbaufolgelandschaften (Halden, Zechengelände),

  • abgeschlossenen Deponieflächen sowie sonstigen anthropogenen Ablagerungen und Aufschüttungen,

  • erschöpften Rohstoffabbauflächen,

  • Kraftwerksgeländen, Großsilos, Raffinerien usw.,

  • aufgegebenen Gleisgruppen,

  • Altlastenstandorten,

  • Munitionsdepots, Munitionsabfüllanstalten, Bunkeranlagen und sonstigen Konversionsflächen,

  • sonstigen infrastrukturell genutzten Sonderstandorten (z. B. Teststrecken, großflächige Kreuzungsbauwerke).

In besonderen Einzelfällen sind weitere Vorbelastungssituationen i. S. dieser Regelung denkbar.

Die Gebietskulisse richtet sich nach den Vorgaben des jeweils aktuellen LROP. Entsprechend der Abschlusserklärung des Runden Tisches vom 3. 3. 2020 werden Kriterien zur Nutzung der Windenergie im Wald bei der Überarbeitung des LROP aufgenommen, die es ermöglichen den Wald als Potenzialfläche zu betrachten, auch wenn im Offenland noch Flächen zur Verfügung stehen.

2.12
Gewerbe- und Industriegebiete

WEA können in Gewerbe- oder Industriegebieten (§§ 8, 9 BauNVO) oder in Gebieten, die nach § 34 Abs. 2 BauGB als solche zu beurteilen sind, als Gewerbebetriebe oder als Nebenanlagen (§ 14 BauNVO) zulässig sein. Eine Zulässigkeit kann auch auf Versorgungsflächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB gegeben sein.

2.13
Zielvorgabe für die Planung

Zur Verwirklichung des Landeszieles aus Nummer 1.2, bis 2030 mindestens 20 Gigawatt (GW) Windenergieleistung Onshore zu installieren, kann die LReg im LROP dieses Ausbauziel entweder als landesweites Ziel der Raumordnung oder als Grundsatz der Raumordnung festlegen und für die Träger der Regionalplanung einen verbindlichen Auftrag zur Ausweisung oder Sicherung von Flächen für die Windenergienutzung in den Regionalen Raumordnungsprogrammen festlegen.

Das Gelingen der Energiewende hängt auch von der Mitwirkung der Träger der Bauleitplanung an der Erreichung der Flächenziele ab.

Es wird davon ausgegangen, dass für die Realisierung von 20 GW im Jahr 2030 ein Flächenbedarf von mindestens 1,4 % der Landesfläche erforderlich ist. Dies entspricht einem Flächenbedarf von ca. 67 000 ha 6). Nach Mitteilung von UL International GmbH (vormals DEWI Deutsches Windenergie-Institut GmbH) ist zu erwarten, dass der spezifische Flächenbedarf von neuen Windparks - je nach Flächenzuschnitt und der projektspezifischen Situation am Standort - auch in Zukunft durchschnittlich im Bereich 3 bis 4 ha/MW ("Rotor-out", d. h. die vom Anlagenrotor überstrichene Fläche muss nicht innerhalb eines für WEA vorgesehenen Gebietes liegen) liegen wird, da in Relation zur Anlagengröße bestimmte Mindestabstände zwischen den Windenergieanlagen in einem Windpark einzuhalten sind. Bei der Berechnungsmethode "Rotor-in" (d. h. die vom Anlagenrotor überstrichene Fläche muss vollständig innerhalb eines für WEA vorgesehenen Gebietes liegen) ergibt sich ein höherer Flächenbedarf (mindestens 1,7 % der Landesfläche). Ab 2030 sollen 2,1 % der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie an Land zur Verfügung stehen (Rotor-out).

2.14
Regionalisierter Flächenansatz

Für die Träger der Regionalplanung bzw. Gemeinden bedeutet dies, dass sie zur Erreichung des energiepolitischen Zieles von 20 GW mindestens 7,05 % derjenigen Flächen als Gebiete für die Windenergienutzung vorsehen, die für den jeweiligen Planungsraum als Flächenpotenziale errechnet worden sind 7). Dabei sind planerisch bereits ausgewiesene Flächen für die Windenergienutzung einzurechnen.

Grundsätzlich ist dabei das standorterhaltende Repowering-Potenzial in Niedersachsen möglichst umfänglich zu nutzen, um zusätzlichen Flächenverbrauch zu begrenzen.

3. Anlagenzulassung

3.1
Allgemeines

3.1.1
Bau- und Immissionsschutzrechtliche Einordnung

WEA sind Anlagen i. S. des § 3 Abs. 5 BImSchG und bauliche Anlagen i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Die Art des Genehmigungsverfahrens für deren Errichtung und Betrieb hängt insbesondere von der Gesamthöhe der im konkreten Fall vorgesehenen Anlage ab.

3.1.2
Kleinwindanlagen

In der Praxis findet sich der Begriff "Kleinwindanlagen" oder "Kleinwindenergieanlagen" für verschiedenste Anlagentypen, welche in ihren Ausmaßen nicht den heutigen Großanlagen entsprechen. Der Begriff wird nicht einheitlich verwendet und es handelt sich nicht um einen Rechtsbegriff. Für kleinere WEA können im Einzelfall gleichwohl verfahrensrechtliche Besonderheiten bei der Zulassung zu beachten sein. Hierzu kann im Einzelfall insbesondere

  • das Zulassungsverfahren (BImSchG oder NBauO) (Nummer 3.3 bzw. 3.2),

  • die Bewertung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Anlagen (Nummer 3.5.2),

  • die Beurteilung der Standsicherheit (Nummer 3.5.3.3) oder

  • die Höhe der Sicherheitsleistung für den Rückbau (Nummer 3.5.2.3)

zählen.

3.2
Genehmigungserfordernisse nach dem Bauordnungsrecht

Insbesondere in Abhängigkeit von der Höhe der Windenergieanlage ergeben sich nach der NBauO die in den folgenden Unterabschnitten dargestellten zu unterscheidenden Genehmigungserfordernisse.

3.2.1
Keine Verfahrensfreistellung (§ 60 Abs. 1 NBauO)

In Niedersachsen ist insbesondere im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen der Nachbarn und als Schutz der Bauherrin oder des Bauherrn vor Fehlinvestitionen zurzeit keine WEA verfahrensfrei gestellt.

3.2.2
Genehmigungsfreistellung (§ 62 NBauO)

In Gewerbe- und Industriegebieten für bauliche Anlagen nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 oder 3 NBauO bis 30 m Höhe oder als Nebenanlage nach Nr. 4 ist jeweils unter den in § 62 NBauO genannten Voraussetzungen - insbesondere wenn sie den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen - ein Teil der WEA genehmigungsfrei gestellt. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist eine entsprechende Mitteilung bei der Gemeinde einzureichen.

3.2.3
Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 63 NBauO)

Für WEA bis zu einer Gesamthöhe von 30 m ist ansonsten ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 63 NBauO erforderlich. Im Rahmen dieses vereinfachten Verfahrens prüft die Bauaufsichtsbehörde nur die Vereinbarkeit der Bauvorlagen mit dem städtebaulichen Planungsrecht, den §§ 5 bis 7, 47 und 50 NBauO und den sonstigen Vorschriften des öffentlichen Baurechts i. S. des § 2 Abs. 17 NBauO.

3.2.4
Reguläres Baugenehmigungsverfahren (§ 64 NBauO)

WEA mit einer Gesamthöhe von mehr als 30 m sind nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 NBauO Sonderbauten und bedürfen deshalb eines Baugenehmigungsverfahrens nach § 64 NBauO. Ab einer Gesamthöhe von mehr als 50 m ist eine Genehmigung nach dem BImSchG erforderlich, die die Baugenehmigung enthält (siehe Nummer 3.3). Dabei prüft die Bauaufsichtsbehörde die Vereinbarkeit der Bauvorlagen mit dem öffentlichen Baurecht. Aufgrund des § 2 Abs. 5 Satz 2 NBauO i. V. m. § 64 Satz 1 NBauO erfolgt eine umfangreiche bauaufsichtliche Prüfung auch im Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG.

Sofern die bloße Änderung einer WEA keiner Genehmigung nach dem BImSchG bedarf, kann ein Baugenehmigungsverfahren erforderlich sein.

3.3
Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren

WEA mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m bedürfen gemäß § 4 BImSchG i. V. m. § 1 und Nummer 1.6 des Anhangs 1 der 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Umfangreiche Informationen zu allen Aspekten des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens enthält der online bereitgestellte Leitfaden für Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG des MU. Er unterstützt die Antragsteller bei der Durchführung des Genehmigungsverfahrens und einer ggf. erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Leitfaden ist als ein Wegweiser durch das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren konzipiert und informiert den Antragsteller in übersichtlicher Form über die wesentlichen rechtlichen Anforderungen, den Verfahrensablauf, mögliche Beschleunigungsinstrumente, die Zuständigkeiten, Fristen und die materiell-rechtlichen Anforderungen aus allen einschlägigen Rechtsbereichen.

3.3.1
Vereinfachtes/förmliches Genehmigungsverfahren

Im Grundsatz sind WEA im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG, d. h. in einem Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung, zuzulassen. Eine freiwillige Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereinigungen durch den Vorhabenträger außerhalb, aber parallel zum vereinfachten Genehmigungsverfahren sowie ein Antrag des Vorhabenträgers nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 der 9. BImSchV auf Bekanntmachung der Genehmigung, können allerdings im Einzelfall sinnvoll sein.

Ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung (förmliches Genehmigungsverfahren) findet aber statt, wenn

  • dies nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Nummer 1.6. des Anhangs 1 der 4. BImSchV vorgeschrieben ist (z. B. ab 20 WEA und Gesamthöhe von mehr als 50 m) und/oder

  • eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach den Vorschriften des UVPG durchgeführt wird (z. B. als Ergebnis einer Vorprüfung nach UVPG oder wenn die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 UVPG vorliegen) oder

  • der Träger des Vorhabens dies beantragt hat (vgl. § 19 Abs. 3 BImSchG).

Die Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens auf Antrag gemäß § 19 Abs. 3 BImSchG sollte vor allem dann seitens des Vorhabenträgers erwogen werden, wenn das Vorhaben in der Nachbarschaft umstritten ist. Die Beteiligung der Öffentlichkeit im Genehmigungsverfahren kann helfen, Konflikte zu glätten. Der Antragsteller kommt im Falle einer positiven Genehmigungsentscheidung zudem in den Vorzug erhöhter Rechtssicherheit, weil an die Bekanntmachung des Genehmigungsbescheides (vgl. § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG) auch der Beginn von Fristen für Rechtsbehelfe geknüpft ist.

Sinnvoll kann ferner die Durchführung von Antragskonferenzen vor Beginn des Genehmigungsverfahrens sein.

3.3.2
Konzentrationswirkung

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage, wie auch die Genehmigung zur Änderung einer bestehenden Anlage (hierzu siehe Nummer 3.3.4), schließt andere, die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen, ein (sog. Konzentrationswirkung). Entscheidungen, die von dieser Grundregel nach § 13 BImSchG ausgenommen sind, wie z. B. Planfeststellungen oder wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen, betreffen die Errichtung von WEA in der Regel nicht. Die maßgeblichen materiell-rechtlichen Anforderungen an Zulassungsentscheidungen aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gelten im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren weiter uneingeschränkt, jedoch bedarf es hierfür keines eigenen Verwaltungsverfahrens und keines eigenen Verwaltungsaktes. Darüber hinaus dürfen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG).

3.3.3
Vorbescheid/Vorzeitiger Beginn

Ähnlich wie im Baurecht mit einem Bauvorbescheid die Bebaubarkeit eines Grundstücks vorab geklärt werden kann, kann es auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ggf. sinnvoll sein, die grundsätzliche Zulässigkeit der Errichtung einer Windkraftanlage an dem ausgewählten Standort in einem Verfahren nach § 9 BImSchG vorab zu klären. Der Vorbescheid nimmt mit verbindlicher Wirkung einen Ausschnitt aus dem feststellenden Teil einer etwaigen späteren Anlagengenehmigung vorweg (BVerwG, Urteil v. 30. 6. 2004 - 4 C 9/03). Für einen Vorbescheid bedarf es auch der Unterlagen, die eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung ermöglichen. Die Unterlagen müssen allerdings nicht schon die Genehmigungsfähigkeit belegen (BVerwG, Urteil v. 25. 6. 2020 - 4 C 3/19).

Der beschleunigten Umsetzung eines Vorhabens dient die Zulassung des vorzeitigen Beginns (§ 8 a BImSchG). In diesem Fall kann schon vor der Genehmigungserteilung mit der Errichtung der Anlage bis hin zu den erforderlichen Maßnahmen zur Prüfung ihrer Betriebstüchtigkeit begonnen werden. Sie soll von der Genehmigungsbehörde gewährt werden, wenn eine positive Prognose zur Zulässigkeit des Vorhabens getroffen werden kann, ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an dem vorzeitigen Beginn besteht und er verbindlich eventuell entstehende Schadensersatzansprüche aufgrund der Errichtung der Anlage sowie die Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustandes übernimmt für den Fall, dass die Genehmigung doch nicht oder nur unter Auflagen erteilt werden kann.

3.3.4
Änderung einer Anlage

Die Änderung einer Anlage kann nach dem BImSchG genehmigungspflichtig oder genehmigungsfrei sein.

Ob der Wechsel des Anlagentyps etc. eine Änderungsgenehmigung erforderlich macht, wird im Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG entschieden. Dazu sind im Anzeigeverfahren alle Angaben erforderlich, um eine Abschätzung vornehmen zu können, ob von der geänderten Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können. So wird regelmäßig insbesondere auch darauf zu achten sein, ob die der Genehmigung zugrunde gelegten Werte für Schall- und Schattenwurf der bisher genehmigten Anlage noch zutreffend sind.

Wenn sich aufgrund der beabsichtigten Änderung Auswirkungen auf die Schutzgüter nach § 1 BImSchG ergeben können (Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Atmosphäre, Kultur- und sonstige Sachgüter), muss die Änderung mindestens einen Monat im Voraus bei der zuständigen Immissionsschutzbehörde angezeigt werden. Der Anzeige sind die erforderlichen Unterlagen beizufügen, die es der zuständigen Immissionsschutzbehörde ermöglichen abzuschätzen, ob das Vorhaben genehmigungsfrei durchgeführt werden kann. Hat sich die zuständige Behörde spätestens nach Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige und aller erforderlichen Unterlagen nicht geäußert, kann der Träger mit dem angezeigten Vorhaben beginnen (§ 15 Abs. 2 BImSchG).

Ob eine Änderung genehmigungsbedürftig ist, entscheidet die Behörde u. a. danach, ob mit ihr nachteilige Auswirkungen verbunden sein können (§ 16 Abs. 1 BImSchG). Der Maßstab der "nachteiligen Auswirkungen" ist allein auf die immissionsschutzrechtlichen Pflichten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beziehen, also auf die Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten nach § 5 BImSchG sowie von Pflichten, die sich aus immissionsschutzrechtlichen Verordnungen nach § 7 BImSchG ergeben. Sind diese von der Änderung nachteilig betroffen, gilt die Änderung als "erheblich" und damit als eine wesentliche Änderung. 8)

Keine Anlagenänderung liegt bei Maßnahmen zur Instandsetzung, Reparatur und Unterhaltung einer bestehenden Anlage vor, solange der Status der Anlage wie er sich in der Genehmigung dokumentiert, nicht verändert wird. Sie brauchen deshalb auch nicht der Behörde angezeigt zu werden.

Hinsichtlich der Art des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens folgt das Änderungsverfahren grundsätzlich dem ursprünglichen Verfahren: Wurde die Anlage im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 BImSchG zugelassen, reicht dieses Verfahren auch für das Änderungsverfahren; war ein förmliches Genehmigungsverfahren durchzuführen, ist auch bei der Anlagenänderung das förmliche Verfahren angezeigt. Allerdings kann in diesem Fall auf Antrag des Vorhabenträgers von der Öffentlichkeitsbeteiligung abgesehen werden, wenn keine erheblichen (d. h. hier: gewichtigen) nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind (§ 16 Abs. 2 BImSchG). Bei UVP-pflichtigen Vorhaben findet § 16 Abs. 2 Satz 1 keine Anwendung.

