Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.12.2007, Az.: 11 A 4023/06
Bewirtschafter; Bewirtschafterwechsel; Erschwernisausgleich; maßgeblicher Zeitpunkt; Missbilligung; Naturschutzgebiet; Zeitpunkt
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.12.2007
- Aktenzeichen
- 11 A 4023/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71878
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 NatEAusglV ND
- § 52 NatSchG ND
- Art 36 EGV 817/2004
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Bewirtschafterstellung i.S.d. § 3 Abs. 2 EA-VO ist grundsätzlich der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, nicht der der Antragstellung.
2. Die Pflicht, zur Erhaltung des Erschwernisausgleichs eine Übernahmeerklärung des neuen Bewirtschafters nach Art. 36 VO (EG) Nr. 817/2004 vorzulegen, gilt jedenfalls dann nicht, wenn der Bewirtschafterwechsel vor Bewilligung
erfolgt, weil die Vorschrift auf diesen Fall nicht anwendbar ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt den Erschwernisausgleichs für das Jahr 2005.
Der Kläger beantragte unter dem 11.02.2005 den Erschwernisausgleich 2005 für die Bewirtschaftung von Grünland des Naturschutzgebietes „Meerbruchwiesen“. In dem Antragsformular heißt es unter der Überschrift „Fördermaßnahme“ vorgedruckt:
„Ich/Wir beantrage/n nach der Verordnung über den Erschwernisausgleich und den Vertragsnaturschutz in geschützten Teilen von Natur und Landschaft vom 10.07.1997 (Nds. GVBl. S. 344) zuletzt geändert durch Verordnung vom 15. November 2004 (Nds. GVBl. S. 458) und VO (EG) 1257/1999 in Verbindung mit VO (EG) 817/2004 in der jeweils geltenden Fassung für die in Anlage 2 zum Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen aufgerührten Flächen Zahlungen zum Erschwernisausgleich.“
In dem Antrag verpflichtete sich der Kläger ausdrücklich, jede Abweichung von dem Antrag, insbesondere jede Nutzungsänderung, jede Änderung in der Größe der bewirtschafteten Flächen, den Wechsel des Nutzungsberechtigten oder die Zahlungen für ähnliche Verpflichtungen auf derselben Fläche der zuständigen Landwirtschaftskammer unter Angabe der Gründe unverzüglich anzuzeigen.
Der Kläger übertrug mit Vertrag vom 20.04.2005 seinen Hof rückwirkend zum 01.01.2005 auf seinen Sohn Wilfried. Unter dem 09.05.2005 beantragte der Sohn des Klägers, Wilfried Lustfeld, die Agrarförderung 2005. In dem Antrag gab er an, den Betrieb im Rahmen des Generationenwechsels am 01.01.2005 übernommen zu haben. Er unterschrieb auch die Schlagkartei vom 24.08.2005.
Die Landwirtschaftskammer E. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.01.2006 in mit der Begründung ab, der Kläger sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht Bewirtschafter im Sinne der Erschwernisausgleichsverordnung gewesen.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 05.02.2006 Widerspruch ein. Er führte aus, er sei bei Antragstellung noch Betriebsinhaber gewesen, weil der Hofübergabevertrag erst am 20.04.2005 geschlossen worden sei. Die Erschwernisse bestünden auch nach der Betriebsübernahme fort, die von ihm mit dem Antrag auf Erschwernisausgleich übernommenen Verpflichtungen seien von seinem Sohn übernommen worden und würden eingehalten.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 23.05.2006 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Erschwernisausgleich werde gem. § 3 Abs. 2 Erschwernisausgleichsverordnung dem Bewirtschafter gewährt. Die zum Erhalt des Erschwernisausgleichs übernommenen Verpflichtungen könnten von einem Bewirtschaftungsnachfolger gem. Art. 36 VO (EG) Nr. 817/2004 übernommen werden; hierzu sei aber eine ausdrückliche Erklärung des Übernehmers erforderlich. Diese liege nicht vor. Auch habe der Kläger versäumt, entsprechend seiner durch Unterzeichnung des Antragsformulars übernommenen Verpflichtung den Bewirtschafterwechsel unverzüglich anzuzeigen. Der entsprechende Hinweis im Sammelantrag 2005 genüge hierfür nicht und sei überdies verspätet. Es komme auch keine rückwirkende Fristverlängerung in Betracht, weil die Fristversäumnis und die fehlende Übernahmeerklärung von der Landwirtschaftskammer erst im Herbst 2005 bemerkt worden seien und bis dahin jedenfalls die Übernahmeerklärung nicht abgegeben worden sei.
Gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids hat der Kläger am 29.06.2006 Klage erhoben.
