Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 04.12.2007, Az.: 3 A 1850/07

Besonderheit; Einzelfall; Elternzeit; Ermessen; Erziehung; Erziehungsurlaub; Fall; Kündigung; Kündigungsschutz; Mutter; Umstand; Vater; Zustimmung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
04.12.2007
Aktenzeichen
3 A 1850/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71855
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei Bejahung eines besonderen Falles im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG ist eine echte Ermessensentscheidung zu treffen, bei der die verfassungsrechtlich begründete gesetzgeberische Wertung zugunsten des im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist und die konkreten Umstände des Einzelfalles in dem Blick zu nehmen sind.

Tenor:

Der Bescheid vom 29.03.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Amt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Amt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die vom beklagten Amt erteilte Zustimmung zu ihrer Kündigung.

2

Die Klägerin war seit Juli 2000 in F. als Portfoliomanagerin zunächst bei Rechtsvorgängern der Beigeladenen und dann bei der Beigeladenen beschäftigt. Im Anstellungsvertrag war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vereinbart. Seit Februar 2005 arbeitete die Klägerin in Teilzeit während der Elternzeit. Die Elternzeit endete am 20.05.2007.

3

Die Beigeladene ist ein Unternehmen des G. Konzerns. Zusammen mit mehreren anderen Gesellschaften des Konzerns, unter anderem der H., nahm sie in einem gemeinsamen Betrieb am Standort F. Aufgaben des Asset Managements wahr. Im Rahmen eines Umstrukturierungsvorhabens beschloss die Unternehmensleitung, dass alle im Bereich Asset Management tätigen Unternehmen nach I. verlagert und dort zu einem einzigen Betrieb zusammengefasst werden sollten. Der Standort F. sollte vollständig aufgelöst werden. Zugleich sollten bestimmte lizenzpflichtige Tätigkeiten der Beigeladenen auf die J. übertragen werden. Die Standortverlagerung und Neuordnung der Betriebsorganisation war für das zweite Quartal 2007 geplant. Der Umzug nach I. sollte am 21.05.2007 stattfinden. Die K. hatte mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich zu der geplanten Umstrukturierung vereinbart. Dort wurde festgelegt, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu einem vor dem 31.12.2007 liegenden Zeitpunkt ausgeschlossen seien. Davon ausgenommen wurden Arbeitnehmer, die ein von einer Gesellschaft des Konzerns gemachtes Weiterbeschäftigungsangebot ablehnen würden. In diesem Fall dürfte das Arbeitsverhältnis ebenso wie bei Änderungskündigungen nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 30.09.2007 führen.

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Am 12.02.2007 beantragte die Beigeladene beim beklagten Amt die Zustimmung zur schnellstmöglichen ordentlichen Beendigungskündigung der Klägerin während der Elternzeit. Zur Begründung stellte sie den Umorganisationsprozess dar und teilte mit, dass die Stelle der Klägerin die benannten lizenzpflichtigen Tätigkeiten betreffe und deshalb von der Beigeladenen auf die J. in I. verlagert werde. Der Klägerin sei im Dezember 2006 ein Angebot zur Weiterbeschäftigung bei der J. in I. gemacht worden, welches die Klägerin abgelehnt habe. Eine Änderungskündigung sei nicht möglich, weil der Arbeitsplatz der Klägerin in der neuen Unternehmensstruktur nicht mehr bei der Beigeladenen sondern bei der J. bestehe. Andere geeignete freie Stellen gebe es weder bei der Beigeladenen noch in der neuen gemeinsamen Organisation. Da es keine mit der Klägerin vergleichbaren Arbeitnehmer gebe, sei keine Sozialauswahl durchzuführen. Weil der Betrieb in F. geschlossen werde und die Klägerin nicht in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden könne, liege ein besonderer Fall im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 18 BErzGG vor.

5

Auf Nachfrage des beklagten Amtes teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 23.02.2007 mit, dass keine Stellungnahme des Betriebsrates zu dem Kündigungszulassungsantrag vorliege, der Betriebsrat aber zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden sei und nicht widersprochen habe. Bei der geplanten organisatorischen Veränderung handele es sich nicht um einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB. Der Mietvertrag für die Räumlichkeiten in F. könne frühestens zum 31.03.2008 gekündigt werden. Sie bemühe sich aber, das Mietverhältnis durch Stellung eines Nachmieters früher zu beenden.