Darüber hinaus kommt unabhängig von der immissionsschutzrechtlichen Prüfung bei Anlagenänderungen die Genehmigungsbedürftigkeit nach den Vorschriften des jeweils betroffenen Fachrechts (insbesondere des Baurechts) in Betracht. Ein Wechsel des Anlagentyps bei WEA erfordert nicht immer eine immissionsschutzrechtliche, ggf. aber eine baurechtliche Genehmigung. Entscheidend sind die Merkmale des Einzelfalles. Eine Neugenehmigung ist immer dann erforderlich, wenn die Modifikationen derart prägend sind, dass sich der Charakter des Kerns der betreffenden Anlage nach Durchführung der "Änderung" grundlegend anders darstellt. Findet kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren statt, können die betreffenden Entscheidungen nicht einkonzentriert werden, sondern sind in den Verfahren des betroffenen Fachrechts zu treffen.

3.3.5
Überwachung

Nach der Abnahmeprüfung einer neu errichteten oder genehmigungspflichtig geänderten Anlage ist sie von der zuständigen Immissionsschutzbehörde zu überwachen. Wenn die Genehmigungsauflagen eine periodisch wiederkehrende Überprüfung einschließlich einer Vor-Ort-Inspektion durch eine sachverständige Person in höchstens vierjährigem Abstand vorsehen, kann die behördliche Überwachung auf die Kontrolle der diesbezüglichen Dokumentation eingeschränkt werden. Unberührt hiervon bleiben extern veranlasste Überwachungstätigkeiten etwa aufgrund von Nachbarschaftsbeschwerden, Hinweisen anderer Behörden oder aus Anlass von Betriebsstörungen.

Die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beschränkt sich auf das Zulassungsverfahren. Ist die Genehmigung erteilt, fällt die Überwachung der Rechtskonformität des Anlagenbetriebes hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Pflichten des Betreibers, die nicht im Immissionsschutzrecht gründen, an die nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln jeweils verantwortlichen Behörden zurück.

Die Befugnis des MU, die Überwachung durch Dienstanweisung weiter zu konkretisieren, bleibt unberührt.

Verpflichtungen aus § 28 Abs. 1 und 2 UVPG bleiben unberührt und sind ggf. subsidiär anzuwenden.

3.3.6
Genehmigungs-Monitoring

Die Genehmigungsbehörden übermitteln dem MU regelmäßig Daten über laufende und abgeschlossene Verfahren zur Genehmigung von WEA nach dem BImSchG, insbesondere zu Anzahl, Inhalt und Stand der Verfahren sowie etwaigen Rechtsbehelfen. Das MU legt hierzu ein geeignetes Verfahren fest.

3.4
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)

Dem UVPG unterliegen Windfarmen bestehend aus drei oder mehr WEA mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Abhängig von der Anzahl der WEA muss bei Neuvorhaben gemäß den §§ 6 und 7 i. V. m. Anlage 1 Nr. 1.6 UVPG entweder einzelfallunabhängig eine UVP oder eine Vorprüfung durchgeführt werden, in der die UVP-Pflicht anhand der Umstände des Einzelfalles bestimmt wird.

3.4.1
Windfarmbegriff

Wann ein Vorhabentyp der Windfarm vorliegt, wird in § 2 Abs. 5 UVPG legal definiert. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift müssen kumulativ vorliegen.

Zunächst ist erforderlich, dass drei oder mehr Windkraftanlagen in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Nach dem Regelbeispiel des § 2 Abs. 5 Satz 2 UVPG wird ein funktionaler Zusammenhang "insbesondere" dann angenommen, wenn sich die Windkraftanlagen in derselben Konzentrationszone (Flächennutzungsplan) oder in einem Gebiet nach § 7 Abs. 3 ROG (Vorrang-, Vorbehalts- oder Eignungsgebiet) befinden. Liegen die WEA nicht innerhalb eines für die Windenergie ausgewiesenen Gebietes, ist stets zu prüfen, ob sich aus den Gegebenheiten im Einzelfall dennoch ein funktionaler Zusammenhang ergibt. Ein funktionaler Zusammenhang dürfte nicht zwingend ineinandergreifende betriebliche Abläufe voraussetzen, sondern es könnten, um ihn zu bejahen, bereits Umstände genügen, aus denen sich ein die Vorhaben koordinierendes und dem/den Betreibern zurechenbares Verhalten sicher ableiten lässt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. 3. 2019, 12 ME 105/18 mit weiteren Nennungen [m. w. N.]).

Ferner müssen sich die Einwirkungsbereiche der in einem funktionalen Zusammenhang stehenden WEA überschneiden (§ 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG). Die Überlagerung von Wirkbereichen hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Die Einwirkungsbereiche können daher nicht allein anhand anlagenbezogener Maßstäbe bestimmt werden. Selbst wenn die Abstände zwischen den Anlagen den 10-fachen Rotordurchmesser oder die 10-fache Anlagenhöhe überschreiten, können besondere Umstände es im Einzelfall rechtfertigen, den Einwirkungsbereich auf der Grundlage einer von typisierenden Merkmalen losgelösten Betrachtung zu bestimmen, die u. a. auf das UVP-Schutzgut "Tiere" i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UVPG abhebt. Abstände zwischen den Anlagen, die den 10-fachen Rotordurchmesser oder die 10-fache Anlagenhöhe deutlich überschreiten, schließen jedoch einen räumlichen Zusammenhang aus (Näheres vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. 3. 2019 - 12 ME 105/18, Rn. 46; OVG Münster, Beschluss vom 30. 3. 2017 - 8 A 2915/15; Urteil vom 18. 5. 2017 - 8 A 975/15). Hinweise auf Einwirkbereiche WEA-empfindlicher Vogelarten lassen sich dem Leitfaden Artenschutz (Anlage 2 des Bezugserlasses) entnehmen. In Ansehung des Landschaftsbildes kann der Radius der 15-fachen Anlagenhöhe einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Einwirkungsbereiche bieten. Denn jedenfalls jenseits dieses Radius dürfte eine rechtlich relevante Einwirkung von Windenergieanlagen auf das Landschaftsbild, deren etwaige Überschneidung mehrere Anlagen zu einer Windfarm verklammern kann, auszuschließen sein (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. 3. 2019, 12 ME 105/18).

Relevant für die Frage sich überschneidender Einwirkungsbereiche können optische oder akustische Beeinträchtigungen sein. In Betracht kommen in Bezug auf gefährdete Arten darüber hinaus auch andere Nachteile wie etwa ein artbedingtes Kollisionsrisiko oder Meideverhalten, Auswirkungen auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie auf die Nahrungssituation oder eine besondere Empfindlichkeit der jeweiligen Art gegenüber betriebsbedingten Veränderungen der physikalischen Umgebung.

Die Reichweite der Einwirkungsbereiche ist von dem jeweiligen Schutzgut und den Umständen des Einzelfalles abhängig und richtet sich materiell nach dem jeweiligen Fachrecht. Nicht erforderlich ist eine kaskadenartige, mehrfache Verknüpfung von WEA auf Basis von artenschutzrechtlichen Untersuchungsradien über mehrere Kilometer hinweg (keine Verkettung von WEA über weitere Artvorkommen außerhalb des originären Einwirkungsbereichs) 9.

Grundsätzlich ist die einzelfallbezogene Prüfung, ob mehrere WEA eine Windfarm bilden, überschlägig durchzuführen. Die Prüfung, ob ein Vorhaben einer der Nummern der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen ist, darf weder die UVP noch die Vorprüfung vorwegnehmen; der Prüfungsmaßstab muss entsprechend weiter gefasst sein. Es genügt insofern die abstrakte ("generelle") Möglichkeit von sich überlagernden Wirkbereichen oder funktionalen Zusammenhängen.

Anträge für weitere Vorhaben, die zeitlich erst gestellt werden, nachdem die Antragsunterlagen für das zu beurteilende Vorhaben vollständig 10 eingereicht wurden, bleiben sowohl hinsichtlich der Mengenschwellen als auch hinsichtlich der materiellen Beurteilung der Umweltauswirkungen unberücksichtigt.

3.4.2
Standortbezogene und allgemeine Vorprüfung

Die Vorprüfung kann als standortbezogene nach § 7 Abs. 2 UVPG oder allgemeine Vorprüfung nach § 7 Abs. 1 UVPG durchzuführen sein.

Die standortbezogene Vorprüfung erfasst die gleichzeitige oder sukzessive Errichtung von drei bis weniger als sechs WEA, die als Windfarm i. S. des § 2 Abs. 5 UVPG zu betrachten sind. Sie reflektiert den Bezug des Vorhabens auf die Nachbarschaft zu besonders geschützten Gebieten, welche in Nummer 2.3 der Anlage 3 UVPG aufgelistet sind. Auf der ersten Stufe ist hier zu prüfen, ob bei Neuvorhaben besondere örtliche Gegebenheiten nach den in Nummer 2.3 der Anlage 3 UVPG aufgeführten Schutzkriterien (z. B. Schutzgebiete oder -objekte, gesetzlich geschützte Biotope, hohe Bevölkerungsdichte usw.) bestehen. Artenschutzrechtliche Belange i. S. des § 44 Abs. 1 BNatSchG sind bei der standortbezogenen Vorprüfung in der Regel nur dann zu berücksichtigen, wenn sie förmlich als Schutzzweck eines Gebietes nach Nummer 2.3 der Anlage 3 UVPG bestimmt wurden. Das Vorkommen geschützter Arten in der Nähe geplanter WEA-Standorte führt für sich genommen nicht dazu, dass die entsprechenden Bereiche den gleichen Schutzstatus beanspruchen können wie beispielsweise Naturschutzgebiete, Vogelschutzgebiete oder gesetzlich geschützte Biotope (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. 9. 2019 - 7 C 5.18). Bestehen bei dem konkreten Vorhaben keine besonderen örtlichen Gegebenheiten nach den in Nummer 2.3 der Anlage 3 UVPG aufgeführten Schutzkriterien, entfällt eine UVP-Pflicht. Werden diese festgestellt, ist auf der zweiten Stufe unter Berücksichtigung aller in Anlage 3 UVPG aufgeführten Kriterien zu prüfen, ob das Neuvorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, welche nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären. Insoweit besteht aber die Besonderheit, dass nur vorhabenbedingte Beeinträchtigungen derjenigen Schutzgüter des Zielgebietes untersucht werden müssen, die die besondere Empfindlichkeit oder die Schutzziele des jeweiligen Gebietes ausmachen.

Die allgemeine Vorprüfung ist bei der gleichzeitigen oder sukzessiven Errichtung von 6 bis weniger als 20 WEA durchzuführen, die zusammen eine Windfarm i. S. des § 2 Abs. 5 UVPG bilden. Hier sind neben den Standortkriterien auch die allgemeinen Merkmale des Vorhabens nach Nummer 1 und die Merkmale seiner möglichen Auswirkungen nach Nummer 3 der Anlage 3 UVPG zu beurteilen. In die summarische Bewertung, ob eine UVP erforderlich ist, kann auch eingestellt werden, inwieweit die Prüfwerte für Größe und Leistung, die die Vorprüfung eröffnen, überschritten werden (§ 7 Abs. 5 Satz 3 UVPG). Dabei sind bei Windfarmen die Gesamtzahl der Anlagen mit einer entsprechenden Gesamthöhe, welche einer Windfarm zuzurechnen sind, die zu berücksichtigenden "Größen- und Leistungswerte". Bei der Vorprüfung ist ferner zu berücksichtigen, ob erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen durch Merkmale des Vorhabens oder des Standortes oder durch Vorkehrungen des Vorhabenträgers offensichtlich ausgeschlossen werden (§ 7 Abs. 5 Satz 1 UVPG). Erfasst sind hiervon nur Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, nicht aber Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen.

Erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen, die die Durchführung einer UVP erforderlich machen, liegen nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können. Eine UVP muss vielmehr durchgeführt werden, wenn Umweltauswirkungen bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 25 Abs. 1 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (BVerwG, Urteil vom 25. 6. 2014 - 9 A 1/13). In artenschutzrechtlicher Hinsicht kommt es in erster Linie darauf an, ob in Ansehung der Gegebenheiten des Einzelfalles die Möglichkeit einer Aktivierung der Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 und 5 BNatSchG besteht; nicht von Belang ist dagegen, ob sich mögliche artenschutzrechtliche Konflikte im Wege einer Ausnahme oder Befreiung überwinden lassen.

Ob ein Neu- oder Änderungsvorhaben tatsächlich erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen entfaltet, ist nicht entscheidend. Stattdessen erfordert bereits die nicht bloße theoretische, sondern bei lebensnaher Betrachtung nicht fernliegende Möglichkeit solcher Umweltauswirkungen die Durchführung einer UVP. Mit Rücksicht auf "in dubio pro UVP" genügt bereits ein Besorgnispotenzial (BVerwG, Urteil vom 24. 5. 2018 - 4 C 4/17; OVG Lüneburg, Urteil vom 9. 11. 2016 - 13 LC 71/14).

3.4.3
Umweltverträglichkeitsprüfung

Ab 20 WEA, die zusammen eine Windfarm i. S. des § 2 Abs. 5 UVPG bilden, ist eine UVP obligatorisch durchzuführen.

Beantragt der Vorhabenträger die Durchführung einer UVP und erachtet die zuständige Behörde das Entfallen der Vorprüfung als zweckmäßig, ist eine UVP auch bei einem Windfarmvorhaben von 3 bis weniger als 20 WEA (vorprüfungspflichtige Vorhaben) durchzuführen (sog. "freiwillige UVP", § 7 Abs. 3 Satz 1 UVPG). Für diese Neuvorhaben besteht dann die UVP-Pflicht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 UVPG). Sie sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c der 4. BImSchV im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG zu genehmigen, weil die UVP jeweils unselbstständiger Teil des jeweiligen Zulassungsverfahrens nach dem BImSchG ist (vgl. § 1 Abs. 2 der 9. BImSchV).

Bei der Durchführung einer UVP (oder einer Vorprüfung) sind auch diejenigen Umweltauswirkungen zu berücksichtigen, die durch ein Zusammenwirken mehrerer WEA entstehen, sog. kumulierende Auswirkungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. 5. 2018 - 12 ME 25/18; OVG Münster, Beschluss vom 23. 10. 2017, 8 B 705/17; OVG Koblenz, Beschluss vom 2. 3. 2018 - 1 B 11809/17). Diese können dann entstehen, wenn verschiedene WEA gemeinschaftlich auf Schutzgüter einwirken. Dabei müssen die Ermittlungen und Bewertungen der UVP nach allgemeinen Grundsätzen nicht weiter gehen, als das vom Zulassungsrecht Geforderte; umgekehrt soll der Untersuchungsrahmen der UVP aber auch alle Umweltgesichtspunkte umfassen, die für die fachrechtliche Genehmigungsentscheidung erheblich sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. 5. 2018 - 12 ME 25/18). Daraus folgt, dass es bei dem Fall des Hinzutretens von WEA zu bereits bestehenden Anlagen nur der Erfassung und Bewertung solcher Umweltauswirkungen des Bestandsparks bedarf, die letztlich in rechtlich erheblicher Weise überhaupt mit den Auswirkungen der neu beantragten Anlagen zusammenwirken können.

Sollen WEA innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans (B-Plans) errichtet werden, ist für die Durchführung der UVP und der Vorprüfung eines Vorhabens die Umweltprüfung zu beachten, die in dem vorlaufenden Bebauungsplanverfahren nach den Vorschriften des BauGB durchgeführt worden ist. Die UVP im Bebauungsplanverfahren prüft die Standortverträglichkeit der im Plangebiet zulässigen Vorhaben auf Grundlage der im Aufstellungszeitpunkt geltenden einschlägigen, dem Umweltschutz dienenden Rechtsvorschriften. Die städtebaulich bedeutsamen Umweltauswirkungen der nach dem Bebauungsplan-Entwurf zulässigen Vorhaben werden in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet, sodass das Ergebnis der Umweltprüfung in die bauleitplanerische Abwägung zum Beschluss des B-Plans fließt.

