Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.05.2002, Az.: 13 U 143/00 (Kart)

Vertrag über die Überlassung von Daten der Telefonkunden zum Zwecke der Herausgabe von Rufnummernverzeichnissen und zum Betrieb einer Rufnummernauskunft gegen Zahlung eines Entgelts; Mängelgewährleistungsansprüche hinsichtlich eines Vertrages über die Überlassung der Bestandsdaten von Telefonkunden; Telefon-Teilnehmerdaten zur Herstellung von Fernsprechverzeichnissen; Sittenwidrigkeit eines Vertrages über Überlassung von Kundendaten einer Telefongesellschaft wegen missbräuchlicher Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung; Preisgestaltung bei der Lieferung von Teilnehmerdaten auf dem Markt für Telefonbücher; Einordnung des § 22 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB; Wettbewerbswidrige Behinderung oder Benachteiligung eines Unternehmens durch ein marktbeherrschendes Unternehmen; Abgabe von Kundendaten an Dritte gemäß der sogenannten Verwaltungsvorschrift Telefondienstmonopol

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.05.2002
Aktenzeichen
13 U 143/00 (Kart)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30400
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2002:0523.13U143.00KART.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 10.08.1998 - AZ: 17 O 465/98

Fundstellen

  • KGReport Berlin 2003, 22-23
  • OLGR Düsseldorf 2003, 22-23
  • OLGR Frankfurt 2003, 22-23
  • OLGR Hamm 2003, 22-23
  • OLGR Köln 2003, 22-23
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 45-47
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 22-23

In dem Rechtsstreit
###
hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ###,
des Richters am Oberlandesgericht ### und
des Richters am Landgericht ###
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2002
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. August 1998 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsverfahren und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Streitwert: 106.621,43 EUR (208.533,40 DM).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der ### (im Folgenden: Klägerin). Diese überließ seit Anfang 1993 im Zusammenhang mit der sich anbahnenden Öffnung der Telekommunikationsmärkte privaten Unternehmen gegen Zahlung eines Entgelts die Daten ihrer Telefonkunden zum Zweck der Herausgabe von Rufnummerverzeichnissen oder zum Betrieb einer Rufnummerauskunft. Die Beklagte ist Herausgeber und Verleger regionaler Telefonbücher. Sie schloss am 20./28. Dezember 1993 mit der Klägerin einen Vertrag, in dem diese sich verpflichtete, der Beklagten Bestandsdaten von 62.420 Telefonkunden bestimmter Buchabschnitte für ein Jahr zur Benutzung zu überlassen. Der Preis sollte 208.482,80 DM zuzüglich 50,60 DM für die Datenträger betragen; gegen Zahlung weiterer 1.062,60 DM pro Monat sollte die ### Telekom die Bestandsdaten durch werktägliche Ergänzungslieferungen aktualisieren.

2

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Vergütung von 208.482,80 DM und 50,60 DM in Anspruch genommen.

3

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 208.533,40 DM nebst 5% Zinsen seit dem 26. Juli 1995 zu zahlen.

4

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Die Beklagte hat eingewandt: Der Vertrag sei nach § 134 BGB i. V. mit §§ 22 Abs. 4 Nr. 2, 26 Abs. 2 u. 4 GWB a.F. und nach § 138 BGB nichtig. Außerdem stünden ihr Mängelgewährleistungsansprüche zu. Die Klägerin habe versucht, den Wettbewerb auf dem Markt für Telefonbücher durch die Preisgestaltung bei der Lieferung der Teilnehmerdaten und durch bewusst schlechte Qualität der Datenlieferungen zu erschweren. Der beanspruchte Preis von 3,34 DM pro Datensatz (pro Teilnehmer) sei weit überzogen. Hätte bereits ein wirksamer Wettbewerb bestanden, so hätten die Preise schon damals, wie in der Schweiz (0,044 - 0,11 SFR pro Datensatz), nur einen Bruchteil betragen. Dafür spreche, dass im März 1994 die Klägerin pro Datensatz nur noch 1,95 DM und im Jahr 1998 nur noch 0,64 DM berechnet habe. Außerdem habe die Klägerin die Beklagte ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich gegenüber denjenigen Verlagen behandelt, die in Zusammenarbeit mit der ### "das Örtliche" und die "Gelben Seiten" herausgegeben hätten. Diese Verlage hätten die Daten vermutlich zu erheblich geringeren Preisen als die Beklagte erhalten. Der an die Beklagte gelieferte Datenbestand habe so gravierende Mängel aufgewiesen, dass die Daten kommerziell nicht zu verwerten gewesen seien.