Er trägt vor, die Regelungen der VO (EG) Nr. 817/2004 seien auf den Fall nicht anwendbar, weil der Erschwernisausgleich keine Agrarumweltmaßnahme i.S.d. Gemeinschaftsrechts sei. Weder das Niedersächsische Naturschutzgesetz noch die Erschwernisausgleichsverordnung selbst enthielten eine Regelung über den Bewirtschafterwechsel. Die Voraussetzungen müssten im Zeitpunkt der Antragstellung, die spätestens zum 01.02. eines Jahres zu erfolgen habe, vorliegen. Daraus folge, dass ein Bewirtschafterwechsel nach Abgabe des Antrags keinen Einfluss auf die Zahlung des Erschwernisausgleichs habe. Wem wirtschaftlich der Erschwernisausgleich zugute komme, müssten dann der frühere und der neue Bewirtschafter untereinander regeln.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 24.01.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2006 zu verpflichten, dem Kläger den beantragten Erschwernisausgleich zu bewilligen;
2. die Beklagte zu verpflichten, auf den nachzubewilligenden Betrag 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte führt ergänzend aus, dass der kofinanzierte Erschwernisausgleich keine Agrarumweltmaßnahmen im Sinne von Kapitel VI VO (EG) Nr. 1257/1999 sei, jedoch auf der Grundlage von Kapitel V VO (EG) Nr. 1257/1999 gewährt werde und eine „Ausgleichszulage“ darstelle für Gebiete mit umweltspezifischen Einschränkungen. Sofern im Einzelfall EU-Mittel geflossen seien, sei die VO (EG) Nr. 817/2004 anwendbar. Mit Abgabe des Antrags habe der Bewirtschafter erklärt, von diesem Sachverhalt Kenntnis genommen zu haben. Da vorliegend noch keine EU-Mittel geflossen seien, könne die rechtliche Beurteilung allein unter Berücksichtigung der nationalen Regelung erfolgen. Aufgrund des Hofübergabevertrags sei der Kläger aber nicht mehr berechtigt, die betroffenen Flächen zu bewirtschaften. Zur Meldung des Bewirtschafterwechsels habe sich der Kläger mit der Abgabe des Antrags verpflichtet. Die in dem Antragsformular damit festgelegte zusätzliche Bedingung für die Gewährung des Erschwernisausgleichs stelle eine gem. § 24 VwVfG geeignete Vorschrift dar, die Mitwirkungspflichten des Antragstellers näher zu bestimmen und festzulegen, welche Unterlagen vorzulegen seien. Die Pflicht zur zeitnahen Vorlage der Verpflichtungserklärung des Übernehmers ergebe sich aus den jeweiligen NSG-Verordnungen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Erschwernisausgleich 2005; der ablehnende Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 23.05.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Gewährung des Erschwernisausgleichs ist § 52 Abs. 1 NNatG i.V.m. der Erschwernisausgleichsverordnung (EA-VO). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 NNatG soll das Land den betroffenen Eigentümern oder sonstigen Nutzungsberechtigten einen Geldausgleich (Erschwernisausgleich) gewähren, wenn eine wirtschaftliche Bodennutzung auf Grundstücken innerhalb eines Naturschutzgebietes, eines besonders geschützten Biotops i.S.d. § 28a NNatG oder besonders geschützten Feuchtgrünlandes i.S.d. § 28b NNatG aufgrund der Verbote des NNatG nicht nur unerheblich erschwert oder eingeschränkt wird. Die auf Grundlage von § 52 Abs. 1 Satz 4 NNatG erlassene EA-VO regelt u.a. die Höhe des Erschwernisausgleichs, weitere Anspruchsvoraussetzungen sowie das Antragsverfahren.
Gem. § 1 EA-VO wird der Erschwernisausgleich u.a. gewährt für Grünland in einem Schutzgebiet, wenn die wirtschaftliche Bodennutzung in einem Naturschutzgebiet durch die Naturschutzgebietsverordnung eingeschränkt wird (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 a EA-VO). § 3 EA-VO in der für das Wirtschaftsjahr 2005 maßgeblichen Fassung vom 15.11.2004 (Verordnung zur Änderung naturschutzrechtlicher Verordnungen v. 15.11.2004, Nds. GVBl. Nr. 33/2004 S. 458) bestimmt folgende Antragsvoraussetzungen: Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EA-VO ist der Antrag schriftlich bei der Landwirtschaftskammer, in deren Zuständigkeitsbereich die Hofstelle des Antragstellers liegt, zu stellen. Der Antrag muss überdies gem. § 3 Abs. 1 Satz 4 EA-VO bis zum 31.03. des Jahres vorliegen, für das Erschwernisausgleich beantragt wird. Nach § 3 Abs. 2 EA-VO wird der Erschwernisausgleich dem Bewirtschafter gewährt. Bewirtschafter ist, wer auf Grund Eigentums oder privatrechtlicher Vereinbarungen berechtigt ist, ein Grundstück zu nutzen.