Die zeitlich nachfolgende bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Anlage soll sich demgegenüber auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränken (§ 50 Abs. 3 UVPG). Hier geht es daher um die spezifischen Umweltauswirkungen des konkret geplanten Objekts, wie etwa betriebsbedingte Immissionen oder erhebliche Belästigungen der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit. Nur in Ausnahmefällen, z. B. wenn die Umweltprüfung des B-Plans bestimmte Aspekte bewusst ausgeklammert hat oder wenn oder aufgrund zeitlichen Ablaufs zwischen B-Plan-Beschluss und Realisierung des konkreten Vorhabens erhebliche Änderungen in der Standortumgebung eingetreten sind, die der Umweltbericht zum B-Plan noch nicht berücksichtigen konnte, können Aspekte der Standortverträglichkeit nachholend bei der UVP und entsprechend auch bei der Vorprüfung berücksichtigt werden.

Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung und die im erläuterten Sinne eingeschränkte (reduzierte) UVP im nachfolgenden Anlagen-Zulassungsverfahren sind gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 UVPG in einer gemeinsamen zusammenfassenden Darstellung nach § 24 Satz 1 UVPG zusammenzuführen. Auf der Grundlage der gemeinsamen zusammenfassenden Darstellung erfolgt gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 UVPG eine Gesamtbewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens.

3.4.4
Änderungsvorhaben/Kein Fall der Kumulationsregelung des § 10 Abs. 4 UVPG

Bei der Feststellung der UVP-Pflicht (und der Vorprüfungspflicht) von WEA, die in der Nähe einer bestehenden Windfarm errichtet und betrieben werden sollen, handelt es sich nicht um einen Anwendungsfall der Kumulationsregelung des § 10 Abs. 4 UVPG. Windenergieanlagen unterliegen gemäß §§ 6 ff. i. V. m. den Nummern 1.6.1 bis 1.6.3 der Anlage 1 UVPG einer UVP-Pflicht bzw. einer entsprechenden Vorprüfungspflicht, wenn sie höher als 50 m und Bestandteil einer Windfarm sind. Ein Rückgriff auf die Kumulationsregelung ist hier nicht erforderlich, weil die Einordnung als UVP-rechtliche Bewertungseinheit sich direkt aus der Anlage 1 UVPG und der Begriffsdefinition in § 2 Abs. 5 UVPG ergibt, ohne dass es der bewertenden Betrachtung nach § 10 Abs. 4 UVPG bedürfte. Das UVPG kennt kein Vorhaben "einzelne WEA", sondern nur ein Vorhaben "Windfarm". Die Neuerrichtung einer WEA innerhalb einer Windfarm stellt daher unter UVP-Gesichtspunkten eine Änderung des Vorhabens "Windfarm" dar. Dementsprechend sind für einen schrittweisen Ausbau von Windfarmen nicht die §§ 10 ff. UVPG, sondern § 9 UVPG anzuwenden.

Die bestehenden Anlagen sind allerdings im Rahmen der Vorprüfung oder der UVP in gleicher Weise als Vorbelastungen zu berücksichtigen (vgl. Nummer 3.6 der Anlage 3 und Nummer 4 Buchst. c Doppelbuchst. ff der Anlage 4 UVPG). Entscheidend ist dabei eine Überlagerung von Wirkungen beim Schutzgut.

3.4.5
Vermeidung von Verfahrensverzögerungen

Um einen zügigen Ablauf des Genehmigungsverfahrens gewährleisten zu können, ist es insbesondere geboten, den Träger des Vorhabens bereits im Vorfeld im Hinblick auf die Antragsstellung zu beraten, sobald die Genehmigungsbehörde vom Vorhabenträger über das geplante Vorhaben unterrichtet wird (§ 2 Abs. 2 der 9.BImSchV). Sinnvoll ist es dementsprechend, den Träger des Vorhabens frühzeitig darüber zu informieren, welche Unterlagen von der Behörde zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen für erforderlich gehalten werden. Sofern erforderlich sind die Behörden, deren Aufgabenbereich betroffen sein könnten, hinzuzuziehen.

Zwecks Verfahrensbeschleunigung sollte der Vorhabenträger von der zuständigen Behörde darauf hingewiesen werden, dass er zur Erfüllung seiner Pflicht aus § 7 Abs. 4 UVPG (möglichst) alle Sachverhaltsinformationen liefern soll, die für eine zügige Prüfung benötigt werden.

Erachtet die zuständige Behörde bei einem vorprüfungspflichtigen Vorhaben das Entfallen der Vorprüfung für zweckmäßig, hat sie den Vorhabenträger im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung und zur Vermeidung etwaiger rechtlicher Unsicherheiten auf die Möglichkeit eines Antrages nach § 7 Abs. 3 UVPG (sog. "freiwillige UVP") hinzuweisen, es sei denn, ein solcher Antrag liegt bereits vor.

Im Interesse einer zügigen und effizienten Verfahrensgestaltung ist die Zweckmäßigkeit einer Unterrichtung über den Untersuchungsrahmen gemäß § 15 UVPG oder § 2 a der 9. BImSchV stets und frühzeitig zu prüfen. Eine etwaige Besprechung nach § 15 Abs. 3 UVPG bzw. nach § 2 a Abs. 3 der 9. BImSchV ist in der Regel sinnvoll und ist ebenfalls frühzeitig durchzuführen. Zur Besprechung sind grundsätzlich alle hinzuzuziehen, deren Teilnahme für die Klärung des voraussichtlichen Untersuchungsrahmens zweckdienlich erscheint. Da in diesem Stadium nur über Voraussichtliches unterrichtet werden kann (siehe z. B. § 15 Abs. 1 Satz 1 UVPG), ist der Vorhabenträger darauf hinzuweisen, dass die Unterrichtung keine rechtliche Bindungswirkung hat. Eine etwaige spätere Forderung von weiteren Unterlagen ist somit nicht ausgeschlossen, sollte allerdings unverzüglich nach Feststellung des Ergänzungsbedarfs erfolgen. Nachforderungen kommen in Betracht, wenn sie zur Sachverhaltsermittlung für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind. Sie müssen hinsichtlich Inhalt, Umfang und Anforderungen hinreichend präzise sein.

3.5
Materiell-rechtliche Anforderungen

3.5.1
Immissionsschutzrechtliche Anforderungen

3.5.1.1
Immissionsschutzrechtliche Zulassungsvoraussetzungen

Als oberste Grundpflicht hat der Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage zu gewährleisten, dass von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und Vorsorge entsprechend dem Stand der Technik dafür zu treffen, dass dieser Schutz gewahrt bleibt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind gemäß § 22 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.

Unter schädlichen Umwelteinwirkungen versteht das BImSchG Immissionen als auf seine Schutzgüter - Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter - einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche (physikalisch messbare) Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 3 BImSchG). Immissionen, die ursächlich den Emissionen aus dem Betrieb einer Windkraftanlage zugerechnet werden können, kommen insbesondere im Hinblick auf Lärm und Schattenwurf in Betracht.

3.5.1.2
Lärmbeurteilung

Die Beurteilung, ob schädliche Umweltauswirkungen oder erhebliche Belästigungen durch Geräuschimmissionen zu befürchten sind, erfolgt auf Grundlage der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm. Es ist dabei entsprechend der in der BauNVO zum Ausdruck kommenden Wertung von einer abgestuften Schutzwürdigkeit der verschiedenen Baugebiete auszugehen.

Bei der Ausbreitungsrechnung und der Unsicherheitsbetrachtung der Schallprognosen und Abnahmemessungen bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und Überwachung von WEA ist der RdErl. d. MU vom 21. 1. 2019 Einführung der "Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA)" der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) (Nds. MBl. S. 343) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

3.5.1.3
Tieffrequente Geräusche

Für tieffrequente Geräusche sind in der TA Lärm ausdrücklich eigene Mess- und Beurteilungsverfahren vorgesehen, die in der DIN 45680, Ausgabe März 1997 und dem zugehörigen Beiblatt 1 festgelegt sind. Für Schallwellen im Infraschallbereich unter 8 Hz ist durch Messungen nachgewiesen, dass dieser Schall in den für den Lärmschutz im hörbaren Bereich notwendigen Abständen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt.

3.5.1.4
Schattenwurf

Bewegter Schattenwurf der Rotorblätter von geringer Dauer ist hinzunehmen. Von einer erheblichen Belästigung des Menschen ist erst auszugehen, wenn unter Berücksichtigung der Beiträge aller einwirkenden WEA der tägliche oder der jährliche Immissionsrichtwert überschritten wird. Der Immissionsrichtwert für die tägliche Beschattungsdauer beträgt 30 Minuten, der Immissionsrichtwert für die astronomisch maximal mögliche jährliche Beschattungsdauer beträgt 30 Stunden. Dies entspricht einer tatsächlichen Beschattungsdauer von etwa 8 Stunden pro Jahr.

Im Fall einer prognostizierten Überschreitung der Immissionsrichtwerte ist durch technische Maßnahmen sicherzustellen, dass die tatsächliche Beschattungsdauer 8 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag nicht überschreitet. Für weitere Einzelheiten der Bewertung sind die "Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen Aktualisierung 2019 (WKA-Schattenwurfhinweise)" der LAI vom 23. 1. 2020 heranzuziehen (www.laiimmissionsschutz.de).

3.5.1.5
"Optisch bedrängende" Wirkung

WEA können gegen das als unbenannter öffentlicher Belang in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn von den Drehbewegungen der Rotoren eine "optisch bedrängende" Wirkung auf bewohnte Nachbargrundstücke im Außenbereich ausgeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. 12. 2006 - 4 B 72/06-; BVerwG, Beschluss vom 23. 12. 2010 - 4 B 36/10; OVG Münster, Urteil vom 9. 8. 2006 - 8 A 3726/05; Bayerischer VGH, Urteil vom 29. 5. 2009 - 22 B 08.1785). Ob von einer WEA eine optisch bedrängende Wirkung auf eine Wohnbebauung ausgeht, ist stets anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Zu berücksichtigende Bewertungskriterien sind beispielsweise Höhe, Rotordurchmesser und Standort der WEA, Lage von Aufenthaltsräumen und Fenstern zur Anlage, Sichtverschattungen, Stellung des Rotors unter Berücksichtigung der Hauptwindrichtung, Blickwinkel, Vorbelastung durch bestehende Anlagen etc. (siehe OVG Münster, Urteil vom 9. 8. 2006 - 8 A 3726/05).

Nach der Rechtsprechung lassen sich unter Berücksichtigung dieser Bewertungskriterien für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Ist der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer WEA geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Beträgt der Abstand das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalles. Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer WEA mindestens das Dreifache der Gesamthöhe, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht (OVG Münster, Urteil vom 4. 7. 2018 - 8 A 47/17, Rn. 86). Diese vom OVG NRW aufgestellten Regeln sind Faustformeln, die eine bestimmte Würdigung der Umstände nahelegen, aber die Prüfung des konkreten Einzelfalles nicht entbehrlich machen (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 23. 12. 2010 - 4 B 36/10).

Weitere Einzelheiten zu den Voraussetzungen für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung werden in Nummer 4 "Spezialregelungen" ausgeführt.

3.5.2
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit

3.5.2.1
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen (§§ 30 bis 37 BauGB)

§ 29 BauGB definiert den Begriff des planungsrechtlich relevanten Vorhabens. Liegt ein Vorhaben i. S. des § 29 BauGB wie z. B. bei der Errichtung einer WEA vor, so sind die - im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren und im Baugenehmigungsverfahren zu beachtenden - bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30 bis 37 BauGB zu beachten. Das BauGB unterscheidet im Wesentlichen drei Bereiche: Gebiete mit qualifiziertem Bebauungsplan (§ 30 BauGB), im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB) und Außenbereich (§ 35 BauGB). Über die Zulässigkeit des Vorhabens entscheidet die Genehmigungsbehörde gemäß § 36 BauGB im Einvernehmen mit der Gemeinde. Bei Entscheidungen nach § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB ist das Einvernehmen der Gemeinde nicht erforderlich.

Als selbstständige Anlagen sind Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert. Eine WEA ist damit im Außenbereich zulässig, sofern die ausreichende Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

Darüber hinaus kann sich eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 sowie 6 BauGB von solchen WEA ergeben, die sich als Nebenanlage oder sonstiger Bestandteil der Hauptanlage, insbesondere als sog. Kleinwindanlage, darstellen.

3.5.2.2
Entgegenstehen öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB)

Der Errichtung einer WEA im Außenbereich können im Einzelfall öffentliche Belange entgegenstehen. Als öffentliche Belange können insbesondere § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 bis 8 BauGB entgegenstehen, beispielsweise wenn das Vorhaben mit Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5) oder der Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8, vgl. dazu Nummer 4.9) nicht vereinbar ist. Allerdings führt nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Belange zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Es muss vielmehr eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den berührten öffentlichen Belangen und dem Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens stattfinden. Dabei fällt die Privilegierung zugunsten des Vorhabens ins Gewicht.

Darüber hinaus stehen öffentliche Belange der Errichtung einer WEA in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle (Konzentrationszone) erfolgt ist (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Dies gilt nicht für Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.

Für Konzentrationszonenplanungen in Regionalen Raumordnungsprogrammen gilt:

Die Ausschlusswirkung, die § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an bestimmte Ziele der Raumordnung knüpft, gilt nur für raumbedeutsame Vorhaben.

Die Raumbedeutsamkeit bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles und ist demgemäß für jeden Einzelfall neu zu bewerten (siehe BVerwG, Urteil vom 13. 3. 2003 - 4 C 4/02; OVG Lüneburg, Urteil vom 15. 9. 2011 - 12 LB 218/08; VGH Kassel, Beschluss vom 3. 11. 2015 - 9 B 1051/15). Pauschale Aussagen verbieten sich vor diesem Hintergrund. Bewertungsleitende Gesichtspunkte sind neben der Dimension des Vorhabens (Höhe, Rotordurchmesser, Anzahl der Anlagen) insbesondere auch die Gegebenheiten des Anlagenstandortes und mögliche Auswirkungen auf Ziele der Raumordnung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15. 9. 2011 - 12 LB 218/08).

Für Konzentrationszonenplanungen in Flächennutzungsplänen gilt:

Der planerischen Steuerung der Gemeinden mittels Flächennutzungsplänen unterliegen im Gegensatz zur Regionalplanung nicht nur raumbedeutsame WEA, sondern grundsätzlich sämtliche WEA.

Ob die Gemeinde tatsächlich WEA jeglicher Größe und damit auch z. B. untergeordnete Nebenanlagen zu privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 sowie 6 BauGB ausschließen wollte, ist dabei im Einzelfall zu bestimmen.

Für raumbedeutsame Windkraftanlagen gilt Folgendes: In einem Raumordnungsplan festgelegte Konzentrationszonen für Windenergie haben in den Fällen, in denen sie von den Konzentrationszonen in einem gemeindlichen Flächennutzungsplan abweichen, Vorrang (vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 25. 1. 2018 - 4 B 1535/17.N sowie Reidt, Die Ausweisung von Windkonzentrationszonen in Raumordnungs- und Flächennutzungsplänen - welcher Plan hat Vorrang?, BauR 2017, 1293). Das bedeutet: Außerhalb der im Raumordnungsplan festgelegten Konzentrationszonen sind raumbedeutsame WEA in der Regel ausgeschlossen.

Innerhalb einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone dürfen die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, die bereits im Rahmen der Planung abgewogen worden sind, bei der Entscheidung über die Zulassung einer WEA nicht wieder als Genehmigungshindernis aktiviert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. 5. 2010 - 4 C 7/09). Es ist dabei davon auszugehen, dass im Rahmen der Darstellung von Konzentrationszonen sämtliche, mit der Windenergienutzung konkurrierenden Belange bei der Flächennutzungsplanung abschließend mit abgewogen worden sind, weil die Konzentrationswirkung nur eintritt, wenn sichergestellt ist, dass sich die Windenergienutzung innerhalb der eigens für sie dargestellten Zone durchsetzt (BVerwG, Urteil vom 17. 12. 2002 - 4 C 15/01). Entgegenstehende Belange werden deswegen für WEA in Konzentrationszonen nur relevant, sofern sie auf der Ebene der Bauleitplanung noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Sowohl für Konzentrationszonenplanungen in Flächennutzungsplänen als auch in Regionalen Raumordnungsprogrammen gilt:

Außerhalb der in Flächennutzungsplänen oder Raumordnungsprogrammen dargestellten Konzentrationsflächen können Abweichungen von der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zugelassen werden.