6

Die Klägerin hat erwidert: Das GWB finde hier keine Anwendung. Dort, wo der Staat die Einhaltung bestimmter Preise vorschreibe, sei für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen kein Raum. Um einen solchen Fall handele es sich hier. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation habe die Leistungsentgelte gemäß §§ 28 Abs. 1, 23 Abs. 3 PostVerfG genehmigt. Im Übrigen sei die Vergütungsregelung sachlich gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte habe einen mit erheblichem Investitionsaufwand entwickelten Datenbestand erhalten.

7

Das Landgericht hat die Beklagte bis auf einen Teil der Zinsforderung antragsgemäß verurteilt. Auf das Urteil des Landgerichts wird Bezug genommen.

8

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg aufgehoben und die Sache an den Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle zurückverwiesen.

9

Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter.

10

Die Beklagte macht geltend: Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Beklagte ihre Verteidigung auf § 22 GWB a.F. gestützt habe, wonach ein Monopolist missbräuchlich handele, wenn er Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordere, die von denjenigen abwichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Das sei hier bezüglich des Preises von 3,34 DM pro Datensatz der Fall. Die Klägerin sei im Hinblick auf die Telefondaten Monopolist gewesen. Das Landgericht habe ferner zu Unrecht einen Verstoß gegen § 26 Abs. 2 und 4 GWB a.F. verneint. Die Annahme des Landgerichts, dass der Preis für alle Abnehmer gleich gegolten habe, treffe nicht zu. Die "Örtlichen" und die "Gelben Seiten" würden von Verlagen herausgegeben, die die Klägerin aussuche. Diese Verlage hätten, wie die Beklagte vermute, höchstens 25% des von der Beklagten beanspruchten Preises zu zahlen. Außerdem sei die Preisvereinbarung sittenwidrig gemäß § 138 BGB, weil der Preis das angemessene Entgelt um mehr als das Doppelte übersteige und unter Ausnutzung einer Monopolstellung gefordert worden sei. Die Auffassung des Landgerichts, dass die Mängelrügen der Beklagten verspätet gewesen seien, treffe nicht zu.

11

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

12

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung ist unbegründet.

14

A.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch aus dem Vertag vom 20./28. Dezember 1993 zu. Weder die Einwände der Beklagten gegen die Wirksamkeit des Vertrages noch die Mängelrügen greifen durch.

15

I.

Der Vertrag ist nicht aus kartellrechtlichen Gründen nichtig.

16

Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der Klägerin in ihrer Auffassung zu folgen ist, die Preisvereinbarung sei einer Überprüfung nach dem GWB entzogen. Selbst bei einer uneingeschränkten Anwendung des GWB auf den Vertrag vom 20./28. Dezember 1998 kann nicht festgestellt werden, dass der Vertrag aus kartellrechtlichen Gründen nichtig ist.

17

1.

Die Beklagte macht geltend, der Vertrag vom 20./28. Dezember 1993 verstoße gegen § 22 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F. und sei deshalb unwirksam.

18

Das trifft nicht zu. § 22 Abs. 4 GWB ist kein Verbotsgesetz im Sinne des

19

§ 134 BGB (Langen/Bunte, GWB, 7. Aufl., § 22 Rn. 128; Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 22 Rn. 201). Ein etwaiger Verstoß gegen § 22 Abs. 4 GWB würde daher nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen.

20

2.

Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 GWB a.F. liegen nicht vor.