6

Mit Schreiben vom 23.02.2007 widersprach der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin dem Antrag auf Zulassung der Kündigung. Er meinte, ein besonderer Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG liege nicht vor, da es hier nicht um eine Stillegung, sondern lediglich um eine Verlagerung des Betriebes gehe. Die Beigeladene müsse ihre Kündigung bis zum kurz bevorstehenden Ablauf der Elternzeit am 20.05.2007 zurückstellen. Das sei nicht unzumutbar.

7

Am 29.03.2007 erteilte das beklagte Amt die Zustimmung zur Beendigungskündigung der Klägerin. Es ging davon aus, dass ein besonderer Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG vorliege. Der Arbeitsplatz der Klägerin bei der Beigeladenen in F. entfalle durch die Umorganisation und die Verlagerung des Betriebes nach I. mit dem Umzug. Da die Klägerin das Weiterbeschäftigungsangebot der J. in I. nicht angenommen habe, müsse eine Beendigungskündigung ausgesprochen werden. Am Standort F. bestehe keine Möglichkeit, die Klägerin weiter zu beschäftigen. Da die wesentliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis die Zahlung von Gehalt als Gegenleistung für die von der Arbeitnehmerin erbrachte Arbeit sei, könne das Arbeitsverhältnis nach der Umorganisation nicht wesens- und sinngerecht fortgesetzt werden. In die Abwägung, ob ausnahmsweise während der Schutzfrist des § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG die Zustimmung zur Kündigung erteilt werde, sei das Interesse der Klägerin einzustellen, als erziehende Mutter mit einer derart wichtigen gesellschaftlichen Funktion nicht durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses benachteiligt zu werden. Hingegen sei zugunsten der Beigeladenen zu berücksichtigen, dass für die Klägerin keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in F. bestehe und dass die Klägerin die ihr angebotene Weiterbeschäftigung am neuen Standort abgelehnt habe. Hieraus ergebe sich eine Ermessensreduzierung gegen Null.

8

Daraufhin kündigte die Beigeladene ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Wirkung zum 30.09.2007.

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Am 17.04.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Neben den im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumenten stützt sie sich darauf, dass das beklagte Amt von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgehe, wenn es meine, die Klägerin werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.09.2007 nicht weiter in F. beschäftigt. Tatsächlich habe sie nach dem Ablauf der Elternzeit in F. die gleichen Tätigkeiten weiter ausgeführt wie vorher. Auch andere Kolleginnen und Kollegen hätten am Standort F. noch regulär weitergearbeitet, teilweise auch über den 30.09.2007 hinaus. Zudem habe sie der Beigeladenen auch angeboten, von zuhause aus für sie zu arbeiten. Darauf habe die Beigeladene aber nicht eingehen wollen, weil diese Möglichkeit nur schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geboten werden sollte. Darüber hinaus habe die Klägerin kein zumutbares Weiterbeschäftigungsangebot abgelehnt. Sie sei mit einem in F. tätigen Rechtsanwalt verheiratet und als Mutter einer dreijährigen Tochter in F. fest verwurzelt. Das Ermessen des beklagten Amtes sei nicht auf Null reduziert gewesen. Angesichts des Kostenvolumens der Umstrukturierungsmaßnahme sei die Weiterzahlung von drei Monatslöhnen nicht dermaßen gravierend.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des beklagten Amtes vom 29.03.2007 aufzuheben.

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Das beklagte Amt beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht es sich auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Ergänzend führt es an, dass die vom Arbeitgeber angegebenen Gründe nicht offensichtlich ausgeschlossen seien. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung rechtsverbindlich festzustellen, falle in die Prüfungskompetenz der Arbeitsgerichtsbarkeit als sachnäherer Gerichtsbarkeit. Von der Beigeladenen könne nicht verlangt werden, einen nicht mehr vorhandenen Arbeitsplatz am Standort F. weiter vorzuhalten, um der Klägerin die Kündigung zu ersparen.