Die "Regel"-Formulierung ermöglicht die Feindifferenzierung, für die das Abwägungsmodell auf der Stufe der Konzentrationszonenplanung naturgemäß keinen Raum lässt. Abzuwägen im Rahmen einer nachvollziehenden Abwägung ist das private Interesse an der Errichtung mit den öffentlichen Belangen der Nutzungskonzentration an anderer Stelle. Danach ist eine Abweichung im Einzelfall möglich. Diese darf jedoch die Grundzüge der Planung nicht infrage stellen. Das mit der Ausweisung an anderer Stelle verfolgte Steuerungsziel darf nicht "unterlaufen" werden. Was die vom planerisch erfassten Regelfall abweichende Sonderkonstellation ausmacht, lässt sich nicht in eine allgemeine Formel kleiden. Eine solche Atypik kann sich daraus ergeben,

  • dass sich die Anlage wegen Ihrer Größe oder Stellung als Nebenanlage von dem Kreis der Anlagen unterscheidet, deren Zulässigkeit der Planungsträger hat steuern wollen,

  • dass Bestandsschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen sind,

  • dass in der Nähe des vorgesehenen Standortes bereits eine zulässigerweise errichtete WEA vorhanden ist oder

  • dass die kleinräumigen Verhältnisse eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. 12. 2002 - 4 C 15/01).

Dabei kommt es auf eine Zusammenschau der die Örtlichkeit prägenden Umstände und darauf an, ob unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten das private Interesse, die Windenergie an dem streitigen Standort (auch weiterhin) zu nutzen, gegenüber den öffentlichen Belangen, wegen derer die Nutzung "an sich" an anderer Stelle konzentriert werden soll, Vorrang verdient. Abzuwägen ist danach nicht das Freihaltungsinteresse selbst, sondern diejenigen öffentlichen Belange, zu deren Gunsten eine Freihaltung des Außenbereichs vorgenommen werden soll, insbesondere Erwägungen des Landschaftsschutzes, und die der Planung tatsächlich zugrunde liegen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15. 5. 2009 - 12 LC 55/07).

Bestandsschutzgesichtspunkte können im Falle des standorterhaltenden Repowerings zu berücksichtigen sein. Kleinräumige Verhältnisse können insbesondere dann vorliegen, wenn ein Überschreiten der Grenzen einer bestehenden Konzentrationszone durch Anlagen oder Anlagenteile zur effizienteren Ausnutzung dieser Flächen - mehr Leistung pro Fläche - und damit zu einer Schonung des übrigen Außenbereichs führt.

Die Genehmigungsbehörden prüfen, ob eine solche Abweichung in Betracht kommt.

3.5.2.3
Rückbauverpflichtung

Nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Die Verpflichtungserklärung ist kein vollstreckbarer Titel. Sie bewirkt, dass sich die verpflichtete Person, wenn sie der Pflicht zum Rückbau nicht nachkommt, nach Treu und Glauben (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens) nicht mit Erfolg gegen eine Beseitigungsanordnung wenden kann, die von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde gemäß § 79 NBauO erlassen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. 10. 2012 - 4 C 5/11).

Rückbau ist die Beseitigung der Anlage, welche der bisherigen Nutzung diente und insoweit die Herstellung des davor bestehenden Zustandes. Zurückzubauen sind grundsätzlich alle ober- und unterirdischen Anlagen und Anlagenteile sowie die zugehörigen Nebenanlagen wie Leitungen, Wege und Plätze und sonstige versiegelte Flächen.

In Ausnahmefällen kann aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles die Anordnung eines vollständigen Rückbaus unverhältnismäßig sein oder gewichtige öffentliche Belange beeinträchtigen. Im letzteren Fall ist im Rahmen einer Ermessensausübung gemäß § 79 NBauO abzuwägen, inwieweit diesen öffentlichen Belangen Rechnung getragen werden soll.

Im Einzelfall können insbesondere Bodenschutzaspekte dafür sprechen, dass Pfahlgründungen beim Rückbau im Boden verbleiben können. Darüber hinaus sind die bodenschutzrechtlichen Anforderungen an den Rückbau zu beachten (vgl. Nummer 4.4).

Die durch die Anlage bedingte Bodenversiegelung ist so zu beseitigen, dass der Versiegelungseffekt, der z. B. das Versickern von Niederschlagswasser beeinträchtigt oder behindert, nicht mehr besteht.

Die rechtlich vorgesehene Rückbauverpflichtung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB soll die Genehmigungsbehörde z. B. durch Baulast oder beschränkt persönliche Dienstbarkeit (wenn die Grundstückseigentümerin oder der Grundstückseigentümer selbst Bauherrin oder Bauherr ist) oder in anderer Weise (z. B. Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft, Versicherungslösung etc.) sicherstellen. Die Sicherheitsleistung soll den Rückbau der WEA einschließlich des den Boden versiegelnden Fundaments am Ende der voraussichtlichen Lebensdauer der Anlage vollständig abdecken.

Die Höhe der Sicherheitsleistung ergibt sich in der Regel aus der Formel Nabenhöhe der WEA [m] x 1000 [EUR/m] = Betrag der Sicherheitsleistung [EUR].

In begründeten Einzelfällen, d. h. bei Vorliegen außergewöhnlicher Konstellationen, kann eine abweichende Bemessung der Sicherheitsleistung vorgenommen werden.

Der Betrag der Sicherheitsleistung ist so kalkuliert, dass er die im Zusammenhang mit den Rückbauaufwendungen anfallende Umsatzsteuer enthält.

§ 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist im Geltungsbereich von Bebauungsplänen nicht anzuwenden. Regelungen zum Rückbau können hier ggf. in einem städtebaulichen Vertrag getroffen werden.

3.5.3
Bauordnungsrechtliche Anforderungen

3.5.3.1
Technische Baubestimmungen

Die oberste Bauaufsichtsbehörde kann Regeln der Technik, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen des § 3 NBauO dienen, als Technische Baubestimmungen im Nds. MBl. bekanntmachen. Dies erfolgt seit 2019 in der "Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VVTB)". Die Technischen Baubestimmungen sind nach § 83 Abs. 1 Satz 2 NBauO einzuhalten. Hierunter sind u. a. die Bemessungsregelungen zum Nachweis der Standsicherheit von Turm und Gründung zu verstehen (siehe Nummer 3.5.3.3).

3.5.3.2
Bauprodukte und Bauarten

Weiterhin sind die §§ 16 b, 16c und 17 NBauO zu beachten, wonach Herstellung, Überwachung und Kennzeichnung von Bauprodukten bestimmten Regelungen unterliegen. Danach sind insbesondere die in Teil C der VVTB veröffentlichten, als Technische Baubestimmungen geltenden, technischen Regeln heranzuziehen und auch die im ABl. der EU auf Grundlage der Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. 3. 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates [ABl. EU Nr. L 88, S. 5; 2013 Nr. L 103 S. 10; 2015 Nr. L 92 S. 118], zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/2020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2019 [ABl. EU Nr. L 169 S. 1]) bekannt gemachten Produktennormen zugrunde zu legen. Mit Hilfe dieser Produktnormen sind geregelte Bauprodukte verwendbar. Aber auch ungeregelte Bauprodukte können mit einer erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung oder einer Europäisch Technischen Bewertung verwendet werden.

Für innovative Bauprodukte, für die keine bekannt gemachten Technischen Baubestimmungen oder Zulassungen existieren oder falls von solchen wesentlich abgewichen werden soll, ist eine Zustimmung im Einzelfall nach § 20 NBauO bei der obersten Bauaufsichtsbehörde zu beantragen. Für innovative Bauarten kann dort auch der Antrag auf eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung nach § 16a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NBauO gestellt werden.

Bauprodukte sind entweder mit dem Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) oder dem Konformitätszeichen der Europäischen Union (CE-Zeichen) zu kennzeichnen.

3.5.3.3
Standsicherheit

§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 NBauO regelt für Anlagen, die höher sind als 10 m, dass ein Nachweis über die Standsicherheit bauaufsichtlich zu prüfen ist. Für kleinere WEA ist dies nicht erforderlich.

Der Nachweis der Standsicherheit des Turms und der Gründung, die Ermittlung der aus der Maschine auf den Turm und die Gründung wirkenden Schnittgrößen sowie die Anforderungen bezüglich Inspektion und Wartung der Anlage zwecks Sicherstellung der Standsicherheit des Turms und der Gründung über die vorgesehene Entwurfslebensdauer hat nach der "Richtlinie für Windenergieanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung" des Deutschen Instituts für Bautechnik Berlin (DIBt) in der jeweils geltenden Fassung zu erfolgen. Hier finden sich in Abschnitt 17 auch Regelungen zum Weiterbetrieb von WEA, die ihre Entwurfslebensdauer (in der Regel 20 Jahre) erreicht haben.

Diese Richtlinie wurde in Niedersachsen als Nummer A 1.2.8.7 der Anlage 1 des RdErl. des MU vom 14. 6. 2021 Bauaufsicht; Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) (Nds. MBl. S. 1030) nach § 83 Abs. 1 NBauO durch Veröffentlichung im Nds. MBl. bekannt gemacht. Nach Nummer A 1.2.8.7 ist die zugehörige Anlage A 1.2.8/6 zu beachten. In dieser Anlage wird auch hinsichtlich der generell erforderlichen gutachtlichen Stellungnahmen einer oder eines Sachverständigen als Bestandteil der Bauvorlagen hingewiesen. Geeignete sachverständige Stellen sind dort beispielhaft benannt. Weitere Stellen können ihre Qualifikation gegenüber der genehmigenden Behörde nachweisen.

Der Standsicherheitsnachweis umfasst auch die Überprüfung des gegenseitigen Einflusses benachbarter WEA oder vergleichbar hoher Bauwerke infolge erhöhter Turbulenzintensität und weist zulässige Abstände der baulichen Anlagen untereinander entsprechend der Richtlinie für Windenergieanlagen nach. Bei Unterschreitung der Mindestabstände nach Abschnitt 7.3.3 der "Richtlinie für Windenergieanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung" können standsicherheitsrelevante Auswirkungen in Betracht kommen.

Sollen diese Abstände unterschritten werden, ist entsprechend den Hinweisen in Nummer 3.1 der Anlage A 1.2.8/6 VVTB zu verfahren und vom Betreiber der neu hinzukommenden baulichen Anlage nachzuweisen, dass Gefährdungen oder unzumutbare Belästigungen i. S. von § 12 Abs. 1 oder § 13 NBauO nicht bestehen.

Für kleine WEA gelten die Regelungen in Nummer A 1.2.8.7 der Anlage 1 VVTB grundsätzlich in gleicher Weise. Die Richtlinie für WEA des DIBt enthält allerdings im Abschnitt 1 "Geltungsbereich" die Festlegung, dass WEA, deren überstrichene Rotorfläche kleiner als 200 m2 ist und die eine Spannung erzeugen, die unter 1 000 V Wechselspannung oder 1 500 V Gleichspannung liegt, nach DIN EN 61400-2 nachgewiesen werden dürfen.

Für Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG gilt:

Sofern der Antragssteller dies wünscht und eine standsichere Errichtung grundsätzlich möglich ist, soll die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter dem Vorbehalt erlassen werden, dass der Nachweis der Standsicherheit nachgereicht und vor Baubeginn die nach § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NBauO vorgesehene Prüfung erfolgreich abgeschlossen wird. Bei geänderten Fundamenten kann dies Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete (zum Beispiel Boden- und Grundwasserschutz) haben und zu weiteren Nebenbestimmungen führen.

Erforderlichenfalls kann von der zuständigen Behörde geprüft werden, ob die Genehmigung, mit Einverständnis des Antragstellers, unter dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden kann, insbesondere im Hinblick auf Einschränkungen zum Betrieb der Anlage, die sich aus der Stellungnahme einer Gutachterin oder eines Gutachters oder einer oder eines Sachverständigen gemäß Anlage A 1.2.8/6 der Anlage 1 VVTB ergeben.

In jedem Falle muss dabei allerdings sichergestellt sein, dass im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung die übrigen Unterlagen vorliegen, die erforderlich sind, um die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens prüfen zu können.

3.5.3.4
Typenprüfung

Für einen Teil der zu errichtenden WEA kann die Standsicherheit und die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile auf Grundlage der bekannt gemachten Technischen Baubestimmungen mit einer Typenprüfung nach § 65 Abs. 8 NBauO nachgewiesen werden. Dies ist in einem befristeten Bescheid festzustellen. Die beschiedene Typenprüfung ist bei Vorlage eines Typenprüfberichts einer hierfür anerkannten Prüfstelle nicht vollumfänglich zu prüfen. Lediglich die Gültigkeit der in der Typenprüfung getroffenen Annahmen, z. B. hinsichtlich des Baugrundes, ist von der unteren Bauaufsichtsbehörde zu prüfen und die Umsetzung etwaiger Auflagen des Typenprüfberichts zu überwachen.

Die zugehörigen Konstruktionszeichnungen, soweit sie nicht zum Umfang der Typenprüfung gehören, sind zu prüfen. Die Ausführung der Bewehrungsarbeiten und die Montage des Turmes der Anlage sind zu überwachen.

3.5.3.5
Brandschutz

Für Anlagen von nicht mehr als 30 m Höhe sind gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 NBauO die Anforderungen an den Brandschutz bauaufsichtlich nicht zu prüfen.

Für Anlagen mit einer Höhe über 30 m (Sonderbauten) ist die Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz in den Bauvorlagen nachzuweisen und durch die Bauaufsichtsbehörde zu prüfen (§ 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 NBauO).

Für WEA als Sonderbauten werden auf Grundlage des § 51 NBauO aus Gründen des Brandschutzes folgende besondere Anforderungen gestellt:

Werden WEA im Wald errichtet, müssen die Anlagen über eine automatische Löschanlage zur Brandbekämpfung in der Gondel verfügen.

In Gebieten mit mittlerem bis hohem Waldbrandrisiko (Landkreise Celle, Gifhorn, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Lüneburg und Heidekreis) ist aus Gründen des Brandschutzes grundsätzlich ein Abstand zu Waldflächen - die mit der Baumart Kiefer bestockt sind und mehr als 5 ha umfassen - im Umfang der 1,5-fachen Anlagengesamthöhe einzuhalten.

Eine Unterschreitung dieses grundsätzlich einzuhaltenden Abstandes sowie eine Errichtung von WEA im Wald ist unter Einhaltung der übrigen, rechtlichen Anforderungen möglich.

Weitere Anforderungen für die Errichtung von WEA in oder in der Nähe von Wäldern bleiben vorbehalten.

Für die Anlage oder den Windpark muss ferner ein Feuerwehrplan nach DIN 14095 erstellt werden. Ergänzend zu dem Feuerwehrplan ist ein Lageplan auf Basis von Luftbildern zu fordern.

WEA in Windparks sind zur besseren Zuordnung mit einer Kennung, z. B. Nummern oder Buchstaben, zu kennzeichnen. Die Kennungen sind in den Feuerwehrplan zu übernehmen.

3.5.4
Abstandsanforderungen

3.5.4.1
Abstände

Bei WEA ergeben sich Abstandsforderungen aus mehreren Bereichen. Beim öffentlichen Baurecht sind insbesondere die NBauO, die in Niedersachsen als Technische Baubestimmung eingeführte "Richtlinie für Windenergieanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung" (siehe Nummer 3.5.3.3), das BauGB und das BImSchG maßgeblich.

3.5.4.2
Grenzabstände (§ 5 NBauO)

WEA sind bauliche Anlagen, die Gebäude sein können oder von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen; sie müssen daher gemäß § 5 Abs. 1 NBauO mit allen auf ihren Außenflächen oberhalb der Geländeoberfläche gelegenen Punkten von den Grenzen des Baugrundstücks Abstand halten. Dabei ist auf die Außenflächen der Bauteile der WEA in allen möglichen Betriebszuständen abzustellen.

Der Abstand zur Grenze beträgt nach § 5 Abs. 2 NBauO 0,5 H, mindestens jedoch 3 m. In Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Gebieten, die nach ihrer Bebauung diesen entsprechen, beträgt der Abstand 0,25 H, mindestens jedoch 3 m. Diese 0,25 H-Regelung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 NBauO findet nur für im Bebauungsplan festgesetzte Gewerbe- und Industriegebiete Anwendung oder wenn sie diesen gemäß § 34 BauGB entsprechen. Auf anderen Planungsebenen festgesetzte Flächen (Flächennutzungsplan) oder Vorranggebiete (Regionalplanung) sind für die Beurteilung dabei unerheblich.