21

Nach dieser Vorschrift dürfen marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln.

22

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

23

a)

Allerdings war die Klägerin in dem hier interessierenden Zeitraum 1993/94 bezüglich des Angebots von Telefon-Teilnehmerdaten zur Herstellung von Fernsprechverzeichnissen marktbeherrschend. Sie allein verfügte unstreitig über vollständige und aktuelle Dateien mit den Bestandsdaten der Telefonkunden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin insoweit einem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt war. Auch handelte es sich bei der entgeltlichen Überlassung um Bestandsdaten der Telefonkunden um einen Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen, insbesondere anderen Verlagen, zugänglich war.

24

b)

Jedoch kann weder eine unbillige Behinderung noch eine sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung der Beklagten festgestellt werden.

25

Im Hinblick auf eine unterschiedliche Behandlung macht die Beklagte geltend,

26

die Klägerin habe die Kundendaten den Verlagen, die (in Zusammenarbeit mit der ###, später ### ) das "Örtliche" und die "Gelben Seiten" herausgegeben hätten, zu erheblich geringeren Preisen und in besserer Qualität zur Verfügung gestellt als der Beklagten; sie kenne die Preise nicht, es werde aber behauptet, dass die "ausgesuchten Verlage" höchstens 25% des von ihr zu zahlenden Preises hätten leisten müssen. Die Klägerin bestreitet dies. Sie behauptet, die ### habe seit 1993 jährlich rund 80 Mio. DM an die Klägerin für die umfassende Nutzung der Telefonteilnehmerdaten gezahlt, wobei im Preis allerdings die Nutzung für elektronische und opto- elektronische Verzeichnisse (CD-Rom) enthalten gewesen sei. Die ### ### habe in BGB-Gesellschaft mit mehr als 120 deutschen Verlagen die Teilnehmerverzeichnisse herausgegeben. Der Betrag von 80 Mio. DM ergebe sich aus demselben Preis je Datensatz, den auch die Beklagte gezahlt habe.

27

Der Vortrag der Beklagten ist ins Blaue hinein aufgestellt. Für ihn gibt es keine Anhaltspunkte. Dem Beweisantritt "Parteivernehmung" ist deshalb nicht nachzugehen. Der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten kommen auch nicht deshalb Erleichterungen zugute, weil aufgrund bestimmter Tatsachen der Anschein besteht, dass die Klägerin ihre Marktmacht ausnutzte (§ 26 Abs. 5 GWB a.F.).

28

Die Klägerin hat durch Vorlage des zwischen ihr und der ###### geschlossenen Vertrags vom 15./21. Dezember 1992 dargetan, dass sie die Datensätze ihrer Tochtergesellschaft ### zu demselben Preis wie der Beklagten zur Verfügung stellte. Nach § 1 dieses Vertrags stellte die Klägerin der ### die für die Herausgabe der Fernsprechverzeichnisse benötigten Kundendaten gegen ein Entgelt zur Verfügung, das auf der Basis des Tarifs für die Abgabe von Kundendaten an Dritte gemäß der Verwaltungsvorschrift "Telefondienstmonopol", Amtsblatt Vfg. 123/ 1992 der BMPT, Teil 1, III, 7 festgesetzt wurde. In der Verfügung 123/1992 war unter Teil 1, III, 7 geregelt, dass die Klägerin für die Bereitstellung der Rufnummerdatei kostengerechte Entgelte festzulegen und diese nach Genehmigung durch den Bundespostminister in ihrem Angebotsverzeichnis zu veröffentlichen hatte. Dort waren die Preise im Jahr 1993 für die einjährige Überlassung der Grunddatenmenge auf 3,34 DM je Datensatz, für ein Magnetband auf 50,60 DM und für die Datenträger für die Ergänzungslieferungen auf 1.062, 60 DM festgesetzt. Dies entspricht den mit der Beklagten vereinbarten Preisen.