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Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

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Sie bestreitet, dass die Klägerin nach dem 21.05.2007 ihren normalen Arbeiten nachgegangen sei. Dies sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beigeladene zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über die Lizenzen für die von der Klägerin betreuten Drittkundengeschäfte verfügt habe. Diese Lizenzen seien bereits bei Stellung des Zustimmungsantrages auf die J. übertragen gewesen. Die Klägerin habe in F. nur noch Restarbeiten verrichtet, die am Standort F. für diejenigen verblieben seien, die ein Weiterbeschäftigungsangebot nicht angenommen und über den Verlagerungstermin hinausgehende Kündigungsfristen hätten. Sie betont, dass der Arbeitsplatz der Klägerin nicht nach Köln verlagert worden sondern im Zuge der Umstrukturierung der Betriebsorganisation bei ihr ersatzlos weggefallen sei. Er bestehe bei einer anderen Gesellschaft, der J., in I. fort, deren Weiterbeschäftigungsangebot die Klägerin abgelehnt habe. Wann die Elternzeit ende, könne für die Entscheidung des beklagten Amtes keine Rolle spielen. Es sei nicht einzusehen, warum die Beigeladene angesichts der sechsmonatigen Kündigungsfrist mit der Kündigung bis zum Ende der Elternzeit warten solle, wenn bereits vorher feststehe, dass der Arbeitsplatz der Klägerin zum Zeitpunkt des Endes der Elternzeit zur J. nach I. verlagert werde.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 04.12.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und hat in der Sache Erfolg.

19

Der Bescheid des beklagten Amtes vom 29.03.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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Nach § 18 Abs. 2 Ziff. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1, 2 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit, in der die Arbeitnehmerin bei ihm Teilzeitarbeit leistet, nicht kündigen. In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden.

21

Hier ist bereits fraglich, ob ein besonderer Fall vorlag (dazu nachfolgend unter 1.). Jedenfalls hat das beklagte Amt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt (dazu nachfolgend unter 2.).

22

1. Wann ein besonderer Fall vorliegt, ist in Abschnitt 2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit vom 03.01.2007 (Bundesanzeiger 2007, 247, im Folgenden: BEEGKSchVwV) aufgeführt. Demnach ist ein besonderer Fall insbesondere dann anzunehmen, wenn

23

- der Betrieb, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, stillgelegt wird und die Arbeitnehmerin nicht in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann (Ziff. 2.1.1);

24

- die Betriebsabteilung, in der die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, stillgelegt wird und die Arbeitnehmerin nicht in einer anderen Betriebsabteilung des Betriebes oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann (Ziff. 2.1.2);

25

- der Betrieb oder die Betriebsabteilung, in denen die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, verlagert wird und die Arbeitnehmerin an dem neuen Sitz des Betriebes oder der Betriebsabteilung und auch in einer anderen Betriebsabteilung oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht weiter beschäftigt werden kann (Zif. 2.1.3);

26

- die Arbeitnehmerin in den Fällen der Nummern 2.1.1 bis 2.1.3 eine ihr vom Arbeitgeber angebotene, zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitplatz ablehnt.

27

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist zweifelhaft, ob ein besonderer Fall vorlag. Denn nach den Schilderungen der Klägerin wurde tatsächlich, anders als im Zustimmungsantrag angekündigt, zum 21.05.2007 weder ihr Arbeitsbereich zur J. noch der Betrieb der Beigeladenen vollständig nach I. verlagert. Auch der Vortrag der Vertreterin der Beigeladenen, dass die Lizenzen für die Tätigkeit der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr bei der Beigeladenen gelegen hätten, widerspricht den Angaben der Beigeladenen im Antrag auf Zustimmung des beklagten Amtes zur Kündigung.

28

Wird der von der Beigeladenen im Zustimmungsantrag mitgeteilte Sachverhalt hingegen als wahr unterstellt, lag allerdings ein besonderer Fall vor. Die angegebene Konstellation vereinigt Elemente der Ziff. 2.1.2 und 2.1.3 BEEGKSchVwV. Der Arbeitsplatz der Klägerin sollte bei der Beigeladenen „stillgelegt“, jedoch in der J. weitergeführt werden. Zugleich sollte die J. zusammen mit der Beigeladenen und weiteren Gesellschaften nach Köln verlagert werden. Das Weiterbeschäftigungsangebot bei der J. in I. hatte die Klägerin abgelehnt, weil sie es als unzumutbar empfand. Es kann offen bleiben, ob sie damit im Sinne der Ziff. 2.1.3 BEEGKSchVwV im objektiven Sinne nicht in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden konnte oder im Sinne von Ziff. 2.1.4 BEEGKSchVwV ein zumutbares Weiterbeschäftigungsangebot abgelehnt hat, da ihre Weiterbeschäftigung innerhalb des Unternehmens im Ergebnis jedenfalls ausgeschlossen gewesen wäre. Auch eine kurzfristige Weiterbeschäftigung in F. mit Restarbeiten hätte keine andere Beurteilung der Sachlage gerechtfertigt, da sie keine dem Anstellungsvertrag der Klägerin entsprechende Tätigkeit dargestellt hätte.