Der erforderliche Abstand bei einem vorgeschriebenen Abstandsmaß von 0,5 H ergibt sich bei einer Stellung eines Rotorblattes von 26,565° gegen die Horizontale. Bei einem vorgeschriebenen Abstandsmaß von 0,25 H ist dagegen eine Rotorblattstellung gegen die Horizontale von 14,036° maßgebend (siehe Anlage 4 Übersicht - Veranschaulichung Grenzabstände).

Eine Abweichung des Drehpunktes der Rotorblätter von der Mastachse (Exzentrizität der Rotorebene) vergrößert den von

den Rotorblättern in allen möglichen Betriebsstellungen erreichbaren Luftraum (Rotationskörper) und ist daher zu berücksichtigen.

Aus der mathematischen Herleitung erhält man bei horizontalem Gelände gemäß einem nach § 5 NBauO vorgeschriebenen Abstandsmaß von 0,5 H einen erforderlichen Grenzabstand der Mastachse AM(0,5 H) oder bei einem vorgeschriebenen Abstandsmaß von 0,25 H einen Grenzabstand von AM(0,25 H), also den Radius des Kreises um diese Achse, den eine Grenze tangieren darf, genügend genau mit nachstehenden Formeln (a) oder (b).

Beträgt das vorgeschriebene Grenzabstandsmaß 0,5 H, so gilt AM(0,5 H) =(e2+(0,8944 x R)2)1/2+0,5 (HN+0,4472 x R) (a), beträgt das vorgeschriebene Grenzabstandsmaß 0,25 H, so gilt AM(0,25 H)=(e2+(0,9701 x R)2)1/2 +0,25 (HN+0,2425 x R) (b), dabei bedeuten:

HNHöhe der Nabe über der Geländeoberfläche,
RRotorradius,
eExzentrizität der Rotorebene.

Eine erläuternde grafische Darstellung findet sich in der Anlage 4.

Hinweise:

Die angegebenen Formeln sind nur maßgeblich zur Abstandshaltung von WEA gemäß § 5 NBauO zu den Grenzen des Baugrundstücks. Forderungen zur Abstandshaltung aus anderen Bereichen, beispielsweise wegen Eisabwurfgefahr oder unzumutbaren Beeinträchtigungen, fließen hierbei nicht ein und wären gesondert zu berücksichtigen.

Eine Einbeziehung von Nachbargrundstücken - mit Zustimmung der betroffenen Nachbargrundstückseigner und deren Verpflichtung, die Abstandsfläche von Bebauung freizuhalten - ist möglich. Die Verpflichtung ist abzusichern, beispielsweise durch Eintragung einer Baulast. Sind Baulasten oder Grunddienstbarkeiten erforderlich, so genügt es, dass diese vor Baubeginn vorliegen, wenn bei Antragstellung ein Anspruch auf eine entsprechende Eintragung besteht und entsprechende Unterlagen vorgelegt werden. Die Eintragung kann durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden.

Im Einzelfall kann die Bauaufsichtsbehörde auf gesonderten Antrag gemäß § 66 NBauO eine Abweichung zur Unterschreitung der Grenzabstände zulassen, wenn u. a. auch die Belange der Nachbarn gewürdigt worden sind.

3.5.4.3
Abstände wegen Eisabwurfgefahr

Aufgrund der Besonderheiten einer WEA mit drehendem Rotor ergeben sich zudem Forderungen zur Abstandshaltung wegen Eisabwurfgefahr. Gemäß Nummer A 1.2.8.7 der Anlage 1 VVTB ist die "Richtlinie für Windenergieanlagen; Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung" in Niedersachsen eingeführt (RdErl. des MU vom 21. 6. 2021, [Nds. MBl. S. 1030]) i. V. m. Nummer 2 der dazugehörigen Anlage A 1.2.8/6 gelten Abstände größer als 1,5 x (Rotordurchmesser + Nabenhöhe) zu Verkehrswegen und Gebäuden im Allgemeinen als ausreichend.

Diese Abstände können gleichwohl unterschritten werden. Demnach sind wegen der Gefahr des Eisabwurfs Abstände zu Verkehrswegen und Gebäuden unbeschadet der Anforderungen aus anderen Rechtsbereichen einzuhalten, soweit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht auszuschließen ist. Einer Genehmigung stehen geringere Abstände dann nicht entgegen, wenn Einrichtungen installiert werden, durch die der Betrieb der WEA bei Eisansatz ausreichend sicher ausgeschlossen werden kann (z. B. Eisansatzerkennungssysteme) oder durch die ein Eisansatz verhindert werden kann oder ein Abtauen erreicht werden kann (z. B. Rotorblattheizung). Eine gutachtliche Stellungnahme einer oder eines Sachverständigen zur Funktionssicherheit dieser Einrichtungen ist als Teil der Bauvorlagen vorzulegen. Im Aufenthaltsbereich unter den Rotorblättern einer WEA mit technischen Einrichtungen zur Außerbetriebnahme des Rotors bei Eisansatz ist durch Hinweisschilder auf die verbleibende Gefährdung durch Eisabfall bei Rotorstillstand oder Trudelbetrieb aufmerksam zu machen. Detaillierte Anforderungen zur Abwehr von Gefahren durch Eisabwurf sind in den Nummern 2, 3.2 und 5 der Anlage A 1.2.8/6 der Anlage 1 VVTB beschrieben.

3.5.4.4
Abstände wegen unzumutbarer Belästigungen

Des Weiteren ist die Abstandshaltung aufgrund von unzumutbaren Belästigungen durch Immissionen (Schallschutz, Stroboskopeffekt) zu ermitteln, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 NBauO nicht entstehen dürfen. Dies gilt für kleine wie auch für große WEA. Im Einzelfall müsste dies durch ein Gutachten von Sachverständigen nachgewiesen werden. Die Abstände aufgrund von unzumutbaren Belästigungen können wegen der vielen möglichen Faktoren im Einzelfall hier nicht konkret angegeben werden.

3.6
Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft, Eingriffsregelung

Für die Genehmigung von Anlagen kommen die in Nummer 2.6 benannten harten Tabuzonen nicht in Betracht.

3.6.1
Landschaftsschutzgebiete

In Landschaftsschutzgebieten ist die Genehmigung von WEA ausgeschlossen, wenn die jeweilige Schutzgebietsverordnung entsprechende Bauverbote enthält und dies nicht mit dem Schutzzweck gemäß der Schutzgebietsverordnung zu vereinbaren ist.

Eine Genehmigung von Anlagen kann in diesen Gebieten gleichwohl über eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG im Rahmen von Einzelfallentscheidungen möglich sein. Eine solche Befreiung erfordert eine einzelfallbezogene Abwägung der unterschiedlichen Belange des öffentlichen Interesses an Naturschutz und Landschaftspflege mit dem öffentlichen Interesse an der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien sowie Beiträgen zum Klimaschutz. Eine Befreiung kann an Auflagen gekoppelt werden. Im Wege der Befreiung können gleichwohl nur singuläre, keine großflächigen Eingriffe zugelassen werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. 4. 1990 - 8 S 2303/89). In diesen Fällen ist es erforderlich, dass die Erteilung einer Befreiung von den Bestimmungen rechtlich möglich ist, weil objektiv eine Befreiungslage gegeben ist und dies unter Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde festgestellt wurde ("Planung in eine Befreiungslage hinein"), (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. 10. 2005 - 3 S 2521/04, Rn. 43). Die Befreiung darf nach Umfang und Häufigkeit nicht dazu führen, dass die Schutzgebietsverordnung gegenstandslos wird oder sie ihren Zweck ganz oder teilweise nicht mehr erreichen kann (Schumacher/Fischer-Hüftle, Kommentar zum BNatSchG, 2. Auflage, § 67 Rn. 5 m. w. N.).

Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege stehen einem Vorhaben insbesondere dann entgegen, wenn dieses in nicht durch Ausnahmegenehmigung oder Befreiung zu behebender Weise in Widerspruch zu einer gültigen Landschaftsschutzverordnung steht (OVG NRW, Urteil vom 5. 9. 2006 - 8 A 1971/04; ständige Rechtsprechung BVerwG, Beschluss vom 2. 2. 2000 - 4 B 104/99). In der Regel werden WEA in Landschaftsschutzgebieten nur errichtet werden können, wenn die Verordnung für die betroffenen Flächen zuvor verändert oder aufgehoben wurde (siehe hierzu Nummer 2.9.2 "Landschaftsschutzgebiete - Vermeidung von widersprüchlichen Festsetzungen").

Eine Windenergienutzung kommt außerdem in Betracht, wenn zu diesem Zweck entsprechende Ausnahmetatbestände in die Landschaftsschutzgebietsschutzverordnung aufgenommen wurden. Die Errichtung von Einzelanlagen in Landschaftsschutzgebieten kommt insbesondere in Teilbereichen großräumiger Landschaftsschutzgebiete mit einer im Einzelfall weniger hochwertigen Funktion für den Naturschutz und die Landschaftspflege sowie die Erholung in Betracht, soweit die Vereinbarkeit mit der Schutzfunktion des Landschaftsschutzgebietes insgesamt gegeben ist.

3.6.2
Einwirkungen in FFH- und Vogelschutzgebiete

WEA dürfen nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Schutzzwecks oder der Erhaltungsziele von FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten führen. Wird eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung eines FFH- und/oder Vogelschutzgebietes, ggf. unter Berücksichtigung eventueller Kumulationswirkungen mit anderen Plänen und Projekten, festgestellt, ist das Projekt nach § 34 Abs. 2 BNatSchG in der beantragten Form unzulässig. Für WEA, deren Einwirkungsbereich in diese hineinreichen, ist im Genehmigungsverfahren eine Vorprüfung der FFH-Verträglichkeit und ggf. eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen (siehe auch Nummer 2.9.3).

3.6.3
Abstände zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft

Generelle Abstände zu den in Nummer 2 dieses RdErl. benannten geschützten Teilen von Natur und Landschaft sind (naturschutz-)rechtlich nicht vorgesehen und auch landesseitig nicht vorgegeben oder beabsichtigt. Abstände können aber gleichwohl im Einzelfall unter Berücksichtigung des konkreten Schutzzwecks nach Abwägung der Belange geboten sein.

3.6.4
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

3.6.4.1
Verursacherpflichten

Der Verursacher eines Eingriffs ist gemäß § 15 Abs. 1 und 2 BNatSchG verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen und unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Wird ein Eingriff nach § 15 Abs. 5 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten.

3.6.4.2
Ersatzzahlung

3.6.4.2.1 Rechtsrahmen

Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Ersatzzahlung sind im Fall von WEA in der Regel bezogen auf das Landschaftsbild, weniger für Boden, Biotope oder Arten gegeben. Kann nur ein Teil der Eingriffsfolgen kompensiert werden, so ist dieser Teil zu kompensieren und für den übrigen Teil eine Ersatzzahlung festzusetzen.

Das BNatSchG rechnet nur solche Maßnahmen den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu, die eine Wiederherstellung oder mindestens eine landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsbildes bewirken (§ 15 Abs. 2 BNatSchG). Eine Wiederherstellung lässt sich im Fall von WEA mit einer Nabenhöhe von über 50 m aufgrund ihrer optischen Wirkungen in der Regel nicht erreichen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. 5. 2020 - 12 LA 150/19). Auch eine landschaftsgerechte Neugestaltung ist zumeist nicht möglich. Diese verlangt, dass ein Zustand hergestellt wird, der den vorher vorhandenen Zustand in weitest möglicher Annäherung fortführt, d. h. in gleicher Art, mit gleichen Funktionen und ohne Preisgabe wesentlicher Faktoren des optischen Beziehungsgefüges (BVerwG, Urteil vom 27. 9. 1990 - 4 C 44/87). Entscheidend ist, dass die Wirkungen des Eingriffsvorhabens selbst in den Hintergrund treten und das Landschaftsbild nicht negativ dominieren oder prägen, sondern unter der Schwelle der Erheblichkeit bleiben.

Scheiden Wiederherstellung und landschaftsgerechte Neugestaltung aus, ist eine Ersatzzahlung festzulegen (§ 15 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG). Die Ersatzzahlung bemisst sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten (§ 15 Abs. 6 Satz 2 BNatSchG). Bemisst sich die Ersatzzahlung nach § 15 Abs. 6 Satz 2 BNatSchG, sind die erforderlichen durchschnittlichen Kosten für die Flächenbereitstellung auf der Grundlage der Bodenrichtwerte nach § 196 BauGB festzustellen.

Sind diese Kosten nach § 15 Abs. 6 Satz 2 BNatSchG nicht feststellbar, bemisst sich die Ersatzzahlung allein nach Dauer und Schwere des Eingriffs und beträgt höchstens 7 % der Kosten für Planung und Ausführung des Vorhabens einschließlich der Beschaffungskosten für Grundstücke (§ 6 Abs. 1 NAGBNatSchG).

Bei der Berechnung der Ersatzzahlungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG ist von den Gesamtinvestitionskosten für das Vorhaben auszugehen. Diese sind nicht um diejenigen Kosten zu bereinigen, die für nicht landschaftsbildrelevante Teile des Vorhabens aufgewendet werden. Die Gesamtinvestitionskosten beinhalten auch die Umsatzsteuer und zwar unabhängig davon, ob der Eingriffsverursacher vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht (OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. 12. 2018 - 4 LA 389/17).

Die Höhe der Ersatzzahlung ist anhand der prognostizierten Gesamtinvestitionskosten zu bestimmen und gemäß § 15 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG im Zulassungsbescheid festzusetzen. Ein Änderungsvorbehalt, mit dem sich die Behörde die Neufestsetzung der Höhe der Ersatzzahlung entsprechend den tatsächlich angefallenen Gesamtinvestitionskosten vorbehält, ist mit § 15 Abs. 6 Satz 4 BNatSchG nicht vereinbar. Vielmehr ist die Heranziehung eines Windenergieanlagenbetreibers zu einer naturschutzrechtlichen Ersatzzahlung nach § 15 Abs. 6 Satz 3 BNatSchG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG im Zulassungsbescheid abschließend zu regeln (OVG Lüneburg, Urteil vom 10. 1. 2017 - 4 LC 198/15).

3.6.4.2.2 Eingriffsbewertung und Bemessung der Ersatzzahlung

Der für die Berechnung der Höhe der Ersatzzahlung maßgebliche Eingriff ist nur der Eingriff, der weder durch Ausgleichs- noch durch Ersatzmaßnahmen ausgeglichen bzw. kompensiert worden ist (OVG Lüneburg, Urteil vom 16. 12. 2009 - 4 LC 730/07); die verbleibende, nicht durch Maßnahmen kompensierte Beeinträchtigung ist als solche nach Dauer und Schwere zu bewerten.

Sofern geeignete Verminderungs- oder Kompensationsmaßnahmen die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes (oder eines anderen Schutzgutes) mindern, ist dieser Umstand ausschließlich bei der Bewertung der Schwere des verbleibenden Eingriffs zu berücksichtigen; ein Abzug oder eine Anrechenbarkeit von Kosten, die durch Kompensationsmaßnahmen entstehen, findet nicht statt.

Die gesetzliche Obergrenze für die Höhe der Ersatzzahlung wird nur dann auszuschöpfen sein, wenn der Eingriff dauerhaft besonders wertvolle Funktionen oder Werte von Natur und Landschaft zerstört. Hierzu zählen insbesondere solche Funktionen und Werte, die nach den anerkannten Bewertungsmethoden der Landesnaturschutzverwaltung als besonders wertvoll eingestuft sind. Dazu zählen auch Landschaftsbildeinheiten, die weitgehend der naturraumtypischen Eigenart entsprechen, im jeweiligen Naturraum von überdurchschnittlicher Bedeutung und frei von einer Vorbelastung sind. Diese Kriterien erfüllen allerdings nur noch sehr wenige Gebiete. Da nicht diese, sondern vorrangig vorbelastete Bereiche für WEA in Anspruch genommen werden, beträgt die Ersatzzahlung zumeist deutlich weniger als 7 % der Gesamtinvestitionskosten.

Bei der Eingriffsbewertung und der Bemessung der Ersatzzahlung sind vorbelastete, sichtverschattete und sichtverstellte Bereiche mindernd zu berücksichtigen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10. 1. 2017 - 4 LC 198/15).