29

Soweit die Klägerin ihrer Tochtergesellschaft ### zu demselben Preis auch das Recht einräumte, die Bestandsdaten nicht nur zur Erstellung von Telefonbüchern, sondern auch von elektronischen und opto-elektronischen Fernsprechverzeichnissen zu nutzen, kann offen bleiben, ob die Beklagte nach dem Vertrag vom 20./28. Dezember 1993 auf die Erstellung von schriftlichen Rufnummerverzeichnissen beschränkt war. Eine insoweit etwa bestehende Ungleichbehandlung ließe nicht den Schluss zu, dass die Klägerin ihre (unterstellte) Wettbewerbsfreiheit missbräuchlich ausnutzte und die Handlungsfreiheit der Beklagten unangemessen einschränkte, und dadurch ihre eigenen Interessen in rechtlich zu missbilligender Weise auf Kosten der Beklagten verwirklichen wollte. Die Beklagte trägt nichts dafür vor, dass die Klägerin ihr zu dem vereinbarten Preis nicht auch die Erstellung von elektronischen und opto-elektronischen Rufnummerverzeichnissen gestattet hätte, wenn sie daran Interesse bekundet hätte.

30

Außerdem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der vereinbarte Preis dazu führte, dass der Beklagte das Herausgeben einer auf dem Markt konkurrenzfähigen Telefonbuchs nicht möglich war, dass der Preis also eine unüberwindbare Marktzutrittsschranke darstellte. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass ein Marktpreis für die Überlassung von Telefonbuchdaten in Deutschland im Jahr 1993 unbekannt war und sich erst noch bilden musste.

31

Soweit die Beklagte behauptet hat, die Klägerin habe ihr technisch und inhaltlich minderwertige Datenbänder zur Verfügung gestellt, kann dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden (dazu unten III). Für ihre Behauptung, das der Beklagten gelieferte Datenmaterial sei "in der qualitativen Ausgestaltung radikal schlechter" als die den Vertragsverlagen zur Verfügung gestellten Daten gewesen, trägt die Beklagte keine greifbaren Anhaltspunkte vor.

32

Weiter gehende Umstände, aus denen eine unbillige Behinderung der Beklagten im Sinn des § 26 Abs. 2 GWB a.F. hergeleitet werden könnte, liegen nicht vor.

33

3.

Da eine unbillige Behinderung nicht festgestellt werden kann, liegen auch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 GWB a.F. nicht vor.

34

II.

Der Vertrag ist auch nicht gemäß § 138 BGB wegen missbräuchlicher Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung sittenwidrig.

35

Die missbräuchliche Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung kann zu bejahen sein, wenn ein Monopolunternehmen unter Ausnutzung seiner Stellung überhöhte Preise gegenüber einem Vertragspartner vereinbart, der auf den Geschäftsverkehr mit dem Monopolisten angewiesen ist (BGH, NJW 1998, 3188, 3191 [BGH 02.07.1998 - III ZR 287/97]; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 UWG Rn. 877). Überhöht ist ein Preis grundsätzlich dann, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Das ist hier schon deshalb nicht ersichtlich, weil es bei Telefonkundendaten im Jahr 1993 einen tauglichen Marktpreis in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gab, und weil die Beklagte nichts dafür vorträgt, dass die Preisgestaltung etwa deshalb sittenwidrig war, weil sie es nicht zuließ, Telefonbücher wirtschaftlich Erfolg versprechend herauszugeben.

36

III.

Die geltend gemachten Mängelgewährleistungsansprüche stehen der Beklagten nicht zu.

37

Gemäß Ziff. 12 der "Bedingungen für die Überlassung von Bestandsdaten der Telefonkunden", die Vertragsinhalt geworden sind, setzen Minderungs- bzw. Schadensersatzansprüche des Kunden voraus, dass die Datensätze mit Mängeln behaftet sind, die ihren vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich beeinträchtigen. Solche Mängel hat die Beklagte nicht bewiesen:

38

1.