Der Kläger beantragte zwar den Erschwernisausgleich für eine ausgleichsberechtigte Fläche i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziff. 1a EA-VO. Die Fläche, für die der Kläger den Erschwernisausgleich 2005 beantragt hat, liegt in dem Naturschutzgebiet Meerbruchwiesen. Dieses Gebiet ist durch die Verordnung der Bezirksregierung E. über das Naturschutzgebiet „Meerbruchwiesen“ in den Städten Neustadt und Wunstorf, Landkreis E., der Stadt Rehburg-Loccum, Landkreis Nienburg (Weser) sowie der Samtgemeinde Sachenhagen, Landkreis Schaumburg vom 25.11.1998 (ABl. für den Regierungsbezirk E. Nr. 26 vom 09.12.1998) zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Er stellte den Antrag auch schriftlich und fristgemäß bei der zuständigen Behörde.
Der Kläger hat jedoch aufgrund des Bewirtschafterwechsels auf seinen Sohn durch Vertrag vom 20.04.2005 keinen Anspruch auf den Erschwernisausgleich 2005. Denn der Kläger war im hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr Bewirtschafter i.S.d. § 3 Abs. 2 EA-VO.
Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich der für die Sachentscheidung maßgebliche Zeitpunkt nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden materiellen Recht richtet (BVerwG, Urt. 21.05.1976, 4 C 80.74, BVerwGE 51, 15, 24; Urt. v. 25.11.1981, 8 C 14.81, BVerwGE 64, 218, 221 f.; Urt. v. 01.12.1989, BVerwGE 84, 157, 160; Urt. v. 27.04.1990, 8 C 87.88, NVwZ 1991, 360). Für Verpflichtungsklagen folgt aus § 113 Abs. 5 VwGO, dass diesen nur stattgegeben werden darf, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf den mit der Klage begehrten Verwaltungsakt hat; ob dieser besteht, ergibt sich aus dem materiellen Recht (BVerwGE 51, 15, 24).
Vorliegend ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellungen der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 EA-VO, nach dem dem Bewirtschafter der Erschwernisausgleich gewährt wird. Eine Ausnahme hiervon gilt nach Sinn und Zweck des jahresweise gewährten Erschwernisausgleichs dann, wenn die Behörde erst nach Ablauf des Jahres entscheidet, für das der Ausgleich begehrt wird. In einem solchen Fall ist nach Überzeugung der Kammer auf den letzten Tag des betreffenden Jahres abzustellen. Ein Bewirtschafterwechsel nach Ablauf des betreffenden Jahres und vor Entscheidung der Bewilligungsbehörde kann dem früheren Bewirtschafter dementsprechend nicht entgegengehalten werden. Im vorliegenden Fall konnte und musste der Kläger zwar den Antrag auf Erschwernisausgleich 2005 stellen, weil er bis Ablauf der Frist noch Bewirtschafter war; vor Entscheidung über seinen Antrag und noch im Jahr 2005 übergab er jedoch den Hof an seinen Sohn und war damit nicht mehr Bewirtschafter i.S.d. § 3 Abs. 2 EA-VO.
Demgegenüber kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung noch Bewirtschafter war und damit auch die materiellen Voraussetzungen der EA-VO erfüllte. Wäre trotz Wegfalls von Anspruchsvoraussetzungen für den Erschwernisausgleich nach Antragstellung und vor Erlass des Bewilligungsbescheides auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, hätte die Bewilligungsbehörde sogleich nach Erlass des Bescheides unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung über dessen Aufhebung zu befinden. Das kann nicht gewollt sein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der neue Bewirtschafter, der den landwirtschaftlichen Betrieb nach Ablauf der Antragsfrist übernimmt, die Antragsfrist notwendig selbst nicht einhalten kann. Hat der ursprüngliche Bewirtschafter die Frist seinerseits gewahrt, kann der neue Bewirtschafter in die Antragsstellung eintreten. Auf diese Möglichkeit zielt die Verpflichtung des Antragstellers im Formularantrag für den Erschwernisausgleich ab, den Bewirtschafterwechsel unverzüglich der Bewilligungsbehörde zu melden.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Kläger der Beklagten eine Übernahmeerklärung seines Sohnes nach Art. 36 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29.04.2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) vorlegen musste, wie es die Beklagte verlangte. Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut nur für den Fall des Bewirtschafterwechsels nach Bewilligung der Beihilfe; mithin ist sie nicht für den vorliegenden Fall anwendbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.