Die Eingrünung oder der Abbau von baulichen Anlagen (z. B. andere mastenartige Bauwerke, Freileitungen, Ortsränder), die das Landschaftsbild stören oder beeinträchtigen, sowie bestimmte Bepflanzungen können unter Umständen als Beitrag zur Minderung von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes gesehen werden. Als geeignete Maßnahmen sind Anpflanzungen in größerer Entfernung zu nennen, die Teile der WEA verdecken oder weniger dominant erscheinen lassen und damit die Schwere der Beeinträchtigungen verringern. Im Nahbereich der WEA sollte auf Anpflanzungen, die das Kollisionsrisiko für Vögel oder Fledermäuse erhöhen könnten, verzichtet werden. Gleiches gilt z. B. für Gehölzpflanzungen in Wiesenbrütergebieten.

Möglicherweise kann dies auch erreicht werden mit der Ergänzung oder Entwicklung naturraumtypischer Landschaftsbestandteile (z. B. lückenhafter Feldgehölze, einer unterbrochenen Allee usw.), der Wiederherstellung kulturhistorischer Landschaftsbestandteile, der Entwicklung von Randstreifen, die in ein System das Landschaftsbild verbessernder Maßnahmen eingebunden sind.

Die Maßnahmen sind auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für erhebliche Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts anrechenbar, sofern eine solche Mehrfachfunktion gegeben ist.

Erfordernis, Art und Umfang und vor allem die Lage der Anpflanzungen müssen nachvollziehbar begründet werden.

Als Beitrag zur Minderung oder Kompensation von Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch WEA kommt insbesondere der Abbau bestehender WEA in dem betroffenen Gebiet in Betracht.

Eine Vollkompensation könnte ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn im betroffenen Natur- bzw. Landschaftsraum eine geeignete Kompensationsfläche durch den Rückbau darauf befindlicher Altanlagen mit vergleichbarer Eingriffswirkung landschaftsgerecht neugestaltet werden könnte (OVG Lüneburg, Urteil vom 10. 1. 2017 - 4 LC 198/15, juris, Rn. 101).

3.6.4.3
Eingriffsbewältigung im Bebauungsplan

Soweit WEA im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans errichtet werden, ist über die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen der baurechtlichen Abwägung abschließend zu entscheiden, die §§ 14 bis 17 BNatSchG sind gemäß § 18 Abs. 2 BNatSchG nicht anzuwenden.

Die auf dem Baugrundstück festgesetzten Ausgleichs- oder Vermeidungsmaßnahmen (z. B. Farbgebung des Mastes) sind als Nebenbestimmung in den Zulassungsbescheid aufzunehmen. Die Umsetzung der übrigen Ausgleichsmaßnahmen wird außerhalb des Zulassungsverfahrens durch die Gemeinde geregelt.

4. Spezialregelungen

4.1
Straßenrecht

4.1.1
Bundesfernstraßengesetz (FStrG)

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 FStrG dürfen längs der Bundesfernstraßen nicht errichtet werden (Anbauverbote)

1. Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 40 m bei Bundesautobahnen und bis zu 20 m bei Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten, jeweils gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn,

2. bauliche Anlagen, die außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten über Zufahrten oder Zugänge an Bundesstraßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollen.

Im Übrigen bedürfen Baugenehmigungen oder nach anderen Vorschriften notwendige Genehmigungen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 FStrG der Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde (Anbaubeschränkung), wenn

1. bauliche Anlagen längs der Bundesautobahnen in einer Entfernung bis zu 100 m und längs der Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten bis zu 40 m, gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, errichtet, erheblich geändert oder anders genutzt werden sollen,

2. bauliche Anlagen auf Grundstücken, die außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten über Zufahrten oder Zugänge an Bundesstraßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen sind, erheblich geändert oder anders genutzt werden sollen.

Diese Zustimmung nach § 9 Abs. 2 FStrG darf gemäß § 9 Abs. 3 FStrG nur versagt oder mit Bedingungen und Auflagen erteilt werden, soweit dies wegen der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausbauabsichten oder der Straßengestaltung nötig ist.

4.1.2
Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG)

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 NStrG dürfen außerhalb der Ortschaften längs der Landes- oder Kreisstraßen nicht errichtet werden (Anbauverbote)

1. Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 20 m, gemessen vom äußeren Rand der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn

2. bauliche Anlagen i. S. der NBauO, die über Zufahrten unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollen.

Im Übrigen ergehen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 NStrG Baugenehmigungen oder nach anderen Vorschriften notwendige Genehmigungen im Benehmen mit der Straßenbaubehörde (Anbaubeschränkungen), wenn

1. bauliche Anlagen i. S. der NBauO längs der Landes- oder Kreisstraßen in einer Entfernung bis zu 40 m, gemessen vom äußeren Rand der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn, errichtet oder erheblich geändert werden sollen,

2. bauliche Anlagen i. S. der NBauO auf Grundstücken, die außerhalb der Ortsdurchfahrten über Zufahrten an Landes- oder Kreisstraßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen sind, erheblich geändert oder anders genutzt werden sollen.

Im Verfahren zur Herstellung des Benehmens nach § 24 Abs. 2 NStrG darf sich die Straßenbaubehörde nur zur Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, zu Ausbauabsichten und zur Straßenbaugestaltung äußern.

4.1.3
Ausnahmen

Die Anbauverbote und Anbaubeschränkungen gelten nicht, soweit das Bauvorhaben den Festsetzungen eines Bebauungsplans entspricht, der mindestens die Begrenzung der Verkehrsflächen sowie an diesen gelegene überbaubare Grundstücksflächen enthält und unter Mitwirkung des Trägers der Straßenbaulast zustande gekommen ist (§ 9 Abs. 7 FStrG, § 24 Abs. 6 NStrG).

Darüber hinaus kann nach § 9 Abs. 8 FStrG eine straßenrechtliche Ausnahme vom Anbauverbot im Einzelfall erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfalle zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist oder wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erfordern. Ausnahmen können mit Bedingungen und Auflagen versehen werden.

Nach § 24 Abs. 7 NStrG kann eine Ausnahme vom Anbauverbot im Einzelfall erteilt werden, wenn dies die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere im Hinblick auf Sichtverhältnisse und Verkehrsgefährdung, sowie die Ausbauabsichten und die Straßenbaugestaltung gestatten. Die Entscheidung trifft die für die Genehmigung der Errichtung der WEA zuständige Behörde im Einvernehmen mit der Straßenbaubehörde. Ausnahmen können mit Bedingungen und Auflagen versehen werden.

4.1.4
Verfahren

Bei der Errichtung von WEA ergeben sich somit im Umfeld von Straßen die o. g. Mindestabstände. In der Anbauverbotszone darf das Bauvorhaben ohne eine Ausnahme aufgrund eines Bebauungsplans gemäß § 9 Abs. 7 FStrG, § 24 Abs. 6 NStrG oder eine Ausnahme im Einzelfall nach § 9 Abs. 8 FStrG bzw. § 24 Abs. 7 NStrG nicht realisiert werden. Grundsätzlich liegt keine offenbar nicht beabsichtigte Härte i. S. des § 9 Abs. 8 FStrG bei der Errichtung von WEA in der Nähe von Bundesfernstraßen vor und es sprechen auch keine Gründe des Wohls der Allgemeinheit für eine Abweichung vom Anbauverbot. Die Anbauverbotszone ist daher von einer WEA (Mastfuß einschließlich des Rotors und der Rotorblattspitzen) freizuhalten.

Bei Straßenkategorien nach Landesrecht sind vom Antragsteller Unterlagen (Gutachten usw.) zum Nachweis vorzulegen, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs eine Ausnahme gestattet.

In der Anbaubeschränkungszone kommt es vornehmlich darauf an, ob das Vorhaben nach seiner Lage, Größe und Art geeignet ist, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, Ausbauabsichten oder die Straßenbaugestaltung zu beeinträchtigen. Eine solche Möglichkeit ist im jeweiligen Einzelfall von der Straßenbaubehörde zu prüfen. Im Einzelfall können sich aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auch weitergehende Anforderungen ergeben, z. B. bezüglich Ablenkungsgefahr oder Eiswurf. Für die Bewertung der Gefahr durch Eisabwurf wird auf Nummer 3.5.4.3 verwiesen.

Im Übrigen sind die Belange der Straße in Planungs- und Genehmigungsverfahren für WEA stets mit abzuwägen. In jedem Fall ist darauf hinzuwirken, die Straßenbauverwaltung frühzeitig in den Planungsprozess einzubinden, damit zeitnah ein Austausch erfolgen kann, insbesondere was die Bedarfe an Fachgutachten angeht.

4.1.5
Erschließung

Grundsätzlich ist anzustreben, die Erschließung der WEA-Grundstücke über nicht klassifizierte Straßen vorzunehmen (vgl. hierzu Nummer 2.1 "Privilegierung im Außenbereich").

Im Falle von Anträgen auf Nutzung oder Errichtung von Baustellen- und Behelfszu- und -abfahrten an Bundesautobahnen, Bundes- und Landesstraßen zum Transport von Anlagenteilen einer WEA zu dem vorgesehenen Standort können sich im Wesentlichen drei Konstellationen ergeben:

  1. a)

    Nutzung einer bestehenden Zufahrt, die nicht für den allgemeinen Verkehr bestimmt ist

  2. b)

    temporäre oder provisorische bauliche Änderung einer bestehenden Zufahrt, die nicht für den allgemeinen Verkehr bestimmt ist,

  3. c)

    temporäre oder provisorische Neuerrichtung einer Zufahrt.

Diese Nutzungen stellen Sondernutzungen i. S. der § 8 Abs. 1 FStrG und § 18 Abs. 1 NStrG dar und können unter bestimmten Voraussetzungen nach pflichtgemäßem Ermessen erlaubt und mit Nebenbestimmungen versehen werden. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalles. Zudem muss gewährleistet sein, dass hierbei die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewahrt werden. Die Richtlinien für Großraum- und Schwertransporte sind zu beachten.

4.2
Schienenverkehr

Verbindliche Abstandsregelungen oder ein technisches Regelwerk für Mindestabstände zu Anlagen des Schienenverkehrs existieren im Bahnrecht nicht. Gleichwohl sind bei der Errichtung von WEA Anforderungen an Sicherheitsabstände zu bestehenden Eisenbahnbetriebsanlagen zu beachten, um nachteilige Auswirkungen für die Sicherheit und den Ablauf des Bahnbetriebes zu vermeiden. So ergeben sich Forderungen zur Abstandshaltung wegen Eisabwurfgefahr aufgrund der "Richtlinie für Windenergieanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung", die Abstände größer als 1,5 x (Rotordurchmesser + Nabenhöhe) zu Verkehrswegen und Gebäuden als ausreichend erachtet. Diese Abstände können gleichwohl unterschritten werden, sofern Einrichtungen installiert werden, durch die der Betrieb der WEA bei Eisansatz ausreichend sicher ausgeschlossen werden kann oder durch die ein Eisansatz verhindert werden kann oder ein Abtauen erreicht werden kann (z. B. Rotorblattheizung). Siehe dazu Nummer 3.5.4.3.

Als Träger öffentlicher Belange ist das Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu beteiligen, sofern Eisenbahnbetriebsanlagen betroffen sein könnten. Anstelle des Eisenbahn-Bundesamtes ist für die Eisenbahninfrastrukturen nichtbundeseigener Eisenbahnen in Niedersachsen die LEA Gesellschaft für Landeseisenbahnaufsicht mbH zu beteiligen. Das Eisenbahn-Bundesamt empfiehlt derzeit, vorbehaltlich der technischen Entwicklung und künftiger Erfahrungen, einen Abstand von Windkraftanlagen zu Gleisanlagen in Höhe des zweifachen Rotordurchmessers, mindestens aber in Höhe der Gesamtanlagenhöhe.

Die Stellungnahme des Eisenbahn-Bundesamtes oder der LEA Gesellschaft für Landeseisenbahnaufsicht mbH hat für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde keine rechtliche Bindungswirkung.

Bezüglich Bahnstromfernleitungen wird auf Nummer 4.5 "Freileitungen" verwiesen.

4.3
Gewässerschutz, Wasserschutz-, Heilquellenschutz-, Überschwemmungsgebiete, Wasserstraßen, sonstige Regelungen zu Abständen zu Gewässern und Deichen

Auf Grundlage des Wasserrechts begegnet die Errichtung von WEA in Gewässernähe oder in Schutzgebieten mit wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen bestimmten Einschränkungen.

Im Rahmen der Anlagenzulassung ist gemäß § 36 WHG sicherzustellen, dass Anlagen so errichtet, betrieben, unterhalten und stillgelegt werden, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist.

Bei der Zulassung von WEA in festgesetzten Wasser- und Heilquellenschutzgebieten sind erhöhte wasserrechtliche Anforderungen zu beachten. Insbesondere beim Bau sind die Vorbereitung der Baustelle, das Durchführen von Bohrungen, Eingriffe in die Deckschichten und eventuelle Tiefgründungen aber auch beim Betrieb der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen dabei wichtige Kriterien. Für WEA als Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (konkrete technische Anforderungen ergeben sich aus der AwSV in der jeweils geltenden Fassung) gilt allgemein, dass sie so beschaffen sein, so errichtet, unterhalten und betrieben werden müssen, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern - dazu zählt auch das Grundwasser - nicht zu besorgen ist. Vorsorglich sind diese Anlagen nach Maßgabe von § 49 AwSV in den Schutzzonen I und II grundsätzlich unzulässig. Für Schutzzonen III kann die jeweilige Verordnung zur Festsetzung von Schutzgebieten abweichende Regelungen treffen.

In der Schutzzone I von Wasserschutzgebieten (§ 91 NWG, § 51 WHG) und Heilquellenschutzgebieten (§ 53 WHG, § 94 NWG) dürfen keine WEA oder andere bauliche Anlagen sowie Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen errichtet und betrieben werden. Die Schutzzone I ist somit ausnahmslos von WEA (Fundament) freizuhalten.

In der Schutzzone II von Wasserschutzgebieten und Heilquellenschutzgebieten kommt die Errichtung von WEA aufgrund der in der Regel geringen Fließstrecke oder Zeit/Entfernung zur Wassergewinnungsanlage ebenfalls nur unter der im Folgenden genannten Voraussetzung in Betracht. Eine Genehmigung von WEA ist gemäß § 52 Abs. 1 WHG nur auf Antrag im Rahmen einer Einzelfallprüfung der zuständigen unteren Wasserbehörde möglich, wenn diese zum Ergebnis führt, dass das Vorhaben mit dem Schutzziel der jeweiligen Wasserschutzgebietsverordnung vereinbar ist.

In der Schutzzone III von Wasserschutzgebieten und Heilquellenschutzgebieten sind WEA beschränkt zulässig. Durch Auflagen, in begründeten Fällen auch Sicherheitsabstände zur Schutzzone II, ist zu gewährleisten, dass keine nachteiligen Einwirkungen auf das geschützte Grundwasser zu besorgen sind. Als mögliche Standorte sollten bevorzugt die äußeren Bereiche der Schutzzone III oder die Schutzzone III B betrachtet werden.

Auch außerhalb von Wasserschutzgebieten besteht eine wasserrechtliche Anzeige- oder Erlaubnispflicht gemäß § 49 WHG, sofern die Errichtung einer WEA mit Arbeiten verbunden ist, die so tief in den Boden eindringen, dass sie sich unmittelbar oder mittelbar auf die Beschaffenheit des Grundwassers auswirken können.

In festgesetzten Überschwemmungsgebieten (§ 76 Abs. 2 WHG, § 115 NWG) und in vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (§ 76 Abs. 3 WHG) ist die Planung und Errichtung von WEA untersagt (§ 78 Abs. 4 und 8 WHG) und kann nur unter den Voraussetzungen des § 78 Abs. 5 und 8 WHG als Ausnahmeentscheidung zulässig sein.

Gemäß § 61 BNatSchG ist die Errichtung von baulichen Anlagen im Außenbereich an Bundeswasserstraßen und Gewässern erster Ordnung sowie an stehenden Gewässern mit einer Größe von mehr als 1 ha im Abstand bis 50 m von der Uferlinie (gemessen vom Mastfuß) nicht zulässig. Abweichend davon kann auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 BNatSchG eine Ausnahme zugelassen werden.