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2. Die Kammer musste den Sachverhalt hinsichtlich dieser Fragen indes nicht weiter aufklären, da der angegriffene Bescheid wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufzuheben ist. Das beklagte Amt hat zum einen zu Unrecht angenommen, dass sein Ermessen auf Null reduziert sei (nachfolgend unter a)), und ist zum anderen von einem unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen (nachfolgend unter b)).

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a) Nach § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Diese Pflicht zur Ermessensausübung hat das beklagte Amt verletzt, weil es meinte, dass das Vorliegen eines besonderen Falles im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG regelmäßig zu einer Reduzierung des Ermessensentscheidung auf die Zustimmung zur Kündigung führe, und dementsprechend keine weiteren Erwägungen angestellt hat.

31

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass auch bei Bejahung eines besonderen Falles eine echte Ermessensentscheidung zu treffen ist. Nach dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm ist das Ermessen überhaupt erst eröffnet, wenn ein besonderer Fall vorliegt, und dann als „Kann“- und nicht als „Soll“-Vorschrift gestaltet. Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 30.06.2000 (Az. 1 L 209/99, NordÖR 2000, 513ff. [OVG Schleswig-Holstein 23.10.2000 - 3 M 31/00]) ausgeführt, dass es Aufgabe der zuständigen Behörde sei, die gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmerin und des Arbeitgebers abzuwägen und auf der Grundlage der Abwägung eine Ermessensentscheidung über die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung zu treffen. Der bloße Umstand, dass - im dort zu entscheidenden Fall - eine Betriebsstillegung vorliege, könne nicht dazu führen, dass eine Zustimmung zwingend zu erteilen sei. Bei der Abwägung sei die verfassungsrechtlich begründete gesetzgeberische Wertung zugunsten des im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmers zu berücksichtigen und es seien die konkreten Umstände des Einzelfalles in den Blick zu nehmen.

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Der gegenteilige Ansatz des beklagten Amtes lässt sich weder auf das von ihm in Bezug genommene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21.03.2000 (Az. 22 A 5137/99, NZA-RR 2000, 406 ff.) noch auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.08.1977 (Az. V C 8.77, BVerwGE 54, 276 ff.) stützen.

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Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in Anlehnung an die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich festgestellt, dass eine dauerhafte Betriebstillegung einen besonderen Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG darstelle, der regelmäßig nur die Entscheidung zulasse, die beabsichtigte Kündigung für zulässig zu erklären. Damit hat es keine Aussage zu den anderen in den BEEGKSchVwV aufgeführten Konstellationen wie der hier vorliegenden Teilstillegung bzw. Betriebsverlagerung getroffen.

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Das Bundesverwaltungsgericht hatte wiederum zur vergleichbaren Situation im Mutterschutzrecht Folgendes ausgeführt: Ein „besonderer Fall“ könne (ausnahmsweise) nur dann angenommen werden, wenn außergewöhnliche Umstände das Zurücktreten der vom Gesetz als vorrangig angesehenen Interessen der Schwangeren hinter die des Arbeitgebers rechtfertigten. Die Schließung eines Betriebes kennzeichne in aller Regel eine Lage, in der dem Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses Vorrang vor dem Interesse der Arbeitnehmerin an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes gebühre. Sie bewirke, dass für die Zukunft eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr bestehe; der Arbeitnehmer könne seiner Verpflichtung, Arbeit zu leisten, nicht mehr nachkommen. Da aber die wesentliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis die Zahlung von Lohn (Gehalt) als Gegenleistung für vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit sei, bewirke eine Betriebsstilllegung, dass eine wesensgerechte und sinngerechte Fortsetzung der Rechtsbeziehungen aus tatsächlichen Gründen unmöglich werde. Rechtlich werde dem dadurch Rechnung getragen, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werde. Der Kündigungsschutz diene nicht der Versorgung des Arbeitnehmers. Auf eine solche Versorgung liefe es aber faktisch hinaus, wenn der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet bliebe, trotz Stilllegung des Betriebes während der Schutzfrist unter wirtschaftlich sinnwidriger Aufrechterhaltung eines seines Wesens endgültig entkleideten Arbeitsverhältnisses weiter Lohn (Gehalt) zu zahlen. Dennoch sei nicht von vornherein auszuschließen, dass im Einzelfall eine Betriebsstillegung ausnahmsweise kein „besonderer Fall“ sein könne, wozu jedoch der dort zu entscheidende Fall keine weiteren Ausführungen erfordere. Sofern es sich nur um eine Teilstillegung handele oder der völlig stillzulegende Betreib Teil eines im Übrigen fortbestehenden Unternehmens sei, müsse geprüft werden, ob die Arbeitnehmerin in dem Unternehmen anderweitig beschäftigt werden könne (Umsetzung). Nur wenn diese Möglichkeit nicht bestehe oder die Arbeitnehmerin eine angebotene (zumutbare) Beschäftigung ablehne, könne ein „besonderer Fall“ angenommen werden.