Wie der Sachverständige ### erklärt hat und in der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2002 zuletzt unstreitig gewesen ist, stand von vornherein auch aus Sicht der Beklagten fest, dass die zu liefernden Daten durch ein von der Beklagten oder von ihr beauftragtes Unternehmen anzufertigendes Programm lesbar gemacht und nach bestimmten Regeln sortiert werden mussten, um das Telefonbuch zu erstellen. Die Beklagte wendet ein, dies sei ihr nicht gelungen, sie sei vielmehr mit der Herstellung des "Individualprogramms" gescheitert; für die Herstellung des Programms sei eine ordnungsgemäß Schnittstellenbeschreibung notwendig gewesen, welche die Klägerin ihr nicht geliefert habe.

39

Damit hat die Beklagte keinen Erfolg.

40

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin der Beklagten eine Schnittstellenbeschreibung lieferte. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 1. Februar 2001 zugestanden, dass sie über die Anleitung "Schnittstelle Telefonkundendaten zur Erstellung von Rufnummern und Verzeichnissen" verfüge. Mit Schriftsatz vom 22. März 2002 hat die Beklagte vorgetragen, dass die Klägerin ihr diese Anleitung seinerzeit mit dem Stand März 1993 geliefert habe, dass ihr die Anleitung aber nicht mehr zur Verfügung stehe, möglicherweise, weil sie sie an die Klägerin zurückgesandt habe. Soweit die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung behauptet hat, die Klägerin habe ihr nur die mit der Anlage 6 zum Schriftsatz vom 8. Mai 2001 vorgelegten Unterlagen geliefert, ist dies nicht nachvollziehbar. Bei der Anlage 6 handelt es sich nicht um eine Schnittstellenbeschreibung, sondern um die Beschreibung der Datenschlüssel und des physikalischen Aufbaus der Bänder (Gutachten des Sachverständigen ### vom 28. November 2001). Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2002 nochmals erläutert hat, sind die Unterlagen der Anlage 6 etwas anders als die Dokumentation "Schnittstelle Telefonkundendaten zur Erstellung von Rufnummern-Verzeichnissen bzw. für den Betrieb von Rufnummerauskünften". Dass die Dokumentation "Schnittstelle Telefonkundendaten ###" der Beklagten geliefert wurde, ergibt sich auch aus dem Gutachten des von der Beklagten beauftragten Sachverständigen ### vom 28. März 1994.

41

Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass sich anhand der ihr gelieferten Schnittstellenbeschreibung ein ordnungsgemäßes Programm zur Verarbeitung der auf den Bändern gespeicherten Daten nicht entwickeln ließ. Für das Gegenteil spricht, dass der Sachverständige mit den ihm vorgelegten Datensatzbeschreibungen (Schnittstellenbeschreibungen) aus dem Jahr 1997, die nach Angaben des Sachverständigen mit dem Inhalt der Bänder im Wesentlichen übereinstimmen, ohne besondere Schwierigkeiten die auf den Bändern gespeicherten (nicht alphabetisch geordneten) Daten in der benötigten Form aufbereiten und in eine für den Telefonbuchdruck geeignete Sortierung bringen konnte. Die Behauptung der Beklagten, dass sie mit der Herstellung eines Individualprogramms gescheitert sei, ist auch deshalb nicht überzeugend, weil es der Beklagten gelungen war, das von der Klägerin gelieferte Testband umzusetzen (Schreiben der Beklagten vom 7. Dezember 1993). Zudem war es der Beklagten nach eigenem Vortrag möglich, die logische Struktur und inhaltliche Richtigkeit der aufgrund des Vertrags vom 20./28. Dezember 1993 gelieferten Daten durch ihre Mitarbeiter und den Sachverständigen ### überprüfen zu lassen (Schriftsatz vom 22. März 2002, Bl. 353, 358 d.A.). Diese Überprüfung hätte die Beklagte nicht durchführen können, wenn die auf den Bändern gespeicherten Daten nicht zuvor in eine lesbare Form umgewandelt worden wären.

42

2.

Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Datensätze im Hinblick auf ihre logische Struktur mit Mängeln behaftet sind, die den vertragsgemäßen Gebrauch nicht nur unerheblich beeinträchtigen.