Der gleiche Abstand (50 m gemessen vom Mastfuß) gilt nach niedersächsischem Deichrecht zur landseitigen Grenze eines Haupt-, Hochwasser- und Schutzdeiches. Die Deichbehörde kann widerrufliche Ausnahmen genehmigen, wenn das Verbot im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Ausnahme mit den Belangen der Deichsicherheit vereinbar ist.

Nach § 31 WaStrG sind WEA am Ufer einer Bundeswasserstraße dem Wasser- und Schifffahrtsamt anzuzeigen, da die Errichtung, die Veränderung und der Betrieb von Anlagen am Ufer einer Bundeswasserstraße einer strom- und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung bedarf, wenn durch die beabsichtigte Maßnahme eine Beeinträchtigung des für die Schifffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraßen oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist.

4.4
Bodenschutz

WEA an Land beanspruchen Böden für die Fundamentfläche, Zuwegung sowie die Anbindung mittels Erdkabeln an das Stromnetz. Neben diesen dauerhaft in Anspruch genommenen Bodenflächen werden während der Errichtung weitere Bodenflächen für die Montage und Materiallagerung genutzt.

Das BBodSchG stellt auf die nachhaltige Sicherung oder Wiederherstellung der Bodenfunktionen ab. Bei Einwirkungen auf den Boden sollen Beeinträchtigungen seiner natürlichen Funktionen sowie seiner Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte so weit wie möglich vermieden werden (§ 1, § 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BBodSchG).

Bodenschutzfachliche Anforderungen bestehen insbesondere im Hinblick auf

  • die Berücksichtigung von Böden entsprechend ihrer natürlichen Funktionen und der Archivfunktion i. S. von § 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BBodSchG sowie ihrer Empfindlichkeit insbesondere gegenüber Verdichtung und Erosion, möglicher Vorbelastungen und vorhandener Hintergrundwerte,

  • die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Vermeidung von Beeinträchtigungen, u. a. durch Beschränkung von Vollversiegelung, Vermeidung von Bodenverdichtungen durch geeignete Vorkehrungen bei der Durchführung von Vorhaben (z. B. Anlage und Rückbau von Baustraßen, Nutzung bestehender Zuwegungen, Abgrenzung von Lagerflächen).

Bei der Ausführung der Baumaßnahmen, die sowohl die Errichtung der Anlagen als auch die Zuwegung betreffen, sind die Belange des Bodenschutzes gemäß § 4 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 1 BBodSchG zu berücksichtigen. Bei allen Bodenarbeiten, die der Sicherung, der Zwischenlagerung und der Wiederverwertung (einschließlich der Aufnahme aus der Zwischenlagerung) von Oberbodenmaterial dienen, sind gemäß § 12 BBodSchV die entsprechenden Vorgaben der DIN 18915 und der DIN 19731 (insbesondere Nummern 7.2 und 7.3) einzuhalten (vgl. § 12 BBodSchV, konkretisiert durch die "Vollzugshilfe zu den Anforderungen an das Aufbringen und Einbringen von Materialien auf oder in den Boden [§ 12 BBodSchV]" vom 11. 9. 2002 der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz, www.labo-deutschland.de).

Im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ist bei der Errichtung von WEA das Schutzgut Boden zu betrachten, d. h. Bestand und Auswirkungen sind hinsichtlich des Bodens und der Bodenfunktionen zu beschreiben und entsprechende bodenbezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen insbesondere zur Kompensation der Beeinträchtigung der Bodenfunktionen durch die Versiegelung durchzuführen.

Die Bodenschutzbehörden i. S. des § 10 Abs. 1 NBodSchG sind in allen Planungs- und Vorhabensphasen durch die verfahrensführende Behörde zu beteiligen. Damit wird sichergestellt, dass einerseits den Belangen des Bodenschutzes angemessen Rechnung getragen wird und dass andererseits Böden besonderer Standorte (z. B. sulfatsaure Böden) abfallrechtlich und bautechnisch angemessen berücksichtigt werden. Für die Vorhabensphase des Rückbaus hat die Bodenschutzbehörde dafür Sorge zu tragen, dass eine uneingeschränkte landwirtschaftliche Folgenutzung und eine weitgehende Wiederherstellung der Bodenfunktionen gemäß § 2 Abs. 2 BBodSchG sichergestellt werden.

Sicherzustellen ist insbesondere beim Rückbau von Fundamenten, dass stoffliche Bodenbeeinträchtigungen vermieden werden und bei Arbeiten zur Zerlegung der Anlage keine Schneidmassen in Boden und Umwelt gelangen. Der Rückbau soll mittels Kran erfolgen; eine Fällung von WEA ist grundsätzlich nicht zulässig.

Die Zulassungsbehörde kann die Bauausführung auf planungs- und zulassungskonforme Umsetzung überwachen. Generell wird empfohlen, die Belange des Bodenschutzes zur Vermeidung schädlicher Bodenveränderungen auch auf landwirtschaftlich genutzten Flächen durch eine eigenständige und in der Baupraxis bewährte bodenkundliche Baubegleitung vertreten zu lassen. Das gilt insbesondere bei Vorkommen von empfindlichen Böden, wie z. B. organischen, sulfatsauren oder verdichtungsempfindlichen Böden. Als Grundlage des fachkundigen baubegleitenden Bodenschutzes wird die Anwendung der DIN 19639 empfohlen. So kann gewährleistet werden, dass die in Planung und Zulassung festgelegten Bodenschutzmaßnahmen umgesetzt werden.

4.5
Freileitungen

Die Abstände zwischen WEA und Freileitungen sowie das Erfordernis von Schwingungsschutzmaßnahmen richten sich nach DIN EN 50341-2-4 (VDE 0210-2-4:2019-09).

4.6
Luftverkehrsrecht, Flugsicherungseinrichtungen

Bei der Planung, Genehmigung und Errichtung von WEA sind luftverkehrsrechtliche Aspekte zu beachten.

Das Luftverkehrsrecht in Deutschland ist grundsätzlich Bundesrecht. Lediglich die in § 31 Abs. 2 LuftVG genannten Aufgaben werden von den Ländern in Bundesauftragsverwaltung unter Fachaufsicht des Bundes (Artikel 85 GG) ausgeführt.

Die zivilen Luftfahrtbehörden (Land) und das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) für den militärischen Luftverkehr sind Ansprechpartner für die Einleitung der notwendigen Überprüfungen.

Die Aufgabe der zivilen Luftfahrtbehörde wird durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV), Dezernat 42, Göttinger Chaussee 76 A, 30453 Hannover wahrgenommen.

Militärische Luftfahrtbehörde ist das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw), Flughafenstraße 1, 51147 Köln.

Ansprechstelle als Träger öffentlicher Belange ist dabei allein das BAIUDBw, Referat Infra l 3 (hoheitliche Aufgaben). Voranfragen zu Windenergieprojekten können an die dort eingerichtete E-Mail-Adresse windenergie@bundeswehr.org gerichtet werden.

Für Verfahren, in denen eine Zustimmung der Luftfahrtbehörde nach § 14 LuftVG erforderlich ist werden die militärischen flugbetrieblichen Belange zusätzlich durch das LufABw Abteilung III, Referat 3 II e, gegenüber der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) vertreten. Für eine ggf. erforderliche Erteilung einer Duldungsverfügung nach § 16 a LuftVG (z. B. in Form einer Tag- und Nachtkennzeichnung einer WEA) ist das LufABw Abteilung l, Referat 1 d, zuständig.

Das LuftVG erhebt je nach Standort und Höhe von WEA unterschiedliche formelle und materielle Anforderungen.

Im Sinne einer zügigen und effizienten Sachbearbeitung wird empfohlen, die Luftfahrtbehörden möglichst frühzeitig einzubinden.

4.6.1
Zustimmungspflichtige WEA

Nach § 13 BImSchG liegt die Prüfungs- und Letztentscheidungsbefugnis sämtlicher genehmigungsrelevanter Umstände grundsätzlich bei der Immissionsschutzbehörde. Dies gilt jedoch nicht für die Entscheidung der Luftfahrtbehörde nach den §§ 12, 14 und 17 LuftVG, welche bei Vorliegen der dort beschriebenen Gegebenheiten in einem Zustimmungsverfahren eingeholt werden muss.

Das Zustimmungsverfahren ist ein besonderes verwaltungsinternes Zwischenverfahren, das von der jeweiligen Genehmigungsbehörde durch Ersuchen an die Luftfahrtbehörden einzuleiten ist. Es kann sowohl bei der Errichtung von WEA innerhalb als auch außerhalb von Bauschutzbereichen einschlägig sein. Die Luftfahrtbehörden sind im eigenen Interesse angehalten, an sie gerichtete Ersuchen schnellstmöglich zu behandeln und unmittelbar an die zuständigen Stellen weiterzuleiten.

Die Zustimmung darf nur zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs (§ 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG), die aus dem Standort der beantragten WEA im beschränkten oder unbeschränkten Bauschutzbereich und der Auswirkungen auf den hier operierenden konkreten Luftverkehr (§§ 12, 17 LuftVG) oder aus der Höhe der geplanten WEA und der Auswirkungen auf den konkreten Streckenflugverkehr (§ 14 LuftVG) resultieren, versagt werden. Eine Zustimmungsversagung aus anderen Gründen, insbesondere solche, die dem Anwendungsbereich des § 18 a LuftVG unterfallen ist nicht zulässig (Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 24. 7. 2013 - 6 K 248/09). Wird die Zustimmung rechtmäßig versagt, hat die Genehmigungsbehörde keine Möglichkeit die beantragte Genehmigung zu erteilen; sie ist verpflichtet den Antrag aufgrund der versagten Zustimmung abzulehnen. Die Genehmigungsbehörde kann in diesem Fall jedoch auf Anfrage des Antragstellers die sonstige Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens prüfen und das Ergebnis im Rahmen des Ablehnungsbescheides mitteilen.

Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags bei der Luftfahrtbehörde gegenüber der Genehmigungsbehörde ausdrücklich unter Angabe der Gründe verweigert wird (§ 12 Abs. 2 Satz 2 LuftVG ggf. i. V. m. § 14 Abs. 1 LuftVG).

Unter der Voraussetzung, dass die fachliche Beurteilung innerhalb dieser Frist wegen des Ausmaßes der erforderlichen Prüfungen nicht möglich ist, kann die Genehmigungsbehörde die Frist im Benehmen mit dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) angemessen verlängern.

Die luftverkehrsrechtliche Zustimmung kann davon abhängig gemacht werden, dass die Genehmigung unter Auflagen erteilt wird.

4.6.2
Nicht zustimmungspflichtige WEA

Auch WEA, die nicht der Zustimmungspflicht der §§ 12, 14, 17 LuftVG unterfallen, können unter Berücksichtigung ihres genauen Standortes, der Anlagenparameter, des konkreten Flugbetriebes usw. die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigen. Die Luftfahrtbehörde gibt im Genehmigungsverfahren für eine derartige WEA innerhalb der immissionsschutzrechtlichen Monatsfrist eine Stellungnahme ab (§ 11 der 9. BImSchV), ob eine solche Beeinträchtigung zu erwarten und ggf. eine Kennzeichnung als Luftfahrthindernis erforderlich ist. Die luftfahrtbehördliche Stellungnahme für nicht zustimmungspflichtige WEA ist für die Genehmigungsbehörden nicht bindend.

4.6.3
Flugsicherungseinrichtungen

Nach § 18 a Abs. 1 Satz 1 LuftVG dürfen Bauwerke nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung entscheidet auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation, ob durch die Errichtung der Bauwerke Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Die Möglichkeit einer Störung ist nach der Rechtsprechung des BVerwG dargetan, wenn die entsprechenden Annahmen in der von § 18 a Abs. 1 Satz 2 LuftVG vorgesehenen gutachterlichen Stellungnahme der DFS und der darauf gestützten Entscheidung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung, denen das Gesetz zwar keine Richtigkeitsgewähr, wohl aber einen im Vergleich mit anderen behördlichen Gutachten und Entscheidungen hervorgehobenen Stellenwert beimisst, wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und durch wissenschaftliche Gegenpositionen in ihren Grundannahmen, ihrer Methodik und ihren Schlussfolgerungen jedenfalls nicht substanziell in Frage gestellt werden (BVerwG, Urteil vom 7. 4. 2016 - 4 C 1/15, NVwZ 2016, 1247).

Die Immissionsschutzbehörde kann die Möglichkeit einer Störung prüfen. Sie entscheidet aber nicht darüber, ob durch die Errichtung von Bauwerken Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Die Immissionsschutzbehörde unterrichtet vor ihrer Entscheidung über einen Genehmigungsantrag das BAF und die Flugsicherungsorganisation über begründete Zweifel an der Möglichkeit einer bauwerksbedingten Störung oder an der Erfüllung der Anforderungen des BVerwG.

Das BAF hat auf Grundlage von § 18 a Abs. 1 a LuftVG von den Empfehlungen der internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO, EUR Doc 015, Europäisches Anleitungsmaterial zum Umgang mit Anlagenschutzbereichen) abweichende Anlagenschutzbereiche festgelegt, die bis auf Weiteres verbindlich sind (BAnz AT 03.07.2017 B8). Danach betragen die Prüfradien für Doppler-Drehfunkfeuer (DVOR) und konventionelle Drehfunkfeuer (CVOR) 15 km mit Ausnahme des DVOR Hamburg (HAM-VOR: Prüfradius 10 km). Innerhalb dieser Radien ist es durch eine Einzelfallprüfung der Flugsicherung jedoch möglich, dass WEA ggf. doch errichtet werden können.

Auf Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, die in den Forschungsprojekten WERAN und WERAN plus gewonnen wurden, wurde eine verbesserte Berechnungsmethode zur Prognose der Störwirkung von WEA auf Funksignale von Doppler-Drehfunkfeuern (DVOR) entwickelt. Die neue Berechnungsformel wird seit 1. 6. 2020 angewendet11. Es ist davon auszugehen, dass nach der neuen Berechnungsmethode, die das Störpotenzial realistischer, d. h. im Vergleich zur bisherigen Methode merklich niedriger kalkuliert, mehr Genehmigungsanträge im Umfeld von DVOR-Anlagen positiv beschieden werden können - zumindest in Hinblick auf Belange der Flugsicherung. Dies gilt insbesondere für Anlagen in Entfernungen ab 10 km.

Die zivilen Luftfahrtbehörden unterrichten das BAF, wenn sie von der Planung von WEA an Standorten innerhalb von Bereichen von Flugsicherungseinrichtungen Kenntnis erhalten. Die Luftfahrtbehörden selbst nehmen in diesem Zusammenhang keine materiell inhaltliche Prüfung vor. Sie sind angehalten, die ihrerseits notwendigen Unterrichtungen schnellstmöglich vorzunehmen. Ob eine Störung zu erwarten ist, entscheidet das BAF auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation.

Für WEA im Anlagenschutzbereich von Militärflugplätzen werden alle o. g. Aufgaben gemäß § 30 Abs. 2 LuftVG von militärischen Dienststellen wahrgenommen (siehe Nummer 4.6). Das BAIUDBw - Referat Infra I 3 - entscheidet auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme des LufABw - Referat 3 II e.

Das BAF oder die zuständigen militärischen Dienststellen informieren die Genehmigungsbehörde, sobald sie über die Entscheidung durch die Flugsicherungsorganisation in Kenntnis gesetzt werden.

Angesichts der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG liegt die Prüfungs- und Letztentscheidungsbefugnis sämtlicher genehmigungsrelevanter Umstände grundsätzlich bei der Immissionsschutzbehörde. Dies gilt jedoch nicht für die Entscheidung des BAF bzw. der Bundeswehr nach § 18 a Abs. 1 Satz 2 LuftVG. Deren Entscheidung gilt als verwaltungsinterne, bindende fachrechtliche Maßnahme, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG unmittelbar auch von der Immissionsschutzbehörde zu beachten ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 3. 12. 2014 - 12 LC 30/12, Rn. 81 ff. [83]).

Großraumradaranlagen sind keine Flugsicherungsanlagen i. S. des § 18 a LuftVG, jedoch Radaranlagen i. S. des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB.