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Auf der Grundlage dieser Entscheidung hat die Bundesregierung die bereits zitierten BEEGKSchVwV geschaffen. Seither wird ein besonderer Fall bejaht, sobald die in den BEEGKSchVwV normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Damit sind jedoch nur die Grundzüge der Entscheidung schematisch abgebildet. Eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles findet auf der Ebene der Prüfung, ob ein besonderer Fall vorliegt, nicht mehr statt, obgleich auch das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit gesehen hat, dass nicht in jeder Betriebsstillegung ein besonderer Fall liegen muss. Deshalb kann die nur wenige Tatbestandsmerkmale in den Blick nehmende Prüfung, ob nach den BEEGKSchVwV ein besonderer Fall vorliegt, das Ermessen nicht in eine bestimmte Richtung binden. Auf der Ebene der Ermessensentscheidung sind vielmehr all diejenigen Aspekte des Einzelfalles zu berücksichtigen, die vom einschlägigen Tatbestand der BEEGKSchVwV nicht erfasst sind.

36

Hier wäre in die Ermessenserwägung des beklagten Amtes insbesondere die Besonderheit einzustellen gewesen, dass sich der Mutterkonzern der Beigeladenen in dem Interessenausgleich mit dem Konzernbetriebsrat selbst darauf eingelassen hat, im Zuge der beabsichtigten Umorganisation einseitige Gehaltszahlungen ohne Gegenleistungen in Kauf zu nehmen. Denn dort wurde vereinbart, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu einem vor dem 31.12.2007 liegenden Zeitpunkt ausgeschlossen seien und dass Änderungskündigungen und Beendigungskündigungen an Arbeitnehmer, die ein Weiterbeschäftigungsangebot ablehnen würden, nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 30.09.2007 führen dürften.

37

Ein weiterer zur berücksichtigender Umstand des Einzelfalles war der kurz bevorstehende Ablauf der Elternzeit, der für die Beigeladene eine Verzögerung der Kündigung um lediglich drei Monate bedeutet hätte.

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b) Eine sachgerechte Ermessensentscheidung kann im Übrigen nur auf der Grundlage eines zutreffend und ausreichend ermittelten Sachverhaltes getroffen werden. Daran fehlt es hier. Der Standard der erforderlichen Ermittlungen wird unter anderem in Abschnitt 5.2 BEEGKSchVwV normiert. Demnach hat die Behörde vor ihrer Entscheidung dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, sich mündlich oder schriftlich zu dem Antrag auf Zulässigkeitserklärung der Kündigung zu äußern. Hier hat das beklagte Amt keinen Kontakt zum Betriebsrat aufgenommen, sondern lediglich die Beigeladene darum gebeten, eine Stellungnahme des Betriebsrates zu dem Kündigungszulassungsantrag beizubringen. Auf die Mitteilung der Beigeladenen, dass eine entsprechende Stellungnahme nicht vorliege, hat das beklagte Amt nicht weiter reagiert, sondern nur die Unterlagen der Beigeladenen zur Anhörung des Betriebsrates zu den beabsichtigten Kündigungen - aus denen im Übrigen die Anhörung zur Kündigung der Klägerin nicht einmal hervorgeht - zum Vorgang genommen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

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Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder den anderen Beteiligten noch der Staatskasse aus Billigkeitsgründen gem. § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen entspricht regelmäßig nur dann der Billigkeit, wenn der Beigeladene Anträge gestellt und damit das Risiko eigener Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen oder wenn er das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 162 Rn. 23). Beides ist hier nicht der Fall.

41

4. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 63 Abs. 2 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1, 2 GKG (siehe auch Ziff. 27.2 des Streitwertkatalogs i.d.F. v. 07./08.07.2004, abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., Anh. zu § 164).