43

Auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen ###, dem der Senat folgt, ist zu Mängeln der logischen Struktur auszuführen:

44

a)

Bei ca. 2,6% aller Datensätze (bei 23% der gewerblichen Einträge) befindet sich der Vorname nicht in dem dafür vorgesehenen Feld sondern steht mit in dem Feld "Name". Darin liegt kein wesentlicher Mangel. Wie der Sachverständige überzeugend erklärt hat, ergibt sich beim Ausdruck dieser Datensätze in einem Telefonbuch kein erkennbarer Unterschied zu jenen Datensätzen, bei denen Name und Vorname in getrennten Feldern stehen. Das beruht darauf, dass Name und Vorname im Telefonbuch ohne besonderes Trennzeichen nur mit einer Leerstelle ausgedruckt werden. Eine fehlerhafte Sortierung würde sich nur dann ergeben, wenn die Software den im selben Feld stehenden Namen und Vornamen zusammenhängend lesen würde (z.B. "MüllerHans"). Das ist, wie der Sachverständige ausgeführt hat, nicht der Fall.

45

b)

Entsprechendes gilt, soweit bei ca. 0,3% aller Datensätze (bei ca. 2,2% der gewerblichen Einträge) die Angaben für den Beruf im Feld "Titel" stehen. Soweit solche Datensätze für die automatische Erstellung von Anschreiben nicht geeignet sind, ist das unerheblich. Denn Zweck des Vertrags sollte allein die Überlassung von Bestandsdaten für die Erstellung von Telefonbüchern oder zum Betrieb einer Rufnummerauskunft sein.

46

c)

3,2% aller Datensätze (29% der gewerblichen Einträge) weichen von den dem Sachverständigen mit den Datensatzbeschreibungen vorgelegten Schlüsselverzeichnissen insoweit ab, als hinsichtlich der Kundendaten nicht nur nach den Ziffern 1, 2, 3 und 6 (1 = Privatpersonen, 2 = juristische Firmen ###, 3 = Behörden, Vereine u.s.w., 6 = Kunden, die sowohl mit der Firmensuche als auch mit Privatsuche bei der Fernsprechauskunft geführt werden sollen) unterschieden wird, sondern zusätzlich die Ziffern 4 und 7 auftauchen. Auch dies ist nicht als wesentlicher Mangel anzusehen. Da die Ziffern 4 und 7 ausschließlich bei gewerblichen Kunden vorkommen, kann das Problem nach den Ausführungen des Sachverständigen leicht dadurch behoben werden, dass in dem von der Beklagten ohnehin anzufertigenden Anwendungsprogramm den Ziffern 4 und 7 dieselbe Bedeutung wie der Ziffer 2 zugeordnet wird ("juristische Firmen ###"). Die Beklagte wendet ein, sie habe den Umstand, dass die Ziffern 4 und 7 ausschließlich bei gewerblichen Kunden vorkämen, nicht erkennen können. Auch damit hat die Beklagte keinen Erfolg. Wenn ihr bzw. dem mit der Herstellung des Anwendungsprogramms beauftragten Unternehmen dieser Sachverhalt nicht auffiel, so hätte eine Klärung durch Rückfrage bei der Klägerin herbeigeführt werden können. Das ist, wie der Sachverständige ausgeführt hat, bei Unstimmigkeiten dieser Art üblich.

47

d)

Bei einem einzelnen Datensatz hat der Sachverständige ein fehlerhaftes Feldtrennzeichen festgestellt. Darin liegt im Hinblick auf die Gesamtzahl von 71.000 ausgewerteten Datensätzen kein Mangel. Das gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass bei Durchführung einer nicht nur repräsentativen Prüfung anhand von 600 Datensätzen, sondern bei einer vollständigen Prüfung aller Datensätze der eine oder andere gleichartige Fehler gefunden worden wäre.