4.7
Belange des Flugbetriebes der Bundeswehr

Nach § 30 Abs. 2 LuftVG nehmen in den Fällen der §§ 12, 13 und 15 bis 19 LuftVG (nicht auch für § 14 LuftVG, für dessen Anwendung die zivile Luftfahrtbehörde allein zuständig bleibt) die Dienststellen der Bundeswehr für ihren Dienstbereich die o. g. Aufgaben der Luftfahrtbehörden und Flugsicherungsorganisationen wahr (siehe Nummer 4.6). In diesen Fällen gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

Neben WEA, die innerhalb von Bauschutzbereichen militärischer Flugplätze sowie innerhalb von Schutzbereichen militärischer Flugsicherungseinrichtungen geplant werden, können WEA auch mit militärischem Flugbetrieb in niedrigen Flughöhen in Konflikt geraten. Für militärische Tiefflüge gelten keine normativen Einschränkungen, nachdem die nationale Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 3 LuftVG durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26. 9. 2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregeln und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1035/2011 sowie der Verordnungen (EG) Nr. 1265/2007, (EG) Nr. 730/2006, (EG) Nr. 1033/2006 und (EU) Nr. 255/2010 (ABl. EU Nr. L 281 S. 1; 2013 Nr. L 145 S. 38; 2015 Nr. L 37 S. 24, Nr. L 214 S. 28), zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2020/1177 der Kommission vom 7. 8. 2020 (ABl. EU Nr. L 259 S. 12) (Anhang SERA.5005, Buchst. f) ersetzt worden ist. Sie finden regelmäßig statt im Nachttiefflugsystem und in besonders festgelegten Gebieten sowie Korridoren für Hubschrauber.

4.7.1
Nachttiefflugsystem und Hubschraubertiefflugstrecken der Bundeswehr

Das Nachttiefflugsystem für Jet-Tiefflug wurde von der Bundeswehr gemeinsam mit dem damaligen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Landesregierungen und der Flugsicherungsorganisation entwickelt. Bereits in der Planungsphase späterer Festsetzungs- oder Genehmigungsverfahren für Windenergieprojekte können konkrete Aussagen über die Vereinbarkeit mit dem Nachttiefflugsystem getroffen werden. Die Bundeswehr stellt Daten und Karten des Nachttiefflugsystems im Portal Luftfahrtveröffentlichungen unter www.milais.org im Internet zur Verfügung. Ab einer Bauhöhe von 213 m über Grund ist das Nachttiefflugsystem betroffen.

Tiefflugstrecken für Hubschrauber unterliegen der militärischen Geheimhaltung und werden nicht bekannt gegeben. Zuständige Planungs- und Genehmigungsbehörden erhalten bei Bedarf die sie betreffenden Ausschnitte.

4.8
Hinderniskennzeichnung

WEA sind als Luftfahrthindernisse zu kennzeichnen, wenn eine Höhe von 100 m über Grund oder über der Wasseroberfläche überschritten wird. Art und Umfang der Kennzeichnung richten sich nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen vom 24. 4. 2020 (BAnz AT 30.04.2020 B4) in der jeweils geltenden Fassung. Dabei ist seit 1. 7. 2020 die Ausstattung von WEA mit Einrichtungen zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung von Luftfahrthindernissen nach § 9 Abs. 8 EEG 2021 verpflichtend. Die Einrichtungen müssen dabei den Anforderungen des Anhang 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen genügen. Die Überwachung in Bezug auf die Hinderniskennzeichnung obliegt den unteren Bauaufsichtsbehörden. Im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit sollte eine Kennzeichnung verwendet werden, die vom Boden aus betrachtet möglichst unauffällig ist und die Gefährdung von Zugvögeln minimiert.

4.9
Windenergieanlagen und Wetterbeobachtung durch den Deutschen Wetterdienst (DWD)

Der DWD betreibt zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags (§ 4 DWD-Gesetz) ein umfangreiches Messnetz zur Erfassung der meteorologischen Größen. Ein wesentlicher Bestandteil ist hierbei der aus vier Systemen bestehende Windprofilerverbund des DWD (Standorte: Lindenberg [BB], Ziegendorf [MV], Nordholz [NI] und Bayreuth [BY]) sowie der 17 Systeme umfassende, deutschlandweite Niederschlagsradar- oder Wetterradarverbund.

Der DWD ist als Träger öffentlicher Belange im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für den Bau und Betrieb von WEA gemäß § 11 der 9. BImSchV zu beteiligen (Deutscher Wetterdienst, Frankfurter Straße 135, 63067 Offenbach). Der DWD ist zudem gehalten, insbesondere durch die Angabe der Koordinaten von Messanlagen und der voraussichtlich erforderlichen Schutzzonen Standortplanungen für WEA bereits in einem frühen Stadium zielgerichtet zu unterstützen. Im Genehmigungsverfahren ist u. a. zu prüfen, ob dem konkreten Vorhaben an dem vorgesehenen Standort im Außenbereich der öffentliche Belang der Störung der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB entgegensteht. Diese Prüfung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird ermittelt, ob das Vorhaben zu einer Störung der Funktionsfähigkeit einer Wetterradaranlage führen würde, Nicht jede Beeinflussung einer derartigen Anlage ist bereits als Störung zu qualifizieren. Eine Störung setzt vielmehr voraus, dass die technische Funktion der Anlage in einem Maß beeinträchtigt wird, das sich auf die Aufgabenerfüllung des Betreibers auswirkt (BVerwG, Urteil vom 22. 9. 2016 - 4 C 2.16). Ist das Vorliegen einer Störung der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage zu bejahen, so ist anschließend zu prüfen, ob dieser Belang und etwaige weitere öffentliche Belange dem Vorhaben i. S. von § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen. Dies ist durch eine sog. "nachvollziehende Abwägung" zu ermitteln, d. h., die vorgegebenen gesetzlichen Wertungen des § 35 BauGB werden auf den konkreten Fall umgesetzt und es wird festgestellt, ob in diesem Fall das Vorhaben oder die unbeeinträchtigte Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage Vorrang hat. Bei dieser Abwägung ist insbesondere die Privilegierung des Vorhabens im Außenbereich und ein Angewiesensein auf einen bestimmten Standort auf der einen Seite sowie die Auswirkung des Vorhabens auf das Gesamtsystem und die Aufgabenwahrnehmung des DWD auf der anderen Seite von Bedeutung.

4.10
Denkmalschutz

WEA dürfen in der Umgebung eines Baudenkmals nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden, wenn dadurch das Erscheinungsbild des Baudenkmals beeinträchtigt wird (§ 8 Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz - im Folgenden: NDSchG -).

Die Prüfung, ob ein angrenzendes Bauvorhaben zu einer Beeinträchtigung des Denkmals i. S. des § 8 NDSchG führt, obliegt der unteren Denkmalschutzbehörde, das heißt den Gemeinden, denen die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde obliegt, im Übrigen den Landkreisen (§ 19 NDSchG).

In jedem Fall muss durch die zuständige Denkmalschutzbehörde geprüft werden, ob ein Bodendenkmal durch das Vorhaben betroffen ist. Sofern eine solche Betroffenheit vorliegt, ist eine Grabungsgenehmigung gemäß § 13 NDSchG zu beantragen. Die entstehenden Kosten für Untersuchung, Bergung und Dokumentation sind vom Antragsteller zu tragen.

Ein Eingriff in ein Kulturdenkmal (Baudenkmale, Bodendenkmale, bewegliche Denkmale und Denkmale der Erdgeschichte gemäß § 3 NDSchG) kann gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 NDSchG genehmigungsfähig sein, soweit in der Abwägung ein öffentliches Interesse anderer Art, zum Beispiel der Einsatz erneuerbarer Energien, das Interesse an der unveränderten Erhaltung des Kulturdenkmals überwiegt und den Eingriff zwingend verlangt. Denkmalrechtliche Genehmigungen sind gemäß § 10 NDSchG dann erforderlich, wenn ein Kulturdenkmal durch die geplanten Maßnahmen erheblich beeinträchtigt oder zerstört wird.

Entsprechend der Vorgaben des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt sowie § 2 Abs. 3 NDSchG kommt den Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes ein besonderer Schutz zu.

Der Bewertung der Denkmalschutzbehörde bezüglich der Beeinträchtigung durch eine geplante WEA kommt für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde keine rechtliche Bindungswirkung zu. Sie ist bei der Abwägung der unterschiedlichen öffentlichen Belange angemessen zu berücksichtigen.

4.11
Bergbauliche Anlagen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung, Ferngas- und Mineralölfernleitungen sowie das seismische Ortungsnetzwerk des Bergschadenkundlichen Beweissicherungssystems

Bei der Errichtung von WEA sind Schutzanforderungen bestehender Anlagen der Erdöl-, Erdgas- und Untergrundspeicherindustrie (oberirdische Betriebsanlagen, unterirdisch verlegte Feldleitungen, seismisches Ortungsnetzwerk) zu beachten. Die Rundverfügung des LBEG "Abstand von Windkraftanlagen (WEA) zu Einrichtungen des Bergbaus" enthält Hinweise für die Bestimmung anlagenbezogener Sicherheitsabstände, deren Einhaltung einen sicheren Betrieb der bergbaulichen Einrichtungen sowie der Transportfernleitungen gewährleisten soll. Sicherheitsabstände sind im Einzelfall durch fachgutachterliche Beurteilung zu konkretisieren. Bei WEA, die zu den Messstationen des seismischen Ortungsnetzwerkes (siehe Anlage 3 ) einen Abstand von 5 km unterschreiten, ist das LBEG zu beteiligen.

Als Träger öffentlicher Belange ist das LBEG im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu beteiligen, sobald bergbauliche Anlagen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung oder Untergrundspeicherung sowie Ferngas- und Mineralölfeldleitungen oder das seismische Ortungsnetzwerk des Bergschadenkundlichen Beweissicherungssystems betroffen sein könnten (vgl. Nummer 3.5.2.2).

4.12
Seismische Messsysteme

Im Rahmen der Planung von WEA ist der Betrieb von seismischen Stationen zu berücksichtigen (siehe Anlage 3). Bei WEA, die zu bestehenden Messstationen einen Abstand von 5 km unterschreiten, ist der jeweilige Betreiber des betroffenen Messnetzes zu beteiligen.

Als Träger öffentlicher Belange ist das LBEG (Niedersächsischer Erdbebendienst) bzw. die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu beteiligen, sobald seismische Messsysteme in Niedersachsen betroffen sein könnten (vgl. Nummer 3.5.2.2)

4.13
Einrichtungen zur Waldbrandvorsorge

Zur Waldbrandvorsorge wird in der waldbrandgefährdeten Region des Ostniedersächsischen Tieflandes (betroffene Landkreise siehe Nummer 3.5.3.5) das Automatisierte Waldbrand-Früherkennungssystem (AWFS) betrieben, welches mittels hochauflösender Kameras eine flächendeckende Überwachung sicherstellt. Das AWFS und etwaige Funkstrecken für das System dürfen durch den geplanten Betrieb der WEA nicht erheblich eingeschränkt werden. Eine erhebliche Einschränkung liegt vor, wenn es durch den Betrieb der WEA wiederholt zu Alarmmeldungen kommen würde, die ihre Ursache in der Luftverwirbelung durch die Rotorblätter haben, oder die Standortdichte der WEA so groß wäre, dass die Konturen dahinterliegender Waldflächen für das AWFS nicht mehr in ausreichender Genauigkeit zu erkennen sind. Darüber hinaus darf die für die Datenübertragung notwendige Funkverbindung nicht beeinträchtigt werden. Die Ausübung der Überwachung muss nicht gänzlich ausgeschlossen sein, es reicht bereits die zeitweise Störung. Ob eine erhebliche Beeinträchtigung des AWFS zu erwarten ist, ist durch einen von der für den Betrieb des AWFS zuständigen Behörde (ML) bestimmten Gutachter zu prüfen. Sofern eine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, müssen im Gutachten die Maßnahmen genannt werden, die geeignet sind, die Funktionsfähigkeit (z. B. Installation einer weiteren Kamera oder Funkstation) wiederherzustellen. Diese Maßnahmen sind als Auflage in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen. Kommt es zu einer Einschränkung, so ist diese auf Kosten des Betreibers zu kompensieren. Die Ausführung der dargestellten Maßnahmen und die Gewährleistung der Funktionalität während der gesamten WEA-Betriebsdauer sind durch den Betreiber sicherzustellen.

Zur Frage der Ermittlung und Abgrenzung harter und weicher Tabuzonen vergleiche zuletzt OVG Lüneburg, Urteil v. 26. 2. 2020 - 12 KN 182/17, Randnummer (Rn.) 83 bzw. OVG Münster, Urteil vom 20. 1. 2020 - 2 D 100/17.NE.

Das Interesse des Anlagenbetreibers an einem Repowering, der Gewöhnungseffekt der angrenzenden Wohnbevölkerung und eventuell der dort bestehenden Natur sowie eine weiterverwendbare Infrastruktur können insoweit ggf. einen sachlichen Grund darstellen, (gegenüber unbelasteten Flächen) unterschiedliche weiche (nicht harte) Tabukriterien in Abwägung zu stellen (OVG Lüneburg, Urteil vom 7. 2. 2020 - 12 KN 75/18 sowie OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. 5. 2020 - 12 KN 243/17). Wo Planungsträger Mindestgrößen für neue Konzentrationsflächen festlegen, kann ein Abweichen von diesem Kriterium sogar rechtlich geboten sein. Ein "starres Festhalten" an vorgegebenen Mindestgrößen kann zu beanstanden sein, wenn Flächen, auf denen sich bereits WEA befinden, unter Zugrundelegung eines Mindestgrößenkriteriums nicht als Konzentrationsflächen dargestellt worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. 1. 2019 - 4 BN 20.18).

Zu den Grenzen dieses Instruments vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. 5. 2020 - 12 KN 243/17.

Das OVG Lüneburg definiert "Weiße Flächen" als Flächen, bei denen sich der Plangeber einer (raumordnerischen) Aussage enthält, vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 7. 2. 2020 - 12 KN 75/18.

Der tatsächliche Flächenbedarf (Fundament, Zuwegung) beträgt mit etwa 0,5 ha/Anlage nur etwa 2 000 ha, was ca. 0,04 % der Landesfläche entspricht.

Die Berechnung ist zu Beginn der Anlage1 näher erläutert.

Die Änderung des Schallleistungspegels oder des Spektrums einer geänderten WEA ist beispielsweise nicht "erheblich", wenn sie eine Änderung des Beurteilungspegels verursacht, der weniger als 10 dB(A) unterhalb des maßgeblichen Immissionsrichtwertes liegt (siehe Nummer 2.2 TA Lärm). Sofern durch die Änderung der ursprüngliche Genehmigungsbescheid angepasst werden muss (Änderung des in der Genehmigung genannten Schallleistungspegels oder ergänzende Forderung nach einer vorher nicht vorgesehenen Abnahmemessung) ist die Änderung wesentlich (RdErl. d. MU vom 21. 1. 2019 Einführung der "Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen [WKA]" der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz [LAI] [Nds. MBl. S. 343]).

Wenn beispielsweise WEA-Gruppe Xneu mit WEA-Gruppe Xalt2 in Verbindung steht, die wiederum mit WEA-Xalt3 verbunden ist, welche aber bereits keinerlei gemeinsame Einwirkung mehr mit WEA-Gruppe Xneu hat, so ist die Überschneidung der Einwirkungsbereiche von Gruppe Xalt1 und WEA-Xalt3 nicht gegeben (siehe Anlage 5).

Hierzu vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23. 10. 2017 - 8 B 705/17; BVerwG, Urteil vom 25. 6. 2020 - 4 C 3/19: Vollständige Unterlagen liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn die Unterlagen in einer Weise prüffähig sind, dass sie sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Nicht vollständig sind Unterlagen, wenn sie rechtlich relevante Fragen vollständig ausblenden, z. B. wenn eine notwendige Lärmprognose fehlt. Die Unterlagen müssen allerdings nicht schon die Genehmigungsfähigkeit belegen. Es ist also nicht erforderlich, dass ein vorzulegendes Gutachten der Prüfung in jeder Hinsicht standhält und keine weiteren fachlichen Fragen aufwirft.

Die Forschungsarbeiten werden mit Blick auf konventionelle Drehfunkfeuer (CVOR) fortgeführt, um auch für diese eine verbesserte Berechnungsmethode zu entwickeln. Mit Ergebnissen rechnet das BAF für Anfang 2021.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 2 Absatz 1 des RdErl. vom 20. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1398)