48

e)

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, es fehle bei jedem 18. Datensatz die Satzschaltung, so dass zwei Datensätze in einem zusammengefasst würden. Wie der Sachverständige erklärt hat, befinden sich auf dem Originalband keine Steuerzeichen, also auch keines für den Zeilenwechsel. Vielmehr wurde die Zeilenschaltung erst bei der Auswertung der Bänder durch die Firma ### hinzugefügt. Der scheinbare Fehler wurde somit erst durch das zum Lesen der Datenbänder benutzte System der Fa. ### erzeugt (vgl. auch Gutachten vom 28. November 2001, Seite 10 unten).

49

f)

Erfolglos ist schließlich die Rüge, im ersten Datenfeld seien Rufnummer, Vorname, Name und andere Werte zusammengefasst. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese Anordnung der Datensatzbeschreibung widersprach. Im Übrigen ist es nach dem Gutachten des Sachverständigen ### möglich, mit einfachen, ohne besonderen Aufwand zu programmierenden Funktionen in dem ohnehin benötigten Auswertungsprogramm das erste Datenfeld in seine einzelnen Bestandteile zu verlegen.

50

3.

Nicht tragfähig ist auch die Rüge inhaltlicher Mängel der gelieferten Daten.

51

Die Beklagte hat wegen der Darlegung inhaltlicher Mängel zunächst auf ihr Rügeschreiben vom 5. Januar 1994 verwiesen. Dort heißt es ohne nähere Konkretisierung, bei der ersten Sichtung der Daten für Ostdeutschland hätten sich "gravierende Mängel (veraltete Bestände, nicht aufgeführte Teilnehmer, falsche Zuordnungen, fehlerhafte Datenformate etc.)" gezeigt. Außerdem hat die Beklagte auf das Privatgutachten ### vom 28. März 1994 Bezug genommen, in dem zu inhaltlichen Mängeln im Wesentlichen nur angegeben wird, dass gelieferte Daten bei einem Vergleich mit dem amtlichen Telefonbuch "definitiv falsch" seien, erhebliche Differenzen zwischen den Straßendaten und den Eintragungen im amtlichen Telefonbuch bestünden und seit Jahren verstorbene Teilnehmer aufgeführt würden.

52

Dieser Vortrag reicht zur Darlegung der Mangelhaftigkeit nicht aus, erst recht nicht, um über die Höhe eines ihr etwa zustehenden Minderungsbetrags zu entscheiden.

53

Die Beklagte hätte vortragen müssen, welche inhaltlichen Mängel in welchem Umfang vorhanden waren und nicht durch die gelieferten täglichen updates beseitigt wurden. Das hat sie nicht bzw. nicht rechtzeitig getan.

54

Die als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 8. Mai 2001 vorgelegten "Service-Coupons" mit Änderungswünschen von Fernsprechteilnehmern sind für die Darlegung der behaupteten inhaltlichen Mängel nicht geeignet. Die "Service-Coupons" haben schon deshalb keine Bedeutung im Hinblick auf die Qualität der gelieferten Bänder, weil die Beklagte nach eigenem Vortrag die Bänder für die von ihr herausgegebenen Telefonbücher überhaupt nicht verwendet haben will (Bd. III Bl. 156, 282 d.A., Bd. IV Bl. 341 d.A.). Außerdem sind die Änderungswünsche der Teilnehmer offenbar auch durch andere Umstände als durch Fehler im Telefonbuch bedingt, nämlich durch Umzüge, Änderungen der Familiennamen, Firmenänderungen u.s.w. Soweit die Beklagte mit der Anlage 8 zum Schriftsatz vom 8. Mai 2001 eine Liste mit 26 geänderten Straßen-Namen vorgelegt hat, ist nicht zu erkennen, wie und in welchem Umfang die gelieferten Daten hiervon betroffen waren.

55

Der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10. April 2002, dass sie bei einer stichprobenartigen Überprüfung auf 187 Falscheintragungen bezüglich geänderter Straßennamen gestoßen sei, ist gemäß § 528 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 275 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 528 Abs. 2 ZPO i.V.m. 282 Abs. 1 ZPO verspätet. Die Durchführung einer Beweisaufnahme über die bestrittenen Behauptungen würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.

56

Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die Beklagte bei Vertragsabschluss im Dezember 1993 damit rechnen musste, dass die Daten teilweise noch nicht vollständig aktualisiert worden waren. Insoweit ist die von der Beklagten vorgelegte eidesstattliche Erklärung ihres Angestellten ### zu berücksichtigen (Anlage 7 zum Schriftsatz vom 8. Mai 2001). Der Angestellte ### hat am 3. Mai 1993 ausgeführt, die Telefonbücher der Post der DDR hätten zum Teil veraltete Daten aufgewiesen; da die Fülle des Materials in der Kürze der Zeit nicht zu bewältigen gewesen sei, sei es verständlich, dass die von der Telekom in den neuen Bundesländern herausgegebenen Fernsprechbücher erheblich fehlerhaft gewesen seien; von der Beklagten im August/September 1992 durchgeführte Postwurfsendungen an ca. 70.000 private Haushalte und 8.000 Gewerbebetriebe hätten einen erheblichen Änderungsbedarf gegenüber den örtlichen Telefonbüchern ergeben, welche die Telekom nur auf "sehr chaotischer Grundlage" habe erstellen können. Das deutet darauf hin, dass dem Betrieb der Beklagten bekannt war, dass bei den Daten der Fernsprechteilnehmer ein größerer Änderungsbedarf bestand. Dafür spricht auch, dass die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Dezember 1993 aufforderte, ihr im Anschluss an die Auslieferung der Datenbänder ein "gemeinsames up-date aller Ostdaten" zur Verfügung zu stellen.

57

Die Voraussetzungen für einen Gewährleistungsanspruch der Beklagten wegen inhaltlicher Mängel der Datensätze liegen auch deshalb nicht vor, weil die Beklagte entgegen Ziff. 12.2 der "Bedingungen für die Überlassung von Bestandsdaten der Telefonkunden" nicht hinreichend konkret rügte. Das Schreiben der Beklagten vom 5. Januar 1994 und das der Klägerin übersandte Privatgutachten des Sachverständigen ### vom 28. März 1994 enthielten keine hinreichende Beschreibung der inhaltlichen Mängel, die die Klägerin in die Lage versetzt hätten, die Mängel zu beseitigen.

58

IV.

Der geltend gemachte Vergütungsanspruch ist selbst dann nicht verjährt, wenn der Beklagten dahin gefolgt wird, dass die zweijährige Verjährungsfrist gilt.

59

Die Klägerin reichte am 12. Dezember 1995 den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ein. Der Mahnbescheid wurde am 15. Februar 1996 erlassen und der Beklagten am 19. Februar 1996 zugestellt. Durch die Zustellung wurde die Verjährung unterbrochen. Gemäß § 693 Abs. 2 ZPO trat die Unterbrechungswirkung bereits mit der Einreichung des Antrags ein, weil die Zustellung "demnächst" erfolgte. Dass der Mahnbescheid erst am 19. Februar 1996 zugestellt wurde, beruht zwar auch darauf, dass die Klägerin das Vertretungsverhältnis der Beklagten nicht korrekt angegeben hatte. Im Wesentlichen beruhte es jedoch auf dem Geschäftsablauf des Gerichts. Auf Beanstandung des Rechtspflegers hin teilte die Klägerin das Vertretungsverhältnis binnen eines Tages mit. Das Mahnverfahren ist dadurch in Stillstand geraten, dass die Klägerin den am 26. Februar 1996 angeforderten Kostenvorschuss für das streitige Verfahren erst am 11. Februar 1998 zahlte. Die Unterbrechung endete daher mit der letzten Prozesshandlung des Gerichts im Februar 1998 (§ 213 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 212 a Satz 2, 211 Abs. 2 BGB). Die beginnende neue Verjährung wurde dadurch, dass die Klägerin das Verfahren im Februar 1998 weiter betrieb, erneut unterbrochen (§ 211 Abs. 2 Satz 2 BGB).

60

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

61

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. liegen nicht